Lamas leben in Südamerika – und in der Pfalz. Für die Kinder ZEIT hat Nicole Diehlmann eine Lama-Familie besucht
Der Garten von Cora und Lena sieht ziemlich normal aus: Es gibt eine Terrasse, eine Rutsche, eine Schaukel. Aber die Tiere, die da zwischen Gartenhäuschen und Blumenbeet grasen, die sind außergewöhnlich: Es sind Lamas.
Cora und Lena sind Schwestern, und sie haben diese besonderen Haustiere – oder eher Hinterm-Haus-Tiere. Denn an den Garten der Familie grenzen das Gehege und die Weiden der Lama-Herde, und manchmal dürfen die Tiere sogar in den Garten der Familie. 14 Lamas hält die Familie in Ungestein, das ist ein Ortsteil von Bad Dürkheim und liegt in einem pfälzischen Weinbaugebiet. Direkt hinterm Haus steht eine Hengst-Bande, die Stuten und ihre Fohlen wohnen in einem Gehege ein paar Hundert Meter weiter.
»Hier«, sagt die 13-jährige Lena und zeigt ihr Smartphone, auf dem sie Fotos der drei jüngsten Lamas hat, »die sind so süß!« Der Hengst Krümel findet das wohl nicht. Er steht direkt vor Lena und gibt seltsame Töne von sich: »Mmh, krmm, mmh«, grummelt er. Cornetto, ein anderer Hengst, antwortet: »Mmmh, brrr, mmmmh.« – »Die beiden unterhalten sich nur«, sagt Lena.
Wie um alles in der Welt kommt man darauf, Lamas zu halten? Eigentlich ganz einfach. Cora, Lena und ihre Eltern waren lange auf der Suche nach außergewöhnlichen Begleitern. Sie wollten nämlich Tiere haben, die sie mit auf Wanderungen nehmen können. »Erst wollten wir Esel, doch die sind zu laut«, erzählt die zehnjährige Cora. »Dann haben wir an Kamele gedacht, aber die sind so groß und können auch beißen.« Vor etwa fünf Jahren lernte ihre Mutter bei einer Wanderung eine Familie kennen, die Lamas hatte. Und die Mutter mochte die Tiere mit den großen Augen und den langen Wimpern sofort.
Bevor ihre Lamas einziehen konnten, musste die Familie aber erst lernen, wie man sich richtig um sie kümmert. »Ohne Kurs bekommt man keins von einem Züchter«, erklärt die Mutter. Man muss auch mindestens drei Tiere zusammen kaufen, denn Lamas sind Herdentiere und würden sich allein nicht wohlfühlen.
Lamas kommen ursprünglich aus Südamerika. Dort werden sie als Nutztiere gehalten und liefern den Menschen vor allem Wolle. Aber sie fühlen sich auch in Deutschland wohl, wenn sie genug Platz haben. Dann sind sie ruhige und gelassene Gefährten, gefährlich sind sie auch nicht. Lamas können nicht richtig beißen, weil sie Wiederkäuer sind und am Oberkiefer keine Zähne haben. Auch gefährlich austreten können sie nicht, weil sie keine Hufe haben. Der Fachausdruck für Lamas ist »Schwielensohler«, sie tragen gewissermaßen natürliche Schuhe mit einer festen Sohle. Man nennt sie deshalb auch Leisetreter.
Wenn Lamas sich bedroht fühlen, spucken sie. »Und das stinkt ganz schön«, sagt Lena. Sie weiß das, weil sie es schon erlebt hat: »Aber nur ein Mal.« Da allerdings traf die Spucke sie mitten im Gesicht. Sie und ihre Freundinnen hatten ein Lama zu fest gekuschelt, und das war ihm wohl unangenehm.
Cora und Lena durften sich je zwei Tiere aussuchen, um die sie sich besonders kümmern – Coras Lamas heißen Charly und Bombay, Lenas Bonito und Cinnemon. Die Eltern der Schwestern haben inzwischen zwei Berufe: Neben ihrer Arbeit als Friseure bieten sie geführte Wanderungen mit Lamas für Gäste an. Jeder Besucher darf dabei ein eigenes Lama führen. Cora und Lena laufen mit und helfen auch vorher, die Tiere wanderfertig zu machen. Cora führt dann zum Beispiel die Lamas am Strick in den Garten, damit die Gäste ihr Fell striegeln können.
Doch die Schwestern sind nicht immer eingespannt. Wenn sie Hausaufgaben machen müssen, sich mit Freunden treffen wollen oder zum Hip-Hop- oder Fußballtraining gehen, bleibt nicht immer Zeit für die Lamas. Dann kümmern sich die Eltern. Denn die großen Tiere machen auch Arbeit.
Für einige Aufgaben ist der Vater zuständig – etwa fürs Klo. Alle Lamas der Herde nutzen dieselbe Stelle im Gehege als Toilette. Um dort sauber zu machen, fährt der Vater mit einer Art riesigem Staubsauger hin und saugt den Dreck weg. Ins Gehege kommen die Lamas, wenn sie Unterschlupf vor Regen oder starker Sonne suchen. Ansonsten leben sie Tag und Nacht draußen auf den Weiden, dort finden sie auch ihr Futter. Zusätzlich bekommen sie nur etwas Heu und manchmal Karotten.
Früher wollten viele Freundinnen zuerst zu den Lamas, wenn sie Cora oder Lena besuchten. Das hat sich mittlerweile gelegt. Und für die Bewohner des Örtchens Ungestein ist es schon ganz normal, dass ab und zu zottelige Vierbeiner die Straße überqueren. Alle wissen dann: Cora und Lena sind wieder mit ihren Lamas auf Wanderschaft.