Islamophobie und Antisemitismus, vereint gegen Beschneidungen

Gestern habe ich hier eingeräumt, dass mir die Unterscheidung zwischen Islamophobie und Antisemitismus nicht mehr einleuchtet:

Ich habe mich lange gegen die Auffassung gewehrt, Islamophobie und Antisemitismus hätten bedeutende Überschneidungsflächen (no pun intended). Ich gebe hiermit offiziell auf. Es ist ein und das Gleiche.

Mit jedem Tag der unsäglichen Beschneidungsdebatte sehe ich dies bestätigt. Sergej Lagodinsky hat auf Facebook auf diese Karikatur aus dem Berliner Kurier aufmerksam gemacht. Man beachte die Nase im Original Stürmer-Stil:

Und dann ist da der Kommentar von Michael Stürzenberger auf PI, mit dem endlich für alle sichtbar die „proisraelische“ Kostümierung der islamfeindlichen Rechtsradikalen gefallen ist:

Dem Christentum steht es gut zu Gesicht, durch Jesus einen “neuen Bund” geschlossen zu haben, was zu einer Relativierung des Alten Testamentes geführt hat. Dem Judentum kann man zubilligen, dass seine Schriften heutzutage meist nicht mehr wörtlich genommen werden, was auch zu der einzigen Demokratie im Nahen Osten, dem modernen Israel, geführt hat. Wenn sich aber jüdische Verbände und Organisationen beispielsweise so an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammern, zeigen sie damit, dass sie sich in diesem Punkt nicht vom Islam unterscheiden. So etwas hat nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nichts zu suchen.

Den Bestrebungen verschiedener Bundestagsparteien, nun ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die religiös begründete Beschneidung von Jungen straffrei stellt, sollte daher unbedingt entgegengewirkt werden. Durch solche Maßnahmen wird auch dem Islam und seiner Scharia immer mehr Einfluß in unserer Gesellschaft verschafft, was zielstrebig in Richtung islamischer Gottestaat führt.

Juden raus – wenn sie sich an die „uralte Vorschrift der Beschneidung klammern“. Gut, dass man es endlich schriftlich hat.

 

 

Ist Islamkritik ohne Islamophobie möglich?

Im folgenden ein (sehr langer) Beitrag über das Debattenjahr 2010, geschrieben für das Jahrbuch „Muslime in den Medien“. Regelmäßigen Lesern dieses Blogs werden einige Passagen bekannt vorkommen.

Die deutsche Debatte des Jahres 2010 ist bei aller Vielstimmigkeit von ei­nem einzelnen Buch geprägt, und das gilt nicht nur für die so genannte „Is­lamkritik“: Thilo Sarrazins Sachbuchbestseller „Deutschland schafft sich ab“.
Die merkwürdige Ironie dieses Erfolgs ist, dass Sarrazins Buch als Beitrag zur „Islamkritik“ in die Geschichte eingegangen ist. Dafür gibt es Gründe, etwa die Gegenwart von Necla Kelek, die auch als sogenannte „Islamkriti­kerin“ firmiert, bei der Vorstellung des Buchs in Berlin. Auch bereits die Diskussion vor Erscheinen des Buchs aufgrund von Sarrazins Interview mit „Lettre International“ im Herbst 2009 wird hier die Weichen der Re­zeption gestellt haben. Schon dieses Interview wurde weithin als Angriff auf Muslime und den Islam wahrgenommen.
Was das Buch selber angeht, ist die „islamkritische Rezeption“ aller­dings erklärungsbedürftig: Im März 2011 erklärt der Autor bei Gelegenheit eines Auftritts in der Evangelischen Akedemie Tutzing, eigentlich habe er „ja gar kein Buch über Muslime schreiben“ wollen, sondern – über den Sozi­alstaat. Und mit der Zuwanderung beschäftige er sich entsprechend auch erst ab Seite 256.
Das ist sachlich richtig, macht die Aufregung um Sarrazin aber noch rätselhafter: Alles ein großes Missverständnis? Sind die Muslime selber schuld, wenn sie sich angesprochen fühlen? Polemisch gesagt: Typisch isla­mische Ehrbesessenheit und Neigung zum Beleidigtsein? Und was die vielen Hunderttau­sende Käufer angeht, haben die dann auch alles missverstanden?
Das Ansehen des Islams und der Muslime ist auf einem Tiefpunkt, wie immer neue Umfragen belegen. Sarrazin aber hat, wenn man seine Äu­ßerungen in Tutzing ernst nimmt, daran weder Anteil, noch profitiert er davon, denn eigentlich geht es ihm ja nur um „den Sozialstaat“? Warum bloss hört das Publikum „Islam“, wenn der Sozialstaat gemeint ist?
„Islamkritik“ ist eine Art Beruf geworden. Seyran Ateş, Autorin meh­rerer Bücher, die sich mit Geschlechterfragen und den Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft befassen, verbittet sich mittlerweile, so bezeichnet zu werden: Sie ist selber gläubige Muslimin und möchte nicht als jemand rubriziert werden, der etwas „gegen den Islam“ hat. Ihre Auseinandersetzung mit dem Missständen, die religiös rechtfertigt werden, will sie nicht als religionsfeindlich missverstanden wissen. Ateş hat guten Grund zu dieser Distanzierung: Was hierzulande weithin als „Islamkritik“ läuft, hat sich von der notwendigen intellektuellen, historischen, theologischen, politischen Auseinandersetzung mit einer Weltreligion immer weiter entfernt – und ist zur Stimmungsmache gegen einen Bevölkerungsteil verkommen. Es muss nicht so bleiben. Vielleicht kann es auch gelingen, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Vielleicht kann man die Übertreibungen unserer Debatte auch wieder einfangen. Derzeit sieht es leider nicht so aus.
Das ist für mich das vorläufige Ergebnis eines aufgeregten Debattenjahres.
Zu Beginn des Jahres erregte Wolfgang Benz großes Aufsehen mit seiner These von den Parallelen zwischen Islamkritik und Antisemitismus. In sei­nem Stück in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Januar heißt es:
„Die unterschwellig bis grobschlächtig praktizierte Diffamierung der Musli­me als Gruppe durch so genannte ‚Islamkritiker‘ hat historische Paralle­len. (…)
Der Berliner Antisemitismusstreit war vor allem eine Identitätsdebatte, eine Auseinandersetzung darüber, was es nach der Emanzipation der Ju­den bedeuten sollte, Deutscher zu sein und deutscher Jude zu sein. Derzeit findet wieder eine solche Debatte statt. Es geht aber nicht mehr um die Emanzipation von Juden, sondern um die Integration von Muslimen.“
Damit hat Benz in meinen Augen ganz einfach recht. Seine Kritiker hielten ihm entgegen, er setze Antisemitismus und Islamkritik gleich. Benz sugge­riert aber nirgends, dass ein Holocaust an Muslimen drohe oder dass Musli­me in Deutschland ähnlichen Formen der Diskrimierung unterliegen wie vormals die Juden. Das wäre auch bizarr.
„Der symbolische Diskurs über Minarette“, schreibt Benz, “ist in Wirklichkeit eine Kampagne gegen Menschen, die als Mitglieder einer Gruppe diskriminiert werden, eine Kampfansage gegen Toleranz und Demokratie.“
Benz spricht über den „Diskurs“, der besonders im Internet erschreckende Formen angenommen hat. Und sein eigentlicher Punkt ist den Kritikern entgangen: Es handelt sich bei der „Islamkritik“ um eine Identitätsdebatte der Mehrheitsgesellschaft. Es wird darin verhandelt, was es heute heißt, Deutscher und Muslim zu sein. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die in den Unterstellungen unterging, ausgerechnet Benz, der sein Leben lang über Antisemitismus geforscht und gegen ihn gekämpft hat, wolle irgendetwas von der Schrecklichkeit des Antisemitismus „relativieren“.
Ich halte das für einen entscheidenden Punkt zum Verständnis der deut­schen und europäischen Debatten über den Islam: Sie handeln in Wahrheit nicht wirklich vom Islam als Religion. Man kann die Leidenschaften, die dabei am Werk sind, wohl kaum aus einem Interesse am Verstehen einer Weltreligion ver­stehen, die (als Teil Europas, nicht als sein Gegenüber) immer noch neu ist. In erheblichem Maße dient die Debatte über den Islam der Selbstvergewis­serung einer verunsicherten Mehrheitsgesellschaft. Es geht bei der „Islamkritik“min­destens so sehr um die deutsche, die europäische, die christliche, die säku­lare Identität wie um den Islam.
Das ist für sich genommen weder irrational noch illegitim. Es gibt Gründe für diese Verunsicherung, es gibt Gründe, die die „Islamkritik“ an- und ihr die Leser zutrei­ben. Ich sehe Deutschland in der Situation eines Nach-Einwanderungslan­des. Das Wort ist nicht schön, aber es beschreibt die Wirklichkeit: wir leben in einer post-migrantischen Situation. Wir debattieren also nicht mehr unter einem Einwanderungsdruck: Der Wanderungssaldo Deutschlands mit der Türkei ist seit Jahren negativ. Seit 1961 kamen türkische Gastarbeiter nach Deutschland, mehr als 900.000 bis 1973, als das Programm durch den Anwerbestopp beendet wurde. Durch Familienzusammenführung und natürliches Wachstum nahm die türkische Bevölkerung in Deutschland bis 2005 auf 1,7 Millionen zu. Beginnend im Jahr 2006 kehrte sich der Trend um: Mehr Menschen zogen von Deutschland in die Türkei als umgekehrt. 2009 gingen 10.000 mehr Menschen von Deutschland in die Türkei als vice versa.
Das ist nur ein Beleg dafür, dass Deutschland (jedenfalls für Türken) kein Einwanderungsland mehr ist. Doch just in dem Moment nehmen die Debat­ten über die Eingewanderten und ihre Nachkommen immer schärferen Charakter an. Vielleicht kann man im Amerika der Zwischenkriegszeit des letzten Jahrhunderts einen Präzedenzfall sehen. Damals wurden die Gren­zen für Immigration weitgehend geschlossen – nach einer großen Welle zwi­schen 1870-1924, die Iren, Deutsche, Polen und andere Osteuropäer und Italiener in Millionenzahlen nach Amerika gebracht hatte. Der Immigrati­on Act von 1924 setzte harte Quoten nach ethnischen Kriterien. Und dies führ­te dazu, dass die USA zeitweise aufhörten, Einwanderungsland zu sein. Man ging daran, mit viel Druck die Integration/Assimilation der Eingewan­derten zu betreiben. Es gab sogar – vor allem im Zuge des Weltkrieges – starke xe­nophobe Exzesse (gegen Japaner).
Ich will die Analogie nicht zu weit treiben. Nur soviel: Europa insgesamt scheint, nach der gigantischen Einwanderungswelle der Nachkriegszeit, die gespeist wurde durch Postkolonialismus und Wirtschaftsboom, ebenfalls in einer Phase der Schließung zu sein. Schließung im Wortsinne durch gesetz­liche Erschwerung von Zuwanderung. Und im übertragen Sinne als Ver­such, die jeweilige Identität zu bewahren (was auch immer das jeweils sei). Der Erfolg der rechtspopulistischen Anti-Einwanderer-Parteien überall in Europa spricht dafür.
Überall? Eben nicht. Deutschland hat keine solche Partei. Deutschland hat statt dessen eine Debatte in Gestalt der „Islamkritik“. Mir ist das einstweilen lieber so, wie hässlich die Debatte auch sein möge. Bei aller Kritik an der „Islamkritik“ sollte das nicht vergessen werden.
Der Soziologe Niklas Luhmann hat in seinem Buch über die „Realität der Massenmedien“ gesagt:
“Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wis­sen, wissen wir durch die Massenmedien.”
Im Luhmannschen Sinn möchte ich im folgenden darüber reden, welches Bild des Islams wir in Deutschland haben, wenn man unsere Massenmedi­en dabei zugrundelegt. Für hier lebende Muslime bedeutet das: Welches Bild bekommen sie davon, wie sich die Mehrheitsgesellschaft durch ihre Medien den Islam zurecht legt. Einfacher gesagt: Ein Muslim sieht unsere Schlagzeilen und liest unsere Geschichten über den Islam und fragt sich: Aha, so also sehen die mich, meine Kultur und Religion, meine Herkunft und Prägung.
Weiter„Ist Islamkritik ohne Islamophobie möglich?“

 

Islamophobie: Eine Debatte

Einladung an alle Hamburger Leser dieses Blogs:

(Und übrigens vielen Dank an die Katholische Akademie für die schnelle, wenn auch unverdiente Promotion!)

 

Ein Prozess gegen „Islamophobie“

In Kanada steht eine Entscheidung an, die weitreichende Folgen für die Meinungs- und Pressefreiheit haben könnte. Das Magazin Macleans ist angeklagt, eine Reihe von Artikeln veröffentlicht zu haben, die  offensichtlich islamophobisch seien. So sieht es jedenfalls der Canadian Islamic Congress, der bei der Canadian Human Rights Comission Beschwerde eingelegt hat.

Ein Stein des Anstosses ist eine Titelgeschichte von Mark Steyn, The Future belongs to Islam. In diesem Essay erklärt Steyn, es drohe eine muslimische Dominanz in Europa, die sich über die demographische Entwicklung gewissermassen automatisch ergeben werde.

Auszug:

On the Continent and elsewhere in the West, native populations are aging and fading and being supplanted remorselessly by a young Muslim demographic. Time for the obligatory „of courses“: of course, not all Muslims are terrorists — though enough are hot for jihad to provide an impressive support network of mosques from Vienna to Stockholm to Toronto to Seattle. Of course, not all Muslims support terrorists — though enough of them share their basic objectives(the wish to live under Islamic law in Europe and North America)to function wittingly or otherwise as the „good cop“ end of an Islamic good cop/bad cop routine. But, at the very minimum, this fast-moving demographic transformation provides a huge comfort zone for the jihad to move around in. And in a more profound way it rationalizes what would otherwise be the nuttiness of the terrorists‘ demands.

In a few years, as millions of Muslim teenagers are entering their voting booths, some European countries will not be living formally under sharia, but — as much as parts of Nigeria, they will have reached an accommodation with their radicalized Islamic compatriots, who like many intolerant types are expert at exploiting the „tolerance“ of pluralist societies.

Ich halte diese Weise, von der Demographie auf die Ideologie zu schliessen, für falsch und fahrlässig. Sie hat einen nicht zu verleugnenden rassistischen Unterton, weil sie Meinungen und Überzeugungen an die Herkunft koppelt und aus der Demographie auf die Verbreitung der Scharia schliesst. Sie trifft sich übrigens auf eine fatale Weise mit der Sicht der radikalen Muftis und Ayatollahs, die auch glauben, wer als Muslim geboren wird, müsse automatisch ein trefflicher Dschihadi sein.

Trotzdem bin ich dagegen, diesen Diskurs unter der Rubrik „Islamophobie“ zu kriminalisieren. Er gehört widerlegt durch rationale Argumente, durch eine seriöse Statistik – und hoffentlich durch die faktische Entwicklung der Migranten aus islamischen Ländern und ihrer Kinder und Kindeskinder. Der Versuch des Canadian Islamic Congress, eine Zeitschrift wegen Verletzung der Menschenrechte anzuprangern und damit einem breiten Begriff von Islamophobie den Status einer Menschenrechtsverletzung zu verschaffen, ist fatal. Er leistet den Verschwörungstheorien und der Islamhysterie Vorschub, statt ihr den Boden zu entziehen.

Ein Grundsatzartikel in der New York Times beleuchtet das Problem mit der Meinungsfreiheit und erklärt die amerikanische Ausnahme des First Amendment:

Harvey Silverglate, a civil liberties lawyer in Boston, disagreed.

„When times are tough,“ he said, „there seems to be a tendency to say there is too much freedom.“

„Free speech matters because it works,“ Silverglate continued. Scrutiny and debate are more effective ways of combating hate speech than censorship, he said, and all the more so in the post-Sept. 11 era.

„The world didn’t suffer because too many people read ‚Mein Kampf,“‚ Silverglate said. „Sending Hitler on a speaking tour of the United States would have been quite a good idea.“

Silverglate seemed to be echoing the words of Justice Oliver Wendell Holmes, whose 1919 dissent in Abrams v. United States eventually formed the basis for modern First Amendment law.

„The best test of truth is the power of the thought to get itself accepted in the competition of the market,“ Holmes wrote. „I think that we should be eternally vigilant,“ he added, „against attempts to check the expression of opinions that we loathe and believe to be fraught with death.“

The First Amendment is not, of course, absolute. The Supreme Court has said that the government may ban fighting words or threats. Punishments may be enhanced for violent crimes prompted by race hate. And private institutions, including universities and employers, are not subject to the First Amendment, which restricts only government activities.

But merely saying hateful things about minority groups, even with the intent to cause their members distress and to generate contempt and loathing, is protected by the First Amendment.

Ich kann verstehen, wenn sich Muslime durch die Äusserungen von Mark Stezn verletzt fühlen. Aber es ist ein gefährlicher Weg, Gefühle unter Schutz zu stellen. Wir alle müssen in einer multikulturellen und multireligiösen Welt lernen, andere Sichtweisen auszuhalten. Konfliktfähigkeit muss trainiert werden, statt immer mehr Zäune zu errichten, die Sensibilitäten vor Verletzung schützen sollen.

p.s. Ich schreibe dies in der chinesischen Metropole Chongqing, von wo ich bald hier auch berichten werde.

 

Warum der Begriff Islamophobie nichts taugt, obwohl es eine arge Islamfeindlichkeit gibt (und warum es in diesem Blog doch weitergeht)

Ein Vortrag vor dem „3. Zukunftsforum Islam“ der Bundeszentrale für Politische Bildung in Brühl vom 17. Mai 2008, der vielleicht erklärt, warum dieses Blog abgeschaltet wurde und nun doch weitergeht:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe ein Problem: Der Begriff, unter dem ich mich hier bereit erklärt habe anzutreten, taugt nämlich eigentlich nichts.
Islamophobie – mit diesem Konzept werden ohne Unterschied irrationale und rationale Ängste im Bezug auf den Islam zu Symptomen einer Art psychischen Krankheit erklärt.
Eine Phobie ist schließlich etwas anderes als ideologische Voreingenommenheit – wie sie uns etwa in Form einer rassistischen Einstellung, eines religiösen Fanatismus oder politischer Parteilichkeit begegnen. Eine Phobie hat man, unter einer Phobie leidet man, merh noch, sie hat einen, sie nimmt einen in Beschlag. Die Phobie muss behandelt werden wie andere bedrohlich psychische Erkrankungen. Der Phobiker verhält sich zwanghaft. Er kann anderen zur Gefahr werden und wird zugleich als Opfer einer Krankheit betrachtet, statt als Subjekt mit Überzeugungen und Meinungen, wie fragwürdig auch immer.
Wollen wir wirklich in solchen Begriffen von der öffentlichen Debatte um den Islam reden, wie sie sich bei uns in den letzten Jahren entfaltet hat? Ich halte das nicht für sinnvoll. Trotzdem will ich über das Thema „Islamophobie – die Rolle der Medien“ sprechen. Denn ich kann sehr wohl verstehen, warum sich bei manchen Muslimen der Eindruck einer generellen Islamfeindlichkeit festgesetzt hat. Dies auf eine sich immer weiter verbreitende „Islamophobie“ zurückzuführen, hielte ich dennoch für falsch.
Denn dadurch werden bestimmte Redeweisen und Einstellungen von vornherein in den Bereich der Angst gerückt und somit psychologisiert. Man rückt sie damit aus dem Bereich des Verstehbaren und Widerlegbaren heraus und hat sie somit zum Schein neutralisiert. Mit einem Phobiker kann man nicht debattieren. So enifach geht es aber nicht.
Schauen wir uns kurz ein paar prominente Versuche an, Islamophobie zu definieren. Dann wird das Problematische dieses Begriffs deutlich werden.
Der Begriff wurde durch eine Studie des britischen Runnymede Trust 1997 in die Debatte eingeführt. Runnymede Trust ist eine unabhängige Lobbygruppe für eine multi-ethnische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft.
Eine islamophobe Einstellung kommt nach einer Definition des Trust in folgenden Meinungen zum Ausdruck:

* Der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.

* Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie.

* Der Islam sei dem Westen unterlegen, barbarisch, irrational, primitiv und sexistisch.

* Der Islam sei gewalttätig, aggressiv, bedrohlich, den Terrorismus unterstützend und in einen Kulturkampf verstrickt.

* Der Islam sei eine politische Ideologie, die für politische oder militärische Vorteile genutzt werde.

So weit die Definition des Forum Against Islamophobia and Racism (FAIR). Islamophobie und Rassismus stehen hier nahe beieinander, was auch problematisch ist: Denn ich kann sehr wolh feindliche Gefühle gegenüber dem Islam als Religion hegen, ohne Muslime dabei rassistisch abzulehnen. Sonst wäre Islamkritik und Islamfeindlichkeit vonseiten geborener Muslime ja nicht möglich. Auch dies ist ein Versuch, jede Kritik am Islam von vornherein als rassistisch zu diskreditieren.
Ausserdem bin ich der Meinung, dass alle die „islamophoben“ Ideen, die der Runnymede Trust hier auf den Index gesetzt hat, prinzipiell unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen.
Der Islam wird von manchen Muslimen als politische Ideologie verstanden. Das bestreiten am allerwenigsten jene Muslime, die sich dagegen verwehren. Ja, der Islam hat ein gewalttäiges, aggressives und bedrohliches Gesicht. Terrorismus und Kulturkampf sind ihm nicht fremd. Ist der Islam dem Westen unterlegen? Ist er sexistisch? Ist er barbarisch? Letzteres würde ich nicht sagen, aber Barbaren im Namen eines bestimmten Islam gibt es zweifelsohne. Sie bringen mit Vorliebe andere Muslime um, wie wir mit Schrecken jeden Tag im Irak sehen können. Sexismus? Wer hier möchte aufstehen und sagen, dies sei ein völlig absurder Vorwurf? Dass der Islam dem Westen „unterlegen“ sei, ist die große Angst und der ANTRIEB aller muslimischen Reformdenker der letzten 200 Jahre. Warum sollten wir diese Aussage also tabuisieren? Nur weil es nicht in Ordnung ist, wenn Nichtmuslime sagen, was Muslime seit 200 Jahren sagen? Genauso verhält es sich mit der Aussage, der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.
Es ist einfach Unsinn, diese Aussage als Indiz für „Islamophobie“ anzusehen. Manche Muslime sehen des Islam genau so, manche Muslime kämpfen wiederum gegen jene, weil sie Veränderungen wollen. Eine Aussage, die Gegenstand eines innermuslimischen Streits ist, zum Symptom für „Islamophobie“ zu erklären, wenn sie aus dem Mund von Nichtmuslimen zu hören ist, das geht einfach nicht. Das ist eine Gefahr für die freie Debatte, für die freie Forschung. Das ist eine Attacke auf dem wissenschaftlichen Fortschritt. Und wie verhält es sich mit der letzten Aussage, die Runnymede als signifikant erklärt: Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie. Der letzte Teil dieses Satzes ist historischer Unfug. Natürlich ist der Islam beeinflusst von anderen Kulturen, und natürlich beeinflusst er auch sie. Ob der Islam „gesondert und fremd“ sei, ob er „gemeinsame Ziele und Werte“ mit anderen Kulturen habe, das ist genau der Kern des Streits, um den sich alles dreht in unserer Debatte. Noch einmal zur Erinnerung: Auf allen Seiten gibt es Vertreter der einen oder anderen Richtung: Muslime, die das Fremde betonen, Muslime, die ökumenisch denken. Nichtmuslime, die das Gemeinsame sehen, Nichtmuslime, die sich keinen Konsens vorstellen können. Es ist dumm, diese Debatte zensieren und regulieren zu wollen. Sie muss ausgetragen werden. Wir müssen alle zusammen da durch.
Noch ein Beispiel für einen unglücklichen Definitionsversuch:
In seiner sozialwissenschaftlichen Studie „Deutsche Zustände. Folge 4“ macht Wilhelm Heitmeyer Islamophobie im Rahmen einer Befragung u.a. an der Zustimmung zu folgenden Aussagen fest:

* „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“
* „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.“
* „Es sollte besser gar keine Muslime in Deutschland geben.“
* „Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden.“
* „Für mich sind die verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen kaum zu unterscheiden.“
* „Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung.“
* „Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben.“
* „Die islamistischen Terroristen finden starken Rückhalt bei den Muslimen.“
* „Ich hätte Probleme in eine Gegend zu ziehen, in der viele Moslems leben.“
* „Ich werde nur solche Parteien wählen, die gegen den weiteren Zuzug von Moslems sind.“

Umgekehrt gilt ihm auch die Ablehnung der folgenden Aussagen als Indiz für eine islamophobe Einstellung:

* „Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht.“
* „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt.“
* „Ich würde mein Kind auch in einer Schule anmelden, in der eine moslemische Frau mit Kopftuch unterrichtet.“
* „Es ist allein Sache der Muslime, wenn sie über Lautsprecher zum Gebet aufrufen.“
Auch mit dieser Art der Erfassung habe ich Probleme: Was, wenn ich den Gebetsruf ablehne, wie ich auch das Glockenläuten ablehne, weil ich am Sonntag (oder Freitag) nicht gestört werden will, oder weil ich überzeugter Säkularist oder Atheist bin, der Religion nur im Stillen für akzeptabel hält?
Muss ich den Islam nicht nur hinnehmen, sondern sogar bewundern, um nicht als islamophob zu gelten? Ist die Ablehung einer bekopftuchten Lehrerin – gerade unter Türken weit verbreitet – schon islamophob? Und was ist mit den Türken, die Kreuzberg verlassen, weil sie für ihre Kinder bessere Schulen wollen? zu sagen, die islamistischen Parteien fänden „starken Rückhalt bei Muslimen“ ist, global gesehen, ein Irrtum, wie wir aus vielen Umfragen wissen. In Ägypten ist es die reine Wahrheit.
Und so weiter, und so fort: Sie sehen schon, was mir an dem Begriff Islamophobie nicht gefällt, ist die Tatsache, dass er – in meist bester Absicht – die notwendigen, peinigenden Debatten einfach abschneidet, statt sie führbar zu machen. Der Islamophobie-Begriff, wenn er sich durchsetzen sollte in der Breite, in der ich ihn hier skizziert habe, hätte fürchterliche Folge für unsere liberale Öffentlichkeit. Er wäre ein Instrument, um jede mißliebige Debatte zu ersticken. Diejenigen muslimischen Gruppen, die ihn in Großbritannien propagieren, sind durch die Salman-Rushdie-Affäre entstanden. Ich halte das nicht für einen Zufall. Die Verwendung des Islamophobie-Begriffs seitens dieser Gruppen ist ein Versuch, den in der Rushdie-Affäre gewonnenen Boden zu verteidigen und zu vergrößern.

Wer aber die Wahrnehmung der Menschen verändern will, ist schlecht berufen, mit Verboten, Tabus und Sprachregelungen zu arbeiten. Besser wäre es, der Öffentlichkeit ein anderes Image des Islam zu präsentieren. Allerdings darf das nicht bloß eine Art beschönigende Gegenpropaganda sein. Es muß ein authentisches Gegenbild sein, dass die problematischen Dinge nicht ausblendet und von echter Auseinandersetzung mit ihnen zeugt. Dazu später.
Nachdem ich jetzt so viel Zeit damit verbracht habe, den Begriff, auf dem mein Vortrag fußt, kaputtzumachen, muß ich endlich zum zweiten Teil meiner Überschrift kommen: die Rolle der Medien.

Im letzten Jahr habe ich an vier Debatten zu diesem Thema teilgenommen: in Berlin, 2xFrankfurt und München. Jedesmal saß ich gewissermassen stellvertretend auf der Anklagebank für meine Zunft. Die Unterstellung war: Es gibt immer mehr Islamophobie. Sie (die Medien) sind schuld daran. Was, werter Herr Lau, gedenken Sie also zu ändern? Was ist der „Beitrag“, wurde ich einmal gefragt, den die Medien zum gesellschaftlichen Frieden leisten können?
Ein bißchen trotzig – aber auch aus tiefster Überzeugung – habe ich dazu gesagt: Nichts. Keinen Beitrag. Dafür sind wir nicht zuständig. Ich verbitte mir solche Fragen. Stellen Sie sich einfach vor, unserem Wirtschaftskorrespondenten würde vom Bund der deutschen Industrie vorgehalten, in Deutschland werde das Klima immer wirtschaftsfeindlicher. Immer mehr Geschichten über Korruption bei Siemens und VW, immer mehr Kommentare über Managergehälter, viel zu viel Verständnis für Gewerkschaftsforderungen. Was können wir tun, was können die Medien tun, damit das Klima in Deutschland wieder wirtschaftsfreundlicher wird? Das wäre ein Skandal.
Oder stellen Sie sich vor, der Vorsitzende einer Partei würde sich beschweren, wir würden nur Negativberichte über ihn und seine Truppe bringen. (Ach, es gibt diesen Fall in der Wirklichkeit: Denken Sie an Kurt Beck und die SPD und ihr unglückliches Verhältnis zur „Berliner Hauptstadtpresse“.) Was kann die Presse tun, um das Klima wieder freundlicher für die Sozialdemokratie zu gestalten? Absurd! Werden Sie zu Recht sagen.
Oder nehmen Sie die Chinesen – sie wünschen sich eine andere Tibet-Berichterstattuntg. Wir sollen die Probleme mit diesen paar Mönchlein nicht so hoch spielen, hören wir da. Wir sollen die Tugenden des chinesischen Wirtschaftswunders mehr in den Vordergrund stellen. Wir sollen die Bedeutung Chinas für den Weltfrieden und die Weltökonomie im Blick behalten und nicht so sehr auf einzelnen Menschenrechtsverletzungen herumreiten. Eine Presse, die sich darauf einließe, wäre erledigt.
Warum findet niemand etwas dabei, im Bezug auf den Islam mit den gleichen absurden Zumutungen zu kommen?

Und hier muss meine eigene Erfahrung ins Spiel kommen. Ich habe in den letzten 2 Jahren ein Blog gefuehrt, in dem ich mich im Wesentlichen mit den Themen Islam in Europa, Integration, islamische Reform, interreligioeser Dialog und so weiter beschaeftigt habe. Die wichtigste Kategorie in diesem Blog heisst: Die Freunde und die Feinde des Islam.
Alles hat damit angefangen, dass ein iranischer Freund – der Philosoph Ramin Jahanbegloo – in Teheran verhaftet wurde. Ich wollte täglich ueber seinen Fall berichten, und da schien mir das Internet das richtige Medium. Um Ihnen eine Idee von der Weite des Themenfeldes zu geben: Ich habe über den Dialog des Papstes mit den zunächst 38, dann 138 islamischen Gelehrten geschrieben. Ich habe über eine britische Debatte zur Zulässigkeit des “Burkini” beim Schulsport geschrieben. Die Islamkonferenz, die neueren Repressionen in Iran gegen “unislamische Kleidung”, ein neues Magazin für muslimische Maedchen, die Verhaftung eines Bloggers in Kairo, der Aufstand muslimischer Gelehrter in Nordwestpakistan gegen eine Pflicht zum Barttragen – all dies war Thema bei mir im Blog.
Im 2 Jahren habe ich 660 Posts geschrieben, es wurden ueber 30.000 Kommentare hinterlassen. Ich nähere mich der halben Million bei den Besuchern.
Und doch habe ich vor 2 Wochen fürs erste aufgehoert. Ich hatte keine Lust mehr, und daran waren vor allem die Reaktionen einiger besonders meinungsstarker Kommentatoren Schuld. Es hatte sich ein festes Ritual eingespielt, in dem einige so genannte “Islamkritiker” entweder mir oder anderen Kommentatoren vorwarfen, wir seien naiv im Bezug auf die Reformfaehigkeit des Islams. Wir wurden dargestellt als nützliche Idioten einer schleichenden Islamisierung Europas und unserer Gesellschaft. Ich habe mich bemüht, hoeflich aber entschieden dagegen zu halten, doch die Debatte began sich irgendwann im Kreis zu drehen. Wenn man auch nur darauf verwies, dass es selbstkritische Stimmen aus der islamischen Community gibt, dass es Theologen mit abweichender Meinung zu Frauenrechten, Menschenrechten, zum Wirkungsbereich der Scharia gibt, dann wurde man gescholten, man wolle nur vom “wirklichen Islam” ablenken, in dem es nun einmal keine Reform geben könne. Von anderer Seite wurde ich angegriffen, weil ich diesen so genannten “Islamkritikern” nicht auf meiner Website den Mund verbieten wollte. Ich fand es aber wichtig, dass es ein Forum gab, auf dem sich fromme Muslime (auch einige Konvertiten), interessierte Laien und Islamkritiker argumentativ auseinandersetzen mussten. Ich betrachtete mich als Moderator, der jeweils von den besten (und den schlechtesten) Argumenten lernen konnte.

Da verteidigte ein säkularer tuerkischer Intellektueller die Hamas, in der er eine legitime Freiheitskämpfer-Armee sieht. Er sah sich dafür (auch von mir) angegriffen, er rede die völkermörderischen Passagen in der Hamas-Charta schön. Ein ostdeutscher Konvertit verteidigte einen konservativen Islam gegen meine Versuche, liberalen Auslegungen ein Forum zu geben. Ein Atheist versuchte zu zeigen, dass alle Religionen schädlich seien, und der Islam gewissermassen nur der Inbegriff des monotheistischen Irrsinns. Eine katholische Debattantin begründete immer wieder, dass die einzig sinnvolle Reform des Islam in der Konversion aller Muslime bestehen muesse. Ein iranischer Arzt aus Süddeutschland unterstützte meine Kritik des Teheraner Regimes und wandte sich zugleich gegen die Dämonisierung des Islams per se.
Das alles war sehr interessant und oft temperamentvoll vorgetragen. Aber am Ende frustrierte mich die Unlust der haeufigsten Kommentatoren, irgendetwas dazulernen zu wollen.
Also habe ich mit diesen Worten das Blog geschlossen:
„Das Thema Islam/Integration/Migration läßt sich einfach nicht mehr verhandeln, ohne zu den immer gleichen Abschweifungen über die muslimische Gefahr, den allzu weichen Westen, die Illusionen des Mulitkulturalismus (dem ich nie gehuldigt habe) etc. anzuregen.
Ich habe keine Lust, die Kommentare abzuschalten.
Ich habe immer weniger Lust, auf die Kommentare der meisten hier zu antworten.
Ich gebe mich vorerst geschlagen und bitte eventuelle unbekannte Mitleser um Nachsicht.“

Jetzt mache ich doch wieder weiter, weil ich es falsch finde, die Web-Öffentlichkeit nur Islamisten und Anti-Islam-Paranoikern zu überlassen. Ich danke allen, die mich darin mit freudlichen Mails oder direktem Zuspruch bestätigt haben.

 

„Islamophobie“: eine brillante Erfindung

Dennis Prager hat ein interessantes Stück über Nutzen und Nachteil des Begriffs „Islamophobie“ geschrieben. Kernzitat:

Therefore, Islam, or Christianity, or Judaism, or Buddhism should be just as subject to criticism as conservatism or liberalism.

However, the only religion the West permits criticism of is Christianity. People write books, give lectures and conduct seminars on the falsity of Christian claims, or on the immoral record of Christianity, and no one attacks them for racism or bigotry, let alone attacks them physically. The head of the Anti-Defamation League announces that conservative Christians are the greatest threat to America today, and no one charges him with racism or Christianophobia.

The fact remains that the term „Islamophobia“ has one purpose — to suppress any criticism, legitimate or not, of Islam. And given the cowardice of the Western media, and the collusion of the left in banning any such criticism (while piling it on Christianity and Christians), it is working.

Latest proof: This past week a man in New York was charged with two felonies for what is being labeled the hate crime of putting a Koran in a toilet at Pace College. Not misdemeanors, mind you, felonies. Meanwhile, the man who put a crucifix in a jar of urine continues to have his artwork — „Piss Christ“ — displayed at galleries and museums. A Koran in a toilet is a hate crime; a crucifix in pee is a work of art. Thanks in part to that brilliant term, „Islamophobia.“

 

Al-Jazeeras Islamophobie

Al-Jazeera English berichtet ausführlich über die Vorgänge in England. In dem Bericht sind nahezu ausschließlich die Ängste der Glasgower Muslime Thema, es werde einen „Backlash“ gegen sie geben.
Ich möchte nicht ausschließen, dass es zu moslemfeindlichen Äussserungen und Aktionen kommt. Allerdings sind bisher keine bekannt geworden.
Darum ist es ein Problem, wie dieser Sender mit dem Thema umgeht: Er stellt Muslime als (potentielle) Opfer der rassistischen Bevölkerung und eines hysterischen Staatsapparates dar, nicht als Betroffene des Terrors, die als Bürger die Pflicht haben, diesen Angriff auch als einen gegen sie selbst zu empfinden und abzuwehren. Dieser Sender ist Gift für die muslimische Zivilgesellschaft. Er fördert die Opfer-Mentalität.

In anderen Worten: Er stellt die Muslime genau so dar, wie Islamophobe sie sehen möchten, als nicht ganz loyale Bürger, die sich ums Gemeinwohl nicht scheren, sondern nur ihre Sonderidentität pflegen und sich sich immer als Opfer präsentieren.

Der Sprecher des Muslim Council of Britain, Inayat Bunglawala, hat im Interview nur eine einzige Sorge: Schärfere Sicherheitsgesetze verhindern. Während gerade Hunderte einem qualvollen Tod durch islamistische Möchtegern-Terroristen entkommen sind, wirkt das doch ein wenig merkwürdig (auch wenn man zu Recht gegen die möglichen Gesetze – die allerdings noch niemand vorgeschlagen hat – sein mag).

Wer solche Sprecher hat, braucht keine Feinde mehr.

 

Muslime, kämpft selbst gegen Islamophobie!

Wer sagt, es gibt keine kritischen Stimmen aus der muslimischen Community – ja, sogar aus islamistischen Kreisen!
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Hamid Tawfik, Ex-Islamist

Hamid Tawfik, ein ehemaliges Mitglied der ägyptischen Islamistengruppe Al-Dschamaa al-Islamiya, hat im Wall Street Journal einen klugen Artikel geschrieben, in dem er erklärt, wie Muslime die Islamophobie besiegen können:

To bring an end to Islamophobia, we must employ a holistic approach that treats the core of the disease. It will not suffice to merely suppress the symptoms. It is imperative to adopt new Islamic teachings that do not allow killing apostates (Redda Law). Islamic authorities must provide mainstream Islamic books that forbid polygamy and beating women. Accepted Islamic doctrine should take a strong stand against slavery and the raping of female war prisoners, as happens in Darfur under the explicit canons of Shariah („Ma Malakat Aimanikum“). Muslims should teach, everywhere and universally, that a woman’s testimony in court counts as much as a man’s, that women should not be punished if they marry whom they please or dress as they wish.

We Muslims should publicly show our strong disapproval for the growing number of attacks by Muslims against other faiths and against other Muslims. Let us not even dwell on 9/11, Madrid, London, Bali and countless other scenes of carnage. It has been estimated that of the two million refugees fleeing Islamic terror in Iraq, 40% are Christian, and many of them seek a haven in Lebanon, where the Christian population itself has declined by 60%. Even in Turkey, Islamists recently found it necessary to slit the throats of three Christians for publishing Bibles.

Of course, Islamist attacks are not limited to Christians and Jews. Why do we hear no Muslim condemnation of the ongoing slaughter of Buddhists in Thailand by Islamic groups? Why was there silence over the Mumbai train bombings which took the lives of over 200 Hindus in 2006? We must not forget that innocent Muslims, too, are suffering. Indeed, the most common murderers of Muslims are, and have always been, other Muslims. Where is the Muslim outcry over the Sunni-Shiite violence in Iraq?

Islamophobia could end when masses of Muslims demonstrate in the streets against videos displaying innocent people being beheaded with the same vigor we employ against airlines, Israel and cartoons of Muhammad. It might cease when Muslims unambiguously and publicly insist that Shariah law should have no binding legal status in free, democratic societies.

 

Die Vergiftung der deutschen Integrationsdebatte

 Diesen Vortrag habe ich letzte Woche beim „Berliner Integrationsforum“ gehalten. Regelmäßige Leser dieses Blogs werden einiges wiedererkennen.

Wo steht die deutsche Integrationsdebatte? Ich neige zum Optimismus, trotz allem. Warum?

Da Herkunft in dieser Debatte eine so große Rolle spielt, will auch ich sie hier einmal in Anspruch nehmen, um meine Argumente zu untermauern. Ich spreche also als artgerecht aufgewachsener „Biodeutscher“ (Aua!) aus der westdeutschen Provinz.

Ich komme aus einem dörflich-kleinbürgerlichen Milieu Westdeutschlands, in dem das, was man heute Rassismus nennt, in den siebziger und achtziger Jahren noch zum normalen Umgangston gehörte. Rassismus hätte man es damals natürlich nicht genannt.

Man war stolz auf seine Vorurteile, und wer irgendetwas dagegen sagte, dass man gegen Itaker, Spanier, Türken und Griechen wetterte, hatte wahrscheinlich keinen Humor.

Gegen Juden sagte man lieber nichts (mehr), jedenfalls nicht laut, denn die konnten uns nachtragender Weise die Sache mit Hitler nicht vergessen. Alle anderen waren Freiwild für den Stammtischhumor.

Es war ein kenntnisfreier, gewissermaßen unschuldiger und ursprünglicher Rassismus, der alle Andersartigen gleichmäßig traf, einfach nur weil sie anders waren. Es war nicht persönlich gemeint, pures Ressentiment, Fiesheit gegen jedermann. Auch diejenigen, die sich im realen Leben sehr korrekt und nett mit den wenigen Fremden auf dem Dorf und in der Kleinstadt beschäftigten, zogen dabei mit.

Der Kern der Sache war das Unbehagen an gesellschaftlicher Veränderung. Und im Verfluchen der anderen leuchtete auch viel deutscher Selbsthass auf. Sehr berechtigter deutscher Selbsthass, möchte ich sagen: der Selbsthass eines unglücklichen Volkes, das sich selbst im trüben Licht der Katastrophengeschichte des letzten Jahrhunderts sehen musste, ein Selbsthass, der sich am Objekt der schwächeren, ärmeren, neuen Unterschicht der Einwanderer abreagierte.

Dieses Phänomen ist irgendwann ausgestorben. Die Deutschen in meinem Herkunftsmilieu wollen sich so nicht mehr sehen und sie können es nicht mehr hören. Sie sind herumgekommen, sie waren auf guten Schulen (oder ihre Kinder jedenfalls), sie haben sich abgeregt. Viele von ihnen kennen ein paar Türken, Araber, Vietnamesen, seltener, muss ich sagen: Juden.

Die Ausländerwitze, die man in den siebziger und frühen achtziger Jahren in diesem Milieu noch normal fand, wären heute absolut indiskutabel. Es gibt Schwiegertöchter und Schwiegersöhne mit Migrationshintergrund, Freunde der Kinder haben Migrationshintergrund – oder gar, wie ich mit Erstaunen feststellen musste: in meinem Fall sogar die eigenen Kinder.

Deutschland ist auf dem Weg des Sich-Abregens weltoffener, entspannter, welterfahrener geworden. Die Veränderungspanik hat abgenommen.

So sehe ich es, trotz unserer erregten Debatten der letzten Jahre.

Gut so.

Trotzdem läuft hier etwas schief. Die gesellschaftliche Kommunikation leidet an einer schleichenden Vergiftung.

Mein Grund-Optimismus macht zur Zeit eine schwere Phase durch. Manchmal habe ich den Eindruck, ich erliege meinem eigenen Wunschdenken und es geht eigentlich überhaupt nicht voran. Ich denke dann, ich mache mir das nur vor, weil ich mir das eigene Land schön singen will.

In den letzten beiden Jahren war ich viel damit beschäftigt, auf türkisch-deutsche, arabisch-deutsche, iranisch-deutsche, und deutsch-jüdische Freunde einzureden, sie sollen sich bitte nicht verrückt machen lassen. Sie sollen hier bleiben und weitermachen.

Wie oft habe ich gehört, jetzt reiche es, man halte es nicht mehr aus, man gehe nun endgültig weg, in die Türkei, nach Amerika, nach Israel… Und manchmal sind das keine leeren Drohungen geblieben. Meist jedoch war die Auswanderungsdrohung nicht ernst gemeint.

Sehr wohl ernst gemeint war die Botschaft der Verletzung und Enttäuschung. Ich habe bei manchen Freunden und Bekannten eine Art innere Kündigung ihrer Liebe zu Deutschland erlebt. Das ist etwas Gefährliches.

Unsere „Integrationsdebatte“ mit dem Höhepunkt Sarrazin hat diesen „tipping point“ vorbereitet. Aber die Enthüllungen über die „Dönermorde“ haben dann für viele den Ausschlag gegeben.

Und die jüngste Debatte über Beschneidung hat zu tiefer Verunsicherung geführt – eine Verunsicherung, die viele aus der Mehrheit nicht verstehen. Dazu gleich mehr.

Es wird unterschätzt, wie erschüttert viele türkische Deutsche von der NSU-Mordserie, vom Versagen der Behörden und der Medien bis heute sind. Schon die letzten Jahre einer zunehmend als Demütigung und Kujonierung empfundenen “Integrationsdebatte” haben viel Schaden angerichtet. Der Erfolg des Buchs von Thilo Sarrazin wurde als eine Abstimmung gegen Türken an der Ladenkasse empfunden. Mehrere türkische Bekannte haben mir erzählt, dass sie in Folge dieser Debatte Freunde verloren haben. Es wurde nicht verstanden, dass sie Sarrazins Buch und seine Interventionen – von den “Kopftuchmädchen” über die “Gemüsehändler” bis zu den “belgischen Ackergäulen” als persönliche, ehrabschneidende Angriffe empfanden. Und dass die breite Zustimmung der Bevölkerung die Sache erst recht schlimm machte.

Wenn sie das ihren Freunden sagten, hieß es oft, hab dich doch nicht so, Du bist doch nicht gemeint! Doch, ich bin gemeint, antworteten sie, mindestens innerlich. Mich und meine Leute meint ihr, wenn ihr diese Buch kauft.

Man fühlte sich von Sarrazin und seinem begeisterten Publikum aus Deutschland herausdefiniert. Das Wort Ausgrenzung habe ich nie gemocht. Es wird inflationär gebraucht und hat einen moralistischen Ton. Aber hier passt es. Viele meiner Bekannten mit so genanntem Migrationshintergrund, bestens integriert, haben in diesen letzten Jahren Ausgrenzungserfahrungen gemacht.

Die Enthüllung über die Mordserie traf auf diese Gefühlslage. Ohnehin angeknackstes Vertrauen war nun bei vielen ganz dahin: Die Hinrichtung von Türken, wie sich nun herausstellte, durch Neonazis, war jahrelang den Opfern und ihrem mutmaßlichen “Milieu” zugeschrieben worden. Im Begriff “Dönermorde” schien der antitürkische Rassismus der Behörden und der Medien zu sich zu kommen.

Gerade bei gut ausgebildeten und erfolgreichen deutschen Türken trifft man derzeit auf eine Mischung aus enttäuschter Liebe zu ihrer Heimat, auf Wut, Trauer und allgemeine Aufgewühltheit, in einem Maß, dass einem Angst um dieses Land und seinen Zusammenhalt machen kann.

Wir verlieren so die Besten. Auch diejenigen, die nicht weggehen, schließen innerlich mit Deutschland ab.

Ich habe also dagegen geredet und gesagt, schaut doch mal, das ist zwar nicht schön, das ist alles hässlich, aber es sind doch Rückzugsgefechte. Vergleicht das mal mit wirklichem, offenem Rassismus! Das Sentiment der deutschen Debattentreiber wie Sarrazin hat so was Verklemmtes und Verschwiemeltes, weil sie ja wisssen, dass es politisch nicht wirksam wird. Die gesamte politische Klasse hält doch dagegen. Merkel hat die Sache gleich mit ihrem „nicht hilfreich“ gekillt. Und dann Wulff mit seinem Islam-Diktum, gegen die BILD und die FAZ… Wir haben keine rechtspopulistische Partei in Deutschland! Alle unsere Nachbarn haben eine!

So richtig tröstlich hat das nicht gewirkt.

Seither bin ich über meine eigene Theorie ins Stutzen geraten, mit der ich mir bisher immer erklärt habe, warum das so ist, dass Deutschland keine rechtspopulistische Partei hat – ein Umstand, auf den ich einigermaßen stolz bin.

Meine Theorie darüber, warum Deutschland keine rechtspopulistische Partei hat wie alle unsere Nachbarn – keine Partei vom Typ Front National, SVP, Folkeparti oder PVV, besteht aus zwei Elementen.

Das erstere ist banal: Das Rechte ist tabuisiert, herausgedrängt aus der wohlanständigen Mitte in die Außenbezirke des Politischen. Analog zu dem, was ich anfangs berichtet habe über die Inakzeptabilität eines offenen Rassismus in der Mitte der Gesellschaft: Populismus geht in Deutschland nur noch links. Auch der kann sich übrigens mit xenophoben und rassistischen Motiven verknüpfen, wenn Sie es nicht glauben, lesen Sie mal die Bücher von Oskar Lafontaine!

Aber es ist undenkbar, dass eine einflußreiche Politikerin hierzulande für ein Kippaverbot einträte wie Marine Le Pen das kürzlich getan hat. Und ich prophezeie, dass aus diesem Grund auch in absehbarer Zeit die Kopftuchverbote in Deutschland fallen werden. Man wird das abräumen wie so viele andere Angstregelungen aus der Übergangszeit, wie etwa auch das Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft. Man wird einsehen, dass Loyalität zu unserer Gesellschaft und den Werten sich weder am Kopfschmuck noch an der Zahl der Pässe festmachen lässt.

Das zweite Element meiner Erklärung geht so:

Wo andere Länder eine rechtspopulistische Partei haben, haben wir in Deutschland die „Integrationsdebatte“. Über „Integration“ zu reden, das muss man heute schon betonen, war einmal ein Fortschritt. In dem Wort liegt ja die Akzeptanz, dass der zu Integrierende bleibt und dazugehören soll. In der Geschichte des Einwanderungslandes Deutschland war es eine historisch wichtige Schritt, das anzuerkennen.

Heute aber empfindet man diese Debatte seitens derjenigen, über die gesprochen wird, oft als Schikane und Falle. Immer neue Kriterien für Integration lassen den Eindruck zurück: Hier soll entgegen dem Sinn des Begriffs eigentlich eine unüberwindliche Differenz ausgedrückt werden. Anders als der Begriff suggeriert, ist die Integrationsdebatte eine Ausschlussdebatte, die am Ende die Pointe hat aufzuzeigen, warum ihr hier nie dazugehören werdet. Integration ist ein Distanzmarker geworden. Das Wort ist unbrauchbar für seinen ursprünglichen Zweck, und es wird darum weithin abgelehnt. Zu Recht, denn um Integration geht es gar nicht mehr: das setzt noch das Bild einer selbstgewissen Mehrheit voraus, die den Neuankömmlingen und ihren Kindern die Regeln vorgibt, nach denen sie sich integrieren können.

Von diesem Punkt aus spricht Bürgermeister Buschkowsky in seinem Buch. Aber das ist eine Retro-Fantasie: In den Siebzigern hätte es vielleicht funktioniert nach diesem Maßstab zu integrieren, aber damals war Integration ja eben nicht gewollt. Die Einwanderer sollten separat bleiben, damit ihnen die Heimkehr nicht schwer fiele: Re-Integration in ihre Herkunftsländer, das war das (illusorische) Ziel.

Heute ist die Vorstellung passé, die eingeborene Mehrheit gebe einer zugereisten Minderheit die Regeln vor. Wozu sollen wir denn die hier geborenen, hier zur Schule und zur Uni gehenden Kinder von Einwanderern und Alteingesessenen rechnen? Sie sind vielerorts die Mehrheit. Sie sind die Eingeborenen.

Wozu rechnen dann etwa meine eigenen Kinder, die einen iranischen und einen deutschen Opa haben und eine Mutter mit doppeltem Pass? (Wobei der Iraner ein Exilant ist, den sein eigenes Land verfolgt, und der deutsche Opa ein Vertriebener war, der im heutigen Polen geboren wurde.)

Ich kann es Ihnen sagen: So lange meine Kinder gut in der Schule sind, sind sie Deutsche. Würden sie Ärger machen, würde man vielleicht beginnen, ihren „Hintergrund“ durchleuchten.

Es geht nicht mehr um Integration, sondern um Partizipation von Menschen mit verschiedensten Mix-Identitäten.

Übrigens: Ich mag das Wort Identität nicht besonders. Es ist ein Plastikwort. „Identitäten“ sind entweder aus spannenden, schönen, traurigen Geschichten zusammengesetzt, oder sie sind bloße, langweilige, ideologische Behauptungen darüber, wer man ist. Identitäten sind oft nur Anmaßungen ohne viel Inhalt: die „christlich-jüdische Identität“ unseres Landes, die gerne behauptet wird – dass ich nicht lache! Man muss sich nur die Beschneidungsdebatte vor Augen halten, um zu erkennen, was das für ein Quatsch ist.

Ich habe mich lange gegen die Auffassung gewehrt, Islamophobie und Antisemitismus hätten bedeutende Überschneidungsflächen. Seit der Beschneidungsdebatte habe ich das Gefühl, es ist eben doch ein und das Gleiche.

Morgens im Deutschlandfunk hören zu müssen, wie wohlmeinende deutsche Ärzte gleich zwei Weltreligionen freundliche Angebote machen, sich endlich bitte, bitte auf das zivilisatorische Niveau des Kölner Landgerichts hinaufhieven zu lassen, das war dann doch sehr erhellend. Jüdische Teilnehmer verwahrten sich gegen die Unterstellung, sie seien traumatisiert. Es half nichts. Der deutsche Therapeut wußte es besser.

Leserbriefschreibern und Kommentatoren quillt der gesunde Menschenverstand aus den Tasten, dass es keine, aber auch gar keine akzeptable Begründung für die “Verstümmelung” von Knaben durch Vorhautentfernung gebe.

Religiöser Analphabetismus wird mit erstaunlichem Stolz als Common Sense spazieren geführt. Irre, was man so alles an Vergleichen hört: Abtreibung, Ohrfeige, kosmetische Ohrenkorrektur… Das großmütige Angebot, man könne Beschneidung verbieten, aber straffrei lassen, wie eben die Abtreibung. Und dem Vorschlagenden fällt gar nicht mehr auf, dass damit eine Ritualhandlung aufgrund eines religiösen Gebots, die der Aufnahme eines neuen Lebens in die Gemeinschaft dient (und der Feier des Bundes mit Gott), auf die gleiche Stufe mit der Beendigung menschlichen Lebens gestellt wird. Und wie das wohl bei den Betroffenen ankommt, dass ihre Handlung mit einer Tötung verglichen wird.

Geht es womöglich gar nicht um die Juden und die Muslime? Ist dies wieder einmal eine – diesmal knisternd pornographisch aufgeladene –  Orgie der Selbstbestätigung? Der faszinierte Blick auf den beschnittenen Penis der anderen lässt uns in Gewissheit erstarren, dass wir aufgeklärten Mehrheitsmenschen den Längsten haben.

Mit heiligem Ernst beschäftigt sich ein Land wie Deutschland Monate lang mit anderer Leute Geschlechtsorganen. Man fasst es nicht. Andererseits: Deutsche wollen die Unversehrtheit jüdischer und muslimischer Penisse per Gesetz garantieren. Macht nichts, wenn zu diesem Zweck die Eltern und die Ärzte, die an “barbarischen Bräuchen” festhalten, kriminalisiert werden.

Alle sollen so werden wie wir. Darum gehts es letztlich. Ja, warum auch nicht: Es gibt ja nun wirklich keinen Grund, anders zu sein oder anderes zu glauben, denn wir sind das zwar nicht das auserwählte, aber das aufgeklärte Volk. Indem wir ihre Religionen kriminalisieren, geben wir den Juden und den Muslimen eine Chance, sich endlich nach Jahrtausenden von ihren archaischen Praktiken zu distanzieren.

Wir Deutschen sind die Guten: Eine Komiker-Nation, wie die Kanzlerin treffend feststellte, im Einklang mit sich selbst.

Komisch nur, dass keiner lacht.

So viel zur deutschen Identität.

Aber auch wenn ich von der „muslimischen Identität“ höre, muss ich innerlich kichern: Identisch womit? Mit welcher Rechtsschule, welcher Konfession, welcher historisch-geografischen Prägung? Sufi oder Salafi? Konvertit oder wiedergeborenener Muslim? Muslimischer Atheist? Anti-Muslim?

Ich kenne keine zwei Muslime, die „identisch“ sind. Ich kenne viele, die andere Muslime für ganz schlimme Heuchler, Verwässerer, Fanatiker, Häretiker, Holzköpfe halten. Türken haben selten hohe Meinungen von Arabern und umgekehrt, und Iraner halten ohnehin alle anderen im Nahen Osten für kulturlose Völker (außer vielleicht die Juden, die auch schon ein paar Jahrtausende Geschichte haben, aber das geben nur wenige zu).

Also: Geht mir weg mit euren Identitätsbehauptungen! Identität ist nicht abendfüllend. Ganz mit uns identisch werden wir mit Sicherheit an einem Punkt unseres Lebens: Wenn es zuende ist. Tote sind mit sich identisch. Ein Merkmal des Lebens ist es, nicht mit sich identisch zu sein.

Aber ich schweife ab.

Ich wollte eigentlich sagen: Ich bin in unseren Debatten für maximale Offenheit, auch für verletzende Positionen. Ich habe lieber eine Debatte als eine rassistische Partei.

Ich halte das für einen entscheidenden Punkt zum Verständnis der deut­schen und europäischen Debatten über den Islam: Sie handeln in Wahrheit nicht wirklich vom Islam als Religion. Man kann die Leidenschaften, die dabei am Werk sind, wohl kaum aus einem Interesse am Verstehen einer Weltreligion ver­stehen, die (als Teil Europas, nicht als sein Gegenüber) immer noch neu ist. In erheblichem Maße dient die Debatte über den Islam der Selbstvergewis­serung einer verunsicherten Mehrheitsgesellschaft.

Es geht bei der „Islamkritik“min­destens so sehr um die deutsche, die europäische, die christliche, die säku­lare Identität wie um den Islam.

Das ist für sich genommen weder irrational noch illegitim. Es gibt Gründe für diese Verunsicherung, es gibt auch Gründe, die die „Islamkritik“ antreiben – und ihr die Leser zutrei­ben.

Ich sehe Deutschland in der Situation eines Nach-Einwanderungslan­des. Das Wort ist nicht schön, aber es beschreibt die Wirklichkeit: wir leben in einer post-migrantischen Situation. Wir debattieren also nicht mehr unter einem Einwanderungsdruck: Der Wanderungssaldo Deutschlands mit der Türkei ist seit Jahren negativ. Beginnend im Jahr 2006 kehrte sich der Trend um: Mehr Menschen zogen von Deutschland in die Türkei als umgekehrt. 2009 gingen bereits 10.000 mehr Menschen von Deutschland in die Türkei als vice versa.

Das ist nur ein Beleg dafür, dass Deutschland (jedenfalls für Türken) kein Einwanderungsland mehr ist. Doch just in dem selben Moment nehmen die Debat­ten über die Eingewanderten und ihre Nachkommen immer schärferen Charakter an. Kann es da einen Zusammenhang geben?

Das ist nicht ungewöhnlich: Vielleicht kann man im Amerika der Zwischenkriegszeit des letzten Jahrhunderts einen Präzedenzfall sehen. Damals wurden die Gren­zen für Immigration weitgehend geschlossen – nach einer großen Welle zwi­schen 1870-1924, die Iren, Deutsche, Polen und andere Osteuropäer und Italiener in Millionenzahlen nach Amerika gebracht hatte.

Dann ging man daran, mit viel Druck die Integration/Assimilation der Eingewan­derten zu betreiben.

Ich will die Analogie nicht zu weit treiben. Nur soviel: Europa insgesamt scheint, nach der gigantischen Einwanderungswelle der Nachkriegszeit, die gespeist wurde durch Postkolonialismus und Wirtschaftsboom, ebenfalls in einer Phase der Schließung zu sein. Schließung im Wortsinne durch gesetz­liche Erschwerung von Zuwanderung. Und im übertragen Sinne als Ver­such, die jeweilige Identität zu bewahren (was auch immer das jeweils sei). Der Erfolg der rechtspopulistischen Anti-Einwanderer-Parteien überall in Europa spricht dafür.

Überall? Eben nicht. Deutschland hat keine solche Partei. Deutschland hat statt dessen eine Debatte über „Integration“. Mir ist das einstweilen lieber so, wie hässlich die Debatte auch sein möge. Bei aller Kritik an der „Islamkritik“ sollte das nicht vergessen werden.

In Deutschland kann ich meinem Unmut an der Einwanderungsgesellschaft nicht an der Wahlurne Ausdruck verleihen. Alle Parteien – selbst die Union – haben ihren Frieden damit gemacht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Es gibt bei uns in der politische Klasse keine erfolgreichen Hetzer. Alle Zündler sind politisch gescheitert und aussortiert worden. Fragen Sie mal Roland Koch über seinen letzten Wahlkampf.

Was ich aber tun kann, um meinem Unmut, meiner Angst, meiner Überforderung Ausdruck zu geben, ist ein Buch zu kaufen und zu Lesungen zu gehen, bei denen diesem Gefühl Ausdruck verliehen wird.

Das ist besser als eine Partei zu haben, die monothematisch damit Stimmen sammelt. Aber es ist nicht harmlos.

Vergiftete Kommunikation ist eine schlechte Voraussetzung, wenn eine Gesellschaft eigentlich darangehen muss, ein neues WIR auszuhandeln. Weil man sich dann nur in wechselseitigen Beschimpfungen ergeht: Integrationsverweigerer! Rassist!

Ich halte nichts davon, Buschkowski als Rassisten zu bezeichnen. Nicht nur aus dem strategischen Grund, dass man ihn mit einem so überzogenen Vorwurf zum Helden eines Publikums macht, das ohnehin der Meinung ist, die Wahrheit könne man in diesem Land nicht mehr sagen, weil man dann als Rassist bezeichnet werde. Wenn ich für Buschkowski und die NSU-Täter das gleiche Wort verwende, mache ich meine Kritik an seinen Verallgemeinerungen und Zuspitzungen selber unglaubwürdig. Aber lassen wir dieses Buch. Ich habe schon gesagt, dass mir Bücher lieber sind als Parteien, und das gilt auch hier, bei aller Kritik.

Um zum Schluss zu kommen:

Deutschland ist schon sehr viel weiter als es weiß. Wird jetzt alles gut, wird jetzt alles nett?

Nein, gemütlich ist es nicht in Einwanderungsländern, sie sind voller Konflikte und Ressentimens – auf allen Seiten! Selbstverständlich auch auf Seiten der Einwanderer. Schauen Sie nach USA, England, Kanada, Israel. Es gäbe keine Standup-Comedy ohne diese Tatsache.

Gegen Vergiftung muss man allerdings eintreten, aber dagegen hilft nicht das Schönreden. Man darf nicht die Arbeitsteilung akzeptieren, dass die einen sich für Religionsfreiheit, Säkularismus, Frauenrechte, Werte, Bildung einsetzen und die anderen erklären, alles laufe schon irgendwie und man müsse nur abwarten und dem neuen bunten Deutschland beim Wachsen zusehen. Ängste und Vorbehalte, Konflikte und Ressentiments darf man nicht wegdrücken, weil sie „der falschen Seite nutzen“.

Nur wer weniger Angst vor den eigenen Ängsten hat, wird sich weiter entspannen können. Nur wer nicht fürchtet, dass seine Ängste weggewischt werden, wird sie eines Tages relativieren können.

 

Die Komiker-Nation Deutschland debattiert Beschneidungen

«Ich will nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben können. Wir machen uns ja sonst zur Komiker-Nation.»
Das hat die Kanzlerin mal was richtig erkannt.

Die Muslime hätte sie allerdings gerne einbeziehen können. Tut sie aber bezeichnender Weise nicht. Denn Ausgangspunkt der Debatte war ja der Fall eines vierjährigen Muslims. Dass die Oberstaatsanwältin, die den Fall in Köln vor Gericht brachte, auch gegen einen weißbärtigen Mohel vorgegangen wäre, kann ich mir nicht vorstellen. Noch fällt es schwer, sich auszumalen, dass wir demnächst wegen Körperverletzung einen Rabbiner in der Synagoge verhaften.

Nein, wohl eher nicht. Aber einem syrischstämmigen Arzt kann man eben schon mal die Instrumente zeigen. Es fällt in Deutschland einfach leichter, Muslime über ihr „Barbarentum“ zu belehren als Juden.

Jedenfalls noch.

Nun hat man es aber mit der Rabbinerkonferenz und dem Zentralrat der Juden in schönster Einheit mit den islamischen Verbänden zu tun bekommen, und da hört dann der Spaß auf. Eine rechtliche Klärung muss nun her, um Juden das Verbleiben hier zu ermöglichen. Recht hat sie, die Kanzlerin.

Davon dürfen dann die Muslime, die den Anlass für das irre Theater gegeben haben, gerne mit profitieren, ohne dass die Kanzlerin sich nun freilich als deren Schutzpatronin erwischen lassen will.

Deutschland. Zum Auswandern schön.

Ich habe mich lange gegen die Auffassung gewehrt, Islamophobie und Antisemitismus hätten bedeutende Überschneidungsflächen (no pun intended). Ich gebe hiermit offiziell auf. Es ist ein und das Gleiche.

Heute morgen im Deutschlandfunk hören zu müssen, wie wohlmeinende deutsche Ärzte gleich zwei Weltreligionen freundliche Angebote machen, sich endlich bitte, bitte auf das zivilisatorische Niveau des Kölner Landgerichts hinaufhieven zu lassen, das war dann doch sehr erhellend. Jüdische Teilnehmer verwahrten sich gegen die Unterstellung, sie seien traumatisiert. Es half nichts. Der deutsche Therapeut wußte es besser.

Leserbriefschreibern und Kommentatoren quillt der gesunde Menschenverstand aus den Tasten, dass es keine, aber auch gar keine akzeptable Begründung für die „Verstümmelung“ von Knaben durch Vorhautentfernung gebe.

Religiöser Analphabetismus wird mit erstaunlichem Stolz als Common Sense spazieren geführt. Irre, was man so alles an Vergleichen hört: Abtreibung, Ohrfeige, kosmetische Ohrenkorrektur… Das großmütige Angebot, man könne Beschneidung verbieten, aber straffrei lassen, wie eben die Abtreibung. Und dem Vorschlagenden fällt gar nicht mehr auf, dass damit eine Ritualhandlung aufgrund eines religiösen Gebots, die der Aufnahme eines neuen Lebens in die Gemeinschaft dient (und der Feier des Bundes mit Gott), auf die gleiche Stufe mit der Beendigung menschlichen Lebens gestellt wird. Und wie das wohl bei den Betroffenen ankommt, dass ihre Handlung mit einer Tötung verglichen wird.

Ach was, es geht womöglich gar nicht um die Juden und die Muslime. Es ist wieder einmal eine – diesmal knisternd pornographisch aufgeladene –  Orgie der Selbstbestätigung ausgebrochen. Der faszinierte Blick auf den beschnittenen Schlong lässt uns in Gewissheit erstarren, dass wir aufgeklärten Mehrheitsmenschen den Längsten haben.

Mit heiligem Ernst beschäftigt sich ein Land wie Deutschland zwei Wochen lang mit anderer Leute Geschlechtsorganen. Man fasst es nicht. Andererseits: Deutsche wollen die Unversehrtheit jüdischer und muslimischer Penisse per Gesetz garantieren. Irgendwie ein Fortschritt, oder? Wäre da nicht die peinliche Pointe, dass zu diesem Zweck die Eltern und die Ärzte, die an „barbarischen Bräuchen“ festhalten, kriminalisiert werden.

Alle sollen so werden wie wir. Darum gehts es letztlich. Ja, warum auch nicht: Es gibt ja nun wirklich keinen Grund, anders zu sein oder anderes zu glauben, denn wir sind das zwar nicht das auserwählte, aber das aufgeklärte Volk. Indem wir ihre Religion kriminalisieren, geben wir den Juden und den Muslimen eine Chance, sich endlich nach Jahrtausenden von ihren archaischen Praktiken zu distanzieren.

Wir Deutschen sind die Guten: Eine Komiker-Nation im Einklang mit sich selbst.

Komisch nur, dass keiner lacht.