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Ein saudischer Intellektueller verteidigt den Liberalismus

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Dr. Turki Al-Hamad (links)

Ein erstaunlicher Essay des saudi-arabischen Intellektuellen Turki Al-Hamad in der führenden arabischen Tageszeitung Asharq Alawsat vom 21.2.2007:

Thoughts on Liberalism

„For some people, the concept of ‘liberalism’ connotes moral decay and degeneration, an anti-religious attitude and little else. For those who share this perspective, liberalism makes everything permissible and valid leaving no place for religion or morals in a liberal society.

In this view, a liberal society is one built on the pursuit of pleasure and is comprised of individuals who are governed by their physical desires, the love of money and women, instant gratification and nothing more.

(…)

If indeed Western societies comply with the aforementioned description and yet they were able to dominate the world today, of which we are a part of, then it is we who are at the core of this dilemma not the West

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Kritisches zu Auden

Mitblogger und Kommentator Augs gibt angesichts meines Auden-Kults folgendes zu bedenken:

Große Dichter sagen die Wahrheit, sehr häufig malgré eux. Ein bekanntes propagandistisches Gedicht von Auden (’Spain 1937′) endet so:

To-day the inevitable increase in the chances of death;
the conscious acceptance of guilt in the face of murder*;
to-day the expending of powers
on the flat ephemeral pamphlet and the boring meeting.

To-day the makeshift consolations; the shared cigarette;
the cards in the candle-lit barn and the scraping concert,
the masculine jokes; to-day the
fumbled and unsatisfactory embrace before hurting.

The stars are dead; the animals will not look;
we are let alone with our day, and the time is short and
history to the defeated
may say Alas but cannot help or pardon.

*Ursprünglich “the conscious acceptance of necessary murder”.

Die Frage sei erlaubt: Auf wen oder was mag man heute Audens Hymne auf die kämpfende, mordende Linke im spanischen Bürgerkrieg beziehen?

 

SPD: Wolf Biermann ist (ein Stück weit, vielleicht, womöglich, ja doch, na gut!) ein grosser Sohn Berlins

Die Berliner SPD will Wolf Biermann jetzt doch zum Ehrenbürger machen. Wochenlang hatten die Genossen sich gegen die Initiative der Opposition gesträubt.
Doch die Wahrheit ist: Die Berliner SPD gönnt Wolf Biermann die Ehrenbürgerwürde der Hauptstadt nicht, die sie ihm nun – widerwillig – verleihen möchte. Sie beugt sich bloß dem öffentlichen Druck, wenn sie jetzt den Antrag der Opposition aus CDU, Grünen und FDP unterstützt.

Der Liedermacher, Dichter und Freiheitsheld könnte also Nummer 115 im ewigen Gedächtnis Berlins werden. Kann er die schmallippig angediente Ehre annehmen?
Verkehrte Welt: Aus der PDS waren einzelne Stimmen zu vernehmen… Weiter„SPD: Wolf Biermann ist (ein Stück weit, vielleicht, womöglich, ja doch, na gut!) ein grosser Sohn Berlins“

 

Unerwünschte Israel-Kritik

New York streitet mit Tony Judt

Anfang dieses Monats wurde in New York ein Vortrag abgesagt, aus politischen Gründen. So etwas kommt vor. Doch über diesen Fall kommt die Stadt seit Wochen nicht mehr zur Ruhe. Unterdessen schlägt die Sache Wellen bis ans jenseitige Ufer des Atlantiks. Zu Recht, denn die europäische Diplomatie ist in den Fall verwickelt.

Der Historiker Tony Judt, Leiter des Remarque Institute an der New York University und ein exzellenter Kenner der neueren europäischen Geschichte, wollte im polnischen Konsulat einen Vortrag über Die Israel-Lobby und die amerikanische Außenpolitik halten. Kurzfristig sagte der polnische Generalkonsul den Vortrag ab. Sofort machten Gerüchte die Runde, jüdische Organisationen hätten das Konsulat bedrängt. Die Anti-Defamation League und das American Jewish Committee bestreiten zwar nicht, mit dem Konsul gesprochen zu haben, wohl aber, Druck ausgeübt zu haben. Der polnische Konsul ließ sich von der Washington Post zitieren, die Anrufe seien »sehr elegant» gewesen, »können aber interpretiert werden als Ausübung eines delikaten Drucks«.
Ein Generalkonsul, der »delikatem Druck« nachgibt – den er offenbar selbst in die »eleganten Anrufe« hineininterpretiert hat –, ist sich nicht zu schade, seine Feigheit auch noch vor der Weltöffentlichkeit herauszutrompeten. Das ist eine kulturdiplomatische Bankrotterklärung, die an die präventive Duckmäuserei im Berliner Idomeneo-Skandal erinnert. Wenn die liberale Öffentlichkeit sich weiter selbst abschafft, brauchen die Feinde der Freiheit nur noch zuzuschauen.

Mehr als hundert Intellektuelle aus Amerika und Europa setzen mit einem »offenen Brief« dagegen, der diese Woche im New York Review of Books erscheint. (Anmerkung in eigener Sache: Ich habe auch unterzeichnet, JL.) Angeführt von den Philosophen Mark Lilla und Richard Sennett, protestieren sie gegen ein »Klima der Einschüchterung, das mit fundamentalen Prinzipien der Debatte in einer Demokratie unvereinbar« sei. Tony Judt wird es freuen, dass darunter viele sind, die im Übrigen seine Einlassungen über die »jüdische Lobby« und Israel ablehnen.

Dazu gibt es in der Tat auch guten Grund. Judt plädiert für einen »binationalen Staat Israel«, in dem Palästinenser und Juden zusammenleben. Wohlwollende Kritiker nennen das angesichts der Hamas-Position zum Existenzrecht Israels eine naive­ Utopie, andere unterstellen Judt Israelfeindlichkeit. Er hat in einem Essay für den New York Review geschrieben, Israel sei »ein Anachronismus«: »Wie aber, wenn es in der heutigen Welt für einen ›jüdischen Staat‹ keinen Platz mehr gäbe?«

Wer solche Sätze schreibt, kann sich nicht beschweren, wenn jüdische Organisationen hellhörig werden. Und nicht nur sie: Auch Nichtjuden haben ihn heftig kritisiert. Der Kampf gegen Antisemitismus und gegen »Antizionismus« ist wichtitiger denn je in einer Welt, in die Nasrallahs und Ahmadineschads ihren hasserfüllten Worten Taten folgen lassen wollen.
Die jüdischen Organisationen haben dieser Sache freilich einen Bärendienst erwiesen, indem sie der Absage von Judts Vortrag applaudierten. Denn die Klage, israelkritische Töne würden in der westlichen Öffentlichkeit unterdrückt, gehört zum festen Bestandteil der rechtsradikalen und islamistischen Propaganda. Es ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Westens, sie zu entkräften. Verschwörungstheorien über die Macht der jüdischen Lobby bekämpft man nicht durch elegante Anrufe, die missliebige Vorträge verhindern. Man widerlegt sie durch Gegenvorträge und durch die Förderung eines angstfreien Debattenklimas, in dem legitime Kritik an Israel die Chance hat, sich vom Antisemitismus zu unterscheiden.