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Ein Schwatz vor der US-Botschaft – mit Folgen

 

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Manchmal ist Kabul kompliziert. Es gibt Tage, da vergisst man das. Und dann gibt es Tage, da wird man wieder dran erinnert. Heute war einer der letzteren.

Wir waren für ein Interview im Camp Eggers, dem Hauptquartier von ISAF in Kabul. Obwohl das Interview für eine TV-Dokumentation ist, war Filmen nicht erlaubt.  Wir führten also das Interview, machten ein paar Fotos und filmten stattdessen, mit Erlaubnis der afghanischen Soldaten, direkt an der Schranke vor dem Feldlager.

Dann fuhren wir wieder zurück. Wenn man vom Hauptquartier zu uns nach hause will, muss man erst einmal fünf Minuten lang an vier Meter hohen Betonmauern, Stacheldraht, Straßensperren und Checkpoints vorbei. Niklas filmte den Stacheldraht, fünf Sekunden lang, dann wurden wir angehalten. Filmen sei verboten, sagte ein Bewaffneter in Uniform.

Wir erklärten die Geschichte und boten an, die fünf Sekunden Stacheldraht zu löschen. „Alles schön und gut“, sagte der Mann, „aber ich muss den Kommandeur informieren. Und löscht bloß nicht den Film!“ Es kam noch ein Mann und noch ein Mann. Alle fragten das Gleiche, alle hörten das Gleiche. Der letzte hatte ein Funkgerät in der Hand. Daraus: „Nehmt ihm das Telefon und alle Kameras weg und mit rein. Wir müssen das checken.“ Ein Mann schrie unseren Fahrer, sichtbar Afghane, auf Englisch an, er solle den Schlüssel aus dem Zündloch nehmen und aufs Armaturenbrett legen. Der Fahrer versteht kein Englisch – also schrie der Mann nochmal auf Englisch – und wurde sauer, als ich anbot, zu übersetzen.

Wir mussten aus dem Auto aussteigen und auf einen weiteren Mann warten. Inzwischen hatten wir erfahren, dass wir vor der amerikanischen Botschaft gefilmt hatten. Anders als die deutsche Botschaft ist sie nicht entsprechend gekennzeichnet. Ich bot an, dass man bei der deutschen Botschaft nachfragen könne, sie ist nicht weit entfernt und dort kennt man uns. Keine Reaktion.

Stattdessen nahm ein Mann unsere Reisepässe, Arbeitserlaubnis und afghanische Presseausweise, und ging davon. In der Zwischenzeit kam der lang angekündigte Kommandeur. Niklas erzählte unsere Geschichte noch einmal, und löschte dann, wie seit 20 Minuten angeboten, die fünf Sekunden Stacheldrahtzaun. Der Mann mit den Reisepässen kam zurück, entschuldigte sich für das Aufheben und sagte, er hätte nur unsere Daten registriert, alle Papiere kopiert und einen Report nach Washington geschickt, wir seien das ja sicher gewöhnt. „Eigentlich nicht“, sagte Nik, „ich wohne erst seit drei Monaten hier.“ „Seit drei Monaten?“, fragte der Mann. „Dann kennen die eure Namen eh schon.“

P.S. Während die auf Sicherheit bedachten Männer uns festhielten, waren sie übrigens so freundlich, uns alle umstehenden Gebäude und den Namen der Sicherheitsfirma, für die sie arbeiten, zu erklären. Danke!

P.P.S. Das Bild ist ein Symbolbild. Ich habe es nicht in Kabul, sondern im amerikanischen Teil des Feldlagers in Masar-i-Scharif aufgenommen.