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book.beat

Bei der dritten Auflage der Literatursause dreht sich alles um rhythmische Texte und Töne – u.a. mit Karen Köhler und Dirk Darmstaedter.

Literatur folgt, wenn sie gut funktioniert, immer einem bestimmten Rhythmus. Einem Grundrauschen, das die Worte erst zum Schweben und Klingen bringt. Die Verbindung von Musik und Literatur ist nicht neu, und Hamburger Autoren huldigen ihr auf sehr individuelle Weise. Letztlich geht es ja immer um Poesie. In diesem Jahr zum dritten Mal bei der großen Literatursause der Altonale mit dem Titel book.beat.

Der Hamburger Songwriter Dirk Darmstaedter, bis heute mit seiner längst aufgelösten Band The Jeremy Days ein Begriff, präsentiert Songs frisch aus der Druckpresse von seinem neuen Album Before we leave. Die Autorin Karen Köhler verfasst sowohl Theaterstücke als auch Prosa. Sie gibt Auszüge aus ihrem Erzählband Wir haben Raketen geangelt und auch ein paar unveröffentlichte Zeilen zum Besten.

Junge Poesie drechselt auch Thorsten Nagelschmidt. Ursprünglich Sänger, Texter und Gitarrist der Band Muff Potter. Inzwischen dichtet er lieber in Buchform, etwa in seinem Roman Wo die wilden Maden graben. Hier bringt er Kurzprosa aus seiner kommenden Veröffentlichung Drive-By Shots, einer Sammlung von Stories und Fotos, zu Gehör. Weitere Musik gibt es vom Songschreiber Nils Christian Wédtke mit Klängen von seinem Debütalbum Och.

Text: Alissa Schrumpf

 

„Cavalo Dinheiro“

Radikal stilisierte Parabel der postkolonialen Gegenwart Portugals: Das Metropolis zeigt den jüngsten Film von Pedro Costa.

Der portugiesische Regisseur Pedro Costa zählt zu den weltweit gefeierten Regisseuren des europäischen Kinos. Im Rahmen einer viertägigen Werkschau, zu der der 1958 geborene Filmemacher extra nach Hamburg reist, ist auch seine jüngste Arbeit zu sehen: Cavalo Dinheiro (englischer Titel Horse Money) erzählt in Bildern, die von Rembrandt zu stammen scheinen, vom Schicksal eines vertriebenen Kapverden. Die radikal stilisierte Parabel der postkolonialen Gegenwart Portugals wurde 2014 beim Filmfestival in Locarno nicht zu Unrecht mit dem Regiepreis honoriert. Im Metropolis wird sie im Original mit englischen Untertiteln gezeigt.

Pedro Costa, der die Drehbücher seiner Filme selbst schreibt, wird bei der Vorstellung zu Gast sein.

CAVALO DINHEIRO Trailer from Midas Filmes on Vimeo.

 

Xavier Rudd & The United Nations

Kopfnicker mit eingängigem One-World-Repertoire: Der australische Multiinstrumentalist kommt mit neuer Band in die Fabrik.

Manche Worte tragen eine schwere Hypothek. Zum Beispiel „Multiinstrumentalist“. Oder „Weltmusik“. Was sagt uns das? Groovt das? Ist das cool? Oder ist das was für Oberstudienräte, die sich freuen, wenn sie mal wieder ihr Batikhemd anziehen dürfen? Xavier Rudd ist für Freunde der Weltmusik ungefähr das, was Jack Johnson für Surfer war: Extrem laid back, dabei sehr freundlich, ein entspannter Kopfnicker mit einem eingängigen und gut gemeinten One-World-Repertoire. Man kann ihn sich vorstellen, wie er in Bangkoks Khao San Road jongliert oder im marokkanischen Essaouira vor der Bühne des Gnawa and World Music Festival sitzt und sich abwesend Dreadlocks dreht. „Come with me people / stand up with me people / as one and as equal / let’s honor all people“, singt er auf seinem neuen, sehr Reggae-lastigen Album Nanna, für das er sich erstmals an die Spitze einer festen Band gestellt hat, The United Nations. In der Fabrik wird er sich aber sicherlich nicht aufs Singen beschränken, hat er doch in der Vergangenheit seine Fans vor allem mit seinen vielfältigen Fähigkeiten an Gitarre, Didgeridoo, Bues Harp und Percussion begeistert.

 

Wohnzimmer-Geschichten

Quatsch, Querulanten und Quasselstrippen: Alles Gute fängt mit Q an, wenn der Sommersalon die Tür zur guten Stube öffnet.

Es ist soweit. Im Sommersalon stehen wieder Wohnzimmergeschichten auf dem Programm. Die Kleiderfee Tina, auch bekannt als „pinke Superfee mit Hummeln im Arsch“, und der freundliche Herr Richard haben eine Reihe ausgefallener Gäste eingeladen. Erwartet werden die Stadtkutter-Künstler, zumindest ein paar von ihnen, die wieder allerlei Unikate mitbringen, diesmal vielleicht lecker Likörchen, Siebdruckpostkarten oder Acryl-Anhänger, wer weiß? Außerdem kommen Radical-Neighbourhood-Georg (Nie gehört? Kommt und seht selbst!) und Mirco von Maydell. Für die Musik steht Armin Sengbusch aka Schriftstehler gerade. Ist alles wahr, was man so hört, hat er sieben Bücher veröffentlicht, ist Hamburgs Poetry-Slam-Meister und spielt im Sommersalon in Begleitung der geheimen Sinfoniker. Langweilig wird’s also nicht.

Text: Nik Antoniadis

 

King Gizzard & The Lizard Wizard

Psychedelisches Soundgewitter: Die sieben Aussies kommen für eins ihrer berüchtigten Live-Spektakel ins Uebel & Gefährlich.

King Gizzard & The Lizard Wizard ist nicht das jüngste japanische Gozilla-Sequel, sondern ein australisches Septett, nicht minder trashig, dafür berühmt (und berüchtigt) für seine atemberaubenden Live-Shows. Die Spezialität der sieben Aussies sind möglichst unvorhersehbare psychedelische Soundgewitter, nicht nach Zappa-Manier, sondern eher als wenn Muddy Waters, The Prisoners und The Weather Report mal ganz gepflegt ein paar Trips einwerfen würden. „Sie werfen ohne Rücksicht auf Geschmack DayGlo-Farbe an ihre Studiowände – Blues, Mundharmonika, zwei Schlagzeuger, Flöte, Beat-Pop, massiv verzerrte Vocals“, kommentierte jüngst ein Kolumnist des Guardian treffend, „und schauen, was dabei heraus kommt.“ Ihre Studioaufnahmen können dem Bühnenspektakel zwar nicht immer das Wasser reichen; das macht aber nichts, denn im Uebel & Gefährlich sind sie ja höchstselbst auf der Bühne.

Text: Nik Antoniadis

 

Digital Media Women

Beweis für digitale Expertise: Der bundesweit aktive Verein #DMW feiert in der Hamburger Botschaft seinen fünften Geburtstag.

Bei ihnen gibt es keine politisch korrekten, großen I’s: Sie sind Social-Media-Managerinnen, Web- und Grafikdesignerinnen, Online-Journalistinnen, Bloggerinnen, Programmiererinnen und viele andere Innen, die im Web arbeiten. Weil das häufig von Männern dominierte Domänen sind, haben sie sich als Digital Media Women (#DMW) in einem Verein zusammen geschlossen, um die Situation von Frauen in digitalen Berufsfeldern zu verbessern und ihre Expertise unter Beweis zu stellen. Ganz analog feiern sie nun ihren fünften Geburtstag, mit allem, was dazu gehört: Gratulationen, Geschenke und Feiern. Roxanne de Bastion wird eigens von der Reeperbahn Festival Conference aus London eingeflogen, um Geburtstagslieder zu singen. Anschließend zaubert C’est Chomsky einen eklektizistischen Mix Art Rock, Synth Pop und Disco auf die Plattenteller. Spiele fehlen natürlich auch nicht: nicht Topfschlagen, Sackhüpfen oder Eierlaufen, sondern ganz im Sinne des digitalen Business gibt es Powerpoint-Karaoke. Also Mädels, Montagabend nichts vornehmen und in die Hamburger Botschaft gehen! Früh kommen lohnt sich!

Text: Nik Antoniadis

 

Chilly Gonzales & Kaiser Quartett

Rampensau mit Radikal-Entertainment: Dem Wahl-Kölner ist alles zuzutrauen, wenn er in der Laeiszhalle sein neues Album vorstellt.

Chilly Gonzales begibt sich zurück an den großen Konzertflügel der Laeiszhalle. Bekleidet mit Bademantel und Pantoffeln, versteht sich. Im traditionsreichen Konzerthaus wird ihn wieder das Hamburger Kaiser Quartett begleiten, mit dem er über die letzten Jahre hinweg eine enge Zusammenarbeit pflegt, aus der das jüngst erschienene Werk Chambers resultiert. Diese Kooperation schlägt in gewisser Weise die musikalische Brücke zu seinen beiden berühmten, klassisch und avantgardistisch angehauchten Solo Piano-Platten und ergänzt die Leichthändigkeit des Pianisten und Wahl-Kölners mit den satten und präzisen Streichern des Quartetts. Man darf gespannt sein, ob Jason Beck, wie er im wahren Leben heißt, in der Laeiszhalle sein Rampensau-Dasein nun abgelegt hat und tatsächlich ruhiger geworden ist oder ob sein Radikal-Entertainment noch Bestandteil der Bühnenshow ist. Alles ist ihm zuzutrauen. In seinen Bann und um den Verstand spielen wird er sein Publikum ohnehin.

Text: Jan-Frederic Goltz

 

Børns

Allein das Bild, das im Kopf entsteht, wenn man seinen erfolgreichsten Song 10.000 Emerald Pools bei SoundCloud hört: eine große Auswahl an smaragdfarbenen Becken mit glasklarem Wasser, in die es nur noch einzutauchen gilt – mit dem liebsten Menschen der Welt an seiner Seite oder im besten Sommer seines Lebens. Selten hört man einen Künstler, dessen Songs so viele Glücks- und Sympathiegefühle in einem hervorrufen. Børns kann das – selbst wenn er über eine unerwiderte Liebe singen sollte. Alternative, Indie, Pop, Glam- und Electro-Rock, Hippie: Der aus Michigan stammende Sänger vereint diese Genres mit einer Leichtigkeit, als würde er in seiner Wahlheimat L.A. täglich bei seichtem Seegang und aufgehender Sonne mit seiner klaren und hellen Stimme auf ihnen Wellenreiten gehen. Und so ist es auch ein Leichtes, sich von Børns‘ nach eigener Auskunft dynamischer Show aus dem grauen Einerlei Hamburgs entführen zu lassen – am Mittwoch im Molotow.

Text: Andra Wöllert

 

Leon Bridges

Von der Texmex-Küche in den Soul-Pop-Himmel: Leon Bridges beweist in Hamburg live, dass er einzig und allein auf die Bühne gehört.

Wenn Leon Bridges seine Vom-Tellerwäsche-zum-Star-Geschichte erzählt, lächelt er zunächst beschämt. Nach seinen Schichten als Küchenhilfe in einem Texmex-Restaurant ging der 25-jährige Texaner auf die Bühnen kleiner Bars und Clubs, spielte auf der Gitarre und sang seine eigenen Songs. Der Erfolg blieb aus. „Es war frustrierend“, sagt Bridges, „ich war kurz davor, die Sache mit der Musik einfach sein zu lassen.“ Aber: „Irgendwann kam nach einem Konzert jemand zu mir und fragte mich, was denn meine Inspirationen seien, und dass ich sicher ein großer Fan von Sam Cooke sei.“ Brigdes kannte den einstigen Soul-Superstar aber nicht wirklich. Er beschäftigte sich also mit der Musik von damals. Am Ende seiner Erkundungszeitreise stand die Festigung seines heute bekannten knisternden Soul-Pops, der tatsächlich nach den Fünfzigern klingt. Texmex war passé und die Jagd der Plattenfirmen auf den jungen Mann, der sich fortan auch wie aus einer anderen Dekade kleidete, eröffnet. Ein Major machte das Rennen. Brigdes‘ gerade erschienenes Album Coming Home zeigt ihn als den starken, berührenden Sänger, der er immer sein wollte. Und jetzt wird auch Hamburg Teil seiner Erfolgsgeschichte.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Thalia Campus

Viel lernen in acht Tagen: Die Kulturstätte bietet Studenten Workshops, Vorstellungen und einen Blick hinter die Kulissen.

Das Thalia Theater hat ein Großes Haus, eine Zweigstelle in der Gaußstraße, eine Garage und sogar einen eigenen Campus. Deutlich kürzer als ein Semester ist die dortige Studienzeit auf sieben Tage begrenzt: Das Thalia Theater gewährt Studierenden aller Hochschulen und Fachrichtungen vom 1. bis 7. Juli exklusive Einblicke. Dazu gehören kostenlose Workshops unter Anleitung von Thalia-Mitarbeitern aus Dramaturgie, Geschäftsführung oder Kostümwerkstatt. Intendant Joachim Lux erklärt, wie er sein Theater leitet, und Schauspieler erläutern, wie sie sich einer Rolle nähern. Und natürlich kann man bei Proben zuschauen und Stücke sehen. Zehn Inszenierungen in zwölf Vorstellungen – und jede für sieben Euro: Jedermann, Die Blechtrommel, Die Stunde da wir nichts voneinander wußten, Die Schutzbefohlenen, Faust I, Die lächerliche Finsternis, Penelope, Das Tierreich, Der Fremde und Rainald Grebe: Volksmusik.

Text: Dagmar-Ellen Fischer