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Tariq Ramadan endlich im Gelobten Land

 

Tariq Ramadan hatte nach Jahren des Banns endlich Gelegenheit, sich einem amerikanischen Publikum vozustellen – in New York bei der Cooper Union. Die Gründe für den Bann habe ich hier erklärt, und hier habe ich mich früh (2004) dagegen ausgesprochen, weil ich die Angst vor diesem Mann immer ein falsches Signal fand, das ihn nur größer macht als er ist.

Ich habe selbst zwei Mal mit Ramadan in Berlin öffentlich debattiert und feststellen müssen, dass er sehr gut aufzutreten weiß und geschickt argumentiert – aber am Ende eben doch kein Mann zum Fürchten ist.

Nun darf ich mich mit meiner Argumentation gegen das Einreiseverbot voll bestätigt fühlen: Ramadans Auftritt in New York war gut besucht und doch alles andere als eine Sensation: Der Prediger hat sich selbst entzaubert. George Packer, der mit Ramadan auf dem Podium saß, hat in seinem „New Yorker“-Blog über den Auftritt geschrieben:

Ramadan seemed wrong-footed in those opening remarks. He didn’t have a sense of where he was, of his American audience. It was as if he were speaking to disaffected young second-generation immigrants in a working-class mosque in Lille or Leicester, which is how he spends much of his time. Multiple identities, the value of diversity—not exactly news in this city, in this country. Many of his sentences amounted to buzz words strung together, without reaching a point. It seemed a missed opportunity: his first address in America since becoming an international figure, and he hadn’t prepared, hadn’t thought it through.

Once Ramadan sat down, and the panel and audience got involved, he became much sharper. Hearing him talk for an hour and a half, you realized what he is and isn’t. He is not a philosopher, or an original thinker. He has been cast in that role by recent historical crises and his own ambition—the role of someone whom large numbers of people turn to for insight on a vast range of issues, from the Islamic texts to globalization, from unemployment in France to women’s rights. What he has to say about most subjects is garden-variety European leftism. When questions of Islam and Muslims join the debate, his stance is that of a reconciler: he wants to make it possible for young Muslims to affirm their religious faith as an identity while fully participating as citizens of secular democracies. That’s his main project, an important one, and it’s where he is at his best: as a kind of preacher to confused, questing young Muslims who want to know how to live, where they fit in. And because American Muslims are not a large and disenfranchised and angry minority in this country, I don’t think this calling leaves him with very much to say to audiences here. An American Tariq Ramadan would likelier be talking to groups of young blacks or Hispanics.

So ist es. Und darum erübrigen sich Einreiseverbote ebenso wie hysterische Entlarvungen dieses Predigers als Mann mit einer doppelten Agenda (wie zuerst auf Französisch vorgelegt von Caroline Fourest, dann auf Englisch von Paul Berman in der New Republic). In New York „Diversität“ und multiple Identitäten zu preisen, heißt Eulen nach Athen tragen. Und im Gegenzug  gilt: Wenn sich die Europäer eines Tages beruhigt haben werden über diese unvermeidlichen Tatsachen, wird auch Ramadans Plädoyer in Europa „not exactly news“ sein. Hannes Stein kommt in seiner Rezension des Auftritts von Ramadan auf die Sache mit dem Mufti von Jerusalem zurück, der Hitler unterstützt hatte und seinerseits von Ramadans Großvater Hassan Al-Banna unterstützt worden war. Es wäre allerdings zu wünschen, dass Ramadan sich eindeutig zu dieser Geschichte des islamischen Antisemtismus verhält. Er ist kein ernst zu nehmender Philosoph oder Intellektueller (Theologe auch nicht), so lange da Zweideutigkeiten bestehen. Historische Klarheit ist eine Voraussetzung für Glaubwürdigkeit.

Aber die NS-Geschichte des Muftis ist nicht wirklich entscheidend für das Phänomen Ramadan. Für seine Hauptanhängerschaft unter jüngeren Muslimen hat er die Funktion eines Versöhners: Er verspricht, es sei möglich, am islamischen Glauben festzuhalten und dennoch voll an den modernen Gesellschaften des Westens partizipieren zu können. Im gleichen Maße, wie dieses Versprechen zu einer Selbstverständlichkeit in unseren Gesellschaften wird, wird sich das Faszinosum Tariq Ramadan erledigt haben. Amerika ist da weiter – nicht zuletzt wegen einer anderen Einwanderungspolitik, was die islamische Welt angeht. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(Der Auftritt Ramadans als Audiodatei hier auf der Website des amerikanischen PEN. GRRRAUENHAFT die Einlassungen der „Feministin“ auf dem Podium, die allen Ernstes die Frauenquote des iranischen Parlaments als Indiz anführt, dass es mit der Unterdückung der Frauen im Islam doch nicht so schlimm sein können. Aua!)