In Nordafrika bricht eine neue Zeit an. Doch der Westen zaudert. Die Ängste sind groß, dass anstelle verlässlicher Schurken an der Spitze außenpolitisch moderater Regime plötzlich unberechenbare Islamisten die Führung übernehmen. Auch zahlreiche Depeschen der letzten Jahre belegen, dass die USA massive Zweifel an einer erfolgreichen Opposition hatten.
WLCentral.org berichtet von weiteren Depeschen, die sich mit der Einschätzung möglicher Mubarak Nachfolger beschäftigen. Die Einschätzung des neuen Vize-Präsidenten Omar Suleiman steht dabei im Mittelpunkt. Das Wikileaks-Blog der Politseite foreignpolicy.com beschäftigt sich mit diversen Kabeln, in denen es unter anderem um führende Militärs und ihre mutmaßliche Haltung gegenüber Mubarak und seinem Sohn Gamal geht. Gamal galt lange als Erbe des seit dreißig Jahren regierenden Autokraten. Dekadente Exzesse, wie sie die Depeschen der US-Botschaft in Tunis über die dortige Herrscherfamilie vorlegten, sind nicht darunter.
Währenddessen wurde Wikileaks von einem norwegischen Abgeordneten für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Zwar dürfte der Vorschlag nur geringe Aussichten auf Erfolg haben, aber die Vorstellung, Obama und Assange beim Dinner der Preisträger zu sehen, wie sie eine kleine Plauderei abhalten, ist charmant.
Weniger charmant dagegen ist die Vorstellung, dass das Terrornetzwerk Al Quaida angeblich an einer sogenannten schmutzigen Bombe arbeitet, die in Afghanistan gegen dortiges US-Militär eingesetzt werden könnte. Das jedenfalls behauptet der britische Telegraph heute und veröffentlicht gleich eine ganze Serie mit dem Titel Nuclear Wikileaks Cables.
Schließlich bietet NPR, National Public Radio, einen Talk mit Bill Keller, dem Chefredakteur der New York Times, in dem es um die Bedeutung von Wikileaks für Politik und Journalismus geht. Vor wenigen Tagen hatte Keller einen Essay veröffentlicht, in dem er Assange als äußerst problematischen Partner charakterisiert und die Kooperation von Wikileaks und New York Times nachzeichnet. Der Essay ist das Vorwort eines weiteren Buchs zum Thema Wikileaks, das die New York Times in diesen Tagen veröffentlicht.
Neben der Rekonstruktion der Kooperation bietet das Gespräch bei nach gut sieben Minuten einen interessanten Einblick in die Planungen der New York Times. Keller äußert sich zu der Frage, ob die New York Times selbst eine Whistleblowerstruktur anbieten wird. Das Audio gibt es hier als MP3.