Gestern war ein lesenswerter Text von Dieter Bartetzko in der FAZ, in dem auf die auch von mir schon gelegentlich erwähnte Parallele zwischen Synagogenarchitektur (im 19. Jhdt.) und der Moscheebaudebatte heutzutage hingewiesen wurde.
Die Juden bauten in Deutschland teils orientalisierende, teils „vaterländische“ Synagogen. Die „maurischen“ Elemente standen für die Wiederentdeckung des Andersseins der Juden, die sich als Emanzipierte trauten, Distanz zu den deutschen Sakral-Baustilen zu markieren. Manche Synagoge sah dann aus wie eine Moschee (etwa die Kölner Hauptsynagoge, hier zu besichtigen).
Rekonstrukton der Kölner Hauptsynagoge im orientalischen Stil
Auf diesen Stil antwortete der assimilierte Stil mit romanischen oder gotischen Elementen. Diese Synagogen waren teils von Kirchen nicht mehr zu unterscheiden. Berühmtestes Beispiel: Die Dresdener Synagoge von Gottfried Semper, von den Nazis 1938 zerstört. Sie war aussen wie eine romanische Kirche gestaltet, verbarg in ihrem Innern aber einen orientalisierenden Raum.
Alte Synagoge in Dresden, Achitekt: Gottfried Semper
Hierzu nun schreibt Bartetzko:
Der Appell dieser Synagogen war eindeutig: Integration. Das gilt sogar für den altorientalischen Monumentalismus der um 1900 entstandenen, heute wieder berühmten Großsynagogen in Essen, Berlin oder Frankfurt-Westend. (…) Wie sehr Synagogen integraler Teil der deutschen Kultur geworden waren, zeigte sich nach 1918. Während in Wilmersdorf 1923 Deutschlands erste von einer islamischen Gemeinde errichtete Moschee als Kopie der heimatlichen Moscheen errichtet wurde, bauten jüdische Gemeinden teils im konservativen Heimatschutz-, teils im umstrittenen avantgardistischen Bauhausstil und teilten so die ästhetischen und ideologischen Konflikte der Weimarer Republik.
Diese fast vollständige ästhetische Integration überdauerte selbst den Judenvernichtungsterror der Nationalsozialisten: Als nach 1945 wieder Synagogen in Deutschland gebaut wurden, entstanden sie, zuweilen mit dezent orientalisierenden Details versehen, im Stil der deutschen Wiederaufbaumoderne. Dass die Traumata des Massenmords nachwirkten, drückt sich außer in der zurückhaltenden Gestaltung auch in den zurückgezogenen, oft zusätzlich von Mauern geschützten Standorten der Synagogen aus.
Diese Isolation, die in den neuen Synagogen überwunden scheint, drückt sich aber in den älteren Moscheebauten in Deutschland immer noch aus. Verantwortlich für ihre Lage in Randgebieten und Hinterhöfen ist die Geldknappheit der auf Spenden angewiesenen islamischen Gemeinden, aber auch beiderseitige Ausgrenzung. Dieses Nischendasein, gepaart mit traditionellem Konservatismus und dem Nichtwissen um hiesige Berührungsängste, dürfte mitbewirkt haben, dass die Mehrzahl der Moscheen der ersten und zweiten Generation reine Orientkopien sind. Der Streit um Minarette geht von den neuen Moscheen aus, die zwar den Hinterhof, aber nicht das architektonische Außenseitertum verlassen haben. So kommt es, dass die nichtislamische Öffentlichkeit selbst in Paul Böhms unbestreitbar modernem Entwurf für die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld nicht eine expressive Neudeutung der Blauen Moschee sieht, sondern einfach ein drohendes Monument, das den Orientalismus in Riesendimensionen treibt. Dem entspricht auf islamischer Seite, dass die Mehrheit der Gläubigen, obwohl der Islam außer der Ausrichtung nach Mekka keine Regeln für den Moscheebau kennt, Abweichungen vom Gewohnten strikt ablehnt.“
Ich bin, wie ich bereits an der Penzberger Moschee erklärt habe, durchaus ein Freund des „integrativen“ Baustils. Aber ich finde es sehr problematisch, den Muslimen die jüdisch-deutsche Erfahrung normativ vorzuhalten.
Denn: Was war die Antwort der deutschen Gesellschaft auf die Botschaft der „Integration“? Brennende Synagogen und Völkermord. Es hat den Juden nichts gebracht, sich in die deutsche Gesellschaft einzufügen und ihre ästhetischen Vorlieben zu teilen.
Es gibt eigene, heutige Gründe für einen neuen islamischen Baustil, wie er in Penzberg versucht wurde.
Die deutsche Gesellschaft kann es sich aber nicht so einfach machen, die Vorbehalte gegen Moscheen allein (und in jedem Fall) auf die „Selbstausgrenzung“ der Muslime zu schieben (die es natürlich auch gibt). Dass man etwa in der modernen Böhm’schen Moschee für Köln ein „drohendes Monument“ sieht, liegt sehr wohl im Auge des Betrachters.
Im übrigen sind es ja gar nicht so viele, die sich in Köln bedroht fühlen.
Man könnte darin ja auch eine lange Erinnerung an die Vorgeschichte sehen, in der orientalisierende Synagogen ebenso verbrannt wurden wie die hoch angepassten vaterländischen Exemplare. Vielleicht gibt es in Köln ein Gefühl für den Verlust, den man sich seinerzeit selbst beigebracht hat durch die Vertilgung des gebauten Orients?