Der Boom ist unübersehbar. Weltweit findet WikiLeaks Nachahmer. Zuletzt war es das alt-ehrwürdige Wall Street Journal, das stolz den Start des eigenen Leakingangebots Safe House verkündete. Aber die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Wer dem potentiellen Whistleblower bereits in den AGBs damit droht, Informationen über ihn an Dritte wie zum Beispiel die Polizei weiterzugeben, sollte sich über ausbleibenden Erfolg nicht all zu sehr wundern. Und ist schließlich zum Scheitern verurteilt. Das jedenfalls sagt Patrick Beuth in einem lesenwerten Artikel im Magazin Cicero über die Bemühungen zahlreicher Medien, den Zwischenhändler WikiLeaks mit eigenen Schnittstellen für Whistleblower zu neutralisieren. Aber es sind nicht nur diese strategischen Irrtümer die etliche der Anbieter scheitern lassen werden.
Es sind vor allem technische und rechtliche Aspekte, die große Zweifel aufkommen lassen, ob das Wall Street Journal seine Quellen wirklich schützen kann. Oder will. Schon in den Nutzungsbedingungen von Safehouse steht, man behalte sich das Recht vor, alle Informationen über die Whistleblower ohne weitere Warnung an die Polizei oder an Dritte zu übergeben, wenn es rechtlich geboten sei – oder wenn es nötig ist, um die Rechte des Verlagshauses Dow Jones, in dem das WSJ erscheint, und die Interessen anderer zu schützen. Damit dürften die allermeisten potenziellen Informanten bereits gründlich abgeschreckt sein. Dass die Datenübertragung aus verschiedenen technischen Gründen keineswegs so sicher ist, wie die Zeitung behauptet, macht den Ansatz dann schließlich wertlos.
Vor allem aber beklagt Beuth in seinem Artikel, dass den meisten Akteuren, die jetzt auf den Leaking-Zug aufspringen wollen, der Idealismus fehle. Denn der war es, der den WikiLeaks-Machern wie Julian Assange oder seinem früheren Mitstreiter die Energie gab, mit begrenzten Mitteln eine Whistleblower-Plattform aufzubauen. Was aber noch weit wichtiger war, ist und auch zukünftig sein wird, ist Glaubwürdigkeit. Eine Art Zwillingsschwester des Idealismus. Und diese Glaubwürdigkeit sieht der Autor durch das ungeschickte Agieren zahlreicher Medienhäuser massiv in Frage gestellt. Denn einer der wichtigsten Grundpfeiler von WikiLeaks ist trotz aller strukturell bedingter Intransparenz die Glaubwürdigkeit. Anders als Zeitungsredaktionen hat WikiLeaks zum Beispiel eingegangenes Whistleblowermaterail nie nur zur Komposition eigener Geschichten benutzt, sondern immer auch das Rohmaterial veröffentlicht. Und zwar vollständig.