Zuletzt konnte man in Hamburg den Eindruck gewinnen, die Flüchtlingskrise sei vorbei. Eine gefährliche Illusion.
In den vergangenen Wochen klang es manchmal fast so, als sei es nun vorbei. Zwischen 60 und 90 Flüchtlinge kommen derzeit täglich in Hamburg an, sehr wenige im Vergleich zu den Zahlen im Herbst, als in mancher Nacht 600 Neuankömmlinge untergebracht werden mussten. Was für ein Gefühl der Erleichterung!
Die umstrittenen Großsiedlungen für Flüchtlinge? Braucht man vielleicht gar nicht mehr. Die eingeplanten Millionen? Könnte man doch auch anders ausgeben. Flüchtlingskrise, war da was? Leider ja. Und leider ist es auch noch nicht vorbei. Die Erleichterung ist eine Illusion – mit einer großen Gefahr: Sie macht vergessen, wie groß die Herausforderung nach wie vor ist.
Das zeigt sich in einer Nachricht vom Wochenende: In Bergedorf musste ein ehemaliger Baumarkt mit 600 Flüchtlingen evakuiert werden, weil die Behörden fürchteten, dort könnten sich im Trinkwasser gefährliche Bakterien angesiedelt haben. Immer noch leben mehr als 17.500 Flüchtlinge in provisorischen Erstaufnahmen, 7.000 davon in ehemaligen Gewerbehallen und Baumärkten. Dort sind je Hunderte Menschen untergebracht, getrennt nur durch Stellwände. Selbst Senatsmitglieder räumen ein, dass die Zustände dort bedenklich seien. Insider überrascht es nicht, dass nun ein Baumarkt wegen gravierender hygienischer Mängel geschlossen werden musste.
Aber das ist noch nicht einmal das größte Problem. Eigentlich sollen die Flüchtlinge nur kurze Zeit in den Erstaufnahmen bleiben. Viele leben inzwischen aber seit einem halben Jahr oder länger in den Provisorien. Kinder werden dort, wenn überhaupt, eher betreut als unterrichtet. Erwachsene verbringen ihre Zeit oft einfach nur mit Warten.
Wer sich gegen den Bau von Folgeunterkünften wehrt, wer glaubt, alles sei mit dem Schließen der Balkanroute erledigt, sollte sich klarmachen: Jeder Tag in einer Erstaufnahme ist ein verlorener Tag für die Integration. Die Herausforderung hat erst begonnen.