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Mutmaßungen über Apples Werbestrategie

Die neue digitale Strategie von Apple zielt auf den lukrativen Werbemarkt im Netz. Mit innovativen Patenten könnte Apple den Nutzer sogar zum Werbekonsum zwingen.

Anfang April kündigte Apple-Chef Steve Jobs an, dass Apple bereits ab diesem Sommer das Werbeprogramm iAd anbietet. Es soll Anzeigen in den meist kostenlosen Programmen für das iPhone, den iPodTouch oder das neue iPad einblenden. 40 Prozent der Einnahmen sollen bei Apple verbleiben, 60 Prozent an die Entwickler der Apps gehen.

Marktbeobachter erwarten, dass Apple auch eine ortsbezogene Werbung anbieten kann. Je nachdem wo der Nutzer sich befindet, sollen entsprechende Anzeigen eingeblendet werden. Doch Google könnte hier Apple einiges an juristischen wie technischen Kopfzerbrechen bereiten. Verfügt es doch seit kurzem über ein Patent für Systeme, die Nutzern entsprechend seinem Einwahlort automatisch die Anzeigen einblendet.

Kontern könnte Apple dann laut einem Bericht der Mediapost mit einem Patent, das es ihm erlaubt, über das Betriebssystem Anwendungen abzuschalten oder Inhalte auszublenden, wenn Nutzer die entsprechende Werbung ignorieren. Das würde ganz der Philosphie entsprechen, nach der Apple seine App-Entwickler behandelt. Wahrscheinlich würden die Nutzer dann eine Art Stockholm-Syndrom entwickeln – und dennoch bei Apple bleiben.


Grafik via Sixtus via o3.tumblr.com

 

Hört bloß auf, Frauen (so) ernst zu nehmen

Schon mit dem Titel stimmt irgendetwas nicht. „Die Dame im Spiel“ heißt der Vortrag von Joachim F. Meyer, Inhaber und Geschäftsführer von Caipirinha Games, den er auf den Games-Tagen in Berlin hält. Sein Unternehmen bastelt Computerspiele für Frauen und Mädchen, und dass er sie im Titel „Damen“ nennt, deutet schon darauf hin, dass er Schwierigkeiten hat, die Dinge beim Namen zu nennen.

Jedenfalls wiederholt dieser freundliche, schmale und etwas verklemmt wirkende Mann in den Vierzigern ständig, dass Frauen „auch ernst genommen werden wollen“. Als läge in diesem Satz ein Erkenntniswert. Wobei ernst nehmen für ihn vor allem bedeutet, man dürfe nicht ständig von ihnen verlangen, dass sie sich den Männerthemen anpassten, sondern müsse auf ihre eigenen Themenwünsche eingehen.

Und was sind für Meyer Frauenthemen? Er hat sie für sein Publikum auf einer Liste versammelt und jedem Gender-Theoretiker stehen ob dieser Liste die Haare zu Berge. Denn natürlich gehören dazu ausschließlich soziale und niedliche Dinge wie „Tiere“, „Helfen“, „Mode“, „Singen“ oder „Tanzen“. Da scheint selbst die Debatte in der Schwerindustrie schon weiter.

Meyers Firma hat zum Beispiel das Spiel zum Pferdecomic Wendy zu verantworten, oder Lauras Tierklinik. Und Meyer referiert darüber, dass es da um Fragen ginge wie: „was mache ich, wenn sich mein Hamster verlaufen hat?“ Und sagt, das „könnte man jetzt vielleicht als etwas albern empfinden, aber mir hat das auch Spaß gemacht, so ein Spiel zu entwickeln, weil das sehr positive Themen sind und die sich in der Öffentlichkeit auch gut darstellen lassen.“

Dabei jedoch schwingt in seinem Vortrag eindeutig eine zweite Bedeutungsebene mit und die lässt erahnen, wie das Team von Meyer redet, wenn die Öffentlichkeit nicht zuhört. Und auch, dass da schon mal der eine oder andere Witz gerissen wird, über die Mädchen und ihre Hamster.

Frauen wollen auch, sagt Meyer, dass man den Charakter der Spielfigur verändern kann. Er zeigt das an einem Spiel, das noch nicht fertig entwickelt wurde und daher noch keinen Namen trägt. In dem kann eine Latino-Frau mit der Oberweite von Pamela Anderson „verändert“ werden, „denn Frauen mögen Kreativität“. Es gibt also mehrere Buttons, die heißen dann „Nagellack“ oder „Frisur“ oder „Kajal“. Das Tolle, erzählt Meyer: „Auch während des Spiels kann die Frau jederzeit ins Bad gehen, um sich umzuziehen oder neu zu schminken.“

„Apropos Ernst genommen werden“, meldet sich eine junge Frau aus dem Publikum. „Ich fühle mich immer extrem verarscht davon, wie die Frauen im Spiel aussehen.“

In der Tat könnte man die Figur eigentlich ein bisschen mehr an die Realität anpassen, gibt Meyer zu. Aber für die üppigen Kurven hat Meyer eine Erklärung: Bei ihm arbeiten nur Männer. „Nein stimmt nicht“, korrigiert er sich, „in dem einen Studio ist die Sekretärin eine Frau.“ Außerdem müsse man als kleines Studio permanent bei den Verlagen um Aufträge buhlen und könne keine eigenen Sachen entwickeln. „Und da sitzen natürlich auch nur Männer, und die lassen sich davon im Zweifel eben mehr beeindrucken.“

Meyer sagt also: Der Markt will das so. Und übersieht das Henne-Ei-Problem. Schließlich reproduziert der Markt permanent die schlimmsten Stereotype. Das scheinheilige Reden vom „Bedürfnisse ernst nehmen“ wird daran kaum etwas ändern.

Zum Glück kann man auf die Mädchen und Frauen hoffen. Die zum einen lieber ein kluges, komplexes Spiel kaufen, als sich den Kopf über Nagellackfarben zu zerbrechen. Und die zum anderen damit leben können, wenn Frauen in Spielen wie Tomb Raider so sexy aussehen wie Lara Croft – schließlich macht sich ja auch keiner Sorgen um die armen Jungs, die von muskelbepackten Superhelden eingeschüchtert werden könnten.

 

Gebt den Künstlern Erdbeerkuchen!

Liebe Kinder, hier soll euch kurz die Bedeutung des Urheberrechts erklärt werden. Immerhin hatte sich eine Plagiatsdebatte über das gesamte literarische Frühjahr gelegt und man hielt anschließend einen Schwanzlurch für unecht und eine Jungautorin für eine Diebin.

Und immerhin haben der Günter seinen Grass und die Christa ihren Wolf unter folgende Zeilen der Leipziger Erklärung gesetzt: „Kopieren ohne Einwilligung und Nennung des geistigen Schöpfers wird in der jüngeren Generation, auch auf Grund von Unkenntnis über den Wert kreativer Leistungen, gelegentlich als Kavaliersdelikt angesehen.“

Dank des Börsenvereins des deutsche Buchhandels könnt Ihr, liebe Kinder, nun lernen, worum es dabei im Wesentlichen geht: um Erdbeerkuchen nämlich. Davon bekommt jeder haufenweise, der Kraft seiner eigenen Einbildung und Geistesschärfe ein Kunstwerk schafft. Gibt es aber keine eigenen Ideen mehr, heißt es auch Schluss mit dem Kuchen, und dann wird die Welt so karg und hässlich wie in Wuuzelhausen.

Und nein, das war kein Witz. In Wuuzelhausen beginnt das Spiel, das sich der Börsenverein ausgedacht hat, um euch Kleinen zwischen acht und zwölf die Bedeutung geistigen Eigentums zu vermitteln. Ein medienpädagogisches Online-Abenteuer soll es laut Selbstbeschreibung sein, der Name: Cat Protect.

Cat Protect ist eine Privatdetektivin, eine Katze mit blondem Haar, die ins „Schloss der Ideen“ gerufen wird. Dort leben Wuuzel, kleine kreative Viecher, die den ganzen Tag malen, dichten und Sachen erfinden. Dafür werden sie mit Erdbeerkuchen entlohnt, was, liebe Kinder, ein vertriebsbasiertes Verwertungsmodell ist. Weil dieser in Wuuzelhausen aber plötzlich ausbleibt, ergraut das vormals bunte Schlossleben. Alle sind traurig. Und schnell wird klar: hier sind Ideendiebe am Werk und um denen das Handwerk zu legen, muss Cat Protect Schieberätsel lösen, Fahrstühle mit Walkmanmusik berieseln (Originalkassette, klar) und so allerhand mehr. Man lernt: Illegale Kopien „zerstören den Wert der Originale“.

Und während die Kleinen das ein, zwei Stunden spielen, schließen die Erwachsenen die Augen und stellen sich eine Taskforce des Börsenvereins vor, die sich um die Folgen des digitalen Wandels sorgt und den lieben Kleinen erklärt, warum bitte alles so bleiben soll wie bisher. Mit Minispielen beispielsweise, in denen „kreative Energie“ von oben nach unten fließt, aber nie kreuz und quer. In denen sie lernen, dass wer Ideen klaut, kein Schwanzlurch ist, sondern ein fauler Wurm mit Überbiss. Und in denen sie Sätze wie diesen hören: „Ist dir eigentlich klar, dass es nicht in Ordnung ist, wenn du andere beklaust?“

Soweit ist es also schon gekommen.

 

Sozial ist nicht gleich doof

Glaubt man den Kulturpessimisten, dann ist man in sozialen Netzwerken immer nur so klug wie seine klügsten Freunde. Was bedeuten würde, dass wir bald alle ziemlich dämlich werden. Hat Facebook doch immerhin seine Verlinkungsmöglichkeiten nun auch auf andere Seiten im Netz ausgeweitet.

Wer nur noch liest, was ihm seine Freunde empfehlen, so die These, wer also nur noch auf festgetrampelten Pfaden durchs Netz stromert, und nur CDs kauft, die ihm Amazon empfiehlt, der lebt ein Leben frei von Zufällen. Und der wird auch den Zeitungsartikel auf Seite 17 nicht mehr lesen, auf den er vorher nur gestoßen ist, weil er zufällig neben der Plattenrezension stand, die ihn ursprünglich interessierte. Diese Fokussierung könnte weitreichende Folgen für das Leseverhalten aller eifrigen Netzwerk-Nutzer haben, glauben die Pessimisten. Jeder Fernseh-Zapper wäre demnach weltoffener als ein Mensch, der seinen morgendlichen Medienkonsum im Netz, genauer gesagt, bei Facebook startet.

Doch kann man dieser These auch getrost widersprechen. Zum Beispiel mit einer Studie des amerikanischen Marktforschsunternehmens Edelmann, derzufolge Menschen im Netz ihren Freunden immer weniger vertrauen. In seinem jüngsten „Trust Barometer“ hat Edelmann nur noch magere Zustimmungsraten zu der Aussage gefunden: „Ich vertraue meinen Freunden als glaubwürdige Quelle für Informationen über ein Unternehmen“. Die Zustimmung sank von 45 Prozent im Jahr 2008 auf nurmehr 25 Prozent. Zwar ging es in der Frage um Unternehmen. Aber wenn ich nicht glaube, dass meine Freunde die richtige Biermarke mögen, wie sollte ich dann erst ihren Urteilen über guten Journalismus vertrauen?

 

Google hacken

Google Bombs waren mal eine Art Sport – der Versuch, durch die Eingabe bestimmter Suchwort-Kombinationen lustige Ergebnisse zu erzeugen. Die erste stammt wohl aus dem Jahr 1999. Damals führte die Eingabe „more evil than satan himself“ im Suchfeld dazu, dass der erste Treffer auf die Homepage von Microsoft führte. Anfangs genügten dafür ein paar abgestimmte Links auf einigen Websites. Inzwischen muss man sich mehr Mühe geben, um Google zu hacken.

Viel mehr.

Im Jahr 2006 mähte der Künstler Bernd Hopfengärtner diese Matrix in Semacode ein Feld bei Ilmenau. Bis heute wartet er darauf, dass sie bei Google Earth zu sehen ist.

via

 

Auf der Suche nach den dümmsten Followern

Zwar glauben Wissenschaftler inzwischen belegen zu können, dass politisch rechts stehende Menschen durchschnittlich etwas unintelligenter sind als Linke. Die Frage aber, ob zum Beispiel die konservative Politikerin Sarah Palin oder der kanadische R&B-Sänger Justin Bieber die dümmeren Follower auf Twitter hat, blieb bis heute unbeantwortet.

Nun ist auch diese Wissenslücke endlich geschlossen. Der Dienst „Stupid Fight“ gibt nämlich vor, genau das beurteilen zu können: die Intelligenz oder Dummheit von Menschen, die bekannten Persönlichkeiten auf Twitter folgen (das Programm trifft diese Aussage nur im Vergleich, nicht generell). Das Resultat: Die Tweets der prominenten, amerikanischen Konservativen Sarah Palin werden  von den klügeren Lesern verfolgt als die des kanadischen R&B-Sängers. Ein bisschen geringer, aber immer noch vernichtend sieht ihr Vorsprung gegenüber  Lady Gaga aus. Und im Kampf der Technikgiganten müssen sich die Bill Gates Follower leider bescheinigen lassen, etwas dümmer zu sein als die von Google-Mann Eric Schmidt.

Aber woran bemisst das Programm die Dummheit überhaupt? Indem es die Nachrichten auswertet, die diese den Promis schicken, schreibt  Tom Scott, der Erfinder von Stupid Fight auf seiner Seite. Rechtschreibfehler, fehlende Groß- und Kleinschreibung und ein Übermaß an Ausrufezeichen und Netzkürzeln schlagen sich dabei besonders negativ auf die Beurteilung des Twitter-IQs nieder.

Der Linguist Tom Scott glaubt zumindest, es gebe starke Indizien dafür, dass die Masse der Menschen mit einem solchen Schreibverhalten dümmer sein muss als der Teil der Menschen, der seine Worte etwas sorgsamer wählt, bevor er auf „Senden“ drückt.

Für ein grobes, massenhaftes Urteil mag das sogar richtig sein. Aber ein bisschen plump kommt der Ansatz schon daher. So ist nicht jeder, der auf großschreibung verzichtet, gleich ein idiot. Oder???!

 

Facebook handelt verantwortungslos

„Die Verantwortung für die veröffentlichten Informationen muss beim Nutzer liegen“, sagt Richard Allan, Europalobbyist von Facebook im Interview mit stern.de. Er findet, die Quellen der Daten seien die Nutzer und nicht das Netzwerk.

Doch so einfach kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Facebook ist Betreiber einer Plattform, deren Nutzer Daten über sich und andere preisgeben können. Wer eine solche Plattform betreibt, kann sich nicht darauf berufen, dass alle Verantwortung ausschließlich beim Nutzer liege. Wer einen Kinderspielplatz baut, muss für die Sicherheit der Spielgeräte sorgen. Wer wie die Polizei mit scharfen Waffen hantiert, muss sicherstellen, dass niemand sonst sie in die Finger bekommt. Verkehrssicherungspflicht heißt so etwas. Doch wer ein Soziales Netzwerk eröffnet, für den soll das nicht gelten, der muss keine Verantwortung übernehmen? Das kann und darf nicht sein.

Hier ein paar Beispiele:
– Facebook speichert Daten von Personen, die keinerlei Beziehung zu Facebook haben.
– Facebook möchte Standortdaten auch ohne Zustimmung erheben.
– Facebook hat mit einer Umstellung im Dezember die Datenschutzeinstellungen von Millionen Nutzern über den Haufen geworfen (und so Öffentlichkeit wider Willen hergestellt).
– Facebooks Standardeinstellungen sind extrem offen.

Nun geht es nicht darum, Menschen davor zu schützen, ihren digitalen Exhibitionismus auszuleben. Nur: das sollte jeder frei entscheiden können. Die extrem datenschutzfeindlichen Voreinstellungen bei Facebook sind verantwortungslos. Neue Nutzer können sich auf einer Plattform noch nicht auskennen. Sie müssen zuerst einmal geschützt werden, damit sie verstehen lernen können, was Öffentlichkeit auf solch einer Plattform bedeuten kann („privacy as a default“). Wenn Richard Allan sagt, dass man „mehr als alle anderen Internetfirmen getan [habe], um Nutzer aufzuklären“, dann ist das blanker Hohn. Das Gegenteil ist der Fall: Facebook lässt Menschen wissentlich ins offene Messer laufen.

Natürlich haben auch die Nutzer Verantwortung für das, was sie auf diesen Plattformen tun. Nur weil bei Sozialen Netzwerken ein Login-Button einen abgeschlossenen Raum suggeriert, heißt das noch lange nicht, dass man eine Zone außerhalb des Internets betreten würde. Jeder muss sich daher überlegen, welche Inhalte ins Netz gehören und welche nicht. Die Faustformeln dafür sind zwei einfache Fragen: Könnte ich damit leben, wenn dieser Inhalt am nächsten Morgen auf der Titelseite meiner Tageszeitung stehen oder im Fernsehen gesendet würde? Und ist dies eine Information, die jemand anderen betrifft? Im ersten Fall gehört es definitiv nicht ins Netz, im zweiten sollte zuvor zwingend eine Zustimmung eingeholt werden.

Privates muss privat bleiben, das ist auch eine Aufgabe der Nutzer. Aber wer vorsätzlich Menschen zur Aufgabe ihrer Privatsphäre verführt und dabei Recht bricht, darf nicht mit Nachsicht rechnen. Er wird seiner Verantwortung nicht gerecht.

Falk Lüke ist Referent für Verbraucherrechte in der digitalen Welt beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Der vzbv informiert über Rechte und Pflichten im Netz unter „Surfer haben Rechte

 

Informieren wir die Enquete

Für die Mitglieder der Enquete-Kommission des Bundestages, die demnächst damit beginnen wollen, die Auswirkungen des Internets auf unser Leben zu untersuchen, hat die Bibliothek des Bundestages eine Leseliste zusammengestellt.

Die Liste enthalte, schreibt der Journalist Matthias Spielkamp vom Blog iRights.info, nur deutsche Texte und es fehlten wichtigen Autoren wie beispielsweise Lawrence Lessig oder James Boyle.

Da könne das Netz doch helfen, findet er und hat ein Wiki aufgesetzt, wo wichtige Texte zum Thema Internet und Gesellschaft gesammelt werden sollen. Hübsche Idee. Damit es für die deutschen Parlamentarier nicht zu schwer wird, bittet er darum, so möglich, auf deutschsprachige Übersetzungen zu verweisen. Bis Ende Mai will er die neue Liste der Bundestags-Bibliothek übergeben.

Wie viel davon dann auf der Leseliste der Kommission landet? Das hängt davon ab, wie aufgeschlossen sie solchen Vorschlägen aus dem Netz ist. Immerhin hat sie angekündigt, dass man eine „breite Partizipation“ wünsche.

 

Wer hat Angst vor Ilse Aigner?

Wenn das nicht zum Fürchten ist: Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner droht dem 400-Millionen-Nutzer schweren Sozialen-Netzwerk-Anbieter Facebook damit, ihren Account dort zu löschen, falls Facebook nicht seine Datenschutzrichtlinien überarbeitet. Funktioniert Politik jetzt neuerdings nach dem Beleidigtsein-Prinzip?

Damit kein Missverständnis entsteht, die Forderungen Aigners sind berechtigt und Verbraucherschützer stehen dabei voll hinter ihr. Immerhin wolle Facebook beispielsweise jeden Datenschutz am liebsten per „opt-out“ regeln, es also der Fähigkeit der Nutzer allein überlassen, sich zu schützen, wie Falk Lüke vom VZBV-Projekt „Surfer haben Rechte“ sagt. Auch die Weitergabe von Daten Dritter ohne deren Einverständnis „geht gar nicht“.

Allerdings, auf dem Schulhof kann man Streitigkeiten vielleicht nach dem Muster beilegen: „Du hast mich geärgert! Jetzt will ich von dir nichts mehr wissen!“ Ist das aber wirklich ein probates Mittel, um ein datenschutzignorantes US-Unternehmen zur Räson zu bringen?

Eher nicht. Von politisch Verantwortlichen darf mehr erwartet werden. Sie sollten eigentlich wissen, welche Instrumente ihnen zur Verfügung stehen. Natürlich kann Ilse Aigner wie Lieschen Müller agieren und einfach ihr Privatkonto kündigen. Als Politikerin könnte sie aber auch die politische Geschäftsgrundlage in Frage stellen. Etwa das Safe-Harbor-Abkommen, dem Facebook beigetreten ist.

Abgeschlossen wurde das Abkommen nach zähen Verhandlungen vor einem Jahrzehnt zwischen der EU und den USA. Es soll garantieren, dass personenbezogene Daten von Europäern von amerikanischen Unternehmen nur dann verarbeitet werden, wenn diese vergleichbare Datenschutzstandards einhalten wie europäische Firmen. Vermutlich hat die Verbraucherministerin von dem Abkommen aber noch gar nichts gehört.

Das kann daran liegen, dass es in der Praxis so bedeutungslos ist. Ein Gutachten des US-Beratungsunternehmens Galexia mit dem Titel „The US Safe Harbor – Fact or Fiction?“ zeigte vor einiger Zeit die Wirkungslosigkeit des Abkommens: So behaupteten 206 Unternehmen, Mitglied von Safe Harbor zu sein, die es gar nicht waren. Andere zeigten das Logo des Abkommens auf ihrer Seite, erfüllten aber gar nicht die dazu notwendigen Bedingungen. Insgesamt brachten nur 348 Unternehmen die Mindestvoraussetzungen. Trotzdem ist bislang nur ein einziges Unternehmen wegen Falschangaben verurteilt worden – jedoch ohne Sanktionen erdulden zu müssen.

Ein Abkommen also, das nicht viel bringt. Würde Europa es kündigen, könnten amerikanische Firmen nicht mehr ohne weiteres Daten von Europäern verarbeiten. Buchhändler Amazon beispielsweise geriete ziemlich schnell in Schwierigkeiten, Facebook müsste für Europa eine eigene Plattform schneidern, um legal Anzeigen vermarkten zu können, Google ebenso.

Was also läge näher, als dieses letztlich wertlose Abkommen in Frage zu stellen – und in darauf folgenden Verhandlungen die Spielregeln auf transatlantischer Ebene neu zu definieren? Das wäre kein ahnungsloses Schulhofgeplänkel mehr, sondern reale Politik.