Ich komme optimistisch aus der Pressekonferenz der DIK (II), die soeben im Berliner Palais am Festungsgraben zuende gegangen ist.
Der erste Grund dafür: Ich glaube, dass Innenminister Thomas de Mazière der Sache gewachsen ist. Am Ende der PK kam eine (ziemlich dämliche) Frage, an der man deutlich machen kann, welchen Kräften ein Minister im Zusammenhang der Konferenz ausgesetzt ist. Ein Presse-Kollege fragte den Minister „jetzt mal ganz persönlich als evangelischen Christen“, wie er es denn fände, wenn man seine heilige Schrift – die Bibel – nach Anknüpfungspunkten für Gewalt und Extremismus durchkämmen würde, wie es jetzt allenthalben mit dem Koran passiert. Und wie es ja offenbar auch in der DIK beabsichtigt sei, die sich mit der Abgrenzung von Islam und Islamismus beschäftigen werde. Das sei doch per se schon beleidigend.
De Maiziere konterte, er lasse sich durchaus fragen, welche Anknüpfungspunkte für Gewalt in der Bibel zu finden seien. Die Geschichte des Christentums kenne schließlich fürchterliche Gewaltzexzesse – Kreuzzüge, Religionskriege – die zum Glück (aber unter welchen Kosten!) überwunden seien. Natürlich sei also die Frage nach der Kraft der Religion, Gewalt zu generieren, legitim.
Sehr gut gegeben! Das war weder bigott noch politisch korrekt. Auf solcher Grundlage kann man debattieren.
Zweiter Grund: Die Islamkonferenz ist ohne Islamrat und Zentralrat womöglich arbeitsfähiger als vorher, wie ich hier schon verschiedentlich vertreten habe. Die muslimische Repräsentanz ist in der zweiten Runde auf eine breitere Basis gestellt worden. Zu den teilnehmenden türkischen Verbänden (Ditib, VIKZ) sind nämlich die bosnischen Muslime als einzelner Verband noch hinzugekommen, sowie der Verband marokkanischer Muslime. Ausserdem nimmt die eher sakuläre TGD (Türkische Gemeinde in Deutschland) teil – eine gewisse Kuriosität, die aber der türkischen Community hier durchaus entspricht. In anderen Worten: Auch ohne Islamrat (i.e. IGMG) und ZMD kann man an einem Konsens über Religionsunterricht und Imamausbildung arbeiten. Und ich verwette das Häuschen meiner Oma darauf, dass mindestens der ZMD dann bald wieder an die Tür klopfen wird. Wie schon Herbert Wehner so treffend sagte: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen.“
Der Vertreter der Ditib, der Theologieprofessor Ali Dere, hatte vorher schon erkennen lassen, dass er das Fortbleiben von ZMD und Islamrat nicht als entscheidende Beeinträchtigung der Arbeit empfindet. Vielleicht rechnet er sich sogar einen Vorteil dadurch aus?
Der unabhängige Teilnehmer Hamed Abdel-Samad machte in seinem Statement klar, dass dies nicht bedeuten kann, Ditib als der übrig gebliebene Großverband übernehme nun den ganzen Laden. Er plädierte heftig und überzeugend dafür, die „Abnabelung der islamischen Theologie von den Herkunftsländern“ zu betreiben. Dort sei die Theologie autoritätshörig, sagte Abdel-Samad, und das könne hier nicht weiterhelfen. Er beschrieb die Chance der Islamkonferenz als „ein Stück islamische Aufklärung“. Die DIK sei ein „Verhandlungsprozess“ – erstens der muslimischen Gruppen mit dem Staat, zweitens aber auch der Muslime untereinander, die sich hier in ihrer Pluralität miteinander auseinander setzen müssen. (Ein wichtiger, oft vernachlässigter Punkt: Wo sonst treffen sich Aleviten, Schiiten, Sunniten (aus Bosnien, der Türkei, Marokko etc.) und muslimische Säkulare verschiedenster Couleur?)
Wenn ich recht sehe, hat man sich drei Ziele gesetzt. Erstens: Voraussetzungen schaffen für islamische Theologie und Religionsunterrocht an deutschen Hochschulen bzw. Schulen. Damit verbunden ist die Frage der Anerkennung islamischer Gemeinschaften als Ansprechpartner der staatlichen Stellen (auf Länderebene). Es geht dabei nicht darum, „den Islam anzuerkennen“, wie es manchmal mißverständlich heißt. Der Islam ist eine welthistorische Tatsache, und ein weltanschaulich neutraler Staat hat prinzipiell keine Weltreligion anzuerkennen. Auch das Christentum per se ist bei uns nicht „anerkannt“, sondern die Konfessionen sind Partner des Staates in ihren konkreten kirchlichen Ausformungen. Dito die jüdische Vertretung durch Zentralrat und die liberalen Gemeinden.
Es geht also lediglich um die Anforderung an die islamischen Gemeinschaften, die rechtlichen Kriterien für die Kooperation mit dem Staat auf Länderebene zu erfüllen – also zum Beispiel eine klare Mitgliederstruktur aufzuweisen. Die bisherigen Dachverbände entsprechen dem nicht. Entweder sie reformieren sich und streben Einzelkooperationen an, oder sie formieren sich zu „Schuras“ wie etwa in Niedersachsen oder Hamburg.
Zweitens: Geschlechtergerechtigkeit vorantreiben. Dazu soll eine Studie erstellt werden über die Frage, was an der Benachteiligung von Frauen in islamisch geprägten Communities religiös begründet ist – und was andere Ursachen hat. Das wird für alle Seiten der Debatte spannend.
Drittens: Islamismus definieren und genuine Islamfeindlichkeit von anderen Formen der Xenophobie und des Rassismus abgrenzen. (Dazu hätten wir hier einiges beizutragen…)
Man wird also genauso über jene islamisch geprägten Rollenbilder sprechen, die Mädchen und Frauen den Weg zur Gleichberechtigung verbauen, wie über die Ablehnung von kopftuchtragenden Frauen durch deutsche Arbeitgeber oder die schlechteren Chancen von Menschen mit türkischen Namen auf dem Wohnungsmarkt.
Das ist eine sehr ehrgeizige Kombination von pragmatischen und gesellschaftspolitisch langfristigen Zielen. Die Islamkonferenz lebt.
Schon vor der Sommerpause tagt der Ausschuss der DIK, der dann konkrete Projektgruppen beauftragen soll.