Leser Justin Schaaf ist 12 Jahre alt und besucht die 7. Klasse der Deutschen Internationalen Schule Johannesburg in Südafrika. Per Mail schickte er uns seinen Artikel über das Nobel-Archiv in Stockholm und ein Interview mit Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer, dass Ihr hier lesen könnt.
In diesem Sommer reiste ich nach Stockholm und durfte bei dieser Gelegenheit das Nobel-Archiv in der Schwedischen Akademie der Wissenschaften besuchen. (Nicht zu verwechseln mit dem Nobel-Museum in der Stockholmer Altstadt!) Die Akademie der Wissenschaften ist nicht öffentlich zugänglich, und ich kam auch nur herein, weil mein Vater dort zu tun hatte. Der Archivleiter, Karl Grandin, war sehr nett und führte mich in dem alten Gebäude herum, wo mehrmals im Jahr die Mitglieder des Nobel-Komitees tagen und die zahlreichen Vorschläge von Kandidaten prüfen. Ihre Empfehlungen legen sie dann der Akademie vor, die dann die Gewinner bekannt gibt.
Herr Grandin erzählte mir, dass vor einigen Monaten sogar das japanische Kaiserpaar hier zu Besuch war und sich die historischen Räume zeigen ließ, in denen alljährlich Anfang Oktober die Physik- und Chemiepreisträger bekanntgegeben werden. Das schwedische Königspaar begleitete die beiden Gäste aus Japan. Ich sagte ihm, das müsse ja ein tolles Erlebnis gewesen sein, einmal den japanischen Kaiser im Hause zu haben. Darauf antwortete Herr Grandin, dass der Besuch für ziemlich viel Unruhe gesorgt hatte. So habe man extra die Besuchertoilette neu bauen müssen, da ein japanischer Kaiser auf keine Toilette gehen dürfe, die schon einmal von jemand anderem benutzt worden sei!
Der Nobelpreis wurde von Alfred Nobel gestiftet. Er hatte das Sprengöl und das Dynamit erfunden und damit viel Geld verdient. Er wollte, dass sein Vermögen nach seinem Tod für gute Zwecke benutzt wird. Und so verleiht die Nobelstiftung seit 1901 jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, ihre Auszeichnungen. In diesem Jahr geschieht dies zum 110. Mal. Die Bekanntgabe der Gewinner ist ein spannendes Ereignis, das man auch online verfolgen kann (www.nobelprize.org).
Dabei werden die Nobelpreise für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Wirtschaft in Stockholm verliehen, der Friedensnobelpreis aber in Oslo. Insgesamt sind bis heute über 800 Menschen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden, darunter so berühmte Wissenschaftler wie Albert Einstein und Niels Bohr, Schriftsteller wie Thomas Mann und Ernest Hemingway und Friedenskämpfer wie Albert Schweitzer und der Dalai Lama. Es gibt aber auch Menschen, die den Nobelpreis nie bekommen haben, auch wenn sie ihn, wie ich finde, verdient hätten, so z. B. Mahatma Gandhi, Astrid Lindgren oder Stephen Hawking.
Wenn man mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird, bekommt man eine Geldsumme (knapp 1 Mio. Euro), eine handgeschriebene Urkunde und eine Medaille.
Im Nobel-Archiv führte mich mit der Direktor in einen abgeschlossenen gekühlten Raum. Dort lagen viele alte Akten, Bücher, Karten und Briefe. Grandin machte mich auf eine Schatulle mit dem eingeprägten Namen „Granit“ aufmerksam. So hieß der schwedische Medizinnobelpreisträger des Jahres 1967, Ragnar Granit. Nach seinem Tod 1991 vererbte er dem Nobel-Archiv seine Unterlagen. Als ich die Schatulle öffnete befand sich darin seine Nobel-Medaille – 175 Gramm pures Gold! Auf der Vorderseite zeigt sie ein Portrait Alfred Nobels, auf der Rückseite zwei Frauen in antiken Gewändern. So nah werde ich wohl nie wieder an einen Nobelpreis kommen!
In diesem besonderen Archivlager steht auch ein großer begehbarer Käfig, der abgeschlossen ist und für den nicht einmal Herr Grandin den Schlüssel hat. Darin lagern die Akten der Physik- und Chemienobelpreisträger der letzten 50 Jahre. Jedes Jahr werden die Akten eines weiteren Jahres freigegeben. In diesem Jahr darf man die Unterlagen bis einschließlich 1960 einsehen.
In Südafrika wurden insgesamt zehn Persönlichkeiten mit Nobelpreisen ausgezeichnet. Zwei davon hatte ich das Glück kennenzulernen. Im Juli letzten Jahres besuchte ich Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela an seinem 92. Geburtstag bei sich zu Hause und gratulierte ihm. Er war sehr freundlich und offen und fragte mich u. a. wie mir die Fußballweltmeisterschaft gefallen habe. Nelson Mandela, den wir hier Madiba nennen, wird von allen Menschen im Land sehr geachtet und geliebt.
Im August diesen Jahres besuchte ich zusammen mit meinem Schulleiter die Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer, die meiner Schule einige deutsche Ausgaben ihrer Bücher spendete. Frau Gordimer ist trotz ihrer 87 Jahre noch sehr rüstig und fährt sogar alleine Auto. Geduldig beantwortete sie alle meine Fragen, die ich zu diesen Anlaß vorbereitet hatte. Sie hat einen schönen Hund, einen Weimaraner namens „Bodo“.
Im Oktober werde ich gespannt verfolgen, wer in diesem Jahr mit dem noblen Preisen ausgezeichnet wird, und werde mir insgeheim vorstellen, ich säße mit den Reportern im Saal in der Akademie der Wissenschaften in Stockholm…