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Die Union antwortet den Deutschtürken

Morgen in der ZEIT: Unionspolitiker antworten auf den Appell der Deutschtürken an die Union. Initiiert wurde die Antwort vom nordrhein-westfälischen Integrationsminister Armin Laschet. Unterschrieben haben u.a. Ole von Beust, Friedbert Pflüger, Peter Altmaier, Rita Süssmuth und Ruprecht Polenz.
Ein Auszug:

„Dürfen wir Ihren Blick auch lenken auf die Deutsche Islamkonferenz, die der christdemokratische Innenminister Wolfgang Schäuble einberufen hat. Die klare und unverblümte Aussage, dass der Islam Teil der deutschen Gesellschaft ist und bleibt, hätten wir uns auch schon von seinem sozialdemokratischen Vorgänger gewünscht. Doch für diese Erkenntnis brauchte die Politik über 45 Jahre seit dem Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961.
Diese »demonstrative Erkenntnisverweigerung«, wie Klaus Bade es genannt hat, hat die Politik in Deutschland viele Jahrzehnte geprägt. Nicht nur die Union, sondern alle politischen Parteien überboten sich in der Kampfrhetorik, die der Integrationspolitik nicht dienlich war. Dabei ist klar: Unsere älter werdende Gesellschaft, in der 38 Prozent der Kinder eine Zuwanderungsgeschichte haben, braucht Poten­zia­le eines jeden Kindes, das hier geboren ist.
Und auch wenn Sie den Blick auf Großstädte richten, werden Sie feststellen, dass hier Christdemokraten in Stuttgart und Frankfurt, in Duisburg und Essen, in Hamburg und Köln eine vorbildliche Integrationspolitik angestoßen haben und tagtäglich zum Gelingen des Miteinanders in vielfältigen Stadtgesellschaften beitragen.
Deutschland hat sich verändert! Die politischen Lager sind enger zusammengerückt. Dabei musste die Union erkennen, dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland ist und es in der jahrzehntelang verschlafenen Integrationspolitik einen dringenden Nach­holbedarf gibt. Das linke politische Lager ist ebenfalls zu der Erkenntnis gelangt, dass eine mul­tikulturelle Einwanderungsgesellschaft kein immerwährendes Straßenfest ist und man auch klare Anforderungen formulieren muss. Und Daniel Cohn-Bendit hat recht, wenn er für die politische Linke einräumt, man habe die Einwanderer idealisiert und zu spät die deutsche Sprache als zentrales Integrationsproblem erkannt. Dies führte dazu, dass Migranten Objekte der Politik waren und nicht deren Träger.
Integrationspolitik muss über Parteiengrenzen hinweg erfolgen. Integrationspolitik ist so fundamental für die Zukunft unseres Landes, dass sie nicht zum Wahlkampfthema degradiert werden darf. Sie haben recht, wenn Sie schreiben: Die beste Prävention gegen Jugendgewalt ist Bildung, individuelle Förderung und die Eingliederung der Eltern. »Eltern müssen begreifen, dass die Söhne nicht alles tun und lassen dürfen, was sie wollen.« Anforderung an Werte, an Respekt vor dem anderen: Auch das ist lange unterblieben in Zeiten politischer Kampflage.

….

Wir brauchen politische Vorbilder, Erfolgsgeschichten, für die Sie stehen und die in dieser Klarheit sagen, dass abscheuliche Vorgänge wie in der Münchner U-Bahn »die ganze Härte unserer bestehenden Gesetze« erfahren müssen. Wir, Mitglieder der CDU und der CSU, wissen, dass das, was der 17-jährige Grieche und der 20-jährige Türke gegenüber dem 76-jährigen Rentner getan haben, untypisch ist für die Kultur ihrer Eltern und Großeltern. Respekt vor dem Alter wird in Zuwandererfamilien oft höher geschätzt als bei deutschen Jugendlichen.
Gewalt und Kriminalität gedeihen, wo Respektlosigkeit, mangelnde Bildung und Erziehung herrschen. Dumm schlägt gut – hat die taz getitelt. Umso mehr müssen wir anerkennen, dass Gewalt kein ethnisches, sondern ein Bildungsproblem ist.“

Der Rest morgen an einem Kiosk Ihres Vertrauens.

 

Ein Visum für den Prediger der Muslimbrüder?

Jussuf Al-Karadawi ist krank und möchte sich in England behandeln lassen. Die britische Regierung steht einem Visum wohlwollend gegenüber. Die Konservativen kritisieren dies.

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Jussuf Al-Karadawi

Mehrmals gab es bereits Streit um Karadawi. Der Londoner Bürgermeister Livingstone hatte ihn vor Jahren eingeladen. Die britische Regierung hatte seine Reisekosten für eine Konferenz in Istanbul übernommen (ich war dort, mein Bericht hier).
Seit 1999 darf Al-Karadawi nicht in die USA einreisen.
Frankreich sieht es nicht so eng. Im Januar dieses Jahres durfte der Prediger einreisen. (Die Muslimbrüder dominieren dort die islamische Szene.)
Er ist einer der populärsten sunnitischen Prediger durch sein Programm auf Al-Dschasira. Er ist spiritus rector der Muslimbruderschaft und ergo der Hamas. Seine Befürwortung von Selbstmordattentaten in Israel hat er trotz Kritik auch aus dem islamischen Lager nie zurückgenommen.
Ich finde: Das ist keine Frage von freier Meinungsäußerung. Karadawi ist – so lange er sich nicht klar von Mordaktionen gegen Israelis distanziert – ein Hetzer, der als solcher ausgeschlossen gehört.
Er ist kein Partner für irgendeinen sinnvollen „Dialog“.
Außerdem finde ich es unfaßlich, daß solche Leute den dekadenten Westen, den sie bekämpfen, immer dann gern in Anspruch nehmen, wenn es ihnen dreckig geht.

 

Der verlorene Koran-Track von Brian Eno und David Byrne

Wo in diesem Blog schon so viel von Prog-Rock die Rede war, darf dies eigentlich nicht fehlen: ein sehr merkwürdiges Video zum sehr merkwürdigen Eno/Byrne Titel „Qur’an“, den die beiden beim Remix ihres legendären Albums „My Life in the Bush of Ghosts“ diskret verschwinden liessen, weil ihnen eine islamische Organisation dazu geraten hatte.
Die ganze Geschichte hier.
Die Remixe des Albums hier.

 

Medien-Melancholie

Auch wieder wahr: „Will man diesem wüsten Drunter und Drüber überhaupt einen Erkenntniswert einräumen, dann liegt er wohl in der melancholisch stimmenden Einsicht, wie hemmungslos ein paar Medienmenschen ihre eigenen Schrullen und selbst noch ihre Fehlleistungen zu einem öffentlichen Ereignis machen.“ Heribert Seifert in einem lesenswerten Beitrag der NZZ zum Streit über ein gewisses Videoblog…

 

Der elektronische Mufti kommt

Kein Witz:Ein Team von Forschern in Frankreich ist nach Informationen der panarabischen Tageszeitung Asharq Alawsat dabei, einen Fatwa-Automaten zu konstruieren, der durch künstliche Intelligenz religiöse Gutachten zu jedem beliebigen Thema erstellt.
Keine Hymen-Fatwas, keine Kamel-Fatwas, keine Still-Fatwas mehr? Oder vielleicht noch mehr vom gleichen halbgescheiten Zeug, wie es die ehrenwerte Al-Azhar in letzter Zeit immer wieder publiziert?
Der ernste Hintergrund dieser kuriosen Geschichte: Die Erosion der religiösen Autoritäten im sunnitischen Mainstream-Islam setzt sich rasend fort. Sonst könnte niemand auf eine so schrille Idee kommen:

„The device deduces the expected response through consulting thousands of examples that have been uploaded on to the machine, pertaining to that person whilst taking into account their reactions so that it may relate the expected response in accordance with their personality as created by the Artificial Intelligence apparatus,“ explained Dr. Fawzi.

 

Gegen die Verpöbelung des Internet

Dank an den Kollegen Christian Geyer von der FAZ:

„Was Jens Jessen, dem Kulturchef der „Zeit“, derzeit im Internet entgegenbrandet, ist widerlich und totalitär. Die Welle von Schlamm, die sich über ihn ergießt, ist in ihrer Monstrosität kaum zu beschreiben. Sie überschwemmt alles, was man an öffentlicher Wortkultur für gesichert hielt…“

Um das klar zu stellen: Es geht hier nicht darum, Jens Jessen Recht zu geben. Die Reaktionen auf seinen Blog-Kommentar aber sind wahrhaft erschreckend, wie Geyer richtig schreibt –

„verheerend für alle, die das Ungeschützte, Leidenschaftliche seiner Einlassungen schätzen. Verheerend aber auch für jene, denen daran liegt, ihm mit guten Gründen widersprechen zu können.“

Mehr unter obigem Link.