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Der Paukenschlag des Gerichts – womöglich platzt der internationale Prozess gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga

Es ist ein Schlag ins Gesicht – fragt sich nur, wen er am härtesten trifft.
Am Montag hat die erste Kammer des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGh) das Verfahren gegen den ehemaligen kongolesischen Kriegsherren Thomas Lubanga ausgesetzt. Die Begründung: Die Anklage habe der Verteidigung zahlreiche Dokumente mit zum Teil entlastendem Material vorenthalten. „Wenn schon zu Beginn klar ist, dass grundlegende Voraussetzungen für einen fairen Prozess fehlen“, so die Richter in ihrer Begründung, „ist es unabdingbar, das Verfahren auszusetzen.“ Eigentlich hätte der Prozess gegen Lubanga, der wegen Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten in Ituri im Ost-Kongo angeklagt ist, am 23. Juni beginnen sollen. Nun aber will die Kammer nächste Woche darüber entscheiden, ob Thomas Lubanga auf freien Fuss gesetzt wird. Für die internationale Reputation des Gerichtshofs wäre dies verheerend.
Aber was genau ist eigentlich passiert? Haben die Ankläger unter Leitung des Argentiniers Luis Moreno- Ocampo wirklich mit unsauberen Tricks gearbeitet? Ist der erste Prozess des Internationalen Strafgerichtshofs damit bereits gescheitert? Und was heisst das für die Zukunft des Völkerstrafrechts?

Ankläger internationaler Strafgerichte stehen zweifellos unter größerem Druck als Richter und Verteidiger. In den Augen der Weltöffentlichkeit sind sie die Rächer von Verbrechen, die die internationale Staatengemeinschaft nicht verhindern konnte oder wollte: Völkermord, Massaker, Massenvergewaltigungen, Rekrutierung von Kindersoldaten, ethnische Vertreibungen. Ob Slobodan Milosevic, Charles Taylor oder Thomas Lubanga – in den internationalen Medien, in den Berichten von Menschenrechtsorganisationen und UN-Kommissionen stehen diese Angeklagten längst als Kriegsverbrecher fest. Für eine juristische Bewertung ihrer Schuld gelten aber nun mal andere kompliziertere Kriterien. Auch für die Schlimmsten der „bad guys“ gilt der Grundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Das ist der internationalen Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln.

Tatsächlich gab und gibt es bei internationalen Strafgerichtshöfen einiges zu bemängeln an der „Waffengleichheit“ zwischen Anklage und Verteidigung. Ankläger und Verteidiger suchen jeweils nach belastenden und entlastenden Beweisen und „fechten“ die Frage von Schuld oder Unschuld vor den Richtern aus. Bloß sind letztere meist deutlich schlechter ausgestattet. Beim UN-Jugoslawien-Tribunal wurden sie in den ersten Jahren recht stiefmütterlich behandelt, mussten um Ressourcen und Räume kämpfen. Im Verfahren gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor monierte die Strafkammer des zuständigen internationalen Sondertribunals, dass dessen Anwälte bei der Ermittlungsarbeit gegenüber den Anklägern benachteiligt worden seien. Und nun also der Paukenschlag im Fall Lubanga.

Allerdings geht es hier noch um ein anderes Problem: Bei den Dokumenten, die die Ankläger des IStGh partout nicht herausrücken wollen, handelt es sich um Beweismaterial, dass ihnen von Angehörigen der UN-Mission im Kongo unter der Zusicherung absoluter Vertraulichkeit gegeben worden ist. Würden diese Unterlagen an die Verteidigung und damit auch an den Angeklagten weitergegeben, so die Befürchtung, könnte dieser die Identität der Informanten herausfinden. Und das könnte für die Betreffenden – vor allem für Zeugen aus der Zivilbevölkerung – gefährlich werden. Denn der Gerichtshof hat wie auch die anderen internationalen Tribunal keine eigene Polizei. Seine Möglichkeiten, Zeugen zu schützen, sind minimal.
Der Beschluss der ersten Kammer des IStGh vom vergangenen Montag verdeutlicht also eines der zentralen Probleme des Völkerstrafrechts. Der Strafgerichtshof ermittelt derzeit in Darfur, im Kongo, in Uganda und in der Zentralafrikanischen Republik. In Darfur herrscht Krieg, die anderen drei Länder befinden sich irgendwo zwischen Krieg und Frieden. Ermittler des Gerichtshofes können nur unter extrem schweren Bedingungen und größtem Risiko vor Ort arbeiten. Ohne die Zuarbeit von lokalen Menschenrechtsgruppen oder den jeweiligen UN-Missionen wäre wohl keine einzige Ermittlungsakte eröffnet worden.

Die Gründer des IStGh haben ja vorausgesehen, dass das Gericht im wahrsten Sinne des Wortes mitten ins Scharmützel geraten würde. Dass seine Ermittlungen nicht nur den Tatverdächtige überführen, sondern auch jenen Menschen gefährlich werden können, die es wagen, die Verbrechen zu bezeugen. Das Römische Statut, die Gründungsakte des Gerichts, erlaubt den Anklägern, in bestimmten Fällen Beweismaterial unter Verschluss zu halten, um die Quellen zu schützen. Im Fall Lubanga, so die Richter der ersten Kammer, habe die Anklage dieses Recht allerdings missbraucht.

Ist der Prozess gegen Thomas Lubanga also noch zu retten? Vielleicht. Denn die Richter haben der Anklage einen Vorschlag zur Güte gemacht. Sie wollen Einsicht in die Dokumente bekommen und dann selbst entscheiden, welche entlastenden Charakter haben und der Verteidigung zugänglich gemacht werden müssen. Jetzt muss das Büro des Chefanklägers Moreno-Ocampo die Informanten überreden, auf ihre Anonymität zu verzichten. Klappt das nicht, ist das erste Verfahren des IStGh zu Ende, bevor es richtig begonnen hat.

In Ituri, wo Lubangas Hema-Truppen im Krieg gegen Milizen der Lendu den Tod von 60.000 Menschen mitverschuldet haben, versteht man ohnehin nicht mehr, was da im fernen Europa vor sich geht. In den von Hema bewohnten Vierteln der Bezirkshauptstadt Bunia feiern Lubangas Anhänger, als wäre die Entscheidung der Den Haager Kammer ein Freispruch. In den Nachbarschaft der Lendu hingegen fühlen sich die Leute um die Rache am Erzfeind betrogen. Seit über zwei Jahren sitzt Lubanga in Den Haag in Untersuchungshaft, seit über zwei Jahren warten sie auf die Eröffnung des Prozesses. Und jetzt das. Gut möglich, dass die Entscheidung der Richter vom vergangenen Montag auf lange Sicht die Prozessführung des IStGh gestärkt hat. In Bunia aber hat das Weltgericht jede Glaubwürdigkeit verspielt.

 

ZEIT-Leser spenden für Frauenkrankenhaus im Kongo

Es hat die ganze Nacht über geregnet in Bukavu, die Straße hoch zum Panzi-Hospital ist eine Schlammfurche. Immer wieder bleiben Autos stecken, Motorräder schliddern in den Dreck. Was soll’s – man fällt ja weich.
Es ist mein zweiter Besuch in dem Hospital, das für abertausende vergewaltigter Frauen zur letzten Hoffnung und zum Zufluchtsort geworden ist. Der erste fand im Oktober 2006 statt. Damals lernte ich Mama Zawadi kennen, siebenfache Mutter aus Bunyiakiri in der Provinz Süd-Kivu, Anfang 2006 von Hutu-Rebellen entführt, monatelang vergewaltigt, bis ihr schließlich, schwer verletzt, die Flucht gelang. Im Panzi-Hospital operierten Ärzte ihren verstümmelten Unterleib, so dass sie ihren Urin und Stuhlgang wieder kontrollieren kann.
Im Oktober 2006, am Tag meines ersten Besuchs, war Mama Zawadi aus dem Panzi Hospital entlassen worden in eine ungewisse Zukunft, nicht wissend, ob ihre Kinder noch am Leben waren, ob die Dorfgemeinschaft sie, eine vergewaltigte und „beschmutzte“ Frau, wieder aufnehmen würde.

Die Geschichte von Mama Zawadi veranlasste ZEIT-Online-Leser zu einer Spendenaktion. Studierende des Abendgymnasiums Frankfurt, einer UNESCO-Projektschule, trugen über 1000 Dollar zusammen. Und weil Überweisungen in den Kongo immer noch eine höchst komplizierte Sache sind, spiele ich den Geldboten. Doktor Denis Mukwege, Leiter des Krankenhauses, und an diesem Tag hörbar vergrippt, quittiert mit Stempel, Unterschrift und einem „Merci beaucoup“ den Empfang. Er fände es doch erstaunlich, sagt er schneuzend und schniefend, dass sich Menschen ein paar tausend Kilometer entfernt, „über den Wahnsinn hier in unserem Land“ Gedanken machten.

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Dr. Denis Mukwege, Leiter des Panzi-Hospital, und die Buchhalterin des Krankenhauses nehmen die Spende der ZEIT-Leser entgegen. Foto: Andrea Böhm

„Wie geht es Mama Zawadi?“ frage ich.
„Mama wer?“ Mukwege kramt in der Horrorkartei seines Gedächtnisses nach Namen, Gesichtern und den dazugehörigen Verletzungen. Aber die Behandlung von Mama Zawadi ist jetzt anderthalb Jahre her, er hat seitdem über hunderte neue Patientinnen operiert. „Es sind so viele, ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern.“

Das Panzi-Hospital ist immer noch die einzige medizinische Anlaufstelle für vergewaltigte Frauen (und Männer) in der Provinz Süd-Kivu. Ein zweites Krankenhaus gibt es in Goma, der Hauptstadt der Nachbarprovinz Nord-Kivu. Die Kivu-Provinzen sind und bleiben die Krisenherde im Kongo. Weil sie im Grenzgebiet zu Uganda, Ruanda und Burundi liegen, sind sie beliebtes Rückzugsgebiet für Rebellen aus diesen Ländern. Weil sie zu den rohstoffreichsten Regionen zählen, sind sie beliebtes Beutegebiet für alle möglichen bewaffneten Gruppen, inklusive Teile der kongolesischen Armee.

Eine gigantische Konferenz, abgehalten in Goma im Januar diesen Jahres, mitgetragen von UN, EU, den USA und der kongolesischen Regierung, versprach wieder einmal Aussicht auf Frieden. Seither lässt sich eine vorläufige Befriedung konstatieren. Doch es kommt es immer wieder zu Verletzungen des Waffenstillstandes, und das größte Problem in der Region ist noch nicht ansatzweise gelöst: die Auflösung und Entwaffnung der FDLR-Milizen. Hinter diesem Kürzel stecken die „Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas“, besser bekannt unter dem Namen „Interahamwe“. Jene Truppen also, die 1994 rund 800.000 Tutsi und moderate Hutu in Ruanda ermordeten, dann über die Grenze in den Ost-Kongo flohen und dort seither in wechselnden Allianzen die Bevölkerung terrorisieren. Zur FDLR gehören längst nicht mehr nur genocidaires aus Ruanda. Ihre Zahl wird heute auf 6000 Mann geschätzt, darunter zwangsrekrutierte kongolesische Jugendliche, aber auch Freiwillige, die den Lebensstil des plündernden Banditentums mit rassistischer Ausrottungsideologie („Tötet alle Tutsi“) dem des unbewaffneten, bedeutungslosen Dörflers vorziehen. Auch im Ost-Kongo gibt es lange und tief sitzende Ressentiments gegen die dortige Tutsi-Minderheit.
Der FDLR werden nach wie vor die Mehrzahl der Vergewaltigungen in den Kivu-Provinzen zugeschrieben. Ihre Milizionäre gelten als besonders brutal. Immer wieder entführen sie Frauen und Mädchen, weil sie in ihren Stützpunkten Haussklavinnen brauchen. Die Ärzte und Psychologinnen im Panzi-Hospital haben Fälle dokumentiert, bei denen FDLR-Mitglieder Frauen Holzscheite, heiß geschmolzenes Plastik oder Gewehrläufe in die Vagina gestoßen haben. Andere wurden zum Kannibalismus an Mitgefangenen gezwungen. Allein die Einzelheiten dieser Verbrechen aufzuschreiben, fällt schwer – vor allem, wenn man weiss, dass wahrscheinlich keiner dieser Männer für seine Taten je zur Verantwortung gezogen wird.

Zwanzig Minuten dauert das Gespräch mit Doktor Mukwege, dann muss er zurück in die Sprechstunde. Vor seinem Behandlungszimmer hat sich eine Warteschlange von zwanzig Frauen gebildet. Ihnen geht es schon wieder so gut, dass sie aus eigener Kraft laufen können.
Ich will dieses Mal keine Gespräche, keine Interviews. Die Patientinnen werden oft genug besucht und ausgefragt. Kaum eine Woche vergeht ohne die Visite einer ausländischen Delegation von Parlamentariern, UN-Funktionären oder Kirchenoberen. Einerseits zeugt das von einer zunehmend alarmierten internationalen Öffentlichkeit, was zu begrüßen ist. Andererseits stört es die Behandlung dieser schwer traumatisierten Frauen.

Und sonst? Hat sich sonst nichts verändert in den vergangenen anderthalb Jahren? Die Zahlen der Neuzugänge im Panzi-Hospital sind unverändert hoch, bis zu zehn pro Tag. Darunter befinden sich viele Frauen, deren Vergewaltigung schon länger zurück liegt, die erst jetzt vom Panzi-Hospital erfahren haben oder erst jetzt, in diesen etwas ruhigeren Zeiten, die Reise nach Bukavu wagen können. Dort erwartet sie ein für zentralafrikanische Verhältnisse gut ausgestattetes Krankenhaus. Gelder fließen – nicht nur in Form privater Spenden wie der des Abendgymnasiums Frankfurt, sondern auch in Form von Finanzhilfen europäischer Regierungen.

Die Erfolgsgeschichte des Panzi-Hospitals hat allerdings eine Schattenseite. Fast die gesamte medizinische Behandlung vergewaltigter Frauen konzentriert sich nun aus Bukavu. Viele der Patientinnen bleiben nach der Behandlung hier „hängen“. Nur wenige schaffen einen so unglaublichen Neuanfang wie Marie Louise Lunda, die nach einer Vergewaltigung vor über einem halben Jahr mit schweren Unterleibsverletzungen hier ankam und Monate lang behandelt werden musste. Nach ihrer Genesung eröffnete sie mit einem Kleinkredit einen Gebäckhandel auf dem Marktplatz gleich gegenüber dem Hospital. Inzwischen lernt sie andere Frauen an, hilft der einen mit einem kleinen Überbrückungskredit, der anderen mit einer Schnellausbildung. „Und demonstriert“ sagt sie, „habe ich auch schon.“ Im November vergangenen Jahres zogen 8000 Frauen und auch einige Männer durch die Straßen von Bukavu, forderten ein Ende der sexuellen Gewalt, mehr Hilfe für die Opfer und endlich Strafen für die Täter. Nicht mehr als ein symbolischer Akt, könnte man sagen. Aber für Bukavu war es eine Sensation.

(„Ein echter Kerl zwingt keine Frau zum Sex“ – Plakat gegen sexuelle Gewalt in Bukavu. Foto: Andrea Böhm)

Langsam, ganz langsam kommt Hilfe auch im Hinterland an, wo die Gewalt am schlimmsten ist. Oft sind es die lokalen Bäuerinnen, die sich zu einer kleinen Selbshilfegruppe zusammenschließen. Nur wenige internationale Organisationen, darunter medica mondiale, Médecins sans Frontières und Malteser International, dringen mit ihren mobilen Kliniken und Beratungsteams in die Dörfer vor. Krankenhäuser in größeren Städten wie Kamituga, die dem Panzi-Hospital einige Arbeit abnehmen könnten und für viele der betroffenen Frauen sehr viel leichter zu erreichen wären, liegen völlig danieder. Dezentralisierung der Hilfe – das ist die nächste große Aufgabe.

Zahlen – natürlich wollen die internationalen Geldgeber, die Journalisten immer wieder Zahlen. Wie viele Frauen und Männer sind Opfer sexueller Gewalt geworden? Wie viele kommen jeden Monat neu dazu?
Anderswo gibt die Polizei Statistiken über Gewaltverbrechen heraus. Im Kongo zählen Polizisten oft selbst zu den Tätern. Nur die wenigsten Frauen sind mutig oder waghalsig genug, ihre Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen. Wer Zahlen will, bekommt sie im staubigen Büro der Organisation „Voix des sans voix ni liberté“, der „Stimme für die ohne Stimme und Freiheit“ – kurz VOVOLIB. Es liegt in einer Steinbaracke hinter einem Internet-Cafe in Bukavus Innenstadt. Hier arbeiten Catherine Masimika, Jean Paul Ngongo und ein halbes Dutzend weitere Anwälte, Ärzte und Studenten. Sie dokumentieren Polizeigewalt, willkürliche Verhaftungen, Morddrohungen gegen kritische Journalisten. Sie unterrichten das Einmaleins der Menschen-und Bürgerrechte in Schulen, an der Universität und in Kirchen, sie predigen, dass ein Bürger dieses Landes Rechte hat.
Und sie haben 32 Frauen und Männer in der ganzen Provinz darin geschult, Fälle von Vergewaltigung zu registrieren, die Opfer notfalls in Sicherheit zu bringen oder nach Bukavu ins Panzi-Hospital.

Jean-Paul Ngongo, ein kleiner dünner Jurist in viel zu großem Jackett, überschlägt die Zahlen für die vergangenen Jahre. 1999 wurde VOVOLIB gegründet, bis „2005 haben wir etwa 40.000 Fälle registriert. 2007 waren es 3216.“ Die Dunkelziffer liegt höher. Um wie viel? Ngongo zuckt die Schultern.
Sie könnten ihre Provinz-Teams verstärken, wenn sie ein wenig mehr Geld hätten. „Mit 60.000 Dollar müssen wir auskommen“, sagt Basimika, eine 25 jährige Betriebswirtin, die für VOVOLIB die Finanzen verwaltet. Das macht 5000 Dollar im Monat. Damit lassen sich gerade mal Büromiete, Benzin-und Telefonkosten abdecken.

Beide wirken, als hätten sie 48 Stunden nicht geschlafen, als halte sie ein Dauerschock im Zustand erschöpfter Wachsamkeit. Ngongo fingert die Statistiken über Gerichtsverfahren aus seinem Ordner. Vergewaltigung wird nach kongolesischem Strafrecht mit fünf bis 20 Jahren Haft bestraft. Das heißt nichts in einem Land mit einer notorisch korrupten Justiz. Für 2007 haben die Mitarbeiter von VOVOLIB 64 Vergewaltigungsprozesse gezählt – und der Klägerin mit Rat und Tat und auch Personenschutz zur Seite gestanden. In vierzehn Fällen, sagt Ngongo, seien Urteile ergangen. Neun Haftstrafen wurden verhängt. Vier Verurteilte seien im Gefängnis.
Und die anderen?
„Haben Richter, Polizisten oder Gefängniswärter bestochen.“ Er zieht sein Handy aus der Tasche, klickt Text-Nachrichten der vergangenen Wochen an. Es sind unverhohlene Morddrohungen von Männern, die wegen Vergewaltigung angezeigt worden sind. Die meisten auf Swahili, einige auf Französisch. „Klage? Das werdet Ihr mit Eurem Blut bezahlen.“ Oder: „Du kennst die Spielregeln. Jetzt gibt es keine Gnade mehr.“ Nach jeder Drohung gibt Ngongo die Nummer des Absenders an die Polizei weiter. Ein Ritual ohne Folgen. Dann sagt er so leise, dass ich ihn fast nicht verstehe: „Eine unserer Prozessbeobachterinnen ist letzte Woche ermordet worden. Sie müssen entschuldigen, wir sind etwas durcheinander.“ Wabiwa Kabisuba war 27 Jahre alt, Mutter von vier Kindern, seit Jahren bei VOVOLIB aktiv, wo sie vergewaltigte Frauen betreute und diejenigen, die ihre Täter anzeigen wollten, zu Polizei und Gericht begleitete. Am 18. Mai, so erzählt Ngongo, hätten acht Uniformierte Kabisuba gegen Mitternacht aus ihrem Haus gezerrt und erschossen.

Die anderen Mitarbeiter von VOVOLIB übernachten bis auf weiteres nicht mehr in ihren Häusern. Aber sie arbeiten weiter. Vor drei Tagen haben sie den Fall zweier Mädchen aufgenommen, die eine vier, die andere fünf Jahre alt, die von ihrem Nachbarn vergewaltigt worden seien. Auch hier, sagt Ngongo, verbreite sich wie in Südafrika der Wahn, wonach Männer meinen, sich durch Sex mit Jungfrauen von AIDS heilen zu können. Deswegen, glaubt Ngongo, steige die Anzahl kleiner Mädchen unter den Opfern.
Der Nachbar der beiden Mädchen wurde ausnahmsweise prompt verhaftet. Dann gab seine Familie offenbar einen Umschlag mit Geldscheinen bei der Polizei ab. Gestern hat Jean Paul Ngongo den Mann auf der Straße gesehen. Einen Prozess wird es vermutlich nie geben.

 

Obama im Kongo

Das Obama-Fieber hat auch die Kongolesen gepackt. Ein Sammeltaxi in Kinshasa – mit dem „homme du jour“, dem „Mann des Tages“ in der Heckscheibe.

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Hotel Moukasha

Das Moukasha hat bessere Tage gesehen. Es liegt im Zentrum von Mbuji Mayi in der Avenue Luputa, an einer Straße mit Schlaglöchern von der Größe einer Badewanne. Im Moukasha kostet ein Zimmer pro Nacht 25 Dollar – inklusive zwei Eimer Wasser und zwei Stunden Strom am abend, wenn Nikko, der Manager mit Babyface und Bartflaum, den Generator anwirft. Das Dach weist Löcher auf. An den Wänden kleben die sterblichen Überreste von Nachtfaltern und Mücken, die über die Jahre den Badeschlappen der Gäste zum Opfer gefallen sind. Nikko ist eigentlich Diamantenhändler, was er jeden seiner Gäste wissen lässt. Ich sage, dass ich nicht nach Mbuji Mayi gekommen sei, um Diamanten zu kaufen, sondern um über sie zu schreiben. Im übrigen fehle in meinem Zimmer ein Moskitonetz. Man benutze in seinem Hotel keine Moskitonetze, sagt Nikko, als hätte ich eine hoffnungslos altmodische Forderung gestellt. Man arbeite hier mit Mückenspray. Im übrigen seien Mücken nun mal ein Teil des Lebens.
„Gut, dann hätte ich gern Mückenspray.“
„Das ist alle.“

In den 25 Dollar ist im Moukasha auch Personenschutz enthalten, bestehend aus Cardozo Mukendi, Polizist, 1,85 groß, Besitzer einer klappernden Kalaschnikow, und einer Sonnenbrille, die Karl Lagerfeld alle Ehre machen würde. Eigentlich ist es nicht wirklich gefährlich in Mbuji Mayi. Es sei denn, man lebt in den Slums oder gehört zu den illegalen Schürfern, die sich nachts auf den Diamantenfeldern Schießereien mit der Polizei liefern. Aber der Staat bezahlt seine Polizisten nur sehr selten, also sorgt er dafür, dass sie Leute beschützen, die eigentlich keinen Schutz brauchen und dafür die die Polizisten bezahlen. Alle paar Tage steckt also einer der Gäste Cardozo zweihundert kongolesische Francs zu, oder eine Schachtel Zigaretten oder eine Flasche Bier.

Mbuji Mayi liegt in der östlichen Kasai-Provinz und ist Kongos Hauptstadt der Diamanten. Sie hat, wie das Hotel Moukasha, bessere Zeiten gesehen. Unter ihrer Erde liegt ein Schatz von unermeßlichen Ausmaßen. Die drei Millionen Einwohner aber leben in einer Stadt, die jeden Tag ein Stück mehr verfällt. Es gibt keinen Strom, kein Wasser und nach meiner unqualifizierten Schätzung etwa fünf Kilometer geteerte Straße. Außerdem einen fast bankrotten halbstaatlichen Bergbaubetrieb, zwei jeglicher Lehrmittel beraubte Universitäten, viereinhalb marode Krankenhäuser, geschätzte drei-bis vierhundert Erweckungskichen und etwas doppelt soviele Diamantenhändler.
Man stelle sich eine sowjetische Industriestadt vor, die vor zwanzig Jahren stillgelegt wurde. Dazu tropische Temperaturen, einen Krieg sowie mehrere Randgürtel mit brasilianischen Favelas. Das alles zusammen ergibt Mbuyi Mayi. Ungefähr jedenfalls.

Das Moukasha kann trotzdem auf seine Stammgäste zählen. Da ist in Zimmer neun Professor Mongo, Jurist aus Lubumbashi, der hier regelmäßig drei Monate als Gastdozent verbringt. Professor Mongo tritt jeden Morgen ausgeschlafen und im knitterfreien Schlafanzug vor die Tür, nimmt mit einem fröhlichen „Bonjour, mes enfants“ seine zwei Eimer Waschwasser entgegen und verläßt eine halbe Stunde später in tadellos gebügeltem Anzug und Safari-Hut das Hotel Richtung Universität.

Da ist in Zimmer 11 Madame Justine Kalumba, angehende katholische Krankenschwester aus Kananga, die hier ein Praktikum absolviert. Madame Kananga steigt jeden Abend aus ihren Sandalen mit Plateausohlen in bequeme Babuschen, wirft im Hof ein Feuer an und kocht Fisch in scharfer Sauce.

Und dann ist da in Zimmer sechs mein direkter Nachbar, Blaise Bienvenue Mubake aus Kinshasa, Funktionär der UDPS, einer Oppositionspartei, deren Hochburg die Kasai-Provinzen sind. Monsieur Mubake hat Augen wie Bette Davis und verrichtet seine Geschäfte, über deren genauen Inhalt er mich im Dunkeln lässt, in einem Nadelstreifenanzug mit Stecktuch, Golfschuhen und Hut. Mit seinem imposanten Backenbart und den goldberingten Fingern würde er gut ins Harlem der 50er Jahre passen.

An meinem dritten Abend im Moukasha kommen wir bei einigen Flaschen Bier ins Gespräch. Nach einem leidenschaftlichen Vortrag über den schlechten Charakter der herrschenden Politiker hält Mubake ein Loblied auf die kongolesische Familie.
Er habe 49 Kinder, sagt er. Natürlich von mehreren Frauen.
Das sei allerdings beeindruckend, sage ich.
„Kinder sind der Reichtum Afrikas“, erklärt er.
Ich erlaube mit einen skeptischen Blick. In Mbuji Mayi hausen über mehrere tausend Straßenkinder, in den Diamantenminen rund um die Stadt schuften über 10.000 Kinder in den Schächten und Gruben.
Natürlich gebe es Probleme, räumt Monsieur Mubake ein.
„Wieviele Kinder haben Sie?“
„Keine“, sage ich, und weiß schon, was jetzt kommt. Eine Frau über vierzig ohne Kinder ist in Afrika von Gott und allen Geistern verlassen.
„Aber Madame,“ sagt Mubake kopf schüttelnd, „dafür gibt es doch heute Ärzte.“
Was denn mein Mann dazu sage, dass ich so lange allein unterwegs sei.
Gar nichts, antworte ich, „mein Mann ist selbst manchmal Monate unterwegs.“
Monsieur Mubakes Gesichtsausdruck wird jetzt ernstlich besorgt. „Sie wissen, dass Frauen, die länger als zwei Monate ohne Mann sind, krank werden?“
Nein, sage ich, dieses Phänomen sei mir völlig neu.
„In unseren Krankenhäusern“, sagt Mubake, „liegen unzählige Frauen, die deswegen operiert werden müssen.“ Mir wird klar, dass Monsieur Mubake seine 49 Kinder – oder wieviele es auch immer sein mögen – als Resultat seines Einsatzes für die Gesundheit der kongolesischen Frauen sieht.

Das Bier ist alle, Nikko stellt in einigen Minuten den Generator ab. Ich wünsche Monsieru Mubake eine gute Nacht, verspreche dem schlaftrunkenen Cardozo eine Schachtel Zigaretten und lausche in der Dunkelheit den Chören der Erweckungskirchen rund um das Moukasha. In sicherer Entfernung, aus der Richtung der Diamantenminen, hört man ab und an Schüsse. Die Kirchenchöre halten bis drei Uhr morgens durch. Dann kehrt für wenige Stunden Stille ein. Um halb sieben schallt ein „Bonjour, mes enfants“ über den Hof. Cardozo ist auf einem Plastikstuhl über seiner Kalaschnikow zusammengesunken und schläft den Schlaf der Gerechten. Meine Zimmernachbarn verlassen wenig später wie aus dem Ei gepellt das Moukasha, um ihr Tagwerk zu beginnen.
Die Welt mag eine Ruine sein. Aber das entschuldigt nicht, unordentlich zur Arbeit zu gehen.

 

Die Tage der Penis-Panik

Erstaunlich widerspruchslos haben die Anhänger von Jean Pierre Bemba am Samstag in Kinshasa das Demonstrationsverbot hingenommen. Nicht einmal ein parlement de boue, eines der „Straßenparlamente“ konnte ich finden, auf denen die Leute sonst so gerne Dampf ablassen. Offenbar haben die meisten Kinois, ganz einfach die Vorteile des Verbots genutzt. Keine Demonstration bedeutet: die Märkte bleiben geöffnet, die Sammeltaxis fahren, die Telefonkartenhändler und Benzinverkäufer bleiben im Geschäft. Das lief in den vergangenen Wochen schon schlecht genug. Nicht nur wegen der steigenden Benzin –und Lebensmittelpreise.

Vor einigen Wochen hatte die „Penis-Panik“ die Umsätze von Bars, Märkten und den tausenden Kleinunternehmern offenbar drastisch gesenkt. Irgendwann Anfang Mai hatte sich in Windeseile die Nachricht verbreitet, die feticheurs, also die Meister, der Magie, des Wahrsagen, Heilens, aber auch des Verhexens, würden auf Kinshasas Straßen Organe klauen. Nicht irgendwelche, sondern Fortpflanzungsorgane. „Es waren nur Männer betroffen“, sagt Monsieur Vicky, mein Taxifahrer, und seine Stimme klingt immer noch fassungslos. „Sie haben den Männern den Sex gestohlen.“ Eine Berührung, ein Rempler, so meldete die Gerüchteküche und das Opfer sah sich angeblich seines kleinen Unterschieds beraubt. „Die Stadt“, sagt Monsieur Vicky, „war in Panik.“

Verständlich. In Kinshasa wird jeder Mann und jede Frau täglich unzählige Male angerempelt: im überfüllten Sammeltaxi, auf dem Markt, in den parlements de boue, in der Kirche. Es kam zu Mobaktionen. Aufgebrachte Menschenmengen verprügelten vermeintliche Hexer. Die Polizei musste einschreiten.

Nachdem die weniger seriöse Presse in Kinshasa immer wieder neue Geschichten über vermeintlich entmannte Opfer kolportierte, habe sich, behauptet Monsieur Vicky, das Straßenbild Kinshasas dramatisch verändert. „Die Männer haben sich nicht mehr aus dem Haus getraut. Ich hatte fast nur noch Frauen im Taxi.“ Die Straßenparlamente seien leer gewesen. Die Bars im Musikviertel Matonge hätten Umsatzeinbußen verzeichnet, in seiner protestantischen Kirche hätten sich die Männerchöre gelichtet. „Was hat Ihr Pastor zu dieser Angelegenheit gesagt?“ „Er hat gesagt, da hilft nur beten.“

Im Kongo gibt es keine Grabstätten christlicher Heiliger, deren Besuch Wunder verspricht. Also muss man im Kampf gegen böse feticheurs schon den direkten Draht zu Gott suchen.

Irgendwann war der Spuk dann so schnell vorbei wie er angefangen hatte: Radio Okapi, Kongos wichtigstes Massenmedium und eine Stimme der Vernunft in diesem Land, hatte seine Journalisten ausschwärmen lassen, um nach Opfern der feticheurs zu suchen. Einige Betroffene erklärten sich zum Interview bereit und räumten ein, dass sie durchaus noch im Besitz aller Organe seien, nur sei dieses eine offensichtlich durch Hexerei verdächtig „geschrumpft“. Da platzte dann Kinshasas Polizeichef der Kragen. Das ganze sei ja wohl ein schlechter Witz, ließ er über alle Kanäle verbreiten. Ihm sei noch kein angebliches Opfer präsentiert worden, dem der Penis abhanden gekommen sei. Um ganz sicher zu gehen, ließ er noch verlauten, die Polizei habe alle verdächtigen feticheurs festgenommen. Schade eigentlich. Für Kinshasas Frauen müssen die Tage der Penis-Panik eine schöne Zeit gewesen sein.

 

Kinshasa nach der Verhaftung von Jean Pierre Bemba

Man soll es nicht beschreien, aber es ist erstaunlich ruhig in Kinshasa. Viel Polizei auf den Straßen, die Märkte sind geöffnet – ein gutes Zeichen, denn die Markthänderlerinnen sind die ersten, die Unruhen riechen.

Seit sieben Tagen befindet sich Jean-Paul Bemba, Kongos exilierter Oppositionsführer, in einem belgischen Gefängnis, festgenommen am vergangenen Samstag aufgrund eines Haftbefehls des internationalen Strafgerichtshofs (IStGh) in Den Haag. Die Nachricht traf seine Anhänger in Kinshasa wie ein Hammerschlag. Tage zuvor war in der Hauptstadt noch über Bembas Rückkehr in den Kongo spekuliert worden.

Im Stadtteil Gombe sieht man an den Hauswänden immer noch die Einschusslöcher des Mini-Krieges, den sich Bembas Miliz mit der Armee und der Präsidentengarde seines Erzfeindes, Staatspräsident Joseph Kabila, vor über einem Jahr geliefert hatte. Die Kämpfe hatten sich mitten im Diplomatenviertel der Hauptstadt abgespielt. Opfer in der Zivilbevölkerung waren den Kontrahenten immer schon egal, mögliche Tote und Verletzte beim ausländischen Botschaftspersonal offenbar auch. Zeitweise setzte Kabila sogar frisch aus der Ukraine importierte Panzer ein, deren mit schwerem Gerät völlig unvertraute Besatzungen in alle Himmelsrichtungen ballerten.

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006, die Bemba trotz erstaunlich guten Abschneidens verloren hatte, sah sich Kinshasa in einem andauernden Zustand der Belauerung gefangen – bis Bemba schließlich nach seiner zweiten, dieses Mal blutigen Niederlage im März 2007 nach Portugal ins Exil ging. Das MLC, größte Oppositionspartei im Parlament, blieb ohne seinen charismatischen (und steinreichen) Führer weitgehend wirkungslos. Für den 27. Mai hatten Zeitungen in Kinshasa nun Bembas triumphale Heimkehr angekündigt. Doch drei Tage vorher zerstörte der Strafgerichtshof diese Träume.

Amtshilfe leisteten die belgischen Behörden, die Bemba in Brüssel festnahmen, wo er nun auf seine Auslieferung nach Den Haag wartet. Dort wird er eine Zelle im Scheveninger Gefängnis beziehen, der Haftanstalt mit der weltweit größten Dichte mutmaßlicher Kriegsverbrecher: hier sitzen die Untersuchungshäftlinge des UN-Jugoslawientribunals; der von einem internationalen Sondergericht angeklagte Ex-Präsident Liberias, Charles Taylor; sowie die drei kongolesischen Häftlinge des Internationalen Strafgerichtshofs, Thomas Lubanga, Germaine Katange und Mathieu Ngujolo. Bei letzteren handelt es sich um kleinere Kriegsherren aus dem ostkongolesischen Bezirk Ituri, gegen die unter anderem wegen Rekrutierung von Kindersoldaten und ethnischen Massakern ermittelt wird.

„Zu wenige und zu keine Fische“. So lautete lange die Kritik von Menschenrechtsorganisationen am IStGh. Mit Bemba hat sich das Gericht nun zweifellos einen „großen Fisch“ vorgenommen: Der 45-jährige Multi-Millionär, Sohn eines mächtigen Vaters aus der Machtclique Mobutus, mischte während der verheerenden Plünderkriegs im Kongo mit seiner eigenen Miliz mit, war Vize-Präsident der Übergangsregierung, und nach den Wahlen 2006 Senator des Parlaments. Allerdings bezieht sich der Haftbefehl nicht auf Kriegsverbrechen seiner Miliz im Kongo. Die wurden vor dem 1.Juli 2002 begangen und damit vor dem Inkrafttreten des Statuts des Gerichtshofs. Doch zwischen Oktober 2002 und März 2003 schickte Bemba seine Rebellenarmee über die Grenze nach Zentralafrika, um dem dortigen Präsidenten Ange-Felixe Patasse gegen einen Putschversuch zur Seite zu stehen. Es handelte sich dabei um einen grenzüberschreitenden Freundschaftsdienst eines Kriegsherren für einen Despoten. In dessen Verlauf verübten Bembas Truppen Massaker an Zivilisten, plünderten und vergewaltigten. Die Ankläger beim IStGh wollen sich vor allem auf die Vorwürfe sexueller Kriegsgewalt konzentrieren. Bembas Kämpfer sollen auf öffentlichen Plätzen Mädchen und Frauen vergewaltigt haben – zwecks Demonstration der eigenen Allmacht.

Patasse wurde wenig später trotz Bembas Militärhilfe gestürzt. Es war denn auch die neue Regierung Zentralafrikas, die 2004 den IStGh bat, Ermittlungen aufzunehmen. Dass Bemba irgendwann in einer Den Haager Zelle landen könnte, war in-und außerhalb Kinshasas seit langem Gegenstand von Spekulationen. Doch Bemba selbst muss sich zunehmend sicher gefühlt haben, als er 2006 seinen Wahlkampf führen konnte, von Ministern der EU und der USA empfangen wurde und sich im europäischen Exil ungehindert bewegen durfte.
Und nun?
Nun hat der IStGh zweifellos seinen ersten wirklich großen Fall, der Kongo deswegen aber noch kein Problem weniger. Nicht, dass es mit Bemba den Falschen getroffen hätte. Aber nach Lesart der Kongolesen war seine Verhaftung natürlich ein politischer Akt. Für Bembas Anhänger handelt es sich dabei um einen Deal zwischen internationaler Gemeinschaft und Präsident Kabila, um dessen Hauptrivalen endgültig aus dem Weg zu räumen. Kabila-Fans, von denen es in der Hauptstadt nicht allzu viele gibt, sehen darin einen Versuch Belgiens, seine zerrütteten Beziehungen zur einstigen Kolonie wieder zu reparieren. Denn der belgische Außenminister Karel de Gucht hat in den vergangenen Wochen durch öffentliche Kritik an korrupten kongolesischen Politikern eine diplomatische Eiszeit heraufbeschworen. Seiner Strafpredigt gegen Parlamentarier, die sich Dienstautos zum Stückpreis von 40.000 Dollar leisten, anstatt endlich für eine menschenwürdige Bezahlung streikender Lehrer zu sorgen, mag man wirklich nicht widersprechen. Aber erstens war die Tonlage war nicht besonders klug gewählt. Zweitens hat Belgien hat aufgrund seiner horrenden Kolonialgeschichte wenig Grund, den moralischen Zeigefinger zu erheben. Und drittens glauben die kongolesischen Medien, dass de Gucht einfach nur seinem Ärger über die blühenden Geschäfte zwischen dem Kongo und China Luft machen wollte.

Ob Präsident Joseph Kabila die belgischen Handschellen für Jean Pierre Bemba als Geste der Versöhnung interpretiert, ist bislang nicht bekannt. Kabila hat sich seit seiner Wahl ohnehin selten zu irgendetwas geäußert, geschweige denn, irgendein nennenswertes Projekt zum Aufbau seines Landes initiiert.
Womöglich wird ihn Bembas Festnahme noch teuer zu stehen kommen. In dessen regionaler Hochburg, der Provinz Equateur, ist die Lage gespannt. Dort kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu gewalttätigen Protesten.
In Kinshasa ist die Lage, wie gesagt, ruhig. Eine Demonstration von Bembas Partei MLC am vergangenen Dienstag verlief erstaunlich friedlich und diszipliniert. Ein weiterer Protest, angekündigt für diesen Samstag, wurde vom Gouverneur von Kinshasa verboten – und bislang halten sich Bembas Anhänger daran. Aber in der Hauptstadt stauen sich Frust und Wut auf die Regierung, die seit ihrem Amtsantritt so gut wie nichts zur Verbesserung der Lebenssituation beigetragen hat. Streikende Studenten haben vor kurzem erst Büros des Bildungsministeriums mit Steinen angegriffen. Lebensmittel sind teurer geworden. Die Preisexplosion für Reis und Getreide auf dem Weltmarkt merkt man natürlich auch hier. Die Inflationsrate steigt. Am härtesten trifft die Menschen der rasant steigende Benzinpreis. Was in Kinshasa gegessen wird, muss größtenteils aus dem Hinterland eingeflogen oder über den Kongo-Fluss per Boot herbeigeschafft werden. Ein Weltmarktpreis von 130 Dollar pro Barrel Rohöl zwingt die Bewohner der Slums von Massina, Ndjili oder Kimbanseke, ihre ohnehin schon kargen Maniok-, Mais- oder Gemüserationen zu verkleinern. Oder auf das morgendliche Sammeltaxi zu verzichten und die zehn, fünfzehn Kilometer vom Außenbezirk ins Zentrum zu den Märkten und Straßengeschäften zu Fuss zu laufen. Selbst die unendlich geduldigen Einwohner Kinshasas spüren irgendwann nur noch die Wut im Bauch – wenn sie nicht vorher die Erschöpfung übermannt.

 

…und da waren es schon drei – wieder ein Rebellenführer aus dem Kongo nach Den Haag überstellt

Langsam, ganz langsam füllt sich der Zellenblock des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGh) in Den Haag. Gestern traf der dritte Untersuchungshäftling ein: Mathieu Ngudjolo Chui, ein ehemaliger Kriegsherr aus dem Bezirk Ituri im Nordosten des Kongo. In der Anklageschrift, die vom Gericht noch bestätigt werden muss, werden Ngudjolo Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen – darunter Rekrutierung von Kindersoldaten, sexuelle Versklavung und Angriffe gegen die Zivilbevölkerung. Ngudjolo war  Stabschef  der „Front für Nationale Integration“ (FNI), einer überwiegend aus Angehörigen der Lendu bestehenden Miliz. Deren Krieg gegen bewaffnete Gruppen der Hema fielen zwischen 1999 und 2003 mindestens 50.000 Menschen zum Opfer.

Beim Hofgang im Den Haager Gefängnis kann sich Ngudjolo nun mit einem ehemaligen Erzfeind unterhalten. Thomas Lubanga, ehemals Chef der gegnerischen Hema-Milizen, sitzt seit März 2006 in Den Haag, angeklagt der Rekrutierung von Kindersoldaten. Sein Prozess, der erste des IStGh überhaupt, soll am 31. März beginnen. Beobachter rechnen allerdings mit weiteren Verzögerungen.

Im Fall Ngudjolo sind vor allem seine Biografie und die Umstände seiner Auslieferung ungewöhnlich. Im Oktober 2003, als der Krieg zwischen Hema und Lendu beendet war, wurde Ngudjolo von UN-Blauhelmen verhaftet, von der Regierung in Kinshasa der Kriegsverbrechen beschuldigt und ins berüchtigte Makala Gefängnis von Kinshasa verlegt. Dort brach er aus, tauchte 2005 wieder in Ituri auf, um prompt eine neue Rebellentruppe zu gründen – dieses Mal mit dem klangvollen Namen „Kongolesische Revolutionäre Bewegung“ (MRC).

Offiziell war der Krieg in Ituri zu diesem Zeitpunkt längst beendet, und die immer wieder auftauchenden neuen Milizen durfte man eher unter der Rubrik „Karrieresprung für Banditen“ verbuchen. Denn nur wer schießt, plündert und raubt, so die traurige Lehre aus den Kongo-Kriegen, hat Aussicht, sich in „Friedensverhandlungen“ einen hohen Regierungs- oder Armeeposten zu ergattern. Und tatsächlich ging die Regierung in Kinshasa mit diversen Anführern im Dezember 2006 einen Deal ein: Schluss mit den Raubzügen, als Gegenleistung sollte das Fußvolk der Rebellen entweder demobilisiert oder in die nationale Armee integriert, die Rebellenführer selbst mit hohen Offiziersrängen ausgestattet werden. So wurde aus dem Kriegsherrn und Gangster Mathieu Ngudjolo Choi ein Oberst der kongolesischen Armee. Es hatte, so schien es, genau das bekommen, was er wollte.

Im November 2007 rückte Ngudjolo zusammen mit zwei anderen ehemaligen Warlords, Cobra Matata und Peter Karim, in Kinshasa zur militärischen Fortbildung ein. Was er zu diesem Zeitung noch nicht wusste: Seit Juli 2007 lag in Den Haag ein versiegelter Haftbefehl gegen ihn. Man kann vermuten, dass der Ankläger beim IStGh, der Argentinier Luis Moreno-Ocampo, den Haftbefehl auf Wunsch der Regierung in Kinshasa und der UN-Mission im Kongo einige Monate ruhen ließ, um die Entwaffnung der Milizen nicht zu gefährden. Am 7. Februar machte der IStGh den Haftbefehl öffentlich. Wenige Stunden später saß Ngudjolo in Handschellen in einem Flugzeug nach Den Haag.

Seine Kollegen Matata und Karim dürften derzeit also ziemlich nervös in ihren Kasernen in Kinshasa sitzen – obwohl bislang nichts daraufhin deutet, dass auch gegen sie Haftbefehle vorliegen. Kongolesische Menschenrechtsaktivisten haben Ngudjolos Festnahme natürlich begrüßt. Und Human Rights Watch, deren Kongo-Berichte einiges zu den Gerichtsermittlungen beigetragen haben, fordert nun die kongolesische Regierung auf, Matata und Karim wegen Kriegsverbrechen vor ein nationales Gericht zu stellen. Da allerdings tauchen zwei Probleme auch: Kongos Strafjustiz ist nur punktuell funktionstüchtig. Und wenn Matata und Karim tatsächlich auf der Anklagebank landen sollten, könnte das auch Folgen für hohe Regierungsmitglieder im In-und Ausland haben. Einer der ehemaligen Unterstützer der FNI in Ituri, Mbusa Nyamwisi, ist heute Außenminister des Kongo. Und zu ihren wichtigsten militärischen Komplizen zählte seinerzeit die ugandische Armee, deren höchste Offiziere den Krieg nach Kräften nutzten, um Rohstoffe in Ituri zu plündern. Womit man dann schon nahe an der Familie des ugandischen Präsidenten Museveni ist.

Einen solchen Drang zur Aufklärung werden vermutlich kein kongolesischer Staatsanwalt und kein Gericht verspüren. Aber Moreno-Ocampo, der Chefankläger des IStGh, hat erneut versprochen, sich endlich den Hintermännern und Finanziers dieses Krieges zu widmen. Man darf gespannt sein, ob in seinen Kongo- Akten irgendwann auch ein Haftbefehl gegen einen amtierenden Minister auftaucht. Dann wird die Frage der Festnahme wirklich spannend.

 

 

 

 

 

 

 

Das bittere Wunder von Goma – Regierung und Rebellen schließen Frieden im Ost-Kongo

Friedensabkommen im Ost-Kongo! Bei dieser Nachricht muss man sich erst einmal die Augen reiben. Und sich daran erinnern, dass solche Abkommen in dieser Region sehr kurzlebig sein können.
Und trotzdem: Was da vor über zwei Wochen in Goma als scheinbar aussichtslose Mammut-Konferenz begann und noch am Dienstag zu scheitern drohte, endete am Mittwoch mit einem Hoffnungsschimmer, einer neuen Chance – vor allem für die Menschen in Nord-Kivu, die in den vergangenen Jahren so geschunden wurden wie wohl keine andere Bevölkerungsgruppe auf der Welt.

In Nord-Kivu war schon bald nach den Präsidentschaftswahlen 2006 der Krieg wieder ausgebrochen zwischen der regulären kongolesischen Armee, an der bekanntermaßen wenig reguläres ist, den Rebellen um den kongolesischen Tutsi-Kommandanten Laurent Nkunda sowie diversen Mai-Mai-Milizen und Banden. Diese immer unübersichtlicher werdende Schar von bewaffneten Männertrupps erklärt zum Teil die gewaltige Anzahl von 1600 Konferenzteilnehmern. Dazu kamen Beobachter und Vermittler der EU, der USA, der UN, der Afrikanischen Union sowie von Hilfsorganisationen. Schon allein unter logistischen Gesichtspunkten ist die Unterzeichung des Abkommens ein kleines Wunder.

Was wurde nun eigentlich unterschrieben? Alle Kriegsparteien verpflichten sich zu einem Ende der Kampfhandlungen (noch während der Friedensgespräche war es zu Massakern an Zivilisten gekommen); zur Demobilisierung und zur der Einrichtung einer Pufferzone, in der UN-Blauhelme dann mit der Rückführung von über 400.000 Binnenflüchtlingen beginnen sollen.

Allen Konfliktparteien wird außerdem Amnestie gewährt. Das ist in Anbetracht der Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, vor allem der beispiellosen Vergewaltigungskampagnen der vergangenen Monate, ein Skandal – frei nach dem Motto: No Peace With Justice. Andererseits hätte keine Rebellengruppe ohne garantierte Straffreiheit das Abkommen unterzeichnet. Unklar bleibt, ob diese Amnestie auch für Laurent Nkunda gilt. Für’s erste gingen diese „Details“ im Beifall der Konferenzteilnehmer unter.
Wobei die Straffreiheit so sicher auch nicht ist: An solche Amnestie-Abkommen muss sich der Internationale Strafgerichtshof nicht halten, dessen Ermittler sich seit einiger Zeit für die Verbrechen in Nord-Kivu interessieren. Ob und wieviele Täter sich am Ende tatsächlich in Den Haag verantworten müssen, ist natürlich eine andere Frage.

Innenpolitisch ist dieses Abkommen weniger ein Erfolg für Präsident Joseph Kabila, dessen Ansehen nach katastrophalen Schlappen der Armee gegen Nkundas gut ausgerüstete Rebellen arg gelitten hat. Vielmehr ist es ein Punktsieg für Kabilas Parteigenossen und potenziellen Konkurrenten Vital Kamerhe. Kamerhe ist Parlamentspräsident und war einer Organisatoren und Konferenzleiter.
Jetzt heißt es warten und beobachten: Wie wird der Friedensschluss von Kabila-treuen Hardlinern in Kinshasa aufgenommen, die immer wieder für eine „militärische Lösung des Nkunda-Problems“ forderten? Und wie schnell und erfolgreich können die Truppen tatsächlich entflochten und demobilisiert werden? Es ist bekanntermaßen eine Sisyphus-Arbeit, Milizen zu entwaffnen und in einer ökonomisch und sozial völlig zerstörte Gesellschaft wiedereinzugliedern.

Wie dramatisch die Lage ist, dokumentiert eine aktuelle Studie der Hilfsorganisation „International Rescue Committee“. Fünf Jahre nach dem offiziellen Kriegsende ist die Sterblichkeitsrate im Kongo unverändert hoch: Ungefähr 45.000 sterben jeden Monat an den Folgen von Hunger, Malaria und anderen Krankheiten, weil in der zerstörten Infrastruktur keine Versorgung möglich ist. Fast die Hälfte der Toten sind Kinder unter fünf Jahren. Und besonders erschreckend: die Sterberate ist auch in solchen Regionen unverändert hoch, in denen es in den vergangenen Jahren keine Kampfhandlungen mehr gegeben hat.
Nun ist es im Kongo bekanntermaßen extrem schwierig, zuverlässige Zahlen zu bekommen. Aber die neue Studie basiert auf zuverlässigeren Erhebungen als frühere Untersuchungen. Erstens können sich Helfer und Rechercheure in weiten Teilen des Landes nun sicherer bewegen, zweitens haben inzwischen mehr Kongolesen Handys. Soll heißen: sie können jetzt wenigstens telefonisch über die Lage in ihren Dörfern berichten. Und die ist auch nach Einschätzung von Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ desaströs. Im Gesundheitsbereich hat sich so gut wie nichts verbessert – ein Armutszeugnis für die gewählte Regierung in Kinshasa. Aber auch ein Indiz dafür, in welchen zeitlichen Dimensionen sich hier internationales Engagement abspielen wird: zwanzig, dreißig, vierzig Jahre.

Das Friedensabkommen von Goma ist übrigens mit zahlreichen Empfehlungen für den Wiederaufbau der Kivu-Provinzen geschmückt. Am besten, man nimmt sie mit skeptischem Optimismus zur Kenntnis.

 

Der ewige Krieg in den Kivus

Wohl nirgendwo sonst im Kongo hatten die Menschen so viele Hoffnungen in die Präsidentschaftswahlen gesetzt wie in den beiden Kivu-Provinzen. Denn nirgendwo sonst hatten die beiden Kriege im Land so viel Verheerung angerichtet. Am 29. Oktober jährt sich zum ersten Mal die Präsidentenwahl, aus der Joseph Kabila nach einigen nicht nur verbalen Konfrontationen mit Widersacher Jean-Pierre Bemba als Sieger hervorging. Aber die Hoffnung auf Frieden und Neuanfang wurde im Osten des Landes bitter enttäuscht.

Vor allem Nord-Kivu kommt nicht zur Ruhe, wo sich seit Monaten Kämpfer des Tutsi-Generals Laurent Nkunda mit Einheiten der kongolesischen Armee (FARDC) und den Hutu-Milizen der FDLR (Demokratische Front zur Befreiung Ruandas) liefern. Bei letzteren handelt es sich um durchaus noch schlagkräftige Reste jener Interahamwe, die 1994 den Völkermord an den Tutsi in Ruanda verübten und danach über die Grenze in den Ost-Kongo geflohen sind.

In ihrem jüngsten Bericht „Renewed Crisis in North Kivu“ dokumentiert die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ sehr klar und eindringlich die Hintergründe dieses Konflikts und die verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Männer, Frauen und Kinder werden wahllos massakriert, ihr Besitz geplündert, Kinder werden als Soldaten rekrutiert und die Zahl der Vergewaltigungen – ohnehin schon ein Riesenprobelm in der Region – ist offenbar weiter gestiegen.

In den vergangenen Wochen haben auch hochrangige UN-Vertreter auf die massive Gewalt gegen Frauen in beiden Kivu-Provinzen hingewiesen. Tatsächlich registrieren Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ einen deutlichen Anstieg von zum Teil schwer verletzten Vergewaltigungsopfern. Auch die beiden Krankenhäuser in der Region, die sich auf die Behandlung von vergewaltigten Frauen und Männern spezialisiert haben, das Panzi-Hospital in Bukavu und die Klinik der Organisation DOCS in Goma, sind offenbar überlaufen.
Die Blauhelm-Truppen der UN, die derzeit in höchst heikler Auslegung ihres Mandats die marodierende Armee gegen Rebellen unterstützt, hat außerhalb der größeren Städte wenig zum Schutz der Zivilbevölkerung beizutragen. In Süd-Kivu bieten Blauhelme nachts wenigstens etwas Schutz für die terrorisierte Bevölkerung: Sie stellen sich mit ihren Panzerfahrzeugen in Waldlichtungen auf und lassen die Scheinwerfer an, in deren Lichtkegel dann hunderte von Dorfbewohnern die Nacht verbringen.
Ein Ende der Kämpfe im Norden ist momentan nicht abzusehen – und so bleibt für’s erste nur die ernüchternde Feststellung, dass (halbwegs) erfolgreiche Wahlen noch lange keinen Frieden bringen.