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Push für die Netzpolitik

Eigentlich müsste man sich als Netzbürgerin ja freuen, wenn sich der Deutsche Bundestag eingehender mit den Themen auseinandersetzen will, die alltäglich die Netizens umtreiben.  Die 14 Politiker und 3 Politikerinnen der Enquête-Kommission für „Internet und digitale Gesellschaft“ werden sich von Experten beraten lassen – und haben dafür auch schon eine Art Fahrplan aufgestellt. Die Themen klingen alle ganz vernünftig. Doch wie offen werden sich die Politiker tatsächlich für Beratung zeigen?

Die gesammelten RSS-Feeds derjenigen, die überhaupt im Netz aktiv sind – dazu gehört leider nicht der des Vorsitzenden der Kommission, Herrn Axel E. Fischer, der über eine Website ohne RSS-Feed verfügt – lassen vermuten, dass der Beratungsbedarf doch immens ist.

Die wenigsten scheinen sich bislang wirklich dediziert mit den Befindlichkeiten der Netizens auseinandergesetzt zu haben, geschweige denn ein Gespür dafür zu besitzen, wie etwa Kommunikation per Twitter funktioniert. Twitter wird, wie schon im Wahlkampf zu beobachten war, von den meisten als Push-Medium begriffen (was es natürlich unter anderem auch ist) und weniger als Dialog-Medium.

Dialog könnte ja heikel sein: Man könnte schnell mal auf Positionen festgeklopft werden, die man später vielleicht lieber nicht mehr einnehmen möchte. Weil die Partei inzwischen einen anderen Kurs eingeschlagen hat. Aber für heikle Positionen gibt es in der Enquête ja auch die Experten. Dort kann man diejenigen von ihnen zu Gehör kommen lassen, die der gefühlten Parteilinie am nächsten stehen. Und die anderen getrost marginalisieren oder gleich ganz ignorieren.

Moment! Was passiert aber, wenn man einen 18. virtuellen Experten bzw. die Mitsprache aus dem Netz zulässt? Ändern sich dann nicht die eingeübten Zuweisungsspielchen? Denn man kann ja nicht die „Netizens“ samt und sonders einer Partei zuordnen. Oder etwa doch?

Die Ausarbeitung der Spielregeln für die Kommunikation mit dem 18. Experten dürfte daher wohl zur Nagelprobe nicht nur für das Netzverständnis, sondern auch für das Politikverständnis der Enquête werden. Wenn die Abgeordneten mit dem 18. Experten so kommunizieren wie sie twittern, dann wäre das ein Armutszeugnis netzpolitischer Bildung. Denn Netzpolitik braucht mehr als nur Push-Kommunikation, sie braucht das Gespräch, sie braucht einen echten Dialog, der auch unangenehme Wahrheiten verträgt.

 

Jeder Vierte würde sich einen Chip implantieren lassen

Wen interessiert eigentlich derzeit der kleine Triumph im jahrelangen Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung? Die Mehrheit der Deutschen wahrscheinlich nicht. Glaubt man einer Bitkom-Studie, würde sich fast jeder Vierte (23 Prozent) einen Funk-Chip (RFID) implantieren lassen, wenn es ihm Vorteile verschaffte.

Nicht nur eine schnellere Rettung im Notfall oder mehr Sicherheit versprechen sich die Implantations-Willigen. Fünf Prozent aller Deutschen würden das sogar tun, um bequemer einkaufen zu können.

„Das ist sicher ein extremes Beispiel, wie weit die Vernetzung in der Vorstellung mancher Menschen gehen kann“, sagt Bitkom-Chef August-Wilhelm Scheer, offenkundig selbst überrascht ob des Ergebnis‘ der hauseigenen Studie. Allerdings sähe das Ergebnis wohl anders aus, wenn es in der Frage darum gegangen wäre, sich einen digitalen Ausweis implantieren zu lassen.

 

Nachrichten brauchen keine Marke mehr

Wie Nachrichten zu den Menschen kommen, hat eine neue Studie des „Pew Research Center’s Internet & American Life“ und das „Project for Excellence in Journalism“ zu untersuchen versucht. Und dabei zunächst festgestellt, dass mehr als 90 Prozent aller Amerikaner mehrere Plattformen nutzen, um sich ihre tägliche News-Dosis zu holen. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie bestimmten Marken mehr vertrauen als anderen. Nachrichten sind heute ein „soziales Experiment“, sie werden gescannt und bei Gefallen weitergereicht und empfohlen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Online-Medien die Printredaktionen in der Popularität inzwischen abgehängt haben. Sie rangieren nun gleich hinter lokalen und nationalen Fernsehprogrammen. Der Internetnutzer springt dabei von Plattform zu Plattform und problemlos von Online zu Offline und wieder zurück.

Noch eine Zahl spiegelt ein verändertes Nachrichten-Verhalten wider. Es lässt sich unter den Begriff „Partizipation“ fassen: Über ein Drittel, nämlich 37 Prozent, haben schon einmal selbst in der einen oder anderen Form an der Nachrichtenherstellung oder ihrer Verbreitung mitgewirkt. Und sei es nur mit einem Kommentar unter einer News-Seite oder mit dem twittern einer interessanten Meldung an Freunde. Die Empfänger wollen Sender werden.

 

Internet? Bah! (1995)

Ach, wenig kribbelt so schön, wie mit der Arroganz der Gegenwart in die Vergangenheit zu tauchen und damalige Zukunftsvisionen zu lesen. Die hier zum Beispiel, geschrieben von Clifford Stoll im Magazin Newsweek:

„The truth in no online database will replace your daily newspaper, no CD-ROM can take the place of a competent teacher and no computer network will change the way government works.“

„How about electronic publishing? Try reading a book on disc. At best, it’s an unpleasant chore: the myopic glow of a clunky computer replaces the friendly pages of a book. And you can’t tote that laptop to the beach.“

„We’re promised instant catalog shopping–just point and click for great deals. We’ll order airline tickets over the network, make restaurant reservations and negotiate sales contracts. Stores will become obselete. So how come my local mall does more business in an afternoon than the entire Internet handles in a month? Even if there were a trustworthy way to send money over the Internet–which there isn’t–the network is missing a most essential ingredient of capitalism: salespeople.“

Zusammengefasst also: Zeitungen werden nie sterben, Computer sind unhandlich und im Netz ist kein Geld zu verdienen. 1995 war das noch so. Oder wie Frank Rieger mal bloggte:

„You owe me a flying car.“

via

 

Datenbrief? Löschen!

Da denkt sich ein netzverrückter Hackerverein einen interessanten Weg aus, um eines der drängendsten Probleme der digitalen Welt lösen zu helfen und was steht dann darüber in dem kooperativen Netzprojekt überhaupt? Eine ausführliche Erläuterung?

Nicht wirklich.

„Dieser Artikel wurde zur Löschung vorgeschlagen. Begründung: Anhaltende öffentliche Rezeption nicht vorhanden oder zumindest nicht im Artikel dargestellt.“

Vielleicht ändert sich das jetzt ja noch.

Update: Ja, das hat sich geändert. Der Löschvermerk ist weg, der Artikel ausgebaut. Danke.

 

You will buzz!

Achtung, Satire!

„Wir tun, was immer wir wollen. Wir bestimmen Dein ******* Leben. Wir sagen, was Du brauchst. Denn wir sind ******* Google!“

via

 

Bezahlbutton

Der folgende Eintrag braucht nicht viele Worte. Als Erklärung: Die Zitate stammen von dem freien Sportjournalisten Jens Weinreich, der für sich versucht, einen Ausweg aus dem Dilemma der Branche zu finden: Qualität liefern und trotzdem davon leben können.

„Journalismus kostet Zeit. Journalismus kostet Kraft. Journalismus tut weh. Journalismus macht Spaß. Journalismus ermüdet. Journalismus kostet Geld.“

„Auf das fundamentale Problem der Branche finden Verlage kaum Antworten (sofern sie sich wirklich für die Antwort auf genau diese Frage interessieren), was ist da schon von einem freien Journalisten zu erwarten. Die Frage lautet: Wie lässt sich Qualitätsjournalismus finanzieren? Antworten darauf muss jeder selber finden.“

„Ich bin Dienstleister. (…) Meine Dienstleistung nennt sich Journalismus, in allen möglichen Medien. Für diese Dienstleistung können meine Leser und Diskussionspartner eine Online-Gebühr entrichten. Dafür setze ich künftig Bezahlbuttons in Artikel.“

Mehr zu seinem Versuch hier.

 

Island: Der Datenfreihafen wird realer

Ende Dezember hat das Transparenz-Projekt Wikileaks auf dem 26. Chaos Communication Congress eine Idee verkündet, die man gemeinsam mit Aktivisten und Politikern aus Island entwickelt hatte: Island zum Datenfreihafen machen. Die Idee nimmt nun konkrete Züge an.

Eine „Icelandic Modern Media Initiative“ wurde gegründet und 51 Abgeordnete wollen am 16. Februar einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen. Ziel der Initiative ist es, die weltweit besten Gesetze für Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu vereinen. Der Zeitpunkt ist optimal, wie der britische Guardian von einem isländischen Abgeordneten erfahren hat:

„It is a good project for political change,“ said Róbert Marshall, a member of the ruling Social Democratic Alliance party. „We have been through a difficult period and this is an initiative that can unite the whole political scene.“

Die BBC zitiert Wikileaks-Gründer Julian Assange, der hoffnungsvoll ist, was die Chancen durch die isländische Gesetzgebung angeht:

„If it then has these additional media and publishing law protections then it is likely to encourage the international press and internet start-ups to locate their services here,“ Mr Assange said.

Der Zeitplan der Icelandic Modern Media Initiative sieht vor, dass das Gesetz im Optimalfall eine Woche später beschlossen sein kann. Da kann man nur Glück wünschen und auf die Entscheidung warten.

 

Neuer BBC-Chef führt Social Media-Pflicht ein

BBC Journalisten sollen Social Media als primäre Informationsquelle nutzen, sagt Peter Horrocks. In der Hauszeitung Ariel lässt sich der neue BBC-Direktor mit den Worten zitieren: „Das ist nicht irgendeine Marotte von einem Technik-Enthusiasten. Ich fürchte, man kann den Job nicht mehr machen, wenn man sich damit nicht auskennt.“ Das wäre nicht „discretionary“, fügt er hinzu,  läge also nicht im eigenen Ermessen der Journalisten. Für einen Briten relativ starke Worte.

Früher hieß es immer: Ein Schüler ohne Bleistift, ist kein Schüler. Heute ließe sich sagen, ein Journalist ohne RSS-Feed, ist kein Journalist mehr. Fest steht zumindest, dass sich der Blick von Journalisten auf Informationen, die sie aus Quellen wie Twitter, Blogs oder Sozialen Netzwerken erreichen, grundlegend gewandelt hat. Anstatt aus Angst vor unsicheren Quellen die Finger davon zu lassen, versuchen sie Regeln zu entwickeln, um deren Mehrwert für sich nutzen zu können.

Der Medienblog Mashable verweist in seinem Artikel zum Thema auch auf Medienunternehmen wie Sky News, die ihren Newsroom bereits stark auf Twitter umgestellt hätten. Und der Guardian schreibt, dass für den Nachrichtensender CNN die Integration von Social Media ein wichtiger Schritt gewesen sei, um die eigenen Reportagen zu verbessern und näher an die Quellen zu kommen, wie man bei der jüngsten Berichterstattung aus Haiti gesehen habe.

 

Who watches the watchmen

Quis custodiet ipsos custodes, fragte der römische Dichter Juvenal: wer bewacht die Wächter, oder wer hat die eigentliche Macht? Klingt altmodisch. In einer Welt aber, in der Daten Einfluss bedeuten, ist es die Frage überhaupt.

Erzeugt doch beispielsweise Google mit seinem Versuch, die Welt zu digitalisieren, bei vielen Menschen Unbehagen. So großes, dass sie mit heruntergelassener Hose auf der Straße herumrennen, um einem Street-View-Kamerawagen ihren Missfallen mitzuteilen.

Google Street Car In Berlin from Evan Roth on Vimeo.

Die Aktion einiger Berliner Künstler, einem solchen Kamerawagen einen GPS-Empfänger anzukleben, um ihn verfolgen zu können, mag wie ein Spaß wirken. Ist letztlich aber nur der Ausdruck des Wunsches, die Wächter zu überwachen. Counter Intelligence, sozusagen.

Nicht der erste Versuch dieser Art. Das amerikanische National Legal and Policy Center (NLPC) demonstrierte einst am Beispiel eines Google-Chefs, was dank „Street View“ aus dessen Leben sichtbar ist. Die Front seines Grundstücks beispielsweise, die Nummernschilder seiner Autos oder sein Arbeitsweg. Selbst der mögliche Typ seiner Alarmanlage und die Firma, die wahrscheinlich seinen Garten pflegt, konnte das NLPC ermitteln.

Platos Antwort auf Juvenals Frage Dilemma übrigens war die Idee der „edlen Lüge„. Wir müssen die Wächter belügen, ihnen erzählen, dass sie besser sind als alle anderen, nobler, weiser. Denn dann glauben sie, dass es ihre Verantwortung ist, sich selbst gegenseitig sehr viel genauer zu überwachen und zu kontrollieren, als die Minderbemittelten, die ihnen unterstellt sind.

In diesem Sinne. Jetzt alle so: Google ist toll!