Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wie Obama säkularistischen Muslimen in den Rücken fällt

 

Hier meine Übersetzung des sehr bedenkenswerten Einwurfs von Marieme Hélie-Lucas:

„Zunächst einmal wendet sich Obama an den Islam, als ob eine Idee, ein Begriff, ein Glaube ihn erhören könne. Als ob dies nicht vermittelt werden müßte durch Menschen, die Ideen, Begriffen, einem Glauben anhängen. Wie Soheib Bencheikh, der frühere Mufti von Marseille einmal gesagt hat: ‚Ich habe noch nie einen Koran auf der Straße marschieren sehen.‘

Kann man sich für eine Minute vorstellen, dass Obama sich ans Christentum wenden würde ? An den Buddhismus? Unmöglich, er würde zu den Christen, zu den Buddhisten sprechen, … kurz zu Menschen, zu Individuen, die sich voneinander unterscheiden.

Obama essentialisiert den Islam, er ignoriert die enormen Differenzen zwischen den muslimischen Gläubigen bestehen, – Unterschiede in der religiösen Interpretation und ziwschen Denkschulen, aber auch kulturelle Unterschiede und politische Divergenzen. Es ist unmöglich, angesichts einer solchen Vielheit vom Islam in einer totalisierenden Weise zu sprechen, wie er es tut. Er würde nie wagen, das Gleiche beim Christentum zu tun – und etwa das Opus Dei und die Befreiungstheologie zusammenzuwerfen…

Unglücklicherweise bedeutet die Essentialisierung des Islam, dass man das Spiel der Fundamentalisten spielt, die dauernd bemüht sind die Idee zu verbreiten, es gebe nur einen einzigen Islam – den wahren, in anderen Worten: ihren -, eine homogene islamische Welt, und als Folge daraus ein einziges islamisches Recht, das von allen respektiert werden müsse im Namen des religiösen Gesetzes. Das geringste Studium der Gesetze in den islamischen Ländern zeigt aber schon, dass diese variieren, manchmal sogar dramatisch von einem Land zum nächsten – inspiriert nicht nur von unterschiedlichen religiösen Auslegungen, sondern auch von verschiedenen kulturellen Parktiken auf jenen Kontinenten, auf denen der Islam sich ausgebreitet hat, und auch von historischen und politischen Besonderheiten, darunter koloniale. Alles Quellen, die ausdrücklich nicht göttlicher Art sind.

Dies ist die verhängnisvolle Konsequenz der Manier, in der Obama den Islam vergegenständlicht und die Muslime homogenisiert: Wie auch immer seine Kritik der Fundamentalisten ausfällt – er nennt sie eine „Minderheit von Extremisten“ -, er benutzt ihre Sprache und ihre Konzepte. Das kann nur schwerlich den Kampf der Antifundamentalsiten in den islamischen Ländern unterstützen.

Schießßlich spricht Obama zu den Religionen statt zu Bürgern, Nationen oder Ländern. Für ihn muß jeder eine Religion haben. Die Tatsache stört ihn wenig, dass Menschen oft eine religiöse  Identität erdulden, die ihnen gewaltsam aufgezwängt wird. Es passiert immer öfter, dass in den islamischen Ländern die Bürger gezwungen werden, eine religiöse Praxis zu befolgen, und dass sie jeden Widerstand dagegen mit ihrer Freiheit und manchmal mit ihrem Leben bezahlen. Darum versetzt der amerikanische Präsident ihren Menschenrechten, ihrer Gedankenfreiheit, ihrer Meinungsfreiheit einen Stich, wenn er öffentlich die Idee unterstützt, dass jeder Bürger eines Landes, in dem der Islam die Mehrheitsreligion ist, automatisch ein gläubiger Muslim sei (ausser wenn er einer anderen Minderheitsreligion angehört).


Ob sie nun gläubig sind oder nicht, praktizierend oder nicht, Menschen entscheiden manchmal, dass die Religion nicht ihr bestimmendes Identitätsmerkmal sein soll. Zum Beispiel können sie ihrer Identität als Bürger die Priorität einräumen. Eine gute Zahl von Bürgern in den ‚islamischen‘ Ländern möchte die Religion auf ihren Platz verweisen und von der Politik trennen. Sie unterstützen den Laizismus und wollen weltliche Gesetze, das heißt demokratisch legitimierte Gesetze, veränderbar gemäß der Wahl und der Stimmabgabe der Menschen; sie stellen sich im Namen der demokratischen Regeln gegen die Einführung unveränderlicher Gesetze, die übergeschichtlich und angeblich göttlichen Ursprungs sind. Sie kämpfen gegen die Macht der Religiösen.“