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Liveblogging: McCain vs Obama, letzte Runde

 

22:55h McCain hat Boden gutgemacht, vor allem beim Wirtschaftsthema. Er wirkte besorgter, wärmer, nicht so abgehoben wie sonst. Aber dann hat er die Sache mit Ayers übertrieben und konnte nicht aufhören, Obama immer wieder anzugreifen. Gereicht hat die Performance nicht, um das Spiel auf den Kof zu stellen. Obama nutzte die Gelegenheit, sehr präsidentiell auszusehen. Er hat weder wütend auf die Angriffe reagiert, noch hat er selbst Palin angegriffen. Er konnte am Ende bei Bildung und Abtreibung punkten. Brilliant war er nicht. Aber für ihn kam es darauf an, dass die Leute sich daran gewöhnen, dass er bald der Präsident sein könnte und das nicht völlig bizarr ist. Er hat das geschafft. McCain wiederum wirkte – verständlicherweise – zuweilen sehr angespannt. So sehen keine Sieger aus.

22:32h Die Debatte ist insgesamt merkwürdig zahm, wie gelähmt. Man kann kaum einen Bezug zur Schwierigkeit der Lage sehen. Erst im Schluß-Statement schlägt McCain den passenden Ton an. Aber er verstolpert seine Sätze, sagt zweimal, er werde ein „careful steward of your tax dollars“ sein. Er stellt sich in eine „lange Reihe von McCains“ und bietet sich als erster Diener an.

Obama nutzt den Schluß zum Angriff auf McCain und schließt dann mit Versprechungen ab – wir wünschen allen Menschen alles Gute (Ausbildung, Gesundheitsversicherung, Wohnung).

Insgesamt war das eine merkwürdig verhaltene Angelegenheit. Vielleicht lag’s am Sitzen, das wirkt aggressionshemmend.

22:23h Obama mischt in seiner Einlassung zur Bildung linke und konservative Elemente: Er will eine „Armee“ neuer Lehrer gewinnen und bedürftigen Zuwendungen geben im Ggeenzug für Dienst an der Gemeinschaft. Und dann redet er den Eltern ins Gewissen, sie müssten die Glotze ausschalten und das Videospiel wegnehmen und eine Sehnsucht nach Wissen in den Kindern wecken. McCain ist hier wieder sehr unkonzentriert und sagt, Geld sei nicht die Lösung. Stimmt ja immer irgendwie, aber auch nicht.

22:16h Endlich eine klare Alternative: Obama bekennt sich zum status quo in Abtreibungsfragen, McCain sagt, er werde den Supreme Court zwar nicht nach parteilichen Gesichtspunkten besetzen, aber jemand, der für das Recht auf Abtreibung eintrete, könne nicht in Frage kommen. (Also doch.) McCain greift immer wieder an und versucht Obama als jemanden hinzustellen, dem das Leben eines Ungeborenen nichts wert ist. Der alte Herr ist der Herausforderer. Obama ist Establishment, er regiert schon. (Merkwürdige Optik.)

22:08 h Obama hat einen free ride mit seinem Konzept zur Gesundheitsreform. McCain wendet sich „meinem alten Freund Joe, dem Klempner“ zu, verspricht ihm einen Steuervorteil für seine private Gesundheitsvorsorge und warnt vor Obamas Konzept: da würden nämlich einfache Leute gezwungen, einer Sache beizutreten, ob sie’s wollen oder nicht. Schwacher Angriff, der Wunsch nach erschwinglicher Gesundheitsvorsorge ist einfach zu weit verbreitet, um das als Horror erscheinen zu lassen.

Wiederholt geht McCain gegen Obamas Plan vor, der bedeute „big government“. Das ist lachhaft in Zeiten, in denen täglich neue Banken verstaatlicht werden – von Republikanern. Wenn er gegen „die Regierung“ redet, kommt McCain richtig in Fahrt. Aber die Leute brauchen heute eine aktive Regierung, um sie zu schützen.

21:58h Wieder zunächst Vorteil McCain: Er verteidigt das Freihandelsabkommen mit Kolumbien. Amerika müsse mit Kolumbien zusammenarbeiten, auch bei der Drogenbekämpfung. Obama hat erst Schwierigkeiten, seine Ablehnung zu begründen. Dann kommt er aufs Thema der Energieeffizienz, vor allem für Autos, als wichtigen Bestandteil der Energiepolitik. Das ist ein heisses Thema bei der aktuellen Finanzlage der privaten Haushalte.

21:52h McCain hat noch eine gute Phase bei der Frage nach der Unabhängigkeit von importiertem Öl. Er kann hier seine Differenz von Bush klarmachen, ohne Bush überhaupt zu erwähnen. Obama hat eigentlich nicht viel anderes vorzuschlagen. Die beiden Kandidaten sind sich bei der Energiepolitik relativ nahe.

21:48h Jetzt müssen beide ihre Vizepräsidenten verteidigen. Obama stellt Biden als einen guten Progressiven dar – für den kleinen Mann, für neue Energiepolitik, erfahrener Aussenpolitiker. McCain preist Palin als ein Modell für weibliche Karrieren. Obama traut sich nicht, sie anzugreifen (vielleicht klug so!). McCain hingegen geht frontal auf Biden los, der oft falsch gelegen habe. Da sieht er besser aus, freier.

21:40h Obama muss sich für Ayers rechtfertigen. Er macht das ganz ruhig, indem er seinen Kontakt herunterspielt und auf die involvierten Republikaner verweist. McCain schaut ein bisschen irre, während Obama die alten Geschichten erklärt. Hat er was erreicht? Obama hat die ganze Zeit schon gesagt, er wolle lieber zum Thema des Abends sprechen. (Ob das alles irgendjemanden interessiert, der nicht eh schon von den entsprechenden Gruppen vorinformiert ist – also die begehrten Independents? Unwahrscheinlich.)

21:39h Obama ist in der Klemme: Er will nicht auf das Thema einsteigen. Er will nicht zurückkoffern. Dadurch sieht er teilweise zu zahm aus. Aber wenn er dann immer wieder mahnt, wir sollten zum Thema zurückkehren, sieht er präsidentieller aus als der alte Herr.

21:33h Der Moderator Bob Schieffer spricht die häßliche Seite der Kampagne an, die Charakterattacken. McCain gibt sich leutselig: Es tue ihm leid „wegen beider Kampagnen“. er gibt sich verletzt durch die Vorwürfe, er und Palin hätten rassistische Ressentiments geschürt.

Obama läßt das Thema an sich abperlen: Die Leute interessiert das nicht, sagt er, daß wir uns hier beharken. Wir müssen Rezepte zur Besserung der Lage bringen.

McCain antwortet beleidigt und stilisiert sich zum Opfer einer „noch nie dagewesenen Negativkampagne“.  Geschickt? Aber der Kriegsheld jetzt als Opfer?

21:27h Obama hakt ein und merkt, dass er damit McCain in der Falle hat: Er greift ihn wieder als Fortsetzung von Bush an. Damit bringt er in die Lage, sich wieder zu verteidigen und von Bush zu distanzieren. Das sieht nicht gut aus, selbst wenn er es ehrlich meint.

21:23h: McCain wird endlich seinen Satz los, der ihn von Bush distanzieren soll: „Wenn Sie gegen Bush kandidieren wollen, dann hätten Sie vor vier Jahren antreten sollen. Ich bin nicht Bush.“ Er habe gegen die Ausgabenpolitik rebelliert, Obama nicht. Gute Angriffe, McCain kommt in Schwung.

21:21h Endlich die Frage nach dem explodierenden Defizit! „Ignorieren Sie nicht beide die Realität?“ Obama: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt! Aber er will nicht sagen, welche seiner Vorschläge nicht finanzierbar sind. Stattdessen spricht er von den Privilegien der Versicherungsbranche, die er wegnehmen will. Und schon ist er wieder bei Mehrausgaben – Investitionen in Energie-Unabhängigkeit.

McCain sagt das Gleiche: Wir werden tausende neue Jobs bei erneuerbaren Energien schaffen. Immer wieder sagt er, er „wisse“, wie er dem Steuerzahler Millionen einsparen könne. Und dann kommen eher kleine Beispiele. Beide sind sehr schwach, irgendwie gehemmt.

21:11h Beide Kandidaten sind gereizt. Sie wetteifern darum, wer den Leuten die größten Steuergeschenke macht. Angesichts der Wirtschaftslage ist das lachhaft. Der Moderator fragt nicht nach. Schlecht.

Heute findet die letzte Redeschlacht der beiden Kandidaten statt. Ich werde hier wieder ab 3h MEZ (21h EST) live bloggen.

Die McCain-Kampagne steht vor einer Entscheidung. Die scharfen Attacken der letzten Wochen haben nichts gebracht. im Gegenteil: je härter man Obama anging und als unpatriotisch hinstellte, ja gar als Terroristenfreund, um so mehr zog er in den Umfragen davon. Mittlerweile gibt es teilweise zweistellige Vorsprünge in entscheidenden Staaten.

Wird McCain also heute bei der letzten Debatte weiter auf Angriff und persönliche Disqualifizierung seines Opponenten setzen? Er hat es angekündigt: „I am going to say it in his face!“

Unterdessen erwarten die Wähler klarere Sprache über die dramatische Wirtschaftslage. Die Enteignungen von Häusern gehen weiter, die Arbeistlosigkeit steigt, Kredite sind schwer zu bekommen, die Rentenplanungen vieler Menschen stehen auf der Kippe.

Obama wird sich Fragen zur Finanzierbarkeit seiner Vorschläge gefallen lassen müssen. Man darf gespannt sein, wie er auf eventuelle direkte persönliche Angriffe reagiert. Sich als „wütender schwarzer Mann“ zu präsentieren, wäre sicher ein Fehler, weil es ihn für zögerliche Wähler schwerer verdaulich macht. Die Republikaner hätten ihn freilich gerne genau in dieser Ecke.

Es wird bestimmt ein spannender Abend (Morgen).