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Valentinstag in Teheran

Kleiner Beitrag zur Debatte über die Tiefe und Reinheit des iranischen Volksglaubens: Die iranische Hauptstadt bereitet sich in diesen Tagen auf die Feier des Märtyriums des hl. Valentin vor, eines Heiligen, der heute im Lande weithin verehrt wird – zum wachsenden Ärger der Orthodoxie.

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Wer gegen Krieg ist, muss für Demokratie und Menschenrechte im Iran eintreten

Es gibt noch Linke in der iranischen Opposition, deren Reflexe stimmen und die darum ein Engagement gegen Kriegsdrohung der Bush-Regierung mit einem Engagement gegen das Mullah-Regime verbinden. Hossein Bager Zadeh schreibt:

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The tragedy of the Iranian people is not only that they have become the next target of the American neocon policies, but also that they are being ruled by the most brutal and ideologically backward-looking and fatalist government in their recent history. The Iranian government has managed to concentrate the world opinion on its nuclear policies and as a result to push aside its horrible human rights record off the agenda.

And the Left in the west has been playing into its hands by ignoring the plight of the Iranian people and concentrating solely on the American designs. This is not the way to effectively fight the impending war. An anti-war stand should be combined with a worldwide campaign for democracy and human rights in Iran — not only to help relieve Iranians of their sufferings, but also as the best means to diminish the tension in the area and remove any excuse for an American/Israeli attack on Iran.

Ahmadinejad should be condemned for the statements he has made about Israel and Holocaust. Calls should be made for free and fair elections in Iran. Iran’s horrible human rights records should be condemned and those implicated of human rights crimes (many of them in the government) should be brought to justice. And of course, war should be opposed in any circumstances. The Left should be in the vanguard of these campaigns — if it wants to have any credibility in its campaign against the war…

 

Zwei Mal aus Teheran ins Exil

Bewegende Erinnerungen eines Mannes, der zwei Mal aus dem Iran ins Exil gehen musste – einmal des Schahs und einmal der Mullahs wegen:

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«Der Schah ist weg, der Schah ist weg!» rief einer, der ein Transistorradio in der Hand hatte. Wie ein Blitz schlug die Nachricht ein. Jubel brach aus, die Autos auf den Strassen begannen im Takt zu hupen, manche Fahrer hielten an, stiegen auf das Dach ihres Wagens und begannen zu tanzen. Blumenhändler schenkten den Passanten Blumen, vor den Häusern wurden Süssigkeiten verteilt, es wurde laut Musik gemacht, innerhalb kurzer Zeit entstand das grösste Fest, das Teheran je erlebt hatte.

Es war kurios, wie eine derart gefürchtete Macht einstürzte wie ein Kartenhaus. Rundfunk und Fernsehen wurden von den Aufständischen besetzt, Waffendepots geplündert, Gefängnisse gestürmt. Ich begab mich zum berüchtigten Evin-Gefängnis, dem Sinnbild des Grauens. Früher war ich gelegentlich daran vorbeigekommen. Wenn Schüsse fielen, stieg eine Schar von Raben krächzend auf, als wollten die Vögel der Stadt mitteilen, was hinter den Mauern geschah. Und nun hatte ich das grosse Glück, die Befreiung der Gefangenen mitzuerleben. Es war ein einmaliges Ereignis.

Plötzlich hatte die Freiheit das unüberwindbar scheinende Tor durchbrochen und die schlimmsten und brutalsten Züge der Diktatur enthüllt. Wir gingen durch die dunklen Gänge, betrachteten die Zellen. Welch unsagbare Verbrechen, welche Qualen hatten diese Räume miterlebt! In den Kammern lagen still und kalt die Folterinstrumente, die man vom Hörensagen kannte. Wer hätte sich in diesen Tagen vorstellen können, dass das Gefängnistor sich bald wieder schliessen würde und Zehntausende – auch Gefangene, die an diesem Tag befreit wurden – abermals hinter diesen Mauern gefoltert und hingerichtet würden?


Weiter hier in NZZ Folio.

 

Ayan Hirsi Ali: Die moderaten Muslime müssen eine Alternative zum Dschihadismus bieten

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Ayan Hirsi Ali sagt gegenüber der New York Times etwas sehr Wahres:

Q. Have you seen any ideology coming from within Islam that gives young Muslims a sense of purpose without the overlay of militancy?

A. They have no alternative message. There is no active missionary work among the youth telling them, do not become jihadis. They do not use media means as much as the jihadis. They simply — they’re reactive and they don’t seem to be able to compete with the jihadis. And every time there is a debate between a real jihadi and, say, what we have decided to call moderate Muslims, the jihadis win. Because they come with the Koran and quotes from the Koran. The come with quotes from the Hadith and the Sunnah, and the traditions of the prophet. And every assertion they make, whether it is that women should be veiled, or Jews should be killed, or Americans are our enemies, or any of that, they win. Because what they have to say is so consistent with what is written in the Koran and the Hadith. And what the moderates fail to do is to say, listen, that’s all in there, but that wasn’t meant for this context. And we have moved on. We can change the Koran, we can change the Hadith. That’s what’s missing.

 

Mohammed-Karikaturen revisited

Mehr als ein Jahr nach der Karikaturen-Affäre beschäftigt sich die französische Justiz jetzt mit den Folgen. Die Zeitschrift Charlie-Hebdo, die seinerzeit drei der Karikaturen nachgedruckt hatte, wurde von muslimischen Verbänden verklagt. Am Mittwoch wurde der Prozess eröffnet. Es droht eine herbe Geldstrafe – und eine Niederlage für die Werte der Republik. (Siehe auch das Blog des Kollegen Wurst.)
Die französische Tageszeitung libération unterstützt Charlie-Hebdo durch Wiederabdruck der Karikaturen und durch eine Solidaritätsadresse namhafter Intellektueller – darunter auch zahlreiche Muslime. Charlie-Hebdo hatte übrigens das Titelbild der inkriminierten Ausgabe mit einer eigenen Karikatur geziert, auf der man den Propheten Mohammed sieht, der von Fundamentalisten umringt ist und verzweifelt ausstösst: „Es ist hart, von Idioten verehrt zu werden.“

Wie auch immer der Prozess ausgehen mag, es könnte bald schon wieder Nachfrage nach Empörungsbedarfsartikeln bestehen, wie sie in dieser Satire von Bill Maher angepriesen werden. Sie sei den geneigten Lesern hier zum Jahrgedächtnis des Karikaturenstreits empfohlen.

 

Berlin feuert seinen besten Integrationspraktiker

Ein Beitrag von mir aus der aktuellen ZEIT, Nr. 7/2007
ZU GUT FÜR DEN JOB
BERLIN
Neukölln ist in den letzten Jahren im öffentlichen Bewusstsein zu dem Ort des gesellschaftspolitischen Scheiterns avanciert. Hier sagt der SPD-Bürgermeister Heinz Buschkoswky: „Multikulti ist gescheitert.“ Als im letzten Jahr das Kollegium der Rütli-Schule das Handtuch warf, wirkte das wie der Beleg zu dieser These. In Neukölln spielen Filme über türkisch-arabische Jugendgangs mit Titeln wie »Wut« und »Knallhart«. Die Botschaft ist klar: Wer mit seinem Leben noch etwas vorhat, verlässt dieses Viertel.
Gilles Duhem, ein französischer Politologe und Volkswirt, hat es anders gehalten. Der heute 39jährige hat vor fünf Jahren den Posten des „Quartiersmanagers“ in einen der schwierigsten Berliner Kieze übernommen – im Neuköllner Rollbergviertel. Ein Quartiersmanager soll Sanierungsmassnahmen und Hilfsangebote koordinieren. Doch Gilles Duhem hat in seinem Mikrokosmos über diese Aufgaben hinaus Unwahrscheinliches vollbracht. Dank seiner Arbeit ist ein dörfliches „Wir-Gefühl“ im Viertel entstanden. Die Bürger begannen, sich gegen den Verfall ihres Kiezes zu organisieren. Die Kriminalitätsrate sank im letzten Jahr um ein Drittel.
Duhem hat Konflikte nicht gescheut, vor denen seine Vorgänger sich gedrückt haben. Eine Horde arabischer Jungs, die lange die Strassen dominierte, hatte es anfangs auf ihn abgesehen, erzählt er: „’Alda, bissu schwul’, machten die mich an. ‚Ich bin schwul’, habe ich gesagt, und wenn ihr euch nicht benehmt, zeige ich euch an.’“ Die Jugendlichen mussten sich daran gewöhnen, dass man ihnen selbstbewusst und konsequent begegnet. „Wir sind einerseits das Sprachrohr der Leute«, sagt Duhem, »die keine Stimme haben. Doch wir geben auch dem Rechststaat ein Gesicht und setzen Regeln durch.“ Duhem hat die Neuköllner gewonnen, indem er sie von Anfang an nicht als hilflose Objekte staatlicher Betreuung behandelte, sondern als zu aktvierende Bürger. Er hat sie an Entscheidungen beteiligt, ihnen Verantwortung aufgenötigt und damit Selbstrespekt und Würde zurückgegeben. So ist er für die Bewohner des Rollbergviertels ein Held geworden.
Doch zu Jahresbeginn hat der Berliner Senat ihn nun – zum Entsetzen der Anwohner – kurzerhand rausgeworfen. Wie es dazu kam, ist ein Lehrstück über mutwillig verpasste Chancen in der Integrationspolitik.
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Man hatte Gilles Duhem gewarnt, sich nicht in die „Schlangengrube“ des Rollberviertels zu begeben. Die Türken konnten hier die Araber nicht ausstehen, und die Deutschen beschwerten sich über die kriminellen Ausländer und die Jugendgangs….
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Türkischstämmige Abgeordnete protestieren gegen Nationalismus

Streicht den Paragraphen 301!

Der Berliner Grüne Özcan Mutlu hat nach dem Mord an Hrant Dink und den Morddrohungen gegen Orhan Pamuk eine Initiative von türkischstämmigen Abgeordneten in ganz Europa gegründet, die sich dem wachsenden Nationalismus in der Türkei entgegenstemmen.

Dink und Pamuk waren unter dem § 301 des türkischen Gesetzbuchs angeklagt worden, der „Verunglimpfung des Türkentums“ unter Strafe stellt.

Natioanlisten dient dieser Paragraph als Vorwand, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und missliebige Diskussionen etwa in der Armenien-Frage abzuschneiden. Seine Abschaffung gilt als wesentlicher Schritt auf dem Weg in eine demokratischere Türkei.
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Özcan Mutlu, Grüne

Hier ist der Aufruf der Abgeordneten im Wortlaut:

Heute vor zwei Wochen wurde Hrant Dink ermordet. Mehr als 100.000 Menschen nahmen an seiner Beisetzung teil und machten deutlich, dass sie in einem Land leben wollen, in dem Schriftsteller und Journalisten nicht um ihr Leben fürchten müssen, weil sie kontroverse Meinungen vertreten und sich zu sensiblen Themen äußern.

Nun ist es Zeit zu handeln.
Vor einigen Monaten hatten die türkische Regierung und ihre Strafbehörden dem Verstorbenen die Verletzung des Paragraphen 301 angelastet. Mit ihm sind heute weitere Denker in der Türkei, wie zum Beispiel der Nobelpreisträger Orhan Pamuk mit dieser diskriminierenden und antidemokratischen Rechtshaltung in der Türkei bedrängt und von Extremisten bedroht.

Der Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches bestimmt, dass die Verunglimpfung bzw. Herabsetzung des „Türkentums“, der Republik oder der großen Nationalversammlung mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft wird.

Aufgrund der unbestimmten und weit interpretierbaren Formulierungen des Paragraphen 301 ist es nicht möglich, eine klare Linie zwischen einer Herabsetzung und einer kritischen Meinungsäußerung zu ziehen.

Der Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches stellt eine große Gefahr für die Vielfalt des Landes dar….
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Wie es ist, das Kopftuch abzunehmen

Interessanter Austausch bei Mideastyouth.com: Eine orthodoxe Jüdin und eine Muslima über die Erfahrungen damit, das Haar offen zu tragen:

“That’s it. I’ve had it. I’m letting it all hang out.”

I overheard this conversation from where I was sitting in my office coming from the receptionist. Curiosity overcoming me, I came out to see what she was letting hang out. Quite newly married and an orthodox Jew, she had begun her married life covering her hair, which is a very difficult thing to do for most women, unless they are born into an orthodox lifestyle and look forward to shopping for wigs or hats and scarves, depending on how one wishes to cover one’s hair. But she had had enough and missed having her hair drape around her neck.

“Was it difficult for you?” I asked. “What about your friends where you live? Can they accept the change?” Weiter hier.

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Orthodoxer Perückenladen, Jerusalem

 

Eine tolle Idee zur Belebung des Friedensprozesses – Grabungen am Tempelberg in Jerusalem

Man könnte meinen, die Israelis seien unglücklich mit der Situation, dass die Palästinenser angefangen haben, sich untereinander zu bekriegen.
Jedenfalls scheint irgendjemand auf eine geniale Idee verfallen zu sein, wie man sie wieder dazu bringen kann, ihren Hass ordnungsgemäss auf Israel zu richten. Und so wurden denn vor wenigen Tagen unter einem riesigen Polizeiaufgebot Bau- und Grabungsarbeiten am Tempelberg in Angriff genommen.
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Der Plan geht auf, schon hat der jordanische König protestiert, Hamas und Fatah haben die Grabungsarbeiten als Provokation verurteilt, der Iranische Revolutionsführer Chamenei hat die Muslime aufgefordert, Jerusalem zu verteidigen, und Jussuf Al-Karadawi, der grosse Tele-Scheich von AL-Dschasira, hat gleich mal eben eine Fatwa herausgegeben. (Volltext hier.)
Zitat:

Therefore, Jerusalem has come to enjoy a special place in the heart of every Muslim in the entire Arab world. The occupation of Jerusalem moves his heart and pains him, out of love, keenness and jealousy over it as well as his concern about it. It is mainly on account of Jerusalem that the Palestinian cause comes first on Muslims‘ list of priorities. It is Jerusalem that Muslims fear for and are keen to preserve, defend and fight for. It is for the sake of Jerusalem that they willingly give their lives and all they hold dear. Jerusalem is the symbol of the cause of Palestine. It is the backbone and the very core of the problem. True are the words of the poet who once said,

Palestine is meaningless with no Aqsa or Jerusalem.
Without Jerusalem, it is like a body with no head.

Jerusalem is not for the Palestinians only, but for all Muslims, be they Arabs or not. It is a city for all Arabs, be they Muslims or Christians. Therefore it is incumbent on Muslims, wherever they may be, to shoulder their responsibility of defending Jerusalem and Al-Aqsa Mosque. This is an obligation for them all. They are to jointly defend it, offering in the process their lives, their money and all they possess, or else they will be subject to Allah’s punishment, for Allah says: (O ye who believe what is the matter with you, that when ye are asked to go forth in the cause of Allah, ye cling heavily to the earth? Do ye prefer the life of this world to the Hereafter? But little is the comfort of this life, as compared with the Hereafter ) (At-Tawbah 9:38).

Das letzte Wort zu diesem Irrsinn hat Ari Sarid in der israelischen Tageszeitung Ha’aretz vom 6.2.2007:

Were I to believe that this lame government were capable of conspiring, I would say the Israeli excavations show that Israel doesn’t stand aloof when Palestinian blood is spilled like water. After all, the Palestinians will now put an end to their violent internecine clashes and turn their anger – and perhaps also their arms – toward Israel.

Na, toll! Das Rennen ist eröffnet. Wer wird sich als erster in die Luft sprengen?