Die Zumutung der Einwanderung

Paul Scheffer ist ein Pionier des Nachdenkens über Einwanderung und Integration. Sein Essay über „Das multikulturelle Drama“ in unseren Städten ist vor genau zehn Jahren erschienen. (Eine deutsche Version, allerdings gekürzt, hier.) Vieles von dem, was Scheffer 2000 beschrieben und analysiert hat, ist uns in der vergangenen Dekade zum täglichen Thema geworden: Segregation, Selbstabschottung, Extremismus im Namen des Islam, der Aufstieg des Rechtspopulismus.

Heute morgen habe ich Paul Scheffer in Triest getroffen. Bei einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung hielt er einen Vortrag über die Einwanderungsgesellschaft und ihre Konflikte – und was dies für eine Herausforderung für alle europäischen Gesellschaften bedeutet. Beim Frühstück hatten wir Gelegenheit, über die Lage in den Niederlanden zu reden, in der die etablierten Parteien auf einen Zustand der Unregierbarkeit zusteuern. (Ich war der Moderator der anschließenden Diskussion.)

Paul Scheffer wäre eigentlich der Denker der Stunde, finde ich, weil er als erster ein Modell entwickelt hat für die Prozesse, die in allen Einwanderungsgesellschaften unvermeidbar ablaufen. Diese Konflikte – und dazu dient ja auch ein Blog wie dieses hier (in den guten Momenten) – müssen wir annehmen und als etwas (möglicherweise) Produktives anzusehen lernen, statt sie vermeiden zu wollen, weil sie oft genug hässlich sind.

Scheffer sagt, in allen von ihm studierten Einwanderungsprozessen findet sich das Muster segregation – avoidance – conflict – accomodation. Also etwa: Segregation, Vermeidung, Konflikt, Verständigung. Unzweifelhaft stecken wir mitten in der Konfliktphase. (Was allerdings leider nicht bedeutet, dass die Segregation aufgehört hat. Sie geht parallel weiter und lässt künftige Konflikte ahnen.)

Die Segregationsphase zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl die Immigranten, als auch die aufnehmende Umwelt unter sich bleiben wollen. Die Bildung von ethnischen Kolonien hat Vorteile für Neuankömmlinge ebenso wie für die Aufnahmegesellschaft: Sie reduziert die Kosten und den Stress. Die Einwanderer finden billigen Wohnraum und Netzwerke, die sie tragen, die Einheimischen bleiben von sozialem und kulturellem Wandel verschont – und von Konkurrenz. Man meidet sich wechselseitig, unterstützt oft durch gezielte Separationspolitik (Wohnungsbau, Schulwesen).

In dieser Phase klammern sich beide Seiten an „den Mythos der Rückkehr“.

Wenn dieser nun zusammenbricht, sagt Scheffer, (und die Einwanderer sich eingestehen, dass sie welche sind und damit das Einwanderungsland zwingen zuzugeben, dass es eines ist), ist nicht plötzlich alles gut, weil man sich nun ehrlich gemacht hat. Im Gegenteil: Vermeidung ist jetzt unmöglich geworden, man sitzt im gleichen Boot und sieht einer gemeinsamen Zukunft ins Auge, die man vorher beidseitig geleugnet hat. Jetzt kommt es zum Konflikt, weil man sich genauer anschaut und sich fragt: Was, mit denen sollen wir ein WIR bilden? Jetzt wird das Andere des anderen zum Problem.

Und jetzt muss neu verhandelt werden, was daran akzeptabel ist und was nicht. Das bedeutet accomodation: Nicht Hinnahme des Anderen per se als gut und wunderbar und bereichernd, sondern lange und zähe Verhandlung über ein neues Wir. Wechselseitige Vorwürfe und Unterstellungen gehören notwendig dazu. Extremes Mißtrauen auch: Die Iren in Amerika haben 120 Jahre gebraucht, bis sie einen Präsidenten stellen durften, und JFK musste an jeden Tag seines Wahlkampfes klarmachen, dass seine Loyalität nicht Rom galt, sondern der Verfassung der USA. (Erinnert an etwas, nicht wahr?)

Scheffer ist einer der ersten Kritiker des Begriffs der Multikulturalität, weil er diesen Begriff schlicht für eine Falle und im Effekt für rassistisch hält: Er sperrt eine ganze Gruppe in ein Konzept von „Kultur“ ein, er errichtet die Schranken, die er eigentlich überwinden will. Der Begriff der Multikulturalität stammt aus der Phase der Vermeidung, die wir nolens volens überwunden haben – die Phase, in der man sich wechselseitig keine Fragen stellte.

Ohne ein gemeinsames Wir, das auch gemeinsame Werte und Regeln beinhaltet, kann eine ausdifferenzierte Gesellschaft nicht überleben, ja sie kann noch nicht einmal ordentlich miteinander streiten. Paul hat auch ein anschauliches Beispiel für gelungene Integration in ein neues Wir. In einer Diskussion mit Haci Karacer von der Milli Görüs über die niederländische Rolle in Srebrenica kam es zu dem Punkt, dass Karacer Scheffer sagte: „Wir haben in Srebrenica versagt!“ Dass der konservative Amsterdamer  Muslim von den holländischen Soldaten in diesem Plural sprach, war ein Zeichen dafür, dass er sich mit dem Land identifizierte – und das bedeutet eben auch mit den Schattenseiten und dem Versagen.

Bei dem neuen Wir geht es um geteilte Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft, nicht bloß um das Wissen um die Geschichte, das politische System, die holländischen Werte etc.

Für ein solches Wir braucht man aber bestimmte Fähigkeiten. Darum reden wir jetzt seit Jahren darüber, dass die Landessprache so existenziell wichtig ist.  Und darum ist es mir auch nach wie vor unverständlich, wieso türkische Lobbygruppen allen Ernstes gegen die Sprachtests für Neueinwanderer protestieren können, als wäre das eine fiese Schikane. Wer so agiert, schürt den Verdacht, er habe an der Teilhabe in dieser Gesellschaft, die nur durch Sprache möglich wird, kein Interesse – und so ist ja leider auch bei vielen der Eingeheirateten.

Auf solchen Voraussetzungen zu insistieren ist die Pflicht aller, die an diesem Wir interessiert sind. Es kann, so argumentierte Scheffer, nicht durch Kompromisse entstehen – durch ein Treffen in der Mitte – dieses Wir. Kein „middle ground“, bei dem sich alle ein bisschen aufeinander zu bewegen. In einer Stadt wie Amsterdam (oder Berlin, oder Stuttgart) mit über 100 Herkunftskulturen gibt es keinen „middle ground“, den man per Kompromiss finden könnte.

Für die Einwanderer heißt das auch, dass es keinen automatischen Anspruch auf „Respekt“ für ihre Eigenheiten gibt. Wer die Vorurteile der Einheimischen anprangert, wird automatisch mit seinen eigenen konfrontiert werden. Eine Religionsgemeinschaft, die Religionsfreiheit in Anspruch nimmt, wird sofort mit der Frage konfrontiert, wie sie es denn selbst mit den Grundfreiheiten hält. Das Gesetz der Reziprozität ist unerbittlich. Es trifft allerdings auch die Mehrheitsgesellschaft. Wenn sie die grundlegenden Freiheiten einer Minderheit beschneidet (Minarettverbot), wird sie es schwer haben, ihrerseits glaubwürdig die Treue zu den Grundwerten zu verlangen. Das Minarettverbot ist kein Beispiel dafür, wie eine Gesellschaft ein ein neues Wir aushandelt. Das Burkaverbot ist ein anderer Fall, weil es hier um ein allgemeines Gesetz geht, das den gleichberechtigten Verkehr in der Öffentlichkeit gerade ermöglichen will. (Jedenfalls auf dem Papier.)

Paul Scheffer hat in seinem Vortrag noch viel mehr Punkte gestreift, die ich hier nicht erwähnen kann.

Er macht sich Sorgen um die wachsende Segregation in den Städten und  Schulen seines Landes. In Deutschland sieht es nicht besser aus.

Und er sorgt sich um die größer werdende Schere zwischen dem Kosmopolitismus einer Elite und dem „tribalism of the locals“ – womit sowohl die Einwanderer als die Unterschichten gemeint sind, die mit ihnen zusammen leben müssen. Ein immer wiederkehrender Gedanke in seinen Schriften: Die Gefühle von Verlust und Angst, die durch den Wandel ausgelöst werden – auch bei den Alteingesessenen, dürfen nicht einfach abgetan und diskreditiert werden. Ein falsch verstandener Kosmopolitismus kann den Populismus der einfachen Antworten auf die Fragen der Einwanderungsgesellschaft befördern, gerade weil er die Schmerzen nicht ernst nimmt. Die Spaltung der Gesellschaft in eine Caffelatte-Fraktion derjenigen, die alles als Bereicherung begrüßen, was die Filterkaffetrinker als Zumutung empfinden, wäre fatal. Sie ist schon weit vorangeschritten, wie die Sarrazin-Debatte hierzulande zeigt.

Das ist eine Gefahr unserer Debatte über Sarrazin (die ich hier im Eifer wahrlich auch nicht immer vermieden habe): dass man bei der Kritik an seinen Argumenten und an dem Ton mancher seiner Fans die rationalen Ängste und Befürchtungen überspringt, die in der Debatte berücksichtigt und bearbeitet werden müssen.

Die politische Mitte trägt nicht mehr, wenn sie das nicht vermag. Das ist ein Phänomen überall in der westlichen Welt – in den Niederlanden derzeit besonders dramatisch. Scheffer glaubt, dass das politische System in seinem Land überhaupt nicht auf die Herausforderung eingestellt ist, die Balance zwischen „heritage and openness“ (Erbe und Offenheit) und „tolerance and belonging“ (Toleranz und Bindung“) neu auszutarieren. Aber das ist kein Den Haager Problem. Morgen ist Geert Wilders in Berlin.

 

Populismus aus Angst vor dem Volk

Ich kann die Angst riechen, hier im Berliner Regierungsviertel. Ihr beißender Geruch strömt aus Zeilen wie diesen, die Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen Spiegel Online diktiert hat:

„Wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehnt, der kann ebenso wenig in Deutschland bleiben wie vom Ausland bezahlte Hassprediger in Moscheen.“

Er hatte offenbar das Gefühl, nach Wochen der Kritik an Sarrazin auch mal zu beweisen, dass er kein Weichei ist, dass er auch mal was „gegen Ausländer“ sagen kann. Dumme Sprücheklopferei als Antwort auf eine Debatte, die dem Vorsitzenden zu entgleiten droht? Denn bekanntermassen sind viele in der SPD der Meinung, dass Sarrazin „doch irgendwie Recht hat“, wenn er bloß die Hobbygenetik weggelassen hätte und es vielleicht ein bisschen netter gesagt hätte. Sowas kommt unter anderem davon, wenn man jahrelang die Debatte über Integration und Islam verpennt, liebe SPD.

Jetzt aber nachholen zu wollen, indem man einerseits Sarrazin als „Herrenreiter“  und geistigen Erben der Eugenik überführt, wie letzte Woche in der ZEIT geschehen, andererseits aber Sprüche klopft, die suggerieren, der Mann habe eben doch irgendwo Recht – das ist wirklich fatal.

„Integrationsverweigerer“ und „vom Ausland bezahlte Hassprediger“ in einen Satz zu mischen, heißt das Geschäft derjenigen zu betreiben, vor denen man Angst hat.

Da stellt sich doch dem Publikum die Frage: Ach, wenn es denn so viele Integrationsverweigerer im Lande gibt (in dem auch die SPD zuletzt elf Jahre regiert hat), warum erfahren wir das jetzt – und was hat denn die SPD in der Regierung dagegen getan? Und warum gibt es überhaupt „vom Ausland bezahlte Hassprediger“ bei uns, wie Gabriel suggeriert? Hat der SPD-Innenminister Schily etwa nichts dagegen getan? (Doch, hat er, aber Gabriel ist offenbar zu faul, das jetzt zu erklären…)

Kurz gesagt: Der Angstgeruch, der hier durchs Regierungsviertel schweift, macht mir Angst. Nicht nur die SPD strömt ihn aus, von allen Seiten hört man Sprüche, die signalisieren sollen, dass man den Sarrazin doof findet, sich aber  nicht zu schade wäre, auch mal was gegen die da, die Ausländer, die Muslime zu machen.

Das macht einen Witz aus der besonnenen Politik der letzten Jahre, in der Gefühl und Härte, Fördern und Fordern  keine Gegensätze mehr waren.

Gefragt ist jetzt Führerschaft im Verteidigen dieser Errungenschaft, keine Sprüche, um dem vermuteten dumpfen Volkswillen zu schmeicheln. Gefragt sind politische Führer, die den Leuten mehr zutrauen.

 

Vorwärts in die Ära der Unvernunft

Pastor Jones hat seine Bücherverbrennung abgesagt. Er hatte seinen Spass: Wochenlang war er das Zentrum des Universums (jedenfalls wenn man Internet und Kabelfernsehen zu Rate zieht). Ein paar Menschen in Afghanistan sind tot, ein paar mehr verwundet wegen Pastor Jones. Er wird sich dadurch bestätigt fühlen. Wir haben noch nicht einmal einen Koran verbrannt – und die drehen trotzdem durch! Und hat er nicht Recht: Es gibt, wie wir seit den Karikaturen wissen, in der islamischen Welt sehr willige Kooperationspartner beim Kulturkampf. Großartig. Jemand anderes wird das Konzept wahrscheinlich aufnehmen. Jedermann kann heute einen Krieg starten, Internetzugang vorausgesetzt.

Herr Wilders aus Den Haag war in New York. Er hat Bürgermeister Bloomberg für seine „selbstmörderische“ Toleranz gegenüber den Muslimen mal so richtig vorgeführt, Lincoln-Zitat inklusive. Er hat davor gewarnt, die Moschee der Cordoba-Initiative bauen zu lassen, weil das ein Triumph derjenigen wäre, die nach dem 11. September „in Europas Strassen getanzt haben“ – muslim youths. (Das muss ich verpasst haben. Ich war am 11. September 2001 in der Türkei. Und dort waren die Menschen gelähmt und erstarrt angesichts dieser Barbarei im Namen ihrer Religion.)

If a mosque were built here on Ground Zero such people would feel triumphant. But we, we will not betray those who died on 9/11.

For their sakes we cannot tolerate a mosque on or near Ground Zero. For their sakes loud and clear we say: No mosque here! For their sakes, we must draw the line. So that New York, rooted in Dutch tolerance, will never become New Mecca.

(…)

Mayor Bloomberg forgets, however, that openness cannot be open-ended. A tolerant society is not a suicidal society.

It must defend itself against the powers of darkness, the force of hatred and the blight of ignorance. It cannot tolerate the intolerant – and survive.

This means that we must not give a free hand to those who want to subjugate us.

Die Kräfte der Finsternis, die Macht des Hasses, und der Fluch des Unwissens. Die wollen uns unterwerfen in Form der Corodoba Moschee des Imam Rauf und seiner Frau, Daisy Khan.

Wilders steht wie die iranischen Ajatollahs im apokalyptischen Endkampf. Natürlich will er die Freiheit nicht steinigen, sondern bewahren vor ihren Feinden. Wer es nicht so sieht, muss ein verblendeter Mulitkulti-Idiot, Dhimmi, Burkaversteher, Apeasenik sein. Er verweist immer wieder auf die Unfreiheit in der islamischen Welt und die Unmöglichkeit, dort überall frei Kirchen zu errichten. Damit New York kein neues Mekka wird, keine Moscheen mehr. Aber würde New York nicht gerade dadurch ein bisschen mehr Mekka? Oder ist das jetzt schon wieder ein „selbstmörderisch toleranter“ Gedanke?

Allerdings war – was Wilders natürlich verschweigt – der Islam schon Teil des Lebens in den Zwillingstürmen. Es gab einen „prayer room“ auf der siebzehnten Etage des Südturms. In der New York Times beschreibt einer der damaligen Besucher ihn so: “It was so freeing and so calm,” Mr. Sareshwala, 47, said in a phone conversation from Mumbai, where he is now based. “It had the feel of a real mosque. And the best part is that you are in the epicenter of capitalism — New York City, the World Trade Center — and you had this island of spiritualism. I don’t think you could have that combination anywhere in the world.” Das ist New York.

Der Westen wurde getroffen an 9/11. Es gab aber keine Hassreaktionen gegen Muslime im Westen, wie man sie vielleicht hätte erwarten können. Nirgendwo jagte der Mob Muslime durch die Strassen. Es brannten keine Botschaften islamischer Staaten. Bush ging in eine Moschee, und alle westlichen Regierungen beschworen Religionsfreiheit und Toleranz für loyale muslimische Bürger. Eine endlose Reihe von Dialogveranstaltungen und Islamkonferenzen war die Folge. Eine bemerkenswerte Reaktion: eine Absage an den „Krieg der Kulturen“. Zugleich führten wir da draussen  zwei Kriege gegen den Terror und zur Verbreitung der Demokratie und der Menschenrechte. Die waren nicht so erfolgreich wie gehofft. (Woher eigentlich kam diese Hoffnung?)

Jetzt sind wir erschöpft, ausgepowert, frustriert. Wir wissen nicht, wie wir den Rückzug so hinkriegen sollen, dass wir nicht schlechter dastehen als vor dem ganzen Horror, der so viele Menschenleben gekostet hat. Aber es wird einen Rückzug geben müssen. Wir müssen (irgendwann) raus aus Afghanistan. Im Irak hat der Rückzug schon begonnen.

Zugleich macht sich Ernüchterung breit, seit wir anerkennen, dass das Zusammenleben mit Muslimen in unseren Gesellschaften ein Dauerzustand und keine Episode sein wird. Was nicht gut läuft, kann man nicht mehr ignorieren. Der Nachbar, der bleibt, wird anders gemustert als ein Gast, der übermorgen weg ist.

Hier wird es allerdings keinen Rückzug geben können. „Disengagement“ gibt es nicht in der Einwanderungsgesellschaft.  Reden vielleicht gerade darum heute so viele über „die“, als gäbe es eine Möglichkeit, sie wieder wegzubekommen? Wilders „neues Mekka“ und Sarrazins Selbstabschaffung Deutschlands sind maßlose Übertreibungen realer Ängste. Wie konnten wir nur – neun Jahre nach dem 11. September – bei diesem abgrundtiefen Pessimismus, bei dieser Botschaft des Mißtrauens, der Misanthropie, der Wut und des westlichen Selbsthasses landen?

 

Kann es sein, dass die Welt gerade durchdreht?

Der verrückte Pastor hat also erst einmal seine Absicht zurückgezogen, den Koran zu verbrennen. (Oder doch nicht? Er meinte wohl, man habe ihm versprochen, im Gegenzug die Moschee nicht zu bauen… Was eine irre Gleichsetzung!)

Ein anderer, noch verrückterer Pastor steht aber schon bereit, es doch zu tun, falls Jones sich nicht traut. (Phelps und seine Gemeinde sind bekannt dafür, mit „God hates Fags“-Plakaten bei Soldatenbegräbnissen aufzutauchen. Sie glauben nämlich, die amerikanischen Soldaten gottgewollt sterben, weil Amerika nicht genug gegen Homosexualität tut.) Übrigens haben die Phelps-Leute schon einmal (2008) einen Koran verbrannt und dies gefilmt – sie wurden ignoriert, wie es sich gehört.

Pastor Jones hat aber zig Kameras auf seinem Rasen, die jede seiner wirren Bekundungen in die Welt tragen. In anderen Worten: Die Medien machen diesen Irren erst zu einer Bedrohung für den Weltfrieden.

Auch die Hasskampagne gegen die Cordoba-Initiative ist ganz klar von interessierten Medien vom Zaun gebrochen und gesteuert worden, von der durchgeknallten Bloggerin Pam Geller und Murdochs New York Post, wie Salon nachgewiesen hat. (Danke, Boothby.)

Seit Tagen fährt die BILD-Zeitung eine heuchlerische Kampagne „für die Meinungsfreiheit“, in der Sarrazin zum armen Opfer stilisiert und zum Protest gegen den Bundespräsidenten (per BILD-Vordruck) animiert wird. Es wird hier dieselbe Politik kaputtgeschossen, deren bedauernswerten Zustand man dann später gerne mit Krokodilstränen beweint. Man möchte gerne die Wut der Leute auf die eigenen Mühlen lenken. Niemand sollte sich einbilden, solche Prozesse steuern zu können. Meine Vermutung: Tholo Sarrazin hat das gemerkt und es ist ihm unheimlich geworden. Er will den Bundespräsidenten nicht beschädigen, er will keine wochenlange Wulff-Hatz durch BILD, obwohl er Grund hat ihm groll zu sein. Darum hat er zurückgezogen, und dafür gebührt ihm Respekt. (Ist allerdings nur eine These, ob’s stimmt wied sich zeigen…)

Morgen wird sich Wilders in New York als Anführer der antiislamischen Internationale empfehlen. In drei Wochen wird er in Berlin erwartet, eingeladen von Herrn Stadtkewitz, Ex-CDU, der heute seine deutsche „Freiheitspartei“ vorgestellt hat.Viele Leute erwarten ihn wie einen Erlöser.

Und in Afghanistan, Pakistan, Teheran und Indonesien freuen sich die Islamofaschisten bereits auf ein herrliches Eid-Fest mit Antiamerika-Aktionen und Flaggenverbrennungen.

Etwas braut sich zusammen. Die Irren sind dabei, die Klinik zu übernehmen.

p.s. Ich fahre ab morgen für 5 Tage in die Türkei, um dort das Verfassungsreferendum zu erleben. Ich werde mich sicher melden. Bitte die Diskussionen im presserechtlich vertretbaren Rahmen halten, damit ich dieses Blog nicht abschalten muss.

 

Die Islamisierung schreitet voran

Ein paar ungeordnete Eindrücke von gestern: Ich war eingeladen, bei der Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes auf einem Panel über „Islam in Europa“ mitzudiskutieren. Bei der „BoKo“ sind einmal im Jahr fast alle deutschen Botschafter und Gesandten in Berlin, um über verschiedene Dinge zu tagen.

Bevor wir überhaupt zu den Hauptthemen unseres Panels kommen konnten, war das ganze Haus schon ziemlich in Aufregung: Der Plan des Pfarrers Terry Jones, zum Gedenken an 9/11 Korane zu verbrennen, versetzt den gesamten diplomatischen Dienst, sofern er sich mit islamisch geprägten Ländern befasst, in Unruhe. Denn es ist offenbar, dass diese Aktion die Sicherheit aller westlichen Vertreter (und auch der deutschen Soldaten) gefährden kann, weil sie großartiges Futter für Extremisten ist. (Gut daß die Bundeskanzlerin bei ihrer Rede in Potsdam das Nötige dazu gesagt hat.)

Auf dem Panel saßen Joseph Maila, ein libanonstämmiger katholischer Islamexperte, der im französischen Außenministerium für Religonsfragen zuständig ist und neuerdings auch Chef des Planungsstabes ebendort. Maila verteidigte das französischen Modell des Bürgers, der einem „blinden Staat“ gegenüber steht, der nicht nach Religion oder Herkunft unterscheidet. Aber er gab auch zu, dass das eine schöne Fiktion ist. Ich verstieg mich zu der These, dass die Islamisierung Deutschlands wirklich voranschreitet. Allerdings ist es eine Islamisierung des öffentlichen Diskurses, die alles und jedes moslemisiert (und diese schreckliche Vereinfachung nun auch noch biologi(sti)sch zu untermauern versucht.) Wir produzieren im Diskurs mehr und mehr Muslime. (Ich höre das dauernd in diesen Tagen: So türkisch, so muslimisch habe ich mich in meinem Leben noch nicht gefühlt, sagen viele neue Deutsche, erschrocken über sich selbst. Hier wirst Du immer Muslim bleiben, immer Türke, immer Migrant, auch wenn Du gar nicht eingewandert bist, sondern hier geboren.) Professor Maila fand meine These richtig, er sah sie wohl als Bestätigung seines französisch-laizistischen Republikanertums.

Aiman Mazyek sprach für den Zentralrat der Muslime, Ali Ertan Toprak für die Aleviten, ich für die Medien, Haci-Halil Uslucan für das „Zentrum für Türkeistudien“. Mazyek wies zurecht darauf hin, dass die deutschen Muslime angesichts des Karikaturenstreits eine sehr vernünftige Position vertreten haben: Keine Ausschreitungen, friedliche Proteste und ein klares Bekenntnis zu Meinungsfreiheit, auch wenn es schmerzt.

Jetzt, angesichts der Sarrazin-Debatte, macht sich offenbar das Gefühl breit, dass es wenig bringt, wenn man sich verfassungsgemäß verhält, einen kühlen Kopf bewahrt und die Hitzköpfe in den eigenen Reihen in Schach hält. (Nicht dass man es tut, damit es etwas bringt. Aber selbst wenn man es tut, wird es nicht anerkannt und man steht immer weiter unter Verdacht.) Wie anders soll ein wohl integrierter, erfolgreicher Deutscher wie Mazyek die Debatte der letzten Wochen erleben – denn als Signal, dass er hier nie dazugehören wird? Die Wut, das tiefe Misstrauen, die Angst, die sich da allüberall ausdrücken, hinterlassen Spuren. Wochenlang beugt sich der biodeutsche Teil der Nation über deine Gene: das ist irgendwann nicht mehr lustig. Wenn Mazyek die Kanzlerin dafür kritisiert, zur Ehrung von Westergaard zu gehen, muss er sich gleich fragen lassen, ob er denn „für Zensur“ sei. Ist er nicht. Aber die Suggestion ist sofort da, und ich kann mir vorstellen, wie wütend man über so etwas wird: Na, wie finden sie das denn, wenn wir den Mann ehren? Eine Falle. Mazyek hat dann im Fernsehen ziemlich rumgeeiert über die Abwägung von „Respekt“ und „Meinungsfreiheit“. Warum nicht voltairisch sagen, ich lehne das aus vollem Herzen ab, was dieser Mann macht, aber ich werde für seine Freiheit kämpfen, es weiter zu tun. Denn wenn ich unser Gespräch recht verstanden habe, ist das in etwa die Haltung.

Interessant übrigens, wie dieselben Leute, die Merkel vorgestern noch angeprangert haben wegen ihrer Kritik an Sarrazin (BILD), sie heute wieder zur „mutigen“ Kanzlerin stilisieren, weil sie Westergaard die Hand geschüttelt hat. Oder wie sie versuchen, daraus einen Widerspruch zu machen (und  Sarrazin damit zum verfemten und verfolgten Dissidenten). Die Kanzlerin hat, wenn ich das einmal wohlwollend auslege, eine konsistente Haltung gezeigt: so erbarmungslos gegen Biologismus wie gegen Islamismus.  (Cool gefunden hätte ich es, wenn die Kanzlerin sich dieser Tage auch mal bei einem Iftar hätte sehen lassen. Dann könnte man den Handshake mit Westergaard nicht als verquere Botschaft zum Zuckerfest/Eid verstehen. Happy Ramadan allerseits!)

Ali Ertan Toprak hielt ein flammendes Plädoyer dafür, dass die Einwanderer und ihre Kinder dieses Land als ihres annehmen sollen. Er ist so patriotisch, dass manchem Botschafter ein Stirnrunzeln übers Gesicht huscht. Er hat Freude daran die anderen Deutschen damit zu verblüffen, wie begeistert er von diesem Land spricht. Die Aleviten – in der Türkei immer noch bedrängt und nicht frei, ihren Glauben so auszuüben, wie sie das richtig finden – leben in Deutschland auf. Aber auch er muss sich immer wieder anhören, dass man ihn automatisch mit der Türkei identifiziert.

Ein Blick ins Publikum – in die Gesichter der 50-60 Botschafter – zeigte übrigens, wie unglaublich homogen die Elite dieses Landes ist: Die Franzosen haben an höchster Stelle in ihrem internen Thinktank immerhin einen Mann mit Wurzeln im Libanon. Das Establishment des deutschen diplomatische Corps enthält unterdessen einige Ostdeutsche, aber andere Neubürger sucht man noch (fast) vergeblich.

Haci-Halil Uslucan konnte Zahlen anführen, die die Diskriminierung der bildungswilligen Türken belegen. Jeder auf dem Panel kannte ein Beispiel dafür. Ich habe dann etwas vorlaut dazwischengefunkt, nicht weil ich diese Erfahrungen bezweifle, sondern weil ich sie für nicht politisierbar halte. Der Diskriminierungsdiskurs ist eine Sackgasse. Man macht sich zum Opfer, und niemand mag Opfer (oder nur die falschen Leute).  Einwanderer werden immer diskrimiert, die Deutschen haben sogar die Vertriebenen nach dem Krieg schlecht behandelt, die doch angeblich ihr eigen Fleisch und Blut waren. Warum soll es Türken besser gehen. Da gibt es nur eins: dagegenhalten, besser werden, nicht aufgeben, wiederkommen bis sie dich durchlassen.

Dann war auch schon Schluss, denn wir mussten zum Fastenbrechen. Iftaressen, gegeben von Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im AA, im Museum für Islamische Kunst auf der Museumsinsel. Seyran Ates war übrigens auch da unter den vielen Gästen, und ich war froh zu sehen, dass sie offenbar wohlauf ist.

 

Das Islambild in den Medien

Mein Gastvortrag vom Dienstag, 6.7.2010, an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen der Ringvorlesung: „Wieviel Islam verträgt Europa?“

Wo soll man bloß beginnen? Der Zugang der Muslime zu den Me­dien in Deutschland, das Bild des Muslims in den Medien, Muslime als Medienma­cher?
Woher nehme ich überhaupt die Berechtigung, über dieses Thema – Islam in den deutschen Medien – zu reden vor einem akademischen Publikum. Woher nehme ich das Recht, darüber zu schreiben? Denn: Islamwis­senschaftler wie viele von Ihnen hier bin ich nicht. Ich spreche weder türkisch noch arabisch und habe auch nicht Theologie oder Islamkunde studiert.
Trotzdem haben Sie mich ja eingeladen. Sie werden sich schon was dabei ge­dacht haben. Und ich fühle mich geehrt, in einer Reihe mit großen Fachleuten hier vor ihnen reden zu können. Sie werden von mir keinen wissenschaftlichen Vortrag er­warten, sondern eine Reflexion der Praxis, aus der ich selbst komme. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit dazu, einmal innezuhalten und zu fragen: Wie über den Islam, die Muslime und islambezogene Themen berichten?
Immer mehr Muslime in Deutschland, Frankreich und Großbritannien glauben nicht, dass die Mainstream-Medien ausgewogen über sie berichten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Pilotprojekt des Londoner Institute for Strategic Dialogue und der Vodafone Stiftung Deutschland.
55 Prozent der befragten Muslime vertraten die Auffassung, die großen Medien berichteten negativ über Muslime. Bei den nicht muslimischen Befragten waren es immerhin 39 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer sind überzeugt, dass es in den meisten Berichten über Muslime um Terrorismus geht. Ein Drittel glaubt, dass vor allem Fundamentalismus eine Rolle spielt; ein Viertel nimmt als häufigstes Thema in der Berichterstattung über Muslime die Kopftuchdebatte wahr.
Natürlich haben diese Befragten nicht Recht in einem objektiven Sinn: Keineswegs geht es in der Mehrzahl der Berichte um Terrorismus. Und das Kopftuch ist immer noch ein Aufregerthema, aber das „häufigste“? Nein. Dennoch scheint es mir unbestreitbar richtig, dass die Intuition der Befragten stimmt, dass hier etwas im Argen liegt.
Ein jüngeres Beispiel: „Jung, muslimisch, brutal“ titelte Spiegel Online einen Bericht über die Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer zum Zusammenhang von Religi­ösität und Gewaltneigung. Der Süddeutschen fiel zur gleichen Untersuchung die Zei­le ein: „Die Faust zum Gebet“.  blick.ch: „Macht Islam ag­gresiv? Jung, brutal — Muslim“, Tagesspiegel: „Allah macht hart“, heise.de: „Jun­ge männliche Macho-Muslime“, Financial Times Deutschland: „Studie zu jungen Muslimen — Je gläubiger, desto gewalttätiger“, Welt.de: „Studie — Gläubige Musli­me sind deutlich gewaltbereiter“, Welt: „Muslime — Mehr Religiosität = mehr Ge­waltbereitschaft“, Bild.de: „Junge Muslime: je gläubiger desto brutaler“, Hamburger Abendblatt: „Junge Muslime: Je gläubiger, desto brutaler“.
Das ist die Ausbeute der Schlagzeilen, und sie ist nicht einmal vollständig. In Wahr­heit steht in der Studie allerdings, Weiter„Das Islambild in den Medien“

 

Lob des Internets

Ich verfüge dank dem Relaunch der ZEIT-Blogs über ein wunderbares Instrument namens Blog Stats, mit dem ich Euch, liebe Mitblogger, komplett durchleuchten kann. Ich sehe zum Beispiel, welche Suchbegriffe euch hierher geführt haben.

Und da ergibt sich heute diese Rangliste des gestrigen Tages, die mich denn doch  sehr zum Grübeln bringt. sarrazin, jörg lau, schwuler außenminister, auspeitschung, schwuler aussenminister, ausgepeitscht, vietnamesen + gewalt??? Wow.

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Was man in Deutschland alles sagen darf

Ich habe für die morgige Ausgabe der ZEIT (Nr.44) eine Seite 3 zu den Weiterungen im Fall Sarrazin geschrieben:

Aus einem Interview in einer wenig bekannten Intellektuellenzeitschrift ist binnen dreier Wochen ein „Fall Sarrazin“ geworden. Der Streit über die Äusserungen des Bundesbankvorstands in „Lettre International“ mutiert zur Debatte über die deutsche Debattenkultur. Es wird mittlerweile genauso leidenschaftlich darüber gestritten, was man hierzulande um welchen Preis sagen darf – wie über die ursprüngliche Frage: ob Sarrazin denn Recht hat mit seinen Behauptungen über Einwanderer in Berlin.
Auch die Leser dieser Zeitung und ihrer Online-Ausgabe sind seit Wochen hoch engagiert in der Analyse des Vorgangs. Seit dem Streit um die dänischen Karikaturen hat es eine solche Welle der Empörung nicht mehr gegeben. In vielen Hundert Beiträgen schält sich ein Deutungsmuster heraus, das sich immer weiter vom Ursprung der Debatte löst. Es lautet etwa so: Einer sagt, was schief läuft im Land mit den „Türken und Arabern“ – und wird dafür bestraft. Man kann einem Mythos beim Entstehen zuschauen: Thilo Sarrazin, einsamer Kämpfer gegen Rede- und Denkverbote.
Zwei Männer haben maßgeblichen Anteil daran: Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der behauptete, dass „Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist“. Und Axel Weber, Vorstandschef der Bundesbank, der Sarrazin erst verschwiemelt den Rücktritt nahelegte und ihn dann hinter den Kulissen teilentmachtete – ohne je ein offenes Wort über die Aussagen seines Bank-Kollegen zu wagen, die den Anlass gegeben haben. Nun wird gar behauptet, die Pressestelle der Bundesbank hätte vorab Kenntnis von dem Interview gehabt und Weber hätte Sarrazin somit bewusst ins offene Messer laufen lassen. Wie dem auch sei –  Kramer und Weber lieferten Beispiele dafür, wie man die Diskussionskultur auf den Hund bringen kann: die fast schon bis zur Selbstkarikatur übertriebene Intervention des Zentralratssekretärs und das verdruckste Powerplay des Bankchefs haben mancherorts den Eindruck verfestigt, dass man in Deutschland über bestimmte Dinge nicht mehr reden kann, ohne erst in die rechte Ecke gedrängt und dann in den Senkel gestellt zu werden. Weiter„Was man in Deutschland alles sagen darf“

 

Wenn die Sarazenen kommen

Mit meinem Nachnamen sollte man ja eher vorsichtig sein, wenn es um Namenswitze geht. (Was habe ich nicht schon gelitten seit Grundschultagen!) Aber jetzt muss ich doch noch mal was zum Namen Sarrazin loswerden.
Es wirkt jafast ein bisschen bizarr, dass der Mann, der die „Eroberung durch Geburtenrate“ zum Thema gemacht hat, den Namen jenes Volksstammes trägt, der im Mittelalter zum Inbegriff der christlichen Islampolemik wurde: der Sarazenen nämlich. Einem Schriftsteller würde man eine solche Erfindung nicht durchgehen lassen: zu dick aufgetragen, mein Lieber!

Erhard_Reuwich_Sarazenen_1486

Auf dieser Abbildung aus dem Jahr 1486 sieht man die Tracht der männlichen und weiblichen „Sarazenen“, inklusive Burka und Turban, wie sie von Erhard Reuwich dargestellt wurde.

In Wikipedia gibt es zum Begriff zu lesen:

„Die Bedeutung wurde seit der Spätantike sukzessive erweitert, zuerst auf die übrigen arabischen Stämme der vorislamischen Zeit (Eusebius, Hieronymus), und dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Völkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzüge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europäischen Volkssprachen übernommen.

Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei geprägt von einer die bezeichneten Völker abwertenden, gelehrten Volksetymologie. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos, also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklärung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar, der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams, sich fälschlich als „Sarazenen“ bezeichnet hätten, um sich als Abkömmlinge der Sarah, der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklärung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknüpfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas (Gal. 4,21-31) als Angehörige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islam zu einem anti-islamischen Topos, der in der europäischen Literatur über die Kreuzzüge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.“

Irgendwie doch verdammt lustig, diese Koinzidenz: Der Mann trägt den Namen, mit dem man abwehrend und abwertend die dunkelhäutigen Muslime bezeichnete, die im Zuge des Eroberungsfeldzugs der Mauren nach Europa kamen.

A propos Eroberung durch Geburten: Deutsche in Berlin haben eine Geburtenrate von 1,2 Kindern, Araber und Türken in der Hauptstadt eine Rate von 2 Kindern pro Familie. Die Kollegen vom Stern weisen in ihrer morgen erscheinenden, exzellenten Ausgabe darauf hin, dass die Sarazenen, wenn dies so bleibe, mehrere hundert Jahre für ihr Projekt bräuchten.

Der Stern hat die wesentlichen Aussagen Sarrazins einem Faktencheck unterzogen. So viel kann ich verraten: es bleibt nicht viel übrig. (Vielleicht stellen die Kollegen die Sache ja auch mal online?)

 

Warum Einbürgerung (für manche) leichter werden muss

Im Kommentarbereich auf ZEIT.de schreibt „green 2010“ zu meinem Sarrazin-Artikel:


Ich bin Ausländer, in Deutschland geboren, zur Schule gegangen, Abitur gemacht und studiert, sprich: Deutschland hat viel Geld und Zeit in mich investiert. Ich würde mich als voll integriert einstufen.

Zwei Jahre nach meinem Studium bin ich ins Ausland gegangen. Vorher war ich aber bei der Einbürgerungsbehörde, weil ich mich vor der Ausreise einbürgern lassen wollte. Da hieß es, wenn ich während der Antragsstellung ins Ausland ziehe, würde mein Antrag automatisch abgelehnt.

Im Klartext: Der deutsche Staat lässt mich (und damit seine wertvolle Investition) einfach so von dannen ziehen (sowie Abertausende von Chinesen und Afrikanern jedes Jahr), ohne auch nur die leiseste Anstrengung zu unternehmen, mich für sich zu gewinnen. Ich könnte nun den Rest meines Lebens für andere Volkswirtschaften produktiv sein und ihnen die Früchte der deutschen Investition zukommen lassen – was ich nicht vorhabe. Aber kann man sich das vorstellen? Der deutsche Staat versucht nicht einmal, seine Investition zu sichern, selbst wenn diese es selbst beantragt!

Gewiß, man kann niemanden zwingen, in Deutschland zu bleiben. Aber indem man ausländischen Akademikern die deutsche Staatsbürgerschaft anbietet, erhöht man sicher die Wahrscheinlichkeit, dass diese in Deutschland bleiben oder irgendwann zurückkehren. Ich darf nach meiner Rückkehr übrigens mindestens 3 Jahre warten, bis ich einen Einbürgerungsantrag stellen darf.

So wird das nix, Deutschland.