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Blubb, Blubb, Blubb

 

Krake Paul aus dem Sea Life Aquarium in Oberhausen. Ein Kollege von Lola/ AFP

In riesigen Aquarien kann man Krabben, Clownfische und Haie bestaunen. Was braucht es, damit es den Tieren dort gut geht?

Von Claudia Knieß

Wenn man nur wüsste, was so ein Krake denkt! Lola hängt an der Scheibe ihres Beckens im Münchner Sea Life und schaut die Kinder an, die das Aquarium besuchen. Die schauen Lola an und machen Faxen. Ob Lola das lustig findet oder manchmal von den Besuchern genervt ist? Ob die täglich gleiche Umgebung sie langweilt und sie gern zurück ins Meer möchte?

Das weiß auch Jens Bohn nicht, obwohl er eine Menge Ahnung von Wassertieren hat. Er ist Meeresbiologe und leitet das Aquarium. Ungefähr 4500 Fische, Krebse, Muscheln, Seesterne, eine Schildkröte und Krake Lola leben hier. Die Tiere sind auf 35 Becken verteilt: Das kleinste ist kaum größer als ein Planschbecken, das größte fasst 400000 Liter Wasser und ist drei Stockwerke tief. Besucher lernen auf einem Rundgang die Bewohner einheimischer Flüsse kennen, aber auch die Tiere der großen Weltmeere. Es geht vorbei an großen Scheiben, hinter denen sich Mittelmeertiere tummeln, an speziellen Becken für Quallen und Seepferdchen, an einem Korallenriff mit Clownfischen und zum Schluss durch einen Glastunnel, der durch ein Becken mit Haien und Rochen verläuft.

Wie aber kommen die Tiere eigentlich hierher? Darf man sie einfach fangen und in ein Aquarium packen? Was brauchen sie, damit es ihnen gut geht?

Die wichtigste und schwierigste Aufgabe ist es, für gutes Wasser zu sorgen. Meerestiere brauchen Salzwasser, deshalb wird normales Leitungswasser mit künstlichem Meersalz gemischt. Alle paar Stunden wird das Wasser komplett ausgetauscht. Es wäre unbezahlbar und Verschwendung, jedes Mal neues Wasser einzufüllen, deshalb wird es immer wieder gereinigt. Im Labor kontrollieren Bohn und seine Kollegen ständig die Wasserqualität.

Die Aquaristen, so nennt man die Mitarbeiter des Aquariums, arbeiten dort, wo Besucher nicht hinkommen. Neben den Wasserbecken gibt es zum Beispiel kleine Türen. Dahinter sind schmale Holzleitern, auf denen Jens Bohn außen an den Becken hochsteigen kann. Krake Lola und die übrigen Tiere werden von hier oben aus gefüttert: mit Seelachs und Garnelen aus sechs großen Tiefkühlschränken, die in der Futterküche stehen. Seepferdchen und andere »Jäger« bekommen lebendes Futter, zum Beispiel kleine Krebse. Von den Holzgerüsten aus steigen auch Taucher ins Wasser, die die riesigen Scheiben der Becken regelmäßig von innen putzen.

Für Krake Lola bedeutet Bohns Auftauchen oben an ihrem Becken vor allem eines: Spielzeit! Kaum kräuselt der Biologe das Wasser mit seinen Fingern, rudert der Krake mit seinen acht Armen nach oben, und dann rangeln die beiden ein bisschen.

Die anderen Bewohner des Aquariums nehmen von den Menschen wenig Notiz. »Fische kommunizieren eigentlich nicht mit Menschen, weil die in ihrem natürlichen Lebensraum, im Meer, keine Rolle spielen«, sagt Jens Bohn. Bei den Kuhmaulrochen, seinen Lieblingsfischen, findet er das schade. Aber so stört es die Fische auch nicht, wenn Bohn die Türen neben den Aquarien wieder verschließt und andere Arbeiten erledigt. Er muss sich zum Beispiel neue Ausstellungen überlegen und dafür Tiere besorgen. So sollen auch Besucher, die das Aquarium schon kennen, etwas Neues entdecken können. Denn es ist teuer, eine Wasserwelt zu unterhalten. Und Gewinn soll das Sea Life auch machen.

Kürzlich ist ein Zebrahai aus dem Indo-Westpazifik eingezogen sowie zwei australische Fetzenfische, eine Art Seepferdchen mit Seegrasschleppe. Jeder Fetzenfisch kostet so viel wie ein kleines Auto, denn die Fische sind selten, und wie viele Meeresbewohner dürfen sie nur unter strengen Auflagen gefangen, gezüchtet und verkauft werden.

Wie kommen die Tiere nach Deutschland? Geschulte Taucher holen einzel-ne Fische mit Netzen ganz vorsichtig aus dem Wasser. Spezielle Transportfirmen kümmern sich darum, dass die Tiere sicher nach München reisen: kleinere wie die Fetzenfische in Tütchen, große wie der Zebrahai in speziellen Wannen voll mit Salzwasser aus dem Ozean. So kann man sie gut in Flugzeugen und großen Autos transportieren. Sind die Neuankömmlinge wohlbehalten angekommen, dürfen sie sich in kleinen Becken an die neue Umgebung gewöhnen.

Aber ist es überhaupt in Ordnung, Meerestiere in Aquarien zu stecken? »Ist es!«, sagt Andreas Kunzmann, »wenn erfahrene Biologen sich mit neuester Technik um die Tiere kümmern. Besser ein Riesenaquarium, das Tausende Leute besuchen, als tausend kleine Ausstellungen.« Kunzmann ist ebenfalls Meeresbiologe, er beobachtet die Tiere direkt im Meer. Zurzeit erforscht er Fischkinder an der Küste vor Westafrika. Mit »freundlichen Grüßen von 14° Süd« kamen seine Antworten zu uns, direkt vom Forschungsschiff auf dem Meer. Sogar Buckelwale hat Kunzmann dort gesehen. Weil aber nicht jeder mal eben aufs Meer fahren kann, findet Kunzmann es gut, dass es große Aquarien gibt. Er sagt: »Sie sind Botschafter der Unterwasserwelt auf dem Land.«

Im Sea Life züchten die Aquaristen zudem einige Arten wie Seepferdchenbabys oder kleine Katzenhaie. Das sind Tiere, die in ihren natürlichen Lebensräumen kaum mehr vorkommen, zum Beispiel weil das Wasser dort so verschmutzt ist. Mit ihrer Arbeit versuchen Aquarien also auch, Arten vorm Aussterben zu retten.

Einige Tiere kann man als Besucher sogar berühren. Es gibt ein Anfassbecken, eine Art Streichelzoo, mit zum Beispiel Krabben, Seesternen und Anemonen, auch Blumentiere genannt. »Auch dagegen ist nichts einzuwenden«, sagt Forscher Kunzmann, »es müssen nur die geeigneten Arten in solche Becken.« Vielleicht wird der ein oder andere Besucher des Aquariums durch dieses Erlebnis später selbst zum Meeresbiologen oder setzt sich für den Schutz der Meere ein.

Was Krake Lola über all das denken mag? Vielleicht ist sie froh, nicht im Anfassbecken zu sein – aber man weiß nicht, was in einem Krake so vorgeht.