Die iranischen Frauen sollen besser nicht demonstrieren

Hossein Derakshan (aka Hoder, der bekannteste iranische Blogger) rät der iranischen Frauenbewegung im Guardian nach den Verhaftungen der letzten Wochen, sie solle das Demonstrieren eben bleiben lassen und unauffälligere Aktivitäten wählen.

Er rückt die vor dem Internationalen Frauentag Verhafteten in die Nähe von „neokonservativen Regime-change-Institutionen“. Feministinnen sollen keine Hilfe aus dem Ausland annehmen, auch nicht von NGO’s.

Es ist bemerkenswert, wie geschmeidig Hoder sich neuerdings immer wieder in das Denken des iranischen Justiz- und Sicherheitsapparates einfühlt. Im Grunde sagt er das, was auch die Ankläger in den anhängigen Verfahren sagen werden: Diese Frauen wollen die Republik stürzen, sie sind Agenten des Westens, sie gehören darum weggesperrt. Er sagt es nur auf die nette Art. Was ist mit ihm bloss los? Das Einknicken vor den Mullahs scheint für ihn zur einzig legitimen Strategie geworden zu sein.
Die Publizistin Nasrin Alavi, die letztes Jahr das schöne Buch „Wir sind Iran“ über die iranischen Blogger veröffentlicht hat, kommentiert im Guardian so:

„Hossein, it is simply inaccurate and scurrilous to even imply that the women recently arrested (who are part of an independent organic grassroots movement) are tools for regime change. Sadly you are also endangering those still imprisoned, including others who still face trial. Dont be surprised if what you write is rehashed in Kayhan tomorrow. It won’t be the first time.“

(Kayhan ist das Sprachrohr des Revolutionsführers Khameinei.)

 

Ein Gespräch mit dem bekanntesten iranischen Blogger

DSC_0002.jpg

Hossein Derakshan (aka Hoder), letzte Woche im „Good Friends“, Berlin. Foto: JL

Letzte Woche war Hossein Derakshan, der bekannteste iranische Blogger, wieder einmal in Berlin. Wir trafen uns, um über die Lage zu debattieren. Vor fast zwei Jahren hatte ich Hoder (so sein nom de plume) in der Zeit vorgestellt. Er hat für uns auch einen Kommentar zur Wahl Achmadinedschads geschrieben.

Hossein hat das Bloggen im Iran populär gemacht und ist bis heute eine Legende (sein Blog hier). Er lebte einige Jahre in Toronto, zur Zeit ist er ein veritabler Nomadeder immer wieder bei Freunden unterkommt.
Im letzten Jahr hatten wir uns über den Fall des Philosophen Ramin Jahanbegloo zerstritten, der im Iran verhaftet worden und zu einem Geständnis gezwungen worden war. Hossein hatte dieses Geständnis als ein Zeichen wirklichen Umdenkens gedeutet und damit letztlich dem Regime Recht gegeben, das Jahanbegloo subversive Umtriebe und Kontakte zu feindlichen westlichen Agenturen unterstellte.

Wir haben uns auch diesmal nicht über den Fall und seine Implikationen einigen können: Hossein hält es für illegitim für Iraner, sich in der angespannten Lage mit irgendeiner ausländischen Organisation einzulassen, die für eine Änderung des iranischen Regimes eintritt – selbst auf friedlichem Weg.

Ich finde dies falsch, weil es am Ende darauf hinausläuft, die iranische Zivilgesellschaft ihrem Schicksal zu überlassen und jede Unterstützung aus dem Westen als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ auszuschliessen.

Hossein halt selbst einmal anders argumentiert.

Er wird mittlerweile wegen seines neuen Kurses, angesichts eines drohenden Krieges die Legitimität des iranischen Regimes zu verteidigen, im Internet als Agent des Iran denunziert. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass dieser unabhängige Kopf sich derart einspannen lassen würde.

Er meint was er sagt, wenn er ankündigt, er werde notfalls den Iran verteidigen, wenn es zum Krieg kommt. Er ist nicht der einzige Iraner, der mit dem Regime in Konflikt steht und dennoch so denkt. Das sollte im Westen zur Kenntnis genommen werden.

Hossein war kürzlich zum wiederholten Mal in Israel, um dort klarzumachen, dass es viele Iraner gibt, die jeden Antisemitismus ablehnen und doch zu ihrem Land stehen. Ich finde dieses Engagement mutig und fast heldenhaft, denn er weiss, dass ihm dies die Rückkehr in den Iran so lange unmöglich machen wird, wie dort der Antizionismus/Antisemitismus Staatsdoktrin ist.

Zugleich verteidigt Hossein heute im Prinzip das Recht Irans nicht nur auf ein ziviles Atomprogramm, sondern sogar auf eine Atombombe, weil dies schlicht den unleugbaren Sicherheistinteressen des Landes entspreche. In der westlichen Öffentlichkeit ist das eine tabuisierte Position, was uns vielleicht darüber hinwegtäuscht, wie viele Iraner sie unterstützen (ohne dabei notwendigerweise die Mullahs zu unterstützen). Ich finde diese Position falsch, aber ich denke, sie sollte zur kenntnis genommen werden. Jedenfalls wäre es falsch zu glauben, demokratisch gesinnte junge Iraner seien durchweg „gegen die Bombe“.

Vor einem Jahr hat Hossein immerhin noch argumentiert, nicht die Bombe per se sei das Problem, sondern die undemokratische, tyrannische Natur des Regimes, das nach ihr strebt. Jetzt ist solcher Vorbehalt aus seinen Thesen verschwunden.

Im Licht eines möglichen Angriffs auf Iran, im Licht der Rückkehr einer zynischen westlichen Realpolitik, die sich mit den Lumpenregimen der Region verbündet, hat die Islamische Republik Iran für Hossein Derakshan plötzlich wieder so viel Legitimität, dass er sie mit der Waffe in der Hand verteidigen würde. Und das sagt jemand, der ins Land nicht einmal einreisen dürfte, ohne verhaftet und verhört zu werden.