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Mein Interview mit Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer

 

Nadine Gordimer letztes Jahr auf einer Literaturveranstaltung/ © Vogler

Justin Schaaf ist 12 Jahre alt und lebt in Johannesburg, einer großen Stadt in Südafrika. Zusammen mit seinem Schulleiter besuchte er die inzwischen 87-jährige Autorin Nadine Gordimer und hatte Gelegenheit für ein Interview. Nadine Gordimer ist in der ganzen Welt bekannt, weil sie sich mit ihren Büchern gegen die früher in Südafrika übliche Trennung von weißen und schwarzen Menschen einsetzte. „Apartheit“ wurde es genannt, dass schwarze Menschen im Bus nicht auf Plätzen für Weiße sitzen durften, die Kinder keine gemeinsamen Schulen besuchten und vor allem wenig weiße Menschen über viele schwarze bestimmten. Nadine Gordimer erkannte das Unrecht uns schrieb dagegen an. So wahr, dass ihre Bücher sogar verboten wurden.

Schaaf: Was war Ihr Lieblingsbuch als Sie so alt waren wie ich?
Gordimer: Wie alt bist Du denn?
Schaaf: Ich bin zwölf.
Gordimer: Ich glaube, da war ich schon aus dem „Dr Doolittle“-Alter heraus und begann echte Erwachsenenbücher zu lesen. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, welche das waren.

Schaaf: Welches sind Ihre deutschen Lieblingsautoren?
Gordimer: Mein deutscher Lieblingsautor ist Günter Grass.
Schaaf: Wovon wird ihr nächstes Buch handeln?
Gordimer: Ich rede nie darüber, was ich gerade schreibe. Jungen Autoren rate ich immer, nicht mit den Freunden darüber zu diskutieren, was in dem Buch geschehen sollte, denn dann reden sie einem doch hinein. Dann lass sie lieber ihr eigenes Buch schreiben.

Schaaf: Wenn Sie die Macht hätten, eine Sache in der Welt zu verändern, was wäre das?
Gordimer: Ach du liebe Zeit, das ist eine sehr große Frage! Nun, ich denke es wäre der Frieden. Dass wir aufhören zu kämpfen, uns umzubringen und uns gegenseitig das Leben schwer machen. Das und die Abschaffung der Armut, ich denke diese beiden Dinge zusammen würde ich ändern.

Justin Schaaf im Gespräch mit Nadine Gordimer

Schaaf: Ich habe in den Nachrichten gehört, dass Sie an einer Protestveranstaltung gegen das geplante neue Mediengesetz teilgenommen haben. Warum sind Sie gegen dieses Gesetz?
Gordimer: Warum sollte ich nicht dagegen sein? Ich bin Schriftstellerin und ein Mensch, und beide brauchen Redefreiheit. Drei meiner Bücher sind verboten worden. In der schlimmsten Zeit der Apartheid stellte ich eine Sammlung von Gedichten junger schwarzer Schriftsteller zusammen. Das wurde sofort verboten. Insgesamt wurden also vier meiner Bücher verboten.

Schaaf: Nun zum Nobelpreis. Hat der Nobelpreis Ihr Leben einfacher oder schwieriger gemacht?
Gordimer: Nein, weder noch, denn der Nobelpreis beeinflußt nicht, wie man ein neues Buch angeht. Wenn man das zuläßt begeht man einen großen Fehler. Das nächste Buch ist in einem drin und wartet darauf herauszukommen. Und das hängt nich davon ab, ob man für sein Gesamtwerk den Nobelpreis bekommen hat oder nicht. Das Tolle ist, dass der Preis mit einer großen Summe Geld verbunden ist, das ich für verschiedenste Dinge verwenden konnte. Wenn man einmal die Bezeichnung „Nobelpreisträger“ vor seinem Namen hat, dann hören einem die Menschen zu, so z. B. wie jetzt, wo es um die Rede- und Pressefreiheit geht. Das ist der Nobelpreis sicherlich hilfreich.

Schaaf: Was war das letzte Buch, das Sie von Günter Grass gelesen haben?
Gordimer: Das muss das gewesen sein, wo er auf das letzte Jahrhundert zurückblickt.

Schaaf: Haben Sie schon Zeit gehabt, etwas von der deutschen Preisträgerin Herta Müller zu lesen?
Gordimer: Oh, ja! Sobald etwas auf Englisch heraukommt lese ich es, da kannst Du sicher sein. Es sei denn, es ist ein Krimi, dafür interessiere ich mich nicht. Es gibt einen jungen deutschen Autor, der mich sehr interessiert. Wie heißt der noch? Tut mir leid, ich komme jetzt nicht auf seinen Namen.

Schaaf: Welcher Autor sollte Ihrer Meinung nach den Literaturnobelpreis bekommen haben?
Gordimer: Nun, das werde ich Dir nicht sagen. Denn als Nobelpreisträger für Literatur hat man ein am wunderbares Privileg. Jedes Jahr kann man nämlich zwei Kandidaten für den Preis vorschlagen. Zwei Namen. Und das ist absolut geheim. Das sage ich niemandem. Ich kann nur soviel sagen, dass ich seit 1991, als ich selbst ausgezeichnet wurde, jedes Jahr von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht habe. Bis jetzt hatte ich nur zweimal Erfolg. Einer war Günter Grass. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Der andere war der Japaner Kenzaburo Oe. Seit 1991 waren das meine einzigen beiden Nominierungserfolge, aber ich schlage jedes Jahr Leute vor.

Schaaf: So, das waren meine Fragen.
Gordimer: Schön. Das waren sehr gute Fragen!