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Friedman: Der 11. September hat uns dumm gemacht

Ein notwendiger Zwischenruf von Thomas Friedman in der NYT. Betrifft auch unsere Debatte über die „Ströme von Gift“.

9/11 has made us stupid. I honor, and weep for, all those murdered on that day. But our reaction to 9/11 — mine included — has knocked America completely out of balance, and it is time to get things right again.

It is not that I thought we had new enemies that day and now I don’t. Yes, in the wake of 9/11, we need new precautions, new barriers. But we also need our old habits and sense of openness.

Dies gilt auch für Deutschland, glaube ich. Jedenfalls für mich.

 

Franzosen, boykottiert Burma!

Der französische Präsident macht Druck auf die Deutschen, sie sollen EU-Sanktionen gegen Iran beschließen – ausserhalb des UN-Sicherheitsrates, wenn nötig.

Doch nicht nur im Iran sind Frankreichs große Unternehmen weiterhin tätig, auch in der anderen Diktatur, die gerade Schlagzeilen macht:

The French government and France’s largest company, Total, were struggling yesterday to contain growing criticism of the oil company’s record in Burma.

Total and the French government have rejected pleas from Burmese opposition and French trades unions and human rights group for the oil giant to suspend its activities in the Yadana gas field in southern Burma.

Critics point out Total is the largest economic operator in Burma and a significant conduit of cash to the military regime. Several human rights groups have accused Total of making use of forced or child labour – something the oil company angrily rejects. (Mehr im Independent)

Bevor sich Frankreich zur moralischen Vormacht in Europa aufwirft, die andere forsch zu Sanktionen animiert, wäre es vielleicht angezeigt, erst einmal zu checken, wo es selbst überall mitmischt.

 

Ströme von Gift ?

„Ströme von Gift“ – ein nachdenklicher Artikel zum Thema Kommentarfreiheit im Internet von Heribert Seifert in der NZZ. Ausgangspunkst ist ein schäumender „islamkritischer“ Kommentar, den ich hier hatte stehen lassen, weil er mich schockiert hatte. Dieser und andere Kommentare hatten mich bewegt, die Kritik der Islamkritik ernster zu nehmen. Etwas läuft da gewaltig schief, und die Frage ist, wie man scharfe, auch einmal betont polemische Kritik ermöglicht und zugleich das Abgleiten ind Stammtischdumpfheit und Hass verhindert.

Nicht nur wir hier haben das Problem, wie der Artikel zeigt:

Viele Zeitungen bieten auf ihren Online-Ausgaben dem Publikum die Möglichkeit an, Kommentare zu placieren. Oft sind diese Meinungen allerdings kaum durch argumentative Vernunft geleitet.

«Islam ist faschistisch. Wer meint, hierzulande zum Terror-Gott Allah beten zu müssen, sollte schleunigst das Land verlassen. Der islamische Terror-Gott Allah ist eine Geisteskrankheit, die zwangsläufig zu Unterdrückung, Steinigung, Terror, Gewalt usw. führt.» Dies schrieb ein Nutzer namens Claudius Valentin zu einem Kommentar des «Zeit»-Redaktors Jörg Lau zum Streit um den Bau einer Kölner Zentralmoschee. Eine ganze Seite lang wütete der aufgebrachte Islam-Gegner gegen die Muslime als die «neuen Nazis». Hier schrieb jemand mit Schaum vor dem Mund und einem ganzen Holzlager vor dem Kopf, überwältigt von rasendem Ausdruckszwang. Mit ein paar Mausklicks konnte er die Gelegenheit nutzen, seine Ansichten auf der Website des seriösen Hamburger Wochenblatts einem grossen Publikum bekanntzumachen. Autor Jörg Lau setzte darunter: «Ich lasse diesen Kommentar hier so stehen, aus dokumentarischen Gründen. Es soll nicht heissen, dass hier etwas geschönt wird.»

Ist es das, was Jürgen Habermas im Juni 2006 mit einer Fussnote im Manuskript seines Dresdner Vortrags über «Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft» gemeint hat?

Mehr…

 

Italienischer Innenminister: Kopftuch nicht verbieten! (Burka schon)

Der italienische Innenminister Giuliano Amato hat gestern in der Kopftuchfrage gegenüber der Tageszeitung La Stampa Stellung bezogen: Das Kopftuch soll in Italien nicht verboten werden, weil auch Nonnen eine Kopfbedeckung tragen dürfen. Amato sagte in Florenz anläßlich der Nationalen Migrations-Konferenz: «Vietare il velo vuol dire imporre un’ideologia imperialista occidentale agli occhi di chi ci vede diversamente da noi». (Das Kopftuch zu verbieten, bedeutet in den Augen derer, die bei uns anders leben, eine imperialistische westliche Ideologie durchzusetzen.)
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Koptuch ja, Burka nein: Giuliano Amato

Amato ist allerdings einverstanden damit, die Verschleierung des Gesichts in der Öffentlichkeit, etwa durch die Burka, zu verbieten.

Weitergehenden Forderungen nach einem kompletten Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit hält Amato entgegen:
«Allora dovremmo vietare il velo solo alle donne islamiche? Se fai una legge che proibisce di portare il velo nei luoghi pubblici, la prima questione che sorge è: perché una suora può portarlo e una donna islamica no?“ (Sollen wir das Kopftuch nur Musliminnen verbieten? Wenn wir ein Gesetz machen, dass das Tragen des Kopftuchs an öffentlichen Orten verbietet, dann stellt sich als erste Frage: Warum kann eine Nonne es tragen und eine islamische Frau nicht?)

Auf den Einwand, in Frankreich gebe es ein Kopftuchverbot, antwortet Amato, dort seien schließlich auch Kreuze verboten, und einen solchen Laizismus wolle er in Italien nicht.

Die wahre Aufgabe bestehe in der Integration der entfremdeten Jugendlichen im Westen, „perché la radicalizzazione nasce sempre da un’identità negata“ – „denn die Radikalisierung kommt immer aus einer verweigerten Identität“.
Das ist mir ein bisschen zu einseitig: Es gibt viele intrinsische Faktoren für Radikalisierung, die herzlich wenig mit „verweigerter Identität“ zu tun haben.

Auch das Wort vom „Imperialismus des Westens“ finde ich fatal. Das ist  fast schon Originalton Muslimbruder-Propaganda.

Aber Amato hat trotzdem recht, gegen ein Kopftuchverbot zu votieren, weil es nicht zur freiheitlichen Ordnung Italiens paßt.

 

Israelischer Militärexperte: Wir können mit der iranischen Bombe leben

Israels bekanntester Militärhistoriker Martin van Creveld empfindet die Aufregung um das iranische Atomprogramm als Hysterie. In einem seiner berüchtigten, kalt analysierenden Artikel im jüdischen „Forward“ geht er der iranischen Stärke nach:

Mahmoud Ahmadinejad looks and sounds as if he is in a panic — and the Iranian president, on tour in New York this week, has very good reason to be.

Israel, which Ahmadinejad regards as his country’s great enemy, has just carried out what seems to be a very successful strike against an important Syrian installation. And behind Prime Minister Ehud Olmert stands President Bush — the same President Bush who four years ago needed no reason at all to take on Iran’s neighbor to the west and demolish it to the point where it may never rise again.

Both Olmert and Bush have repeatedly signaled their determination to prevent Iran from going nuclear, using force if necessary, and they may very well carry out their threats. Should they do so, then Iran — so often presented as some kind of regional juggernaut — will have little to put in their way.

Though rich in oil, Iran is a third-world country with a population of 80 million and a per capita income of $2,440. By the best available figures, those of the London-based International Institute of Strategic Studies, its annual defense budget stands at about $6.3 billion — a little more than half of Israel’s and a little less than 2% of America’s.
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Martin van Creveld von der Jerusalemer Hebrew University

Iran, in fact, spends a smaller percentage of its resources on defense than any of its neighbors except the United Arab Emirates. And while Iran might very well operate covert programs whose cost would bump up its total defense expenditures, the same can be said of many other countries.

Should the United States strike at Iran — and let’s be clear here, we are talking about a strike by cruise missiles and manned aircraft, not about an invasion for which Washington does not have the troops — then Tehran will have almost no way to hit back.

….

In case Bush does decide to attack Iran, it is questionable whether Iran’s large, well-dispersed and well-camouflaged nuclear program can really be knocked out. This is all the more doubtful because, in contrast to the Israeli attacks on Iraq back in 1981 and on Syria three weeks ago, the element of surprise will be lacking. And even if it can be done, whether doing so will serve a useful purpose is also questionable.

Since 1945 hardly one year has gone by in which some voices — mainly American ones concerned about preserving Washington’s monopoly over nuclear weapons to the greatest extent possible — did not decry the terrible consequences that would follow if additional countries went nuclear. So far, not one of those warnings has come true. To the contrary: in every place where nuclear weapons were introduced, large-scale wars between their owners have disappeared.

General John Abizaid, the former commander of United States Central Command, is only the latest in a long list of experts to argue that the world can live with a nuclear Iran. Their views deserve to be carefully considered, lest Ahmadinejad’s fear-driven posturing cause anybody to do something stupid.

 

Saudische Frauen schlagen zurück

Asharq Alawsat berichtet, in Dammam hätten zwei „unangemessen gekleidete“ junge Frauen, die von der Religionspolizei (Mutaween) zurechtgewiesen wurden,  die Polizisten beschimpft und mit Pfefferspray für eine Weile Schach Matt gesetzt.

Die Frauen wurden allerdings überwältigt und zur Wache gebracht, ermahnt und schließlich freigelassen.

Wenn mehr Frauen sich diese viehische Behandlung nicht mehr gefallen lassen, wird es brenzlig.

 

Und das ist nicht gut so: Schwulenhass unter Migranten

Ein schwuler Bürgermeister hilft offenbar nicht viel, wenn es darum geht, schwulenfeindliche Einstellungen abzubauen.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland hat den Kieler Sozialpsychologen Bernd Simon beauftragt, Berliner Schüler über ihre Meinung zur Homosexualität zu befragen. Von dem Ergebnis zeigte der Verband sich „nicht überrascht“, in der Eindeutigkeit aber doch erschreckt. Die Berliner Zeitung schreibt von einem „tief sitzenden Schwulenhass“:

„So sagten 37 Prozent der jungen deutschen Männer, sie hätten etwas falsch gemacht, wenn ihr Kind homosexuell wäre. Bei den russischen Migranten waren 51 Prozent, bei den türkischen Jugendlichen sogar 71 Prozent dieser Meinung. Gleiche Rechte für Hetero- und Homosexuelle fanden 74 Prozent der deutschen Schüler, 47 Prozent der russischen und nur noch 38 Prozent der türkischen Schüler richtig.“

Und Jan Feddersen kommentiert in der taz:

Entsprechendes sagen auch Sozialpädagogen und andere mit der Betreuung von Menschen befasste Personen: Nichts verdient so sehr Verachtung, mehr noch, Bestrafung wie ein Angehöriger, der homosexuell ist. Und was fällt Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner dazu ein? Sie warnt davor, einen Zusammenhang mit dem Islam herzustellen. „Das wäre hier die grundfalsche Antwort. Ich wünsche mir, dass wir Homophobie nicht mit Islamophobie begegnen.“ Als ob das jemand täte!

In Wahrheit gibt es einen Zusammenhang zwischen der herauskristallisierten Parallelgesellschaft muslimischer Prägung, meinetwegen altpatriarchalischen Formen des menschlichen Zusammenlebens und diesem grassierenden Hass auf Homosexuelles, der mit dem Wort „Homophobie“ nur unzulänglich umrissen ist. Wer diese inneren Verbindungen leugnet, will letztlich auch nichts von den Umständen wissen, denen Homosexuelle gerade in muslimisch geprägten Gemeinschaften ausgesetzt sind. Das Argument, man dürfe nichts gegen den Islam sagen, lebt ohnehin von der Unterstellung, dass auch das Christentum in Sachen Antihomosexualität seine Leichen im Keller habe. Richtig, möchte man sagen – aber die in Berlins Vierteln Neukölln und Wedding, in Hamburgs Billstadt oder in Köln-Mülheim gelebten Arten des Hasses auf Homosexuelle findet sich in altdeutsch (auch christlich) grundierten Milieus nur noch selten: Und wenn, ist man dort seit vielen Jahrzehnten gewöhnt, dass die betreffenden Kinder sich mit Hilfe eines Netzes von Hilfsangeboten aus den homophoben Strukturen lösen können.

Den Alltag in muslimischen Vierteln aber kennzeichnet vor allem dies: Es gibt reichlich Männer mit schwuler Praxis. Sie leben aber in heterosexuellen Ehen – und spricht man sie denn an, was sie davon hielten, wenn ihre Töchter und Söhne auch Nein, wehren sie brüsk ab, die müssten dann verheiratet werden, im übelsten Fall sogar verstoßen oder getötet werden. In diesen Milieus gibt es so viel Ehebetrug gerade mit schwulem Unterfutter – und stets verteidigen die Betrüger ihre familiären Verhältnisse mit dem Hinweis auf den Koran, auf Allah und auf die Familie, die man nicht enttäuschen dürfe.

Weiteres Material hier.

 

Islamisierung der Zahnheilkunde abgewehrt

Ein Zahnarzt in Manchester wurde vom General Dental Council wegen Diskriminierung einer Patientin verurteilt – weil er sie aufgefordert hatte, ein Kopftuch zu tragen. Der Arzt namens Omer Butt bezog sich bei seiner Aufforderung auf die Scharia. Die Zahnärztekammer hat ihn drei Tage lang verhört und schließlich abgemahnt.

Ich sehe das als Beispiel dafür, dass die Islamisierung des Alltags keineswegs geduldet werden muss. Es gibt Mittel und Wege der Zivilgesellschaft, den öffentlichen Raum vor dieser Art von Kolonisierung zu schützen.

Aus dem Bericht der BBC:

The dentist had denied the charges, but admitted he would ask Muslim women to cover up in accordance with Islamic law before he treated them and reducing fees to encourage patients to wear the headscarf.

Dr Butt, of Prestwich, Greater Manchester, was found to have „undermined public confidence“ in the dental profession by discriminating against the woman in April 2005.

Giving evidence in his defence, Dr Butt said he „politely requested“ the woman, a non-practising Muslim, to wear a headscarf.

He said it was „unlawful“ for him, as a Muslim, to look at a Muslim woman who was not properly covered up.

The patient, a community nurse who worked in Bury, said Dr Butt told her she would have to find another dentist because she would not wear the headscarf.

The hearing was told the dentist later quoted Islamic Sharia law on appropriate relationships between men and women.

Patient A said she was told by a dental nurse at the surgery: „Inside the surgery it’s Dr Butt’s world and his rules apply.“

The patient said she sought to register at the Unsworth Smile Clinic after the birth of her young child because it was nearer to her home.

She said she telephoned the clinic to make an appointment and was told they required Muslim women to wear the headscarf.

Muslim men attending the clinic could not wear gold jewellery, she was told.

 

Ülkücülük – oder: Wer bei DITIB so alles willkommen ist

DITIB erklärt zu dem Vorschlag Wallraffs, aus den Satanischen Versen von Salman Rushdie auf dem Gelände der DITIB-Moschee zu lesen und zu diskutieren: „Geschäftsführung, Dialogabteilung und Vorstand sind sich einig gewesen, dass eine solche Veranstaltung nicht für die Integration der Muslime in Deutschland förderlich wäre.“

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„Alparslan“ Türkes, Führer der türkischen Rechtsextremisten


Die Gremien der DITIB müssen sich dann aber auch die Frage gefallen lassen, ob es für die Integration förderlich ist, wenn die größte DITIB Moschee Berlins, die Sehitlik Moschee, am 8.4.2007 den türkischen Rechtsextremen (Graue Wölfe) überlassen wird, damit diese in der Moschee ihre Gedenkfeier (Anma Gecesi) für ihren am 4.4.1997 verstorbenen Führer, den Oberwolf Alparslan Türkes, veranstalten können.

So ist es geschehen. Und es wäre auch eine kleine Debatte wert gewesen.