Christopher Caldwell schreibt in seiner Kolumne in der Financial Times über die Deutsche Islam Konferenz, ihr Grundansatz sei geeignet, die Diversität der Muslime in Deutschland – die gerade in der hier bereits erwähnten Studie des BAMF festgestellt wurde – zu missrepräsentieren: eben gerade weil sie mit dem Ziel antrete, eine einheitliche Vertretung der Muslime zu generieren, die dann als Ansprechpartner des Staates dienen könne:
Muslims, whether they are one community or several, have certain shared values they can be expected to pursue – and are entitled to pursue – in the public sphere. A lot of important political questions today, from gay marriage to sexual education, revolve around how deeply religious principles ought to inform public law. How diverse, politically speaking, will German Muslims be?
While Mr Schäuble’s Islam Conference can be applauded as a gesture of welcome, its focus on the diversity of Muslim communities is beset with contradictions. If Islam in Germany is as diverse as the BAMF report says, then why is a big national initiative the right way to deal with it? And what is the desired outcome?
A conclave such as the Islam conference tends to elevate the invitees to semi-official status as community representatives. This gives them a strong incentive to forge a “Muslim community” where none existed. The lesson of decades of such conferences from the US civil rights movement is that they make the groups they deal with less diverse.
Ich habe hier schon gelegentlich ähnlich argumentiert, dass es irreführend sei, die Einwanderer aus überwiegend islamischen Ländern in Europa schlichtweg als „Muslime“ zu verbuchen. Dies bleibt auch ein Problem der neuen Studie: So haben wir nun auf einmal rechnerisch eine Million mehr „Muslime“ als gedacht – weil noch weitere Einwanderungsländer berücksichtigt wurden. Wie ich an anderer Stelle bereits geschrieben habe: Wir produzieren so Tag für Tag mehr „Muslime“.
Was nun die DIK angeht, kann man Caldwell insoweit Recht geben, als der ursprüngliche Ansatz ein deutsch-korporatistischer war: Wir schaffen eine islamische Kirche (ohne das freilich je so zu nennen).
Glücklicherweise hat man aber von Anfang an nichtorganisierte und nicht fromme Muslime (tja, das gibt es) hinzugenommen, um die Vielfalt darzustellen und die Debatten u n t e r Muslimen hineinzuholen.
Und unterdessen ist man von dem Ziel einheitlicher Repräsentanz gründlich abgekommen: In der Regierung strebt das niemand mehr an, der KRM (Koordinationsrat der Muslime) kann die Funktion nicht erfüllen, und unter den beteiligten Muslimen gibt es – siehe die Abschlusserklärung – viel zu viel Streit. Insofern trifft die Kritik Caldwells nicht zu.
Es war ein wichtiger Prozess, den man durchlaufen musste. Es wird keine Einheitsrepräsentanz des Islam in Deutschland geben. Mit bestimmten Gruppen – das weiss man jetzt – kommt man nicht weiter. Ditib muss sich reformieren und öffnen, wenn sie eine Rolle spielen will. Die säkularen oder Kulturmuslime (Necla Kelek, Ezhar Cezairli et al.) sind ein anerkannter Faktor der Debatte, ebenso liberale Gläubige wie etwas Seyran Ates – und das ist eine große Leistung, denn: Wo auf der Welt ist das so?