Im Zooladen gibt es Geckos und Chinchillas, und wenn die Heuschrecken ausbüxen, ist richtig viel los. Ein Besuch lohnt sich – nicht nur, wenn Du gern ein Tier hättest
Von Susanne Gaschke
Gerade hat der Postbote ein riesiges Paket gebracht. »Vorsicht, lebende Insekten« steht darauf. Ein Insektenzüchter hat es geschickt. Mit einem Teppichmesser schlitzt Alexander Essl die Verpackung auf. Zum Vorschein kommen Dutzende von Plastikschälchen so wie die, in denen man an der Supermarkttheke Fleischsalat verkauft bekommt. Nur sind in diesen Schälchen keine Salate, sondern wimmelnde, zirpende, raschelnde Kakerlaken, Heuschrecken und Heimchen (eine Grillenart). Tausende. Ugh.
Für die Tiere, um die der Zoofachverkäufer Essl sich kümmert, sind diese Krabbelviecher allerdings Leckerbissen: Er arbeitet in der Reptilienabteilung einer großen Zoohandlung in Kiel. Bei ihm bekommt man Leguane, Schlangen, Geckos, Chamäleons und die eine oder andere Vogelspinne (wobei Letztere kein Reptil, sondern ein Spinnentier ist). Kinder, besonders Jungen, sind fasziniert von den Reptilien: Viele der Echsen ähneln Märchendrachen oder Miniatursauriern. Nur darf eben nicht zimperlich sein, wer ein solches Tier hält: Als Futter braucht es lebendige Insekten. »Am Anfang meiner Ausbildung hatte ich ganz schön weiche Knie, wenn ich die anfassen musste«, gibt Essl zu und grinst. Heute lässt er sich ungerührt eine große Kakerlake über die Hand laufen. Mir wird fast schlecht. Ihm nicht. Gewöhnung ist alles.
Die Heuschrecken büxen durchaus mal aus, schwirren dann durch die Zoohandlung und bringen Kunden zum Kreischen. Heute aber geht alles gut, und Alexander Essl füttert das bildschöne Panther-Chamäleon Oskar mit einem saftigen Exemplar. Ganz, ganz langsam lässt es sich das auf der Zunge zergehen.
Normalerweise bekommen Tiere im Handel keine Namen – es ist sonst zu traurig für die Mitarbeiter, wenn sie sich von einem Liebling trennen müssen. Bei Oskar wurde eine Ausnahme gemacht, weil er schon ziemlich lange hier ist: Ein Panther-Chamäleon aus deutscher Zucht (das also nicht in der Wildnis gefangen wurde) kostet ungefähr 450 Euro, das wollen nicht viele Leute ausgeben. In diesem Fall freut das alle im Laden, sie haben Oskar gern, seine prachtvollen Farben, seine zeitlupenartigen, bedächtigen Bewegungen.
Aber eigentlich ist eine Zoohandlung natürlich nicht dazu da, um Tiere zu behalten. Sie muss sie verkaufen, damit Chef und Mitarbeiter davon leben können. Ungefähr 30 Menschen arbeiten bei Zoo- und Angel-Knudsen. Sie beraten Kunden, sie füttern und versorgen die Tiere, gestalten die Gehege, informieren sich bei Zoo-Messen über Neuheiten: schicke Aquarium-Dekorationen zum Beispiel, Nebelmaschinen für Terrarien, Intelligenzspiele für Nagetiere oder spannende Futtersorten wie »Nager-Gourmet«. Auch an Feiertagen und am Wochenende können sie ihre Schützlinge nicht sich selbst überlassen: Immer muss jemand vorbeikommen, der Futter und Wasser verteilt und nach dem Rechten sieht. Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchillas, Wüstenrennmäuse, Streifenhörnchen, Hamster, viele, viele Sorten von Vögeln und Fischen – das Angebot ist groß. Die Verantwortung auch.
»Besonders nachts ist hier eine ganz eigenartige Stimmung«, erzählt der Geschäftsführer Dirk Bruhn, der die Zoohandlung von seinen Eltern übernommen hat und hier oft noch sehr spät arbeitet. »Man hört die Heimchen dann lauter zirpen und sieht ganz andere Sachen in den Aquarien.« Morgens muss das Licht behutsam angeschaltet werden, sonst erschrecken sich die schlafenden Tiere, »die Fische springen fast aus dem Wasser, und die Nager rasen wie irre hin und her«, sagt Bruhn.
Eine goldene Nase könne man sich mit dem Verkauf von Tieren nicht verdienen, meint der Geschäftsführer: Man müsse das auch aus Freude und Begeisterung machen. Andererseits sind Haustiere bei den Menschen ziemlich gleichbleibend beliebt: Als Freunde und Lebensbegleiter, wenn man viel allein ist. Als Ablenkung von der Arbeit. Und bei Kindern sowieso.
Der Zoo-Fachverkäuferin Verena Betz ist diese Freude deutlich anzumerken, obwohl sie den Job schon seit 20 Jah-ren macht. Ganz sanft holt sie einen Wellensittich aus dem Käfig, dessen Herz trotzdem aufgeregt schlägt, man kann das sehen. Ganz vorsichtig nimmt sie dann einen schwarz-weißen Zwerghamster auf die Hand, um ihn mir zu zeigen. Der Hamster sieht unglaublich sauer aus, wahrscheinlich wäre er lieber bei seinen Hamsterfreunden geblieben. Die stehen derweil alle auf den Hinterbeinen in ihrem Käfig, rudern mit den Vorderpfoten, untersuchen die offene Käfig-tür und prüfen, ob man hier vielleicht ausbrechen kann.
Gerade Hamster seien aber nichts für ganz kleine Kinder, sagt Verena Betz: »Man kann sie eben doch sehr leicht zerquetschen.« Deshalb rät sie, auch wenn das Verkaufen ihr Beruf ist, Eltern durchaus, sich die Anschaffung genau zu überlegen: Ist es wirklich das richtige Tier? Kann das Kind, das es bekommen soll, es schon gut versorgen? Wie viel müssen die Eltern helfen? Außerdem ist sie froh, dass in dieser Zoohandlung nur Tiere von privaten Züchtern angeboten werden und keine aus großen Zuchtanlagen. »Denn obwohl es ein Geschäft ist«, sagt Verena Betz, »muss doch eines klar sein: Ein Tier ist nicht einfach irgendeine Ware.«