Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Kopftücher in Norwegen

 

Zwei Meldungen aus Norwegen, anhand derer ich noch einmal versuchen will, meine Haltung zum islamischen Kopftuch zu klären:

Erstens wird berichtet, das Lebensmittelunternehmen Nortura ermögiche Musliminnen das Tragen von Kopftüchern bei der Arbeit – und stelle zu diesem Zweck auch hygienische Einmal-Kopftücher bereit, wie Sie auch in Schweden bereits im Gesundheitswesen üblich sind. Kopftücher zum Wegwerfen also.

Die Mitarbeiter dort sind ohnehin gehalten, bei der Arbeit ihre Haare zu bedecken. Ich halte diese Regelung für völlig in Ordnung. 

Nortura-Managerin demonstriert das Wegwerf-Kopftuch

Zweitens hat die Eingabe einer islamischen Polizistin Erfolg gehabt, die bei der Arbeit Hidschab tragen will. Künftig wird es in Norwegen erlaubt sein, als Polizistin Kopftuch zu tragen. Islamische Verbände begrüßen diese Regelung, die Polizeigewerkschaft ist enttäuscht, weil sie das Neutralitätsprinzip verletzt sieht. Das Argument der Befürworter lautet, im Sinne einer umfassenden Repräsentanz der Gesellschaft sei es sinnvoll, das Kopftuch zuzulassen, denn sonst „würde man de facto diese Gruppen ausschliessen“. 

Keltoum Hasnai Missoum, die norwegische Polizistin

Ich finde dieses Argument gefährlich. Man hat damit die Deutung akzeptiert, dass die neutrale Kleidung eine Diskriminierung derer ist, die mit ihrer Kleidung eine relgiöses Bekenntnis zum Ausdruck bringen wollen. Sie wird gerne von Islamisten vorgebracht. Sie ist aber nicht plausibel. (Eine Parallele zum Burkini-Fall in Berlin.)

Ich bin der Überzeugung, dass es legitim ist, mit seiner Kleidung religiöse und andere Meinungen auszudrücken. Und ich bin allerdings auch der Meinung, dass man bereit sein muss, dafür gegebenenfalls  den Preis zu zahlen – dass man eben nicht für den weltanschaulich neutralen Staat stehen kann. 

(Wenn man etwa als orthodoxe Jüdin die Police Academy von New Jersey absolviert hat, steht man auch vor schweren Entscheidungen. Hier taucht dann z. B. die Frage auf, ob man überhaupt am Freitag Dienst tun könne.)

Es ist nichts gegen ein Kettchen mit islamischen Insignien zu sagen, oder gegen ein kleines Kreuz, das man um den Hals trägt. Aber ein großes Kreuz möchte ich nicht um den Hals eines Polizeibeamtenoder selbst eines Religionslehrers baumeln sehen. Eine Kippa auf dem Kopf finde ich im öffentlichen Dienst auch unangemessen.

Dito ein Kopftuch. Wer den Verzicht darauf nicht auf sich nehmen kann, muss eine andere Karriere einschlagen.

Das Argument, bekopftuchte Polizistinnen kämen besser an in manchen Migranten-Milieus, ist auch gefährlich. Heisst das, ganz gewöhnliche Polizisten würden dort nicht akzeptiert? Brauchen wir eine Scharia-konfome Polizei? Ja, wo leben wir denn?

Es ist ein Irrweg, wie in den USA oder in Großbritannien Kopftücher und Turbane (von Sikhs) im Staatsdienst zuzulassen.

Neutralität im öffentlichen Dienst ist ein hohes Gut. Und es wird immer wertvoller, je bunter unsere Gesellschaften werden.

In keinem Fall darf das Argument akzeptiert werden, die Pflicht zur religiösen Zurückhaltung im Dienst sei schon Diskriminierung.

Muslime sind als Polizisten sehr willkommen, wie jede andere Gruppe auch. Es werden aber keine Gruppen eingestellt, sondern Individuen, die einen Eid auf den Staat leisten. Es darf keine religiöse Diskriminierung geben, ja der Staat sollte sich für das religiöse Bekenntnis überhaupt nicht interessieren. Aber muslimische Staatsdiener dürfen umgekehrt den Staatsdienst nicht zur Propagierung ihrer Religion nutzen, wie jeder andere übrigens auch.

Immer wieder das Gleiche: Im Namen der Toleranz wird die öffentliche Sphäre demontiert, um die religiösen Aktivisten zu akkomodieren. Den vielen Muslimen, die den Westen wegen seiner Neutralität schätzen und wegen der Trennung von Religion und Staat, tut man damit einen Tort an.