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28. März 2019 – Ausgabe 14

 

Leserbriefe zum Titelthema „Werden wir immer dümmer?“ von Nataly Bleuel et al.

Wer die Titelseite der Ausgabe 14 gestaltet hat, verdient den Großen Subversionspreis. Unter einer geöffneten Walnuss und dem rhetorischen Verweis „Werden wir immer dümmer?“ auf das Dossier finden sich ein Artikel über Donald Trump und ein Lobgesang auf die gerade von EP verabschiedete Urheberrechtsreform. In dem Lobgesang schafft Heinrich Wefing es zu der Erkenntnis „…dass solche Filter, letztlich eine Software zum Aufspüren von Urheberrechtsverletzungen, schon längst massenhaft eingesetzt werden, und zwar ausgerechnet von Plattformen wie YouTube..“ und endet euphorisch mit „Und sie [die Urheberechtsreform] zeigt, dass Europa endlich anfängt, die Macht der Tech-Giganten einzuhegen.“ Super, die bald von sehr vielen Plattformen – auch dem Leserbriefforum der Zeit – einzusetzenden Uploadfilter werden von Google oder Facebook kommen. Wer, außer den „Tech-Giganten“ wird denn Uploadfilter zur Verfügung stellen können? Die „eingehegten“ Mächte werden nicht nur bestimmen, was bei Ihnen veröffentlicht wird, sondern auch, was – fast – überall anderswo Europäischen Teil des Internet gesehen, gelesen, gehört werden wird. – Jens von Waldenfels

Erfreut habe ich gerade an meinem Frühstückstisch die heute frisch eingetroffene Ausgabe der ZEIT gelesen und dort das soeben das Studium meiner Lieblingsrubrik, das „Dossier“, abgeschlossen. Spontan fielen mir zu dem Titel ein paar Gedanken ein, die eher in eine satirische Kolumne passen. – Andere ernsthaftere Gedanken haben mit meinen beruflichen Hintergründen zu tun: „Wir waren mal schlauer“…
– Kein Wunder! „BWLer haben sehr kleine Gehirne: Denn sie denken nur an Geld“ Interessant also, dass der von den Wissenschaftlern konstatierte Intelligenz-Einbruch genau in die Epoche fällt, in der in der westlichen Welt endgültig der Neokapitalismus zum Durchbruch kam: „Zwischen 1970 und 1993 hatte sich die Zunahme des IQ verlangsamt. Von 1994 an fielen die Scores.“
– Und: WER war wohl intelligenter – Der Steinzeitmensch, der nur 35 Jahre lebte, aber blitzschnell auf jede lebensbedrohliche Gefahr reagieren musste oder der Festangestellte, der weiß, dass ihm jeden Monat bis zu seinem Lebensende ein angenehm hohes Gehaltüberwiesen wird?!?
– Nun, da wir ja die K.I. haben, ist doch Intelligenz outgesourct! Wir benötigen diese Ressource in der Zukunft doch nicht mehr. Da reicht es, wenn wir das die Roboter machen lassen und wir Menschen konzentrieren uns auf unsere Primärbedürfnisse: Essen, Trinken, Schlafen, Sex…
Meine ernsthafteren, beruflich motivierten Gedanken:
Ich gehöre einer Berufsgruppe an, die in Deutschland und in der westlichen Welt sowie global – einer großartigen Vergangenheit zum Trotz – inzwischen fast völlig verkannt und ignoriert wird: Ich bin Professioneller Geschichtenerzähler. 99% der Gesellschaft verachtet oder ignoriert meine Berufsgruppe völlig. Die 1%, die jemals einen guten Profi erlebt haben, sind voller Hochschätzung für unsere Kunst. Wenn ein guter Geschichtenerzähler aktiv ist, werden in jedem/jeder Zuhörer/in bzw. Zuschauer/in sämtliche Areale im Gehirn aktiviert, die dazu nötig sind, individuell die entsprechende Vorstellung zu generieren. Dies umfasst alle Sinne – denn ein guter Erzählprofi lässt den Zuschauer nicht nur sehen, sondern auch riechen, schmecken.. – Die digitale Welt und die anderen visuellen Medien wie Fernsehen, Spielfilme, Videogames hingegen verflachen die eigene Vorstellungswelt, machen den Zuschauer passiv. Es ist allgegenwärtig von Medienkompetenz die Rede. Als echter Kommunikationsprofi nehme ich diese propagierte Medienkompetenz hingegen als tatsächliche MedienInkompetenz wahr: Diejenigen, die diesen Begriff im Mund führen, meinen damit nämlich in der Regel ihre eigenen Seminare bzw. „Expertise“, die sie teuer vermarkten wollen. Und gemeint ist damit ausschließlich der digitale Bereich von Kommunikation, insbesondere das Marketing in den sogenannten Sozialen Medien. Es handelt sich also um eine völlig Verarmung von Kommunikation. Jede Medienrevolution der Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die meisten alten Medium nicht völlig verschwinden, sondern stattdessen den Platz einnehmen, in dem sie ihre ganz besonderen Stärken haben.

Auch die digitalen Medien haben ihre unbestreitbaren Stärken: Doch welche Schwächen haben sie?!? Ist es wirklich sinnvoll und im positiven Sinne modern in unseren Schulen alles durch digitale Screens und Tablets zu ersetzen? – Die Anekdote von Schulleiter Wirtz und Hirnforscher Korte in Ihrem Artikel gibt ja eine Antwort auf diesen Aspekt. Als professioneller Geschichtenerzähler mit einem Repertoire von ca. 350 Geschichten zw. 2 min. und 5 Std., die ich – völlig ohne Buch etc.! – von der Stelle frei weg erzählen kann, weiß ich, welch enormes Potenzial meine Kunstform hat, um Gemeinschaftlichkeit, Phantasie und Kreativität frei zu setzen. Eine weitsichtige Bildungs- und Gesellschaftspolitik würde darauf setzen, viel in die digitale Revolution zu investieren, um am Puls der Zeit zu sein. Sie würde aber gleichermaßen darauf achten, alle Medien und Kommunikationsformen zu fördern, die das gesamte Spektrum abdecken. Eine eMail oder ein Chat sind etwas völlig anderes, als ein handgeschriebener Brief oder der persönliche Bericht eines anderen Menschen von Angesicht zu Angesicht.

Was heißt das?
Wenn jetzt viel Geld in einen Digitalpakt für Schulen in ganz Deutschland fließt, dann sollte auch endlich die mündliche, lebendige Kommunikation in Form des Geschichtenerzählens – ausgeführt von echten Profis – gefördert werden. Damit Kinder in Deutschland nicht zu digitalen Autisten werden. Und: NEIN! Geschichtenerzählen ist NICHT das gleiche wie Vorlesen. Es ist tatsächlich etwas ganz anderes! Ein Geschichtenerzähler arbeit nicht mit einem Buch – sondern mit interaktiver, lebendiger, jedesmal frei und anders formulierter Kommunikation für das jeweilige Publikum, das jetzt gerade da ist. Publizieren Sie doch mal einen Artikel über das Geschichtenerzählen, seine Geschichte, seine kulturelle Bedeutung und Unwichtigkeit, seine positiven Wirkungen aus Sicht der Hirnforschung, seine enorme Kraft in Bezug auf Gemeinschaftlichkeit und Kommunikation. DANKE für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit! ;-) – Harry Rischar

Werden wir immer duemmer? Warum ist mein erster Gedanke: Ja!! ? – Marianne Werner

Dass der IQ bedenklich abgesunken ist, merkt man auch daran, dass die PS-Zahl des SUV für viele wichtiger ist als die Gradzahl des Klimas. Die flächendeckende Ausrüstung der Schulen mit Laptops und die dank unserer Landwirtschaftsministerin großzügige Freigabe von Glyphosat werden den Prozess der Verdummung noch vorantreiben und beschleunigen. – Dr. Bernhard Burchert

Leider wird bei den Erwägungen zu obiger Frage zu wenig beachtet: Einerseits werden wir klüger, was den Umgang mit Fakten und das Vergleichen zwischen ihnen betrifft, einschließlich des digital möglichen. Andererseits werden wir dümmer, weil Politik und Medien unser Urteilsvermögen kaum noch auf das längerfristige strategische Werden von Ereignissen orientieren. Falls Sie diese Epochen-Dummheit schrittweise beheben wollen, kann ich gern einige Zeilen beisteuern. – Prof. Dr. sc. phil. Heinz Engelstädter

Ich habe ein. Abo der Zeit ! Seit mehr als 20 Jahren „Verfolge “ ich die Dummheit der Menschheit !!! Der Leitartikel sowie Dossier spricht Mir „Aus d Herzen “ ! Folgen der „Grenzenlose Dummheit“ , 1.Kein fundamentales Wissen … aus .. Medizin,Psychologie,Literatur,Kunst und allen Naturwissenschaften ! !! Wissensgebiete die im 17/18/19/20 das Gelehrten -sein in Deutschland verkörperten – und auch in der Welt !!! 2 . Totale “ Verblödung. “ Von und über Internet (Fake News /Twitter/Facebook und a ,mehr !!! 3 .Nicht mehr Bücher lesen .. Und daraus folgt nicht mehr „Richtig schreiben “ können!! 4.Die Deutsche Gesellschaft ist noch mehr „Verblödet “ worden durch 2 Millionen Flüchtlinge seit 2015 , durch A.M !! Und wir schaffen Das ! Es wird Höchste Zeit … !!‘ Gesellschaft ist. Noch – Ein/e Leser/in

Ein mutiger Artikel! Mutig nicht nur, weil Sie sich in eine Quasi-Tabuzone des gesellschaftlichen Diskurses hinein wagen und sich nach allen bisherigen Erfahrungen politisch-korrekte Ohrfeigen einhandeln werden, sondern vor allem auch, weil endlich einmal klar benannt wird, was viele wache Bürger schon längst spüren, ohne dass sie es so konkret und treffend auf den Punkt hätten bringen können wie Ihre Autoren: die Menschen werden dümmer, und die wesentlichen Faktoren dafür sind neben den Genen vor allem Bildung, Erziehung, die Digitalisierung, falsche Enährung und die Umweltbelastung. Ob nun endlich die richtigen Debatten losgehen? Sehr zweifelhaft. Zweifellos hingegen werden Sie heftigen Widerspruch ernten, weil frei nach Christian Morgensterns „unmöglicher Tatsache“ nicht sein kann, was nicht sein darf. Wer sich vertiefend mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei im Übrigen das 2012 erschienene Buch „Ist Intelligenz erblich?“ Ihres ehemaligen Redakteurs Dieter E. Zimmer empfohlen – es trägt sehr zur Versachlichung dieses sonst so stark emotionalisierten Themas bei. – Hartmut Neufeld

Für den vernünftigen und abstinenten Beobachter ist die Verblödung durch Smartphone und Digitalisierung schon phänomenologisch längst nicht mehr zu übersehen. Vielleicht genügt die verbliebene Verstandeskraft aber noch für die kritische Würdigung folgender Frage: Wem nützt es, dass der neurophysiologische Beleg des Offensichtlichen erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wird, nachdem das „Digitalisierung first – Bildung second“- Framing durchgreifend ins Werk gesetzt und die Umsetzung des „Digitalpakts“ schon beschlossene Sache ist? – Dr. André Hempel

Wenn man an die Politik denkt, dann könnte man das bald annehmen. Daher schlage ich vor; einen spezielen IQ-Wert Test für Politiker durchzuführen. – Gunter Knauer

Sie haben einen sehr interessanten Artikel zum sinkenden IQ gebracht. Es scheint mir aber unnötig die gut herausgearbeitet Wirkung der hormonellen Disruptoren schließlich doch etwas zu realtivieren. Deren schädliche Wirkung ist bekannt und es ist unverständlich und unverantwortlich diese Chemikalien weiter zu produzieren und verwenden zu lassen. Natürlich stehen da gravierende wirtschaftliche Interessen dahinter. Aber in Europa gilt eigentlich das Vorsorgeprinzip. Und es müssten derart riskante Chemikalien aus Sicherheitsgründen aus dem Verkehr gezogen werden. Roundup zählt übrigens auch zu den hormonellen Disruptoren, weniger wegen Glyphosat, sondern wegen der Beimengungen. Etwas verwundert hat mich die Sicherheit mit der der Beitrag der Vererbung zur Intelligenz mit 70% angegeben worden ist. Ich habe in meinem Leben viele verschiedene derartige Prozentangaben erlebt und keine ist nicht nach einiger Zeit relativiert worden. Derart genaue Angaben sind schon wegen der außerordentlichen genetischen Komplexität rund um die Intelligenz und der Interaktionen zwischen Genom und Umwelt riskant. – Dr. Oskar Luger

Es ist beeindruckend, mit welcher Schnelligkeit die ZEIT das Titelthema in derselben Ausgabe umsetzt. Die Legende in „Torten der Wahrheit“ wäre vor 20, 30,40 Jahren überflüssig gewesen (unter der Voraussetzung, dass die Prämisse des Titelthemas stimmt). Katja Berlin – chapeau! – Volker Stöber

Vielen Dank für Ihre gute Übersicht über mögliche Faktoren, die zu einer Verringerung der menschlichen Intelligenz beitragen könnten. Eine weitere, nicht erwähnte Lebensstilveränderung, die ebenfalls Einfluss auf das Konzentrationsvermögen von Kindern hat, ist die Tatsache, dass viele Kinder immer weniger Zeit und interessante Freiräume zum eigenständigen Spiel finden. Zum einen resultiert daraus der gravierende Bewegungsmangel der meisten Kinder, der unter anderem wiederholt in der umfassenden KiGGS-Studie festgestellt wurde. Körperliche Bewegung ist auch über die Schulung des Bewegungssinns an kognitiven Vorgängen, zum Beispiel am Konzentrationsvermögen beteiligt. Zum anderen ist Spiel selbst das Fokussieren auf den Moment, mit zeitvergessenem Flow, Selbsttätigkeit, dem Erforschen und Erkunden, der eigenen Zielvorgabe, die ebenso eigenbestimmt wieder durch andere ausgetauscht werden kann. Durch die dadurch ermöglichte Kreativität werden Inhalte aus unterschiedlichen Bereichen zu etwas für das Kind völlig Neuem zusammengebracht. Spontanes zeitvergessenes Spiel ist ein Bedürfnis von Kindern, das bei ausreichender Gelegenheit im eigenen Tempo alle Sinne anspricht und eine kognitive Leistung ist. Das Ersetzen durch bewegungslose Beschäftigung mit elektronischen Medien sehe ich auch deshalb als sehr kritisch. An dieser Stelle würde ich mir mehr Forschung wünschen. Aber es gibt genug andere Gründe, auch jetzt schon Kindern freies Kinderspiel im Freien möglichst häufig zu ermöglichen. – Dr. Christiane Richard-Elsner

Um mit dem Ende des Artikels zu beginnen: nein, ich weiß auch nicht genau, was in unseren Köpfen vorgeht, habe aber dennoch meine eigene These. Neben der Intelligenz hat auch der gesunde Menschenverstand begonnen, sich schrittweise zu verabschieden, der uns mal sagte, was “man/frau” tut, was gut oder schlecht ist, oder was normal oder abnorm ist. Gute Sitten, Gebräuche oder Normen wurden allmählich geschleift Begonnen hat dieser Vorgang vor ca. 30,35 Jahren , zeitgleich mit dem Aufkommen des Privatfernsehens, und damit der flächendeckenden Volksverblödung . Man denke nur an diese unseligen Gerichtssendungen, oder Sendungen wie “Dschungelcamp” usw. – J. Grädler

Als Vater von sieben z.T. noch schulpflichtigen Söhnen war ich über den Artikel schockiert, aber im Ergebnis – was den Einfluss von im weitesten Sinne Computern angeht – nicht wirklich überrascht. Denn die Aussagen insbesondere zur abnehmenden Konzentrationsfähigkeit und damit einhergehend sinkendem IQ kann ich aus täglicher Beobachtung nur bestätigen. Letztlich fördern elektronische Medien die Zerstreuung und behindern eine Fokussierung auf zu erledigende Aufgaben. Das ist mit Untersuchungen des Hirnforschers Spitzer („Digitale Demenz“) absolut in Deckung. Vor diesem Hintergrund fragt man sich als Elternteil und Steuerzahler, welchen Sinn der Digitalisierungspakt haben soll, der von nahezu allen Parteien (außer der AFD) wie eine Monstranz vor sich hergetragen wird und als „Allheilmittel“ für die Bildungsmisere herhalten soll. Die praktische Umsetzung bei einem unserer Söhne sieht tatsächlich so aus, dass die Schüler Mathematikaufgaben hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades selbst aussuchen dürfen und als Belohnung ein Spiel auf dem Tablet winkt. Das Ergebnis ist vorhersehbar. Die Schüler (der 6. Klasse) wählen Aufgaben für die 2.Klasse aus (was möglich ist), um möglichst schnell spielen zu können. Hierdurch drängt sich der Eindruck auf, dass die Lehrer einerseits mit der Betreuung der digitalen Medien überfordert sind, was absolut verständlich ist und nur durch IT-Fachleute an den Schulen geleistet werden kann. Andererseits lässt die überparteiliche Zustimmung zum Digitalpakt und die Präferenz der Lehrerverbände m.E. nur den Schluss zu, dass hier wider besseres Wissen eine Methodik installiert werden soll, die die Lehrer entlastet, für die Schüler aber fatale Folgen hat. Wenn man dann noch bedenkt, dass die meisten Parteien überproportional viele Lehrer in ihren Reihen aufweisen wird die Motivlage klar. – Dr. Jörg Nunnenkamp

Da es für Leserbriefe nur wenig Platz gibt, will ich auch keinen langen Text schreiben. Aber eines erscheint mir wichtig. Die Kinder, vom Handy bestimmt, lernen vielleicht zu agieren und zu reagieren. Aber zu wenig zuzuhören, nachzudenken oder aktiv zu lesen. Lehrer sollen moderieren, damit die Kids selber handeln können. Aber was vor dem Handeln kommen muss, dafür muss man erst einmal hören und denken, oder? – Andrea Heurich

Spannende Gedanken und Thesen zu sich verändernden Einflüssen! Manches war mir neu (endokrine Disruptoren und ihre Wirkung auf die Schilddrüsen-Hormone), anderes ist mir seit vielen Jahren ein Anliegen, der Einfluss der Digitalisierung auf unser Menschsein. Natürlich ist der IQ eine abstrakte Größe aus teils zweifelhaften, kulturgeprägten und funktionsbezogenen Erfassungsmethoden… Und doch passen die Befunde doch so gut zu unseren ehrlichen Alltagsbeobachtungen im Umfeld – und teilweise auch an uns selbst: Wir verlieren durch die digitale Allgegenwärtigkeit und Allmacht viele menschliche Kernkompetenzen: -uns zu orientieren (Stadtplan lesen, sich Wege merken, den Himmel beobachten) -uns wahrzunehmen (Herzschlag, Schrittlänge, -uns zu fokussieren (zwischen Wichtigem und weniger Wichtigen unterscheiden) -uns zu vertiefen (abtauchen, innerlich weg-sein, schwelgen) -uns zu langweilen (Raum für Neues entstehen lassen)-direkt zu kommunizieren (nachfragen, sich anschauen, sich eindeutig mitteilen) Die Apps führen uns zum Fahrtziel, bestätigen uns den aktuellen Regen, informieren uns über unsere Anstrengung… Toll! Gut, dass zumindest ab und zu der Mainstream-Euphorie- und Erlösungsglaube bezüglich der Segenskraft digitalen Fortschritts hinterfragt wird, danke für diesen Aspekt in dem Artikel. Lasst uns schauen, wie wir die Kids ermächtigen, miteinander zu spielen und zu streiten, zu träumen, zu gestalten, sich wirklich zu interessieren, sich für ihre Belange zu engagieren! – Thomas Büchi

Den Artikel fand ich wiederum überaus bemerkenswert, zeigt er doch nach meiner Meinung, wie sehr Entscheidungsträger nicht in der Lage sind, Entwicklungen gescheit einzuschätzen, undzwar nach Maßgabe warnender, fachlicher Stimmen. Daß letzten Endes eingesetzte Entwicklungen auch auf diese Entscheidungsträger, also Manager, Vorstände, Gesetzgeber etc. zurückschlagen, scheint diese nicht zu interessieren. Wirtschaftliche Aspekte scheinen immer nur der Prämisse der scheinbaren und kurzsichtigen Billigkeit unterworfen zu sein. Wieso man dennoch in der Politik über Jahrzehnte so starr eingefahrene Wege beibehält, bleibt unerfindlich im Sinne einer dauerhaften „Staatsgesundheit“. Wenn also ein Staatswesen fast nur noch nach unintelligenten Entscheidungen und Vorgehensweisen regiert wird, inwiefern kann dies schon ein Ausfluß abnehmender IQ sein??!!!!!!!!!! Merke indianisches Sprichwort: Alles ist tot, das sich nicht ändert. Und ist es nicht so, daß es genug Sachverhalte gibt, die sich eben nicht oder nur scheinbar ändern oder nur scheinbar geändert werden? Und wenn sie in einer Vorgehensweise wie bisher geändert werden, wo ist dann der gewissermaßen abgesicherte Fortschritt??

Ich denke, man muß schon ziemlich um die Ecken herumdenken, wie Sie ja auch geschrieben haben, um mögliche Ursachen herauszufinden. In der Politik vermisse ich solches Denken. Warum ist das so und wie gefährlich kann das noch werden??? Die andere Sache ist, daß Sie nicht die Spurweite der Tazara Bahn erwähnt haben. Meines Wissens wählten die Chinesen eine zu kleine, woran seinerzeit das Bahnprojekt zumindest teilweise gescheitert sein dürfte. In Ägypten und in Marokko fährt man auf Regelspur 1435 mm , wie bei uns, im südlichen Afrika auf der Kapspur, 1067 mm. Eine neue Tazara – Bahn sollte also eher in Kapspur gebaut werden, um künftig problemlos an die anderen südlichen Netze angeschlossen werden zu können. – Es gibt kapspurige Erzwagen von gut 3 m Breite. Japanische kapspurige Dampflok hatten gut 2,9 m Breite. Da ist also einiges möglich. (youtube: japanese regional trains cab view). Merke: die Eisenbahn ist überregional immer nur so leistungsfähig, wie sie in technischen Anforderungen vernetzt ist. Bestes Beispiel sind die USA, wo z. B. verschiedenste Dieselloktypen gemeinsam gleichzeitig von einem Führerstand aus gefahren werden. (Güterzüge). – Michael Horstmann

Mich beschäftigt schon seit geraumer Zeit der Gedanke, ob die steigenden Zahlen an Demenzkranken ,oder der sinkende IQ, nicht auch mit der radikal steigenden Zahl an verordneten Cholesterinhemmer liegen könnte. – Ein/e Leser/in

Vielen Dank für dieses großartige, spannend geschriebene, gut verständliche und zum Nachdenken zwingende Dossier. Es ist in höchstem Maße beklagenswert und beängstigend, dass wir unseren Kindern und Enkeln nicht nur die Folgen der Treibhaus-Katastrophe hinterlassen, sondern auch unfähig sind, einem offensichtlich auf sie zukommenden degenerativen digitalen Desaster Einhalt zu gebieten. Der gerade erst mühsam ausgehandelte sogenannte „Digital-Pakt“: eine kontraproduktive Initiative mit negativen Auswirkungen. Was weitere IQ-senkende Faktoren betrifft, so kann man Wissenschaftlern wie Barbara Demeneix nur dankbar sein, dass sie sich vom massiven Widerstand der Chemie-Industrie nicht abhalten lassen, ihre ganze Energie in den Nachweis schädlicher Substanzen in Pestiziden, Flammschutzmitteln, Verpackungen und Kosmetika zu stecken. Bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament aus dem Report der Biologin bald die nötigen Maßnahmen in die Wege leitet. – Dr. Ludwig Engstler

Sie haben in Ihrem Artikel erwähnt, dass bei immer mehr Kindern ADHS diagnostiziert wird. Dies hat allerdings zu einem großen Teil nichts damit zu tun, dass mehr Kinder an ADHS erkranken ! Guckt man sich über die Inklusionsquote, die besagt wie viele Schüler*Innen mit Behinderung oder diagnostiziertem Förderbedarf an Regelschulen unterrichtet werden, hinaus die Förderquote, die sich auf die Anzahl der Schüler*Innen an Sonderschulen bezieht, an, wird deutlich, dass die Zahl der Schüler*Innen an Sonderschulen gleich bleibt. Trotzdem steigt die Inklusionsquote rasant an. Früher war eine Diagnose ausschlaggebend für einen Schulwechsel, weswegen oft kein Test durchgeführt wurde. Diese Hemmschwelle ist nun weg und die Schulen können sich sogar damit schmücken, wie viele Kinder mit Förderbedarf sie beschulen. Die Aussage ist somit so wie sie im Text steht nicht zu 100 Prozent korrekt. – Susanne Gahr

Ein sehr interessanter Bericht, der aber meines Erachtens eines ganz außer Acht lässt, nämlich, dass man den Kindern heute nicht mehr so viel zutraut bzw. zumutet. Sie müssen beispielsweise kaum noch Gedichte auswendig lernen, was gut fürs Gedächtnis ist. Rechtschreibung und Grammatik sind rückläufig. Werden noch Diktate geschrieben? Fächern wie Musik und Kunst wird nicht mehr so viel Bedeutung bei gemessen. Kurzum das Potenzial der Kinder wird nicht ausgeschöpft und ihre Neugier und ihr Wissensdurst nicht gestillt. – Angelika Adler

Der Artikel „werden wir immer dümmer“ informiert über ein auf die Gesellschaft zukommendes Problem, dessen Ausmaß wir alle noch gar nicht kennen-können: Liegt es, wie früher, am Jod oder anderen essentiellen Nahrungsbestandteilen, sind es die ltern…hier ist sicher eine deutliche Komponente erkennbar,wie es auch gesagt wurde. Ist es gar die mögliche Variabilität der IQ-Teste ? Eine allerdings sehr wesentliche Ursache für abnehmende IQ´s, welche nicht so recht betrachet wurde, dürfte aber die von Herrn Prof. M. Spitzer, Ulm, so schon genannte „Digitale Demenz “ sein! Seine Forschungsarbeit befasst sich mit diesem Thema schon des längeren und ich möchte hier die Leser auf ein sehr informativer Buch von Spitzer hinweisen, welches diesen Zesammenhang fundiert wissenschaftlich analysiert, und wessen Inhalte unbedingt in diese Diskussion gehören. Gerade jetzt, noch zu Beginn der z. T. so sehr propagierten Digitalisierung in den Schulen sollten es alle betroffenen Eltern kennen . Sein gleich lautender Titel : „Digitale Demenz “ – Dr. Conrad Hauptmann

Erstmal vielen Dank für den hervorragenden Artikel. Sehr schön auch, dass Sie sich bereits auf die fallende Intelligenz der Leser einstellen: Sie schreiben „Schilddrüsenhormon“. Keine Fachbegriffe mehr wie Thyronin, oder Thyroxin, oder was auch immer. Doch halt, nein, gilt nur für die Naturwissenschaften. Im Wirtschaftsteil stehen die Fachbegriffe für gewöhnlich. – Frank Hrebabetzky

Es ist traurig, sehr traurig – und beschämend! Da sitzen, wie unlängst in der NOZ berichtet, der Kultusminister und ein Schulleiter bei einer Tasse Tee zusammen in einer Grundschule in Wallenhorst (Niedersachsen) und bescheinigen sich gegenseitig ihre Konzeptlosigkeit, wenn es um den Lernstand der Schülerinnen und Schüler geht. Wenn doch jemand wüsste, wie die Basiskompetenzen der Kinder gestärkt werden könnten! Ich wüsste da jemanden. Seit Jahren pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die Kompetenzen der Kinder lassen immer mehr nach – angefangen bei einfachsten handwerklichen Fähigkeiten wie das Zustandebringen eines Knotens oder gar einer Schleife, zielführender Handhabung von Schere und Stift, über Kenntnisse der Sprache (unabhängig von der Herkunft) bis zu Aufnahme/Verstehen/Verarbeitung/Wiedergabe/Entwicklung von Informationen jeder Art. Von einem respektvollen Umgang ganz zu schweigen. Ja, da höre ich jetzt entsetztes Aufschreien. Wie kann man so etwas nur sagen?! Die armen Kinder! Das ist doch gemein und völlig unpädagogisch! Nein, unpädagogisch sind in meinen Augen Erwachsene, die es zulassen, dass Kinder derartig unter ihren Möglichkeiten bleiben, weil die Verantwortlichen es aus verschiedensten Gründen versäumen, sich souverän, kompetent und im Handeln konsequent um den Nachwuchs zu kümmern. Unpädagogisch ist, den Kindern durch Unterlassung, wenig durchdachtes oder nur emotionsgesteuertes Erziehungshandeln Zukunftschancen zu nehmen. Unglücklicherweise gehören zu erfolgreicher Erziehung/Ausbildung auch Verzicht, Rückgrat und Weitsicht. Man muss eben auch mal aushalten und durchhalten, um ein entfernteres Ziel zu erreichen – auch die Kinder. Das fühlt sich aber nicht so gut an. „Liebevolle Erziehung“ heißt leider seit Jahrzehnten, dass Kinder sich wohlfühlen, wenn all ihre Bedürfnisse augenblicklich erfüllt werden und sie alles bestimmen dürfen. Dass viele Kinder, neben ihren nachlassenden Kompetenzen, damit oft überfordert und orientierungslos sind, scheint unentdeckt zu bleiben. Die ehemals natürliche Ordnung, dass Erwachsene Orientierung und Sicherheit bieten, im Ja wie im Nein, ist beim heiligen Tanz ums goldene Kalb weitgehend untergegangen.

Aber ja, es gibt auch noch Erwachsene, die es schaffen, Kinder durch ihre Erziehung zu fröhlichen, interessierten, höflichen und tatkräftigen Menschen heranwachsen zu lassen. Es geht also. Wenn dann auch noch ausreichend Schlaf, ausbalancierter Medien- und Jodgehalt dazukommen, um so besser! Und diese Kinder sind nicht nur sehr umgänglich, sondern auch noch gut zufrieden, zumindest solange sie nicht täglich von Gleichaltrigen mit weniger vernünftigen Eltern gestört werden. Der Lernverhinderungsfaktor durch zwingend notwendige Erziehungshandlungen in Schule wird oft nur hinter vorgehaltener Hand geäußert, weil der zu erwartende Shitstorm neben den zu verhindernden Unterrichtsstörungen nicht auch noch ausgehalten werden kann. Es ist kein Wunder, dass unter den seit langem herrschenden gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedingungen immer weniger Menschen zu finden sind, die sich in diesem System, in dem „oft nur innerhalb von Abteilungen und Linien gedacht werde“ (G.H.Tonne), zermahlen lassen möchten – weit ab von Sinnhaftigkeit, Ge-recht-igkeit oder Anerkennung ihrer täglichen Arbeit. Pädagoginnen und Pädagogen werden mit Wissen der zuständigen Behörden ausgenutzt und fertiggemacht, weil Eltern auch in Schule meinen, das komplette Servicepaket, einschließlich Wohlfühlabitur, gebucht zu haben. Und da will kaum noch jemand mitmachen? Seltsam. Eine Frage: Ist es den Eltern und verantwortlichen Behörden tatsächlich ernst mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Menschen in unserem Land? Dann tut endlich was! Und zwar das Richtige! Ich hätte da ein paar Antworten…und da braucht man nicht mal den IQ zu messen. – Bo Larsson

Schon die Unterzeile des Artikels ist falsch: „Jahrzehntelang stieg der IQ in den meisten Industrienationen an, auch in Deutschland. Seit einigen Jahren aber sinkt er.“ Was steigt oder sinkt, ist nicht der IQ, sondern die Test-Leistung. Der IQ wird immer wieder nachjustiert, er bleibt im Mittel bei 100 und damit stets konstant. Historische Unkenntnis zeigen die Autoren bei der Erläuterung des „dysgenischen Effekts“. Die These, dass die Intelligenz absinke, weil die Armen und Ungebildeten mehr Kinder bekommen als die Reichen und Gebildeten, kam nicht erst auf, seit der „umgekehrte Flynn-Effekt“ diskutiert wird. Er ist viel älter: Schon Francis Galton – auch als Erfinder der Eugenik bekannt – schrieb im Jahr 1869, in zivilisierten Gesellschaften sei die Fruchtbarkeit der befähigten Klassen vermindert, während die „Nichtehrgeizigen“ am meisten Nachkommen aufzögen: „So verschlechtert sich die Rasse allmählich, wird in jeder folgenden Generation für eine hohe Zivilisation weniger tauglich.“ Damals gehörten weniger als ein Prozent der Erwerbstätigen zum Bildungsbürgertum. Ein Großteil der heutigen Akademiker dürfte also von jenen kinderreichen, unbedachtsamen und nichtehrgeizigen Bevölkerungsteilen abstammen, denen Galton schlechte Erbanlagen zuschrieb.

Für die Zuwächse der durchschnittlichen IQ-Test-Leistung während der vergangenen hundert Jahre kann es unterschiedliche Gründe geben – einer davon ist die Bildungsexpansion. Die Zuwächse waren mal stärker und mal schwächer. Natürlich kann die Test-Leistung auch stagnieren oder wieder zurückgehen, wenn beispielsweise die Schulen exklusiver und die sozialen Schichten undurchlässiger werden. Die Gene muss man in diesem Zusammenhang nicht als Erklärung bemühen. Und wenn Prof. Frank Spinath sagt, „ein gut gestelltes Elternhaus“ habe „schon eher günstige Gene zu vererben“, dann sollten Wissenschaftsjournalisten kritisch nachfragen: Woher weiß er das? Aus den von Prof. Spinath durchgeführten Zwillingsstudien jedenfalls lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ableiten. – Martin Niggeschmidt

Nein, nicht „die Wissenschaftler“ sprechen von „dysgenischen Effekten“. Sondern dieser Begriff kommt aus einem ganz bestimmten Zirkel von Akademikern, die Intelligenzforschung in der Tradition der Eugenik betreiben und propagieren. Diese Tradition ist geprägt von interessengeleiteten Ansätzen, verzerrungsanfälligen Methoden und einer Vermischung von Wissenschaft und politischer Agitation, wie sie der Eugenik-Begründer Francis Galton explizit angestrebt hat. Ein wesentliches Finanzierungs- und Anstoßinstrument war bis in die Gegenwart hinein der 1937 von einem amerikanischen Fan der Nazi-„Rassenhygiene“ gegründete „Pioneer Fund“. Oft anzutreffen in Verbindung mit der Rhetorik von dysgenischen Effekten sind die Tabubrecher-Pose und der Anspruch, die wahren Fakten zu vertreten, die wegen „politischer Korrektheit“ unterdrückt würden. Das scheint gut in den Zeitgeist zu passen. Forsche Zahlenangaben wie „Misst man die Intelligenz bei Erwachsenen, sind 80 Prozent der Unterschiede ererbt“ (Die Macht der Gene, ZEIT 43/2018), „Unsere genetische Ausstattung bestimmt mindestens zur Hälfte, wie wir uns in unseren wichtigsten Charaktermerkmalen von anderen unterscheiden“ (Tief in den Genen, ZEIT 08/2019), „Die Gene erklären bis zu 70 Prozent der Intelligenzunterschiede“ (im o.g. Artikel) stammen alle aus Interpretationen von Forschungen in besagter Tradition. Sie sind aber falsch, bzw. selbst mit der Einschränkung „bis zu“ zumindest irreführend. Denn zu den methodischen Fallstricken der wesentlich zugrunde liegenden Zwillingsstudien gehört, dass die untersuchten getrennt aufwachsenden Zwillinge in den seltensten Fällen in wirklich sehr verschiedenen Milieus aufwuchsen. Bei ungewöhnlich großen Milieuunterschieden wurden in Zwillingsstudien die entsprechenden Werte z.T. sogar herausgerechnet. Unterschiede bei Umwelteinflüssen können genetisch bedingte Unterschiede ganz und gar überlagern; dieser Aspekt wird aber nicht in griffige Zahlen gefasst. Die Wahrnehmung wird von Zahlen geleitet, wie fragwürdig diese auch sein mögen (so auch bei diesem Artikel; behauptete Zahlen werden mit großen Bildern von klug und ansprechend aussehenden Fotomodellen hervorgehoben). Dies kann zu folgenreichen falschen Schlussfolgerungen führen.

Wer sich über Berührungspunkte zwischen Intelligenzforschung, Eugenik und Rassenideologie weiter informieren will, findet einen Einstieg z.B. mit folgenden Büchern: 1) „Der Mythos vom Niedergang der Intelligenz: Von Galton zu Sarrazin: Die Denkmuster und Denkfehler der Eugenik“ von Michael Haller und Martin Niggeschmidt, 2012; 2) „The Funding of Scientific Racism: Wickliffe Draper and the Pioneer Fund,“ von William H. Tucker, 2002 (leider bisher wohl noch nicht ins Deutsche übersetzt). Ein weiteres, in dem Zusammenhang lesenswertes Buch ist als Zeitdokument eine augenöffnende Lektüre: „Die Vererbung der geistigen Begabung“ von Friedrich Reinöhl, erstmals erschienen 1937 (antiquarisch erhältlich). Der Autor schrieb u.a., mit Bezug auf amerikanische Quellen, über „Ergebnisse der Begabungsprüfung bei Rekruten von 11 435 in Europa geborenen Rekruten des amerikanischen Heeres“. Danach gäbe es eine Reihenfolge von höher und niedriger Begabten je nach Herkunftsland. Schlusslichter waren Polen an letzter und Italien an zweitletzter Stelle. Zitat: „Die Abbildung läßt ohne weiteres erkennen, daß die Rekruten umso bessere Prüfungsergebnisse aufweisen, je stärker in ihren Ursprungsländern die nordische Rasse vertreten ist.“ Damals wie heute waren Intelligenztests bei Rekruten ein großes Thema für Intelligenzforscher; damals wie heute sind die Interpretationsmöglichkeiten vielfältig. Welche Schlüsse aus solchen Tests gezogen werden, unterliegt dem Zeitgeist. – Dr. med. Heide Richter-Airijoki

Wir werden seit Jahren – und das zunehmend und mehrfach täglich – durch alle Medien mit einer Informationsflut überfrachtet. Jüngstes eklatantes Beispiel ist der unendliche Brexit mit seinen vielen Windungen. Diese Wucht wird irgendwie reingedrängt und abgespeichert. Speicher sind aber schon immer Engpässe gewesen. Nimmt es da Wunder, wenn hinten etwas herunterfällt, und sei es der Quotient. – Ernst Hankammer

Es wird nun beinahe schon zur Marotte mit der immer gleichen Begeisterung zu verkünden, dass sich unsere Gesellschaft genetisch schon ganz gut zurecht gerüttelt hat. Wohlhabende sind jetzt nicht nur gebildeter als Unterschichten, sie sind genetisch bedingt intelligenter. Diese Erkenntnis ist offenbar so verlockend, dass sie kaum bewiesen werden muss und andere wissenschaftliche Forschungen über Bildungsbenachteiligung prompt vergessen werden. Mir fehlt die Neugier auf Lebens- und Lernbedingungen in Familien, die mit Armut, mit psychosozialen Belastungen zu kämpfen haben, auf Familien die Bildung und damit auch Intelligentstest nicht mit dem geringen Schwierigkeitsgrad, akademisch umsorgter Frühförderung, wirtschaftlicher Stabilität und Sorgenfreiheit kontinuierlicher Bildungsunterstützung absolvieren. Wir wissen durch Pisa, dass Deutschland noch Luft nach oben hat, wenn es um die Angleichung von Bildungschancen geht – mehr als andere Länder. Das ist doch das spannende Thema, wie kann es gelingen Kinder aus uns „bildungsfernen“ Elternhäuser zu fördern. Wie gelingt es, die bürgerliche Angst vor den Aufsteigerinnen und Aufsteigern aus diesen Milieus mit Vernunft zu begegnen? Statt dessen viel selbstzufriedenes Gemurmel aus der ZEIT, dass es nicht um Gerechtigkeit, sondern um ominöse Gene geht. Mehr Bourdieu und weniger Plomin würde die ZEIT hier wesentlich intelligenter aussehen lassen. – Dr. Heike Schmidt

Diese Diagnose ist durchaus nachvollziehbar. Das Internet wird zunehmend zum Lebensmittelpunkt unserer Gesellschaft. Die uns dort zur Verfügung stehende, allzu bunte Informationswelt überfordert zum einen bei der Einordnung vermeintlicher Fakten und Sachverhalte, unterfordert zum anderen bei der gründlich reflektierenden Themenauseinandersetzung durch schnelle Lösungsangebote. Gleichwohl bietet das Internet mit vielen interaktiven Lernmodulen großartige Möglichkeiten, den eigenen Horizont zu erweitern. Doch gilt auch hier: Selber (mit)denken macht schlau. Im Bereich der emotionalen und sozialen Intelligenz indes sehe ich, insbesondere die Digital Natives betreffend, die Zukunft weit weniger „smart“. – Matthias Bartsch

Vielen Dank für Ihren erhellenden Artikel über das Sinken des IQs. Insbesondere die Passage über die Tabletklasse/Digitalisierung der Schulen hat mich nicht weiter überrascht, war aber trotzdem – puh – ganz schön schockierend! Er kam für mich gerade im richtigen Moment: just am Donnerstag Abend gab es bei uns in Kempten ein „Rathausgespräch“ mit dem Oberbürgermeister, den Vorsitzenden der Elternbeiräte, diversen Schulleitern etc. zum Thema „Zukunft der Schule“ – ein Schwerpunktthema war die Digitalisierung der Schulen. Ich hatte mich vorab recht intensiv mit dem Thema beschäftigt und Ihr Artikel passte genau ins Bild… Bestärkt duch Ihren Artikel habe ich die Gelegenheit genutzt, den Oberbürgermeister (ein Pädagoge a. D.) auf das Thema anzusprechen. Ich wage zu behaupten, dass die „Digitalisierung von oben“ letztlich weder von schulischer noch von elternlicher Seite so recht erwünscht ist und hoffe nur, dass dieser Irrsinn noch irgendwie gestoppt werden kann! – Gesine Weiß

In leistungsorientierten Gesellschaften wird dem IQ eine herausragende Bedeutung zugemessen. In den zunehmend hedonistischen westlichen Gesellschaften treten neben das Streben nach purer intellektueller Leistungsfähigkeit andere, individuell geprägte Ziele wie die Selbstverwirklichung zumindest gleichranging hinzu. Eine interkulturell angelegte Studie, die auf einem Vergleich mit den aufstrebenden asiatischen Gesellschaften aufbaut, könnte hier Klärung und Möglichkeiten für eine Antwort auf das Absinken des IQ in der westlichen Welt bieten. Die in dem Beitrag zitierte, im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie benennt Umweltfaktoren, die die geistige Entwicklung hemmen könnten. Sie taugen allerdings nicht unbedingt den seit zwei Jahrzehnten rückläufigen IQ zu erklären, nachdem dieser jahrzehntelang trotz steigender Belastungen durch den Einsatz von Chemikalien gestiegen ist. Seit den 1980er Jahren ist das Bewusstsein für die Gefahren gestiegen, und über Risikoabschätzungen, das Setzen von Grenzwerten und Verbote werden seitdem Belastungen abgebaut. Dies gilt insbesondere auch für die in dem Beitrag genannten PBDE. Nicht zu vergessen ist in diesem Kontext das Nervengift Blei aus den Auspuffen der KFZ, dem bis Ende der achtziger Jahre von der Wiege bis zur Bahre kein Mensch entkommen konnte. – Dr. Hans-Günther Vieweg

War die hintersinnige Ironie in der Überschrift angesichts des folgenden Inhalts als Test für ZEIT-Leser gedacht? Neben den wichtigen naturwissenschaftlichen Aspekten könnte auch schlechtere Qualität des Schul-Unterrichts (Strukturierung, Übungen, Anforderungen der Lehrer, …) bedeutsam sein. Versagen nicht auch Eltern und Lehrer samt Kultusministern, wenn sie unstrukturierten „Kuschelkurs“ fahren, anstatt hier und da klar zu machen, dass es auch anders gehen soll? Vor 50 – 60 Jahren waren die Fach-Lehrer vielleicht besser ausgebildet und stellten auch von Anfang an klare Anforderungen an sich selbst und ihre Klientel? In vielen Jahren Tätigkeit als Hochschul-Lehrer habe ich bei einem sukzessiv zunehmenden Anteil der Studenten fehlende Kenntnis der Oberstufen- und auch Teilen der Mittelstufen-Mathematik er­lebt. Dennoch hatten sie das Abitur bekommen! Ja, wenn es auch so geht!! Längerfristig ist der Schaden – wie sehr richtig beschrieben – leider groß. Wie soll bspw. „die Energiewende“ mit diversen drängenden offenen technischen Problemen gelingen, wenn notwendige MINT-Fächer ungern gewählt werden? – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

Der Intelligenz-Quotient (IQ) sinkt in den meisten Industrieländern. Frau Nataly Bleuel nimmt dieses nicht zu übersehende Phänomen auf und liefert die wissenschaftliche Datenbasis für diesen Trend. Mit den isolierten Wirkungsmechanismen von Endokrinologie, dem sozialen Umfeld und einem vermuteten 70% genetisch vorgegebenen IQ bleibt sie die angekündigte Antwort nach dem Warum schuldig. Eine zitierte norwegische Studie weist nach, wie der IQ in alteingesessen Familien sinkt. Dieses Phänomen widerspricht der populistischen These Arme und Ungebildete würden mit ihrem Kinderreichtum den IQ verschlechtern. Martin Korte betont den unzweifelhaften Effekt: „Zuviel auf einmal stört das Denken“, den agilen Methoden längst vermeiden und als „single tasked“ erfolgreich umsetzen. Ohne die Wirkprinzipien zu kennen, werden Smartphones als Denkstörer für den sinkenden IQ identifiziert. Stimuli, wie eine eingehende Nachricht auf einem Smartphone oder ein Gedanke an eine noch nicht erledigte Aufgabe, initiieren einen neuen Gedanken. So ist es nur eine Begleiterscheinung, dass sie bestehende Gedankenprozesse stören können beziehungsweise beenden. Das Initiieren neuer Gedanken weist den Weg zur tieferen Ursache. Zieht man ins Kalkül, wie Gedanken entstehen und vor allem wie sie enden, wird das Phänomen des sinkende IQ einfach zu erklären. Bedeutender scheint mir, dass auf Basis der Wirkprozesse Maßnahmen abgeleitet werden können, wie vor allem junge Menschen gefördert werden können. Die Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition ist die tiefere Ursache, warum der IQ gerade sinkt. Diese Erklärung fordert neues Denken und die Abkehr von linear kausalen Ursachen. Denken ist ein zyklischer Prozess, den das Emotionssystem bei ausreichender emotionaler Bedeutung initiiert, indem das Kognitionssystem aktiviert und in der Folge aus beiden Systemen ein kohärentes Weltbild erzeugt wird. Das kohärente Weltbild ist häufig ein Gedanke, der mit allen Sinnesausdrücken ausgestatten sein kann. Das kohärente Weltbild kann erneut als internaler Stimulus für den Gedankenkreislauf wirken, der erst dann endet, wenn das Emotionssystem den Gedanken als stimmig bewertet. Das verlorene Vertrauen in die eine Wahrheit beziehungsweise in eine diskursive Wahrheit, in glaubwürde Fakten oder vertrauenswürdige News sowie das Überhandnehmen populistischer und beliebiger Aussagen haben das Emotionssystem das Kriterium genommen, um Gedanken in Zyklen reifen zu lassen, damit sie später als IQ sichtbar werden. Ein kohärentes Weltbild: „das kann man so oder so sehen“ wird meist als stimmig bewertet und beendet damit den Gedanken. Bewusstes Denken, das durch ein „unstimmig“ im Emotionssystem angestoßen wird, ist ein anstrengender Prozess. Etwas nicht zu wissen sowie im Widerspruch zu einer Aussage zu sein, löst zusätzlich unangenehme Gefühle aus. Diesen weichen viele mit Botschaften an das Emotionssystem aus:

  • beliebige Begründungen: „das kann man so oder so sehen“
  • Behauptungen: „wir haben keine Zeit“ oder „der Markt gibt das nicht her“
  • ausweichende Aussagen: „bei den anderen ist es auch nicht besser“
  • Einstreuen von Buzzwords „ein starkes Ego lässt das nicht zu“
  • sofortige Angriffe: „analysiere und bewerte mich nicht“
  • Intellektuelle Verschiebung des unangenehmen Gefühls: „mit dieser Schuldlogik dürfen sie sich nicht wundern, dass ich mit einer Aggressionslogik reagiere“

Die beiden Effekte, unangenehme Gefühle und der anstrengende Charakter von Denken, befeuern die Entwicklung des Weniger-Denkens zusätzlich. Das Phänomen, dass Gedanken enden, wenn sie als stimmig bewertet sind, ist banal und so alt wie die Menschheit selbst, wie Aristoteles bereits bemerkte: „Wir benutzen unseren Intellekt nur dafür, um unsere bereits getroffenen Entscheidungen im Nachhinein zu erklären“. Das Emotionssystem sorgt jedoch bei einer hohen Anzahl von Stimuli und einer beliebigen Faktenlage dafür, dass Gedankenzyklen enden, bevor sie sich in den Gedächtnissystemen verfestigen. Mit dieser Erklärung lassen sich sowohl Nutzung von Smartphone als auch soziale und gesellschaftliche Gegebenheiten nicht generell als Verursacher für den sinkenden IQ verantwortlich machen, genauso wie sie als Verursacher vermeintlich sichtbar werden. Die Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition erklärt stringent das Phänomen des sinkenden IQ. Menschen lernen nur dann, wenn „Neues“ eine bestimmte Bedeutung für das Emotionssystem hat, was vor allem im Widerspruch zu bestehendem Wissen der Fall ist. Aus diesen Erkenntnissen ließen sich Maßnahmen ableiten, wie Menschen in ihrer individuellen Entwicklung selbstwirksam gefördert werden könnten. Der IQ als Hoffnungsindikator für eine sich entwickelnde Menschheit würde in der Folge wieder steigen. – Richard Graf

Die Konsequenzen sollten klar sein: Analyse längerer und anspruchsvollerer Texte, mehr und besserer Mathematikunterricht, weniger Fotos und Videos und infantile Lernspiele in der Schule, Verbot von Smartphones in Schulen, Hochschulen, Restaurants etc., Verpflichtung zur Jodierung von Salz, vor allem aber ein Verbot, chemische Stoffe ohne vorherige ausreichende Langzeituntersuchungen einzusetzen. Wird uns die chemische Industrie, nachdem uns die Erdöl und Kohle fördernden und verbrauchenden Industrien durch jahrzehntelange Leugnung oder Relativierung des Klimawandels aus reiner Profitgier die Klimakatastrophe beschert haben, nunmehr die Verblödungskatastrophe bescheren? Es wird höchste Zeit, endlich das Gemeinwohl über die partikularen Profitinteressen der Industrie und auch über die Konsuminteressen erkenntnisresistenter oder schlicht und einfach rücksichtslos egoistischer Verbraucher(innen) zu stellen. Nebenbei: Welchen Erkenntnisgewinn sollen eigentlich die riesigen Fotos bringen? – Dr. Ulrich Willmes

Manchmal nerve ich meine Zeitgenossen; spüre das in Vorträgen, in meinen Statements. Aber es führt nun mal kein Weg vorbei: Der Chemiecocktail, den sich die Meisten tagtäglich auf die Haut schmieren über mit synthetischen Substanzen vollgestopfter Kosmetik, über hübsch-häßlich duftenden Plastikparfums – dazu noch die leckeren Zusatzstoffe in der Ernährung. Für mich KEIN Wunder, wenn sich diese nun als endokrine Disruptoren herausstellen; d.h. sie an der Entstehung von Schilddrüsenerkrankungen beteiligt sind (im Körper genau jene Rezeptoren behindern, an die die Schilddrüsenhormone andocken). Danke für Ihr Dossier. Jetzt hat mir die Wissenschaft weitere Argumente geliefert und ich „darf“ weiter nerven, zum Wohle unserer Gesundheit; Umwelt und nun auch zum Erhalt unserer Intelligenz! Einzig der Widerspruch: Zu einer Zwangsbeglückung durch gesetzliche Vorgabe „Jod im Salz“ halte ich nichts, da für mich als Schilddrüsenerkrankte zusätzliches Jod schädlich ist! – Beate Nagel

Es tut mir weh, so einen Schwachsinn lesen zu müssen. Abgesehen von fehlenden Quellenangaben zum Thema Veränderbarkeit von Genen durch Schokoladenkonsum fehlen wichtige Informationen in Ihrem Artikel: So erwähnen Sie beispielsweise mit keinem Wort die Selbstwirksamkeit und erwähnen auch keine Aspekte positiver Psychologie. Beginnend damit, ob Intelligenz etwas ist, das sich in Zahlen messen lässt, lassen sie die Umstände eines solchen Testes und die Perspektiven außer Acht – die Durchführung eines IQ-Testes ist eine missbräuchliche Praxis, die vor allem Minderjährigen Grenzen ihrer Kapazitäten aufzwingt (was passiert mit Kindern, die in jungen Jahren gesagt bekommen, sie sind nicht intelligent? Sie glauben es, die hegemoniale Psychologie wird sicher recht haben) ohne dass diese sich ausreichend dagegen schützen können (alleine aufgrund ihrer emotionalen Bindungsstruktur zu Eltern und Autoritäten wie Lehrer*innen oder Mediziner*innen). Welche Karriere wird ein Kind hinlegen, dass de facto als „Problem“ gesehen wird – mit diesem Mindset gehen sicher mehr als 2% Leistung verloren, da können sie Gift drauf nehmen.

Vielleicht würde es auch zur Abwechslung helfen, wenn Sie die Artikel Ihrer Kolleg*innen lesen und zu Herzen nehmen – was haben wohlhabende Akademikerfamilien ihren Mitmenschen außer Geld und scheinbar intelligenten Genen auch noch voraus – richtig, die gesellschaftliche Position der Deutungshoheit über Richtig und Falsch – das „weißer-alter-Mann-Syndrom“ wie es in der letzten Ausgabe kursierte. Diese Geisteshaltung ist ebenfalls anerzogen und sorgt ganz im Sinne der Selbstwirksamkeitserwartung dafür, dass sich jene überlegen fühlen und in ihre Wirkungskreis eher durchsetzen als Altersgenoss*innen. Was wäre, wenn wir unseren Kindern vermitteln, sie könnten alles werden und alles lernen? Vermutlich würden sie aufblühen und nicht an Grenzen ihres Gehirns glauben, Grenzen, die es überhaupt nicht gibt, denn ein Mensch bleibt sein Leben lang lernfähig, und unsere Kinder würden eine Vorstellung von Intelligenz in Zahlen überwinden und sich stattdessen auf das Wesentliche fokussieren: Lernen aus intrinsischer Motivation, Rettung des Klimas, Beseitigung von Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. – Miriam Schill

Mir gehen viele Texte – speziell in der ZEIT – zunehmend auf die Nerven, die irrelevante Fakten in eine Reportage einführen, welche nur dazu dienen, den Text aufzuplustern. Das geht dann etwa so:
„Eine staubige Straße, die nach nirgendwo zu führen scheint. Einige scheinbar unbewohnte Häuser mit vernagelten Fenstern blicken leblos auf die Landschaft“ etc. ad nauseam.
Anlass für meinen Brief ist der verdienstvolle Artikel im Dossier 14/2019 „Wir waren mal schlauer“. Mir geht es nicht primär um die Autoren dieses Artikels, sondern um eine phrasengefüllt Prosa, die nur Druckerschwärze, Papier und meine Zeit verschwendet. Wieso muss ich 56 Zeilen lesen für die einfache Feststellung: „Schuleingangs-Untersuchungen zeigen, dass zunehmend mehr Kinder Schwierigkeiten bei grundlegenden intellektuellen Fähigkeiten haben“? Wieso muss mich interessieren, wo Flynn lebt und dass er seine erste Umfrage per Briefpost machen musste? Und dass er heute keine Schreibmaschinenbriefe mehr versenden musste? Wen interessiert die Bekleidung und die Hobbies von Spinath? Ich will nur wissen, ob er ein anerkannter, qualifizierter Wissenschaftler ist, dessen Aussagen man ernst nehmen kann. Und dann der Klassiker, wie ich ihn oben erfunden habe: „Es ist der Montag nach den Halbjahreszeugnissen … warten die Lehrer tuschelnd auf … Korte“ Warum muss ich das lesen? Tatsache ist, dass ein renommierter Wissenschaftler die Hoffnungen auf die Digitalisierung des Unterrichts begräbt. Muss ich dazu 40 Zeilen lesen? Wen interessiert, dass die Lehrer erst wenig, dann nichts mitschreiben und der Schulleiter ein Pokergesicht aufsetzt?

Es folgen noch weitere Beispiele, etwa zu dem Dorf in Sizilien, in dem die Zahl der Kretins durch Jodsalz verringert wurde (32 Zeilen), usw. Wozu dient diese aufgeschäumte, inhaltsleere Prosa? Glauben die Journalisten, die Leser der ZEIT können keine Informationen verarbeiten, wenn man sie nicht mit Belanglosigkeiten verdünnt? Oder soll nur der Eindruck verdeckt werden, dass man zum Thema eigentlich so viel nicht zu sagen hatte? Oder haben die Redakteure Postmanns Warnungen nicht mehr im Ohr? Es wäre kein großes Problem, das Dossier um 30-50% zu kürzen, bei gleichbleibendem Informationsgehalt und besserer Lesbarkeit. (Vielleicht eine gute intellektuelle und sprachliche Übung für den Nachwuchs?) Ich würde mir wünschen, dass die ZEIT auf diesem Gebiet mit gutem Beispiel voran geht. – Norbert Bolz

Manche sagen, früher war alles besser. Es ist nicht leicht zu sagen, wann früher war, doch vor 1928, als Alexander Fleming das Penicillin entdeckte, waren nicht alle Krankheiten heilbar und oft tödlich. Auch lange nach der Entwicklung von Antibiotika sind nicht alle Krankheiten heilbar, manche jedoch nicht unbedingt tödlich. Heute gibt es Krankheiten, von denen Fleming gar nichts wusste, von denen er bestimmt nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Eine von diesen startete erst in den letzten zwei Jahrzehnten richtig durch und nimmt inzwischen Dimensionen einer Volkskrankheit an. LRS ist heute eine anerkannte Krankheit, die bereits mit gesellschaftlicher Akzeptanz und selbstbewusst in Anspruch genommen wird. Dies mag ketzerisch klingen, aber eine Diskussion erscheint durchaus notwendig, weil die Krankheit bis in unsere höchsten Ausbildungsstufen vorgedrungen ist und nicht nur am Gymnasium einige fragwürdige Konsequenzen offenbart. LRS ist die Abkürzung für Lese-Rechtschreibschwäche. Dafür, dass es sich hierbei um eine Krankheit handelt, ist die Diagnose spektakulär: Für die Diagnose braucht man nicht einmal einen Arzt, das kann auch der Schulpsychologe. Ich möchte nicht auf die Art und Weise eingehen, mit der ein solcher Test erfolgt, den aber jeder halbwegs geeignete Gymnasiast austricksen könnte. Und auch über die Aussagekraft von IQ-Tests lässt sich wohl auch in Wissenschaftskreisen trefflich streiten. Diese Krankheit ist aber auch deshalb so problematisch, weil Patienten mit LRS groteske Vorteile bekommen. Betroffene Schüler bekommen Zeitvergünstigungen, z.T. Verlängerungen von bis zu 50% bei Prüfungen, auf Antrag dürfen Rechtschreibfehler nicht gewertet werden, Arbeitsaufträge sollen einzeln vorgelesen werden und einiges mehr. Wie kann es sein, dass die Zahl solcher Sonderfälle rasant ansteigt? Durchschnittlich vier bis fünf Prozent der Kinder sollen davon betroffen sein, in einigen (gut situierten) Gegenden ist der Anteil weit höher. Wie kann es sein, dass sich in einer leistungsorientierten Gesellschaft noch keiner darüber beschwert hat, dass Schülern derartige „Wettbewerbsvorteile“ gegenüber den gesunden zugesprochen werden?

Wie krank ist Deutschland also, wenn in der apostrophierten Leistungsgesellschaft derart viele Schüler unserer höchsten Bildungsstufe und schließlich auch Studenten solche Sonderfälle aufweisen? Muss man sich Sorgen machen? Dabei ist es doch zutiefst menschlich, auch Schwächen zu haben und mit ihnen umgehen zu können. Auch das ist eine Sache, die man lernen muss – vielleicht sogar gerade in einer Leistungsgesellschaft -, anstatt manche Fälle vorschnell als Krankheit abzutun. Warum sollte ein genialer Mathematiker nicht auch eine Schwäche in der Rechtschreibung haben können? Würde es seinen Nimbus als Genie beschädigen? Umgekehrt würde man ja womöglich nicht entsprechend milde urteilen: Jemanden, dessen Rechtschreibung in Ordnung ist, der aber in Mathematik eher schlecht ist, würde man unvermittelt eher nicht als krank, sondern als weniger talentiert erachten. Aber auch da spricht man schon von Dyskalkulie. Noch eine Krankheit. Wie sieht es mit anderen Disziplinen aus? Muss ich mir das Konzert eines Pianisten anhören, der nach jedem Takt aussteigt, oder hilft es, ihn zum Arzt zu bringen? Ist es Diskriminierung, wenn ich bei der Olympiade dem letzten im 100m-Lauf die Goldmedaille verweigere? Hilft dabei eine attestierte Adipositas? Oder sollte man seinen Startblock 5m in Richtung Ziel verschieben – oder sogar um 50% der Strecke? Schule war mit ihrer Allokationsfunktion immer auch ein Ort des Wettbewerbs und in jedem sportlichen Wettkampf sind wir es auch gewohnt, dass derjenige mit der besten Veranlagung/Talent, mit dem größten Übungs-/Trainingsfleiß etc. gewinnt. Der zweite bei der Olympiade ist nicht zweiter geworden, weil er (genetisch) krank ist.

Um einigen vorschnellen Urteilen vorzugreifen: Inklusion, das Unterrichten von Schülern mit körperlicher Einschränkung unter vergleichbaren Bedingungen, mag – soweit praktikabel – ein löblicher Aspekt von Schule sein. Dennoch müssen die Leistungen aller Schüler vergleichbar sein! Dazu ist es aber notwendig, die Einschränkungen zu differenzieren. Schule ist keine Sportkaderschmiede und auch kein Handwerksverband, also ist es nur selbstverständlich, dass Schüler mit körperlichen Einschränkungen Möglichkeiten zur Verfügung haben, diese auszugleichen. Schule ist jedoch eine Denkstätte, die also per se nach Intellekt unterscheidet – nicht zuletzt auch durch eine Graduierung mittels verschiedener Schultypen. So stellt sich die Frage, wo sind die Grenzen zwischen Krankheit und Begabung, wann ist die genetische Disposition als Krankheit oder als Grenze des individuellen Intellekts zu werten. Die entscheidende Frage ist jedoch, was diese abstruse Gleichmacherei bringen soll. Letztlich hat die Allokationsfunktion von Schule und Studium in erster Linie den einen Sinn, jedem Arbeitgeber eine Arbeitskraft seines entsprechenden Bedarfes „zuzuteilen“ und einem Arbeitnehmer einen seinen Fähigkeiten entsprechenden Beruf. Worin liegt der Nutzen, einem Personalchef eine „beschönigte“ Note vorweisen zu können, wenn der zukünftige Lektor aufgrund einer LRS-Disposition seiner Aufgabe nicht gerecht werden kann. Dies ist sicher ein unwahrscheinlicher Fall, weil man davon ausgehen kann, dass eine solch unglückliche Berufswahl kaum realistisch scheint, aber in abgestufter Art und Weise wird hier Wettbewerbsverzerrung betrieben, da – trotz verbesserter Prüfungsbedingungen – die Krankheit im Abiturzeugnis nicht mehr aufgeführt werden darf.

Wenn man die Frage stellt, ob wir immer dümmer werden, muss man auch fragen, woher die gestiegenen Raten von Lese-Rechtschreibschwäche kommen, welchen Einfluss die digitalisierte Welt der Jugendlichen heute hat, welchen das Verschwinden anspruchsvoller Bücher oder vielleicht sogar regionaler Jodmangel haben – aber vor allem, was wir als Gesellschaft wollen. Ist uns überkandidelte Gleichmacherei wichtiger als Leistung? Wie wichtig ist es, möglichst niemandem zu nahe zu treten und lieber manches als Krankheit abzutun oder diese Bemäntelung als altruistische Gesinnung? Wenn man diese Fragen beantwortet hat, dann wäre es an der Zeit, kreative Ideen zu entwickeln, wie man damit umgehen soll. Das wäre eine lohnendere Aufgabe mit offenbar enormen volkswirtschaftlichen Auswirkungen, als den schwarzen Peter bequem einfach nur Krankheiten, mangelnder Digitalisierung in Schulen oder „veralteter“ Pädagogik zuzuschieben. Die Verkündung des Bildungsheils versprach einst Gymnasiasten vom Fließband – auch das eine Wurzel des Übels. Mit blinder Orientierung an „PISA-Schnitten“ und dem Versuch einer inflationären Akademisierung der Gesellschaft trat der Leistungsgedanke in den Hintergrund und damit ist Sand ins Getriebe unseres Bildungssystems gekommen. Man muss kein Statistiker sein, um zu wissen, dass Bildung sich nicht einfach in irgendwelchen Notenschnitten – die vielleicht ein politisches Steckenpferd sind – abbilden lässt und damit auch keine Aussagekraft besitzen, sofern nicht das zugrundeliegende Niveau definiert ist (und auch gleich ist). So sollte Schule nämlich nicht zu einer Institution verkommen, in der man nur nach irgendwelchen grauen Zahlen heischt, sie sollte ein Raum bleiben, in dem Wissen vermittelt wird, Talente gefördert werden und im Idealfall der Spaß am Lernen über die Ausbildungsphase hinaus angeregt werden soll. Wo bleibt denn der Spaß am Lernen, wenn man seine ganze Kindheit mit dem Stigma einer Krankheit zubringt? Deshalb ist Schule noch lange kein Raum der Diskriminierung oder Wertzuweisung, sondern ein Ort fairen Wettbewerbs, den man auch gesunden, talentierten Schülern zugestehen sollte. – Ein/e Leser/in

Die Zeit schnallt sich den „Sprengstoffgürtel“ um. Hypothesen (!) zum sinkenden IQ werden zu „kleinen (!) Bomben“, die – kaum zu glauben – in der Lage sein sollen, „eine ganze Gesellschaft (!) zu sprengen“. Was „echte Attentäter“ bisher nicht geschafft haben, scheint der modernen Wissenschaft nun zu gelingen. „Weniger Genies“, „mehr Minderbegabte“, lautet das „Drama des verlorenen Verstandes“, erfüllt von der Angst davor, wer sich um all die „Dummen“ kümmern soll, und getragen von der Sorge, wie das „verlorenes Verdienstpotenzial“ (?) verkraftet werden kann. Viele Einzelbefunde und Hypothese werden schon von den Wissenschaftlern selbst nicht zusammengedacht, und von den Autorinnen dann panisch zur explosiven Mixtur vermischt. Das ist kein Komplexitätsproblem, sondern dem blinden Blick von Reduktionisten geschuldet, die, wenn sie wirklich einmal den Blick weiten, die Welt nur in ihrer Optimierbarkeit erkennen. Betriebsblind suchen dann alle eifrig im Hirn oder in den Genen danach, was „wir“ können sollten, oder wollen dürften. Beide, die „Emmas“ auf der einen und die „Spinath`s“ auf der anderen Seite, werden über dieses reduktionistische Denken von Personen im Leben, zu Zahlen in Statistiken. Ganz sicher ist Denken ist mehr als eine „Funktion des IQ“. – Jürgen Pilz

Mir hat sich die Sinnhaftigkeit der Messung des IQ eines Menschen jenseits eines medizinisch-therapeutischen Zweckes noch nie erschlossen, offenbar dient sie vor allem dazu, Eitelkeiten zu pflegen und eine sozialdarwinistische Vorauswahl zu treffen. Allerdings mit sehr hoher Fehlerquote. Warum ? In den herkömmlichen IQ-Tests geht es in erster Linie darum, bestimmte intellektuelle Leistungen in einem gesteckten Zeitrahmen zu bewältigen, um daraus eine globale, intelligenzbasierte Leistungsfähigkeit konstatieren und normieren zu können. Der Kardinalproblem, das dabei auftritt (und welches ich bislang noch nie als Kritikpunkt wahrgenommen habe), liegt darin begründet, dass man PSYCHISCHE FAKTOREN, die das Ergebnis beeinflussen können, nicht herausrechnen kann. Nervosität, übermäßige Aufgeregtheit und andere, die Konzentration betreffende psychische Determinanten, beeinflussen das Ergebnis eines solchen Tests maßgeblich.

Letzten Endes tragen vorgenannte Faktoren dazu bei, die ermittelte Kennzahl gerade bei solchen Probanden zu verfälschen, die durch den Erwartungs- und Erfolgsdruck in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit temporär eingeschränkt sind und jenseits der testbedingten Verzerrungen wesentlich besser abschneiden würden. Mir ist unklar, wie diese Problematik lösbar ist, der einzig vernünftige Weg scheint mir zu sein, derartige Tests generell wesentlich differenzierter und kritischer zu betrachten. Ganz ähnlich ist übrigens das Dilemma bei der Blutdruckmessung gelagert – sobald der Patient eine pathologische Erwartungsangst vor der Messung entwickelt hat, ist ein objektives Messergebnis nicht mehr möglich, da die Angst den messbaren Druck um bis zu 30mmhg und teils noch mehr in die Höhe treiben kann. Ein medizinisch sauber verwertbares Ergebnis kann diese Diagnostik bei diesem Personenkreis i.d.R. nicht liefern, da die Echtbedingungen stets verfälscht sind. – Stefan Götz

Was in Ihrem sehr lobenswerten Dossier mit vielen Aspekten des sinkenden IQs in den Industriestaaten völlig unbeachtet bleibt, ist die Frage von Motivation und Demotivation. Wenn uns immer wieder suggeriert wird, IT könne alles besser als das menschliche Gehirn, braucht man doch selber nicht mehr nachzudenken weder über Rechtschreibung noch über Grundrechenarten, geschweige denn über darüber hinausführende Probleme. Wenn man aber, wie ich gerade heute, erlebt hat, dass man in einer Hotline einfach nur ein ja oder nein von einem Menschen braucht und statt dessen völlig sinnfrei, aber wahrscheinlich um Arbeitskräfte einzusparen, nach persönlichen Daten bis zur Stimmidentifikation abgefragt wird, bis man tatsächlich einen Menschen erreicht, wird einem klar , dass es höchste Zeit wird, sich zu weigern, wie irgend ein Programm nur noch linear, bestenfalls in 4 Kategotrien zu denken. Menschen, bw. alle Lebewesen können zwar in irgendwelche  Kategorien eingeordnet werden, deswegen wird kein Rechner der Welt alle Facetten lebendigen Daseins erfassen können und den individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Deswegen sollte man die verschiedenen Formen  der Intelligenz, z.B. auch emotionaler Intelligenz und auch Intuition, etc., etc. wertschätzen. Auch künstliche Intelligenz wird immer nur so klug sein wie ihr Programmierer. Alles das sind Gründe, sich das „Selber denken“ nicht abzugewöhnen und alle IT-„Lösungen“ sehr kritisch zu hinterfragen, was ohne Zweifel der Intelligenz nur förderlich sein kann. – Gisela Schock


 

Leserbriefe zu „Bleibt politisch, werdet konkret“ von Jens Spahn

Offener Brief an Ministerpräsident Armin Laschet und Schulministerin Yvonne Gebauer
Demonstrationen „Fridays for Future“
Erlass des Schulministeriums vom 13.2.2019
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Schulministerin,
in einem Brief an alle Schulleiterinnen und Schulleiter des Landes fordert das Schulministerium dazu auf, im Zusammenhang mit den hauptsächlich von Schülerinnen und Schülern getragenen Demonstrationen „Fridays for Future“, die „Schulpflicht durchzusetzen“, und bezeichnet die Proteste als „grundsätzlich unzulässig“.
Wir, die Schulgemeinschaft der Windrather Talschule, möchten in diesem offenen, einigen Medien zugestellten Brief bekunden, dass wir der in dieser Weise erhobenen Forderung, die verbunden sein kann mit Strafen und Strafandrohungen für betroffene Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern, nicht nachkommen wollen und können.
Wir sind uns der bestehenden Schulpflicht bewusst, vermissen aber eine rechtlich belastbare Abwägung dieser Ver­pflichtung mit den Zukunftsinteressen der nachwachsenden Generation. Die UN-Kinderrechtskonvention und ebenso die UN-Behindertenrechtskonvention halten dazu an, bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, im Konflikt unterschiedlicher Interessen das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. Der Präsident der Kultusministerkonferenz hat in zwei von ihm erstellten völkerrechtlichen Gutachten festgestellt, dass behördliche Maßnahmen ohne diese explizite, gerichtsfest begründete Abwägung rechtswidrig sind. Zur Abwägung stehen hier die Schulpflicht und die durch die Klimaerwärmung in Frage gestellte Zukunft der nächsten Generation und deren Recht, für einen Politikwechsel zu demon­strieren. Dies entspricht der staatlichen Ver-pflichtung, in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, sodass die Schülerinnen und Schüler nur vertreten, was ihnen völkerrechtlich und nach dem Grundgesetz zusteht. Demgegenüber die Schulpflicht höher zu bewerten, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil andere europäische Länder es zur Umsetzung des Rechts auf Bildung mit guten Gründen bei einer Bildungspflicht belassen. Angesichts der auch von der Wissenschaft als extrem dramatisch eingeschätzten Situation begründen die Jugendlichen die Durchführung während der Unterrichtszeit überzeugend damit, dass auch sonst bei Streiks möglichst effektive Formen gewählt werden. Auch damit müsste sich das Ministerium auseinandersetzen.
Unter diesen Umständen halten wir den Erlass in der vorliegenden Form nicht für bindend und können daher der Forderung nach einem restriktiven, statt einem verständnisvoll-kooperativen Kurs den Demonstranten gegenüber nicht nachkommen. Dies wäre auch mit unserer pädagogischen Ausrichtung nicht in Einklang zu bringen. Wir haben großes Vertrauen in unsere Schülerinnen und Schüler, mit dem politischen Grundrecht der Demonstrationsfreiheit verantwortungsvoll umzugehen, und bemühen uns schulorganisatorisch, den Unterrichtsausfall auszugleichen. Dabei leiten uns (wie hoffentlich alle Schulen des Landes) übergreifende Erziehungsziele, die sich mit den Begriffen Mündigkeit, Zivilcourage oder Verantwortungsgefühl für Umwelt und Mitmenschen umschreiben lassen. So stellen wir Ihnen die Frage: Sollen wir wirklich gegen junge Menschen vorgehen, in deren Verhalten sich genau diese Erziehungsziele wiederfinden?
Wir als Erwachsene sehen diese Forderung letztlich auch deshalb kritisch, weil uns bewusst ist, dass unsere Generation und deren Vorgängergenerationen den Demonstrationsgrund – schlicht die syste-matische Zerstörung der Erde – ebenso zu verantworten haben wie die Politik und zahlreiche weitere wirtschaftliche und politische Entscheidungsträger der letzten Jahre und Jahrzehnte.
Wir sichern Ihnen sowie unseren Schülerinnen, Schülern und Eltern zu, dass denjenigen, die nicht demonstrieren, der reguläre Unterricht erteilt wird. Gleichzeitig sichern wir zu, dass wir mit der Schulgemeinschaft weiter im Austausch über den Anlass bzw. die Thematik der Demonstrationen bleiben. Eines wird es mit uns aber nicht geben: Wir werden nicht gegen politisch aktive Schüle-rinnen und Schüler vorgehen, solange es keine rechtlich überzeugende Begründung dafür gibt. Solange dies nicht der Fall ist, sehen wir deren Proteste nicht als „grundsätzlich unzulässig“ an. Stattdessen halten auch wir eine radikale Umsteuerung in der Klimapolitik für wichtig, richtig – ja für längst überfällig! – Schulleitung und Kollegium der Windrather Talschule

Jens Spahn fordert die demonstrierenden Kinder und Jugendlichen auf: „Werbt in der Schule dafür, dass ihr nicht im Flugzeug, sondern mit dem Zug auf Abschlussfahrt geht.“ Spahn hätte lieber schreiben sollen: „Geht in die Parlamente und sorgt dafür, dass Flugbenzin ordentlich besteuert wird.“ Oder: „Sagt Euern Eltern, dass sie eine Partei wählen sollen, die das Fliegen teurer macht.“ Solange Spahn das den jungen Demonstranten nicht sagt, werden sie wohl kaum auf seine Ratschläge hören. – Dr. Martin Böttger

Der Aufruf von Jens Spahn an die Jugend, sich in Parteien zu engagieren, ist ja ok. Dass er behauptet, wir seien klimapolitisch auf dem richtigen Weg, ist vollkommen abwegig. Wir werden unsere Klimaziele 2020 krachend verfehlen. Die Politiker eiern gerade beim Konkreten herum. Kohleausstieg 2038 – unter Klimaaspekten reiner Wahnsinn. Verkehrswende – Fehlanzeige. Der zuständige Minister verhindert alles Vernünftige. Ernsthafte Öffnung des Energiemarktes und intensive Förderung von KWK? Fehlanzeige. Und andere Vorschläge von Profis? Die politische Herrscherklasse der Älteren sorgt dafür, dass sich nicht viel ändert. Die Schüler haben in der Sache Recht. Und nur dass sie die Schule bestreiken, sorgt für die notwendige Öffentlichkeit. In zehn Jahren im Stadtparlament? In 30 Jahren im Bundestag als Hinterbänkler? Da ist es sogar für ein 4-Grad-Ziel zu spät. Und ich bin sicher, dass Jens Spahn das Alles weiß. – Fritjof Möckel

Der Artikel von Jens Spahn treibt mir – 72 – die Wut ins Gesicht und erhöht mein Bluthochdruckrisiko! Ja, gerade wir- die ältere Generation – bekommen von den Jungen einen „Tritt gegen das Schienbein“, und sie haben Recht! DA wird von der jungen Generation genau das angemahnt und eingefordert, was Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten propagieren. Allerdings haben die verantwortlichen Politiker darauf nicht oder nur gering reagiert. Sie bekommen von der Jugend für ihre geleistete Arbeit eine 6 = sechs! Und da jault nun einer auf (Profilierungssucht?) und versucht, zurück zu treten. Nach dem Motto: „ Solange du deine Füsse unter meinen Tisch stellst..“ Getroffene Hunde bellen eben… Herr Spahn,
a) Kümmern sie sich um anständige Investitionsfinanzierungen der öffentlichen Kliniken im Lande, damit sie gerüstet sind für Ebola, Denguefieber und weitere tropische Krankheiten, die hier bald zu behandeln sein werden, und
b) daß das Gesundheitssystem „auf Vordermann“ gebracht wird, und nicht durch den Einfall börsenorientierter Firmen in naher Zukunft zusammenklappt. Dann wird es eine ordentliche Versorgung, die auch die klimabedingten Krankheiten mit zu bedienen hat, bald nur noch für Reiche geben, und
c) engagieren Sie sich nebenberuflich für schnell umsetzbaren Klimaschutz – z.B. ein Tempolimit kann ja wohl nicht so schwer sein…, die Bahn braucht Unterstützung, und die Kliniken im Lande sowieso. Aber das ist ja sein Hauptberuf…
Bislang ist aus meiner Sicht keine gute Zensur für die bisherige geleistete Arbeit für den Gesundheitsminister zu erwarten, weder haupt- noch nebenberuflich!. – Dr. Ursula Stüwe

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert die Schüler*innen der „Fridays for Future“-Bewegung auf, sich in Parteien zu engagieren: „Bleibt politisch, aber werdet konkret“, so sein Credo. Es ist nicht die Aufgabe der Schüler*innen, Lösungen für die nahende Klimakatastrophe zu formulieren. Die jungen Menschen fordern von der Bundesregierung, endlich eine Klimaschutzpolitik zu formulieren, die es schafft die vereinbarten Klimaschutzziele von Paris einzuhalten. Das ist ihr gutes Recht, denn sie sind es, die in naher Zukunft mit den Auswirkungen des Klimawandels klarkommen müssen. Vor allem im Bereich der Fortbewegung und der Mobilität muss ein radikales Umdenken stattfinden. Das Fliegen und Auto fahren darf nicht günstiger sein als der ÖPNV. Wieso nicht deutschlandweit ein ÖPNV-Jahresticket für 1€ am Tag einführen? Es kann doch nicht sein, dass man für 19,99€ von Köln nach Berlin fliegen kann, aber mit dem ICE von Köln nach Berlin über 100€ zahlt. Zweifellos sind dafür zunächst massive Investitionen in die Infrastruktur notwendig. An die Bundesregierung und insbesondere Jens Spahn: „Seid mutig, werdet konkret!“ Dann sind die Parteien vielleicht auch für die jungen Menschen attraktiv, die nächsten Freitag wieder für das Klima demonstrieren. – Stephan Ehrenberg

Warum klären die Medien die protestierenden Schüler nicht darüber auf , was letztlich die einzige Ursache für die Umweltzerstörung auf diesem blauen Planeten ist und gerade die jüngsten Generationen Verantwortung übernehmen könnten und müssten ? Alles andere ist sinnloser Aktionismus auf allen Ebenen , weil selbst die Summe aller, weltweit formulierten Forderungen nicht wirklich die Klimaerwärmung und Umweltzerstörung bremsen kann . Ein Alien beschreibt unser Verhalten wie folgt:
Alienreport Teil II über Lebewesen auf dem Planeten Erde , die sich vernunftsbegabte Menschen nennen :
Die Spezies Mensch in Massenvermehrung
fördert die schnelle Umweltzerstörung .
Es bewegt sich zu auf den Overkill
was ein denkend handelndes Wesen sein will .
Vernunftsbegabte Lebewesen
sind sie auf Erden nie gewesen !
Nun sollen Massenvernichtungswaffen
das Leben von diesem Planeten schaffen.
Der einzige Trost für Jedermann ,
dann endet auch endlich der Größenwahn
und selbst den Göttern wird wohl klar ,
der Mensch zu gar nichts nütze war !
————————-
Vernunftsbegabtheit die nichts bringt .
Sie folgen jenem Urinstinkt
vom fressen und gefressen werden ,
bis nichts zu Fressen bleibt auf Erden.
Moderner heißt es konsumieren ,
als hätten sie nichts zu verlieren .
Für dies Verhalten reicht sogar
das Hirn einer Caelifera !
Das sinnlose Streben nach Luxus als Glück,
lässt Kinder und Enkel im Restmüll zurück .
Aus Müll und Schrott wird man erfahren ,
dass Menschen einst auf Erden waren ! – Ein/e Leser/in

Ich widerspreche: SIE sind in der Verantwortung, nicht die Schüler*innen! Ihnen nun einfach den Ball zurückzuspielen ist billig. Und woher wissen Sie, dass sich die jungen Menschen nicht längst engagieren? Viele tun es bereits. Sie als Minister sitzen aber an den Schalthebeln der Macht, Sie können von oben umsetzen was von unten mit Nachdruck gefordert wird. SIE! Seien SIE der Erste, der sich unser aller Anliegen, das die junge Generation nur grade aufgreift, auf die Fahnen schreibt! Seien SIE der Vorreiter für neue Gesetze, für ein Umdenken! Fahren Sie mit Zug und Fahrrad, kaufen Sie nachhaltig ein. Wechseln Sie zum Ökostrom, verzichten Sie auf Flugreisen. Verkörpern Sie das, was Sie fordern, dann werden Sie glaubwürdig. Die jungen Leute können Ihnen da einiges beibringen, sie beschäftigen sich täglich damit. Herr Spahn, tun Sie es, weil Sie es können. – Dana Schuster

Ein guter Vorschlag von unserem Bundesgesundheitsminister. Er hat nur vergessen zu sagen: Geht mit euerem Handys besser um. Das wird ständig von den Schülern verschwiegen. Es muß ja immer das neueste Handy sein und andere Aktivitäten. Rund um die Uhr wird das Ding von den Schülern vergewaltigt. Was meint ihr, wie viel CO2-Ausstoß damit erzeugt wird. Dagegen sind Dieselfahrzeuge ein „Fliegenschiss“. Insofern muß man die Proteste als verlogen ansehen. – Gunter Knauer

So kritisch ich als Hausärztin Jens Spahn gegenüberstehe (Vielen Dank, Herr Gesundheitsminister, dass ich ihrer Ansicht nach immer noch zu wenig arbeite und sie mir aus meiner Langeweile mit noch mehr Sprechstunden und einem Parforceritt hin zur Telematikinfrastruktur heraushelfen! PS: Die Sache mit dem Datenschutz klären wir dann schon irgendwie selbst),aber der Beitrag zu „Fridays for Future“ war mehr als gelungen. „Bleiben Sie politisch,aber werden Sie konkret !“ würde ich allerdings auch ihm und seinen Kollegen oft gerne zurufen. – Dr. med. Agnes Maria Bitterlich

Sie haben allerlei Fragen gestellt und ich möchte versuchen sie Ihnen zu beantworten. Wie soll es konkret weitergehen? Schwierige Frage und wohl auch die wichtigste. Demonstrationen so unterschiedlich sie auch sind haben wohl alle eins gemeinsam. Die Demonstranten sind davon abhängig, dass durch ihren Protest, diejenigen handeln, die am längeren Hebel sitzen. Und ohne Ihnen nahe treten zu wollen. Das sind Sie. Sie als Teil von Merkels Kabinett. Sie greifen also am besten schleunigst zu ihrem Telefon und setzen sich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen an einen Tisch und fertigen eine Liste an mit konkreten Schritten. Um Ihnen auf die Sprünge zu helfen. Es ist möglich für 3 Euro nach Mallorca zu fliegen. Vielleicht lässt sich ja ganz konkret dagegen was tun. Es ist möglich riesige Geländewägen in Berlin zu fahren deren Besitzer_innen sich über zu viele Fahrräder beschweren. Es ist möglich jeden Tag zu H&M zu gehen und sich komplett neu einzukleiden ohne finanziell ruiniert zu sein. Es ist möglich, dass 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich in Deutschland weggeschmissen werden. Tun Sie was. Am besten ein bisschen mehr als nur noch unverpacktes Obst zu kaufen. Wieso ist es denn überhaupt möglich, dass Äpfel in Plastik verpackt werden. Verbieten! Wen setzen wir unter Druck? Sie. Würde es unserem Anliegen mehr Nachdruck verleihen, wenn wir nach der Schule demonstrieren würden? Nein. Die Medienpräsens und die Sorge der Politiker_innen, die absurderweise unserer Bildung und nicht die unserer Zukunft gilt und auch Ihr Artikel machen, zeigen mir, dass wir einen Finger in die Wunde gelegt haben. Für welche Themen darf demonstriert werden? Alle. Wir haben alle das Recht zu demonstrieren auch während der Schulzeit, wenn es dringend ist. Und Herr Spahn, es ist dringend. Ich möchte, dass Sie jeden Tag die Panik spüren, die wir spüren. (~Greta) Was mich zu Ihrer letzten Frage bringt, die mir die Tränen in die Augen jagt. Würden drastischere Klimaziele helfen? Googeln Sie „Gletscher vorher nachher“ und überzeugen sich, was diese Welt nötig hat. Das sind weder Wohlstand, noch Arbeitsplätze oder Kompromisse. Dieser Planet macht keine Kompromisse mehr. Wir machen alles kaputt bis nichts mehr davon übrig bleibt. Aber nett von Ihnen, dass sie uns auf unsere Köpfe tätscheln und daran glauben, dass wir später die Welt retten und irgendwann mal wissen, ob ein Kassenbon in den Papiermüll oder Plastikmüll kommt. – Lisa Bartels

Herr Spahn hat ein paar Dinge nicht richtig verstanden: Die demonstrierenden Jugendlichen wollen nicht warten, bis sie selbst in 10, 15 Jahren vielleicht selbst irgendwo Politiker geworden sind, oder als „Ingeneurinnen neue ökologische Technologien entwickelt haben“, sie wollen, daß die heutigen Politiker sich heute intensiver um die Rettung des Klimas bemühen, bevor es zu spät ist. Der Rat, selbst schon mal aktiv zu werden und z.B. auf Einwegbecher zu verzichten, oder u.a. dafür zu kämpfen, daß es „Ladesäulen für E-Autos gibt“ etc. ist nett (und immer richtig), verniedlicht aber das Problem. So wimmelt man lästige Kinder ab. Die Äußerungen Herrn Spahns zur Schulpflicht der Freitagsdemonstranten ist richtig, aber was sagt er zu den vielen Unterrichtsstunden, die aufgrund von Lehrermangel fachfremd vertreten werden oder ganz ausfallen, – und das seit –zig Jahren? Kommt eigentlich der Staat seiner „Schulpflicht“ nach? Und die Fragen, „Wie soll es konkret weitergehen? Was schlagt ihr vor, welche Folgen haben eure Vorschläge für wen….“ an die Schüler zu stellen, ist dumm. Diese Fragen müssen der Umweltminister, der Arbeits-, Wirtschafts- und Verkehrsminister beantworten, aber nicht 16jährige Schüler. Die Schüler wollen den Politikern Beine machen, nicht ihnen auf die Beine helfen. – Prof.Dr.M.Volkamer

Ich möchte gerne Ihrem Appell „Bleibt politisch, werdet konkret“ folgen. Ich möchte konkret werden, was ich im Gegenzug auch von Ihnen erwarte. Weder von „überschwänglichem Lob oder pauschaler Kritik“ (Zitat von Ihnen) fühle sich die Demonstrationsbewegung ernst genommen. Sie bewegen sich irgendwo dazwischen, was ich dennoch als Beschwichtigung einstufe. In Themen, in denen Sie sich sicher sind, man könne die Herausforderungen meistern, sehe ich grundsätzliche Probleme. Vielerorts gibt es bereits Lösungsansätze, die aufgrund ökonomischer Ursachen nicht umgesetzt werden. Also will ich einmal konkret werden: Auch ich bin kein Vorzeige-Umweltmensch. Nach Spanien bin ich bereits auf zwei Schulausflügen mit dem Flugzeug geflogen. Ich gehöre nach der Definition Ihres Parteikollegen Friedrich Merz nicht der oberen Mittelschicht an, sodass ich vor der Bahnreise um zweihundert Euro eben doch das Flugangebot für fünfzig Euro vorziehe. Und gerade hier muss die Politik ansetzen, Anreize für ein ökologisches Leben zu schaffen. Denn die Wirtschaft tut es nicht. Wenn es um die in einer Demokratie lebenswichtigen Kompromisse geht, sitzen die wirtschaftlichen Vertreter immer am längeren Hebel, während Umweltverbände ohne kapitalistisches Interesse kaum zum Zug kommen, vor allem, wenn sie dann auch noch aus dem Stand der Gemeinnützigkeit enthoben werden. Doch der Klimawandel wird einmal keine Kompromisse kennen und so sollte auch die Politik diesem Thema begegnen. Die Flugreise muss beispielsweise durch Kerosinsteuer so teuer gemacht werden, dass sich jeder auf einer Reise innerhalb Europas für die Bahn entscheidet. Oder dass eine Diskussion um Fahrverbote hinfällig ist, weil ich mich innerhalb der Stadt schneller und praktischer mit dem Fahrrad fortbewege. Ökologie für breite Massen wird nur angenommen, wenn sie sich als erschwinglich und praktikabel erweist. Gerade hier springt die Politik ein. Oder sie sollte es zumindest.

Und genau deshalb stehen jeden Freitag so viele junge Menschen auf der Straße, weil die Bundesregierung (und da ist sie in der Welt kein Einzelfall) in den letzten Jahren Ihrer Arbeit in dieser Hinsicht nicht nachgekommen ist. Und so lange an der Spitze des Verkehrsministeriums Ihr Unionskollege Andreas Scheuer als verlängerter Arm der Automobillobbyisten an der Spitze des Bundesverkehrsministeriums sitzt, dessen Definition eines gesunden Menschenverstands wesentlich von der Meinigen abweicht, wirkt es für die junge Generation auch nicht gerade authentisch, wenn es heißt, man nehme den Klimawandel ernst. Auch im 70. Jahr unserer Verfassung sind Parteien maßgeblich für die Gestaltung unseres Staates, doch auch die Versammlungsfreiheit ist ein unerlässlicher Bestandteil des Grundgesetzes. Und steht damit im Gegensatz zum von der KPD 1919 geforderten Rätesystem, das verlangt, dass alle Teilnehmenden einer Demonstration oder alle Menschen im Land Mitglied eines entscheidenden Rates würden. Die demonstrierende Masse will die Aufmerksamkeit derer auf sich lenken, die etwas bewegen können und somit leider fehlende oder nur schwach vertretene Lobbyisten stärken. Und wenn Sie Jugendliche auffordern, nach der Schule zu streiken, ist das eine den Grundsatz infrage stellende Empfehlung. Aufmerksamkeit gibt es erst dann, wenn man sich Regeln widersetzt. Es ist ausdrücklich nicht mein Wunsch, dass deshalb Menschen oder Flugzeuge entführt werden, doch eine Pflicht, die durch einen größeren, weitergreifenden Grund keine Sinnesgrundlage mehr hat, kann, soll und muss vernachlässigt werden. Nicht umsonst werden diese Demonstrationen auch Streiks genannt. Arbeitnehmer streiken für bessere Löhne, für bessere Renten, für eine lebenswerte Zukunft. Bei den Schülern sieht es ähnlich aus, nur dass sie das Geld nicht direkt bekommen, sondern dieses vom Staat in klimaschützende Maßnahmen wie beispielsweise Stärkung des Schienenverkehrs oder der Energiewende investiert werden soll. Doch das Geld, das Eltern und auch schon junge Beschäftigte oder Auszubildende in die Staatskasse einzahlen, landet aktuell auf dem längst veralteten Konzept des Straßenbaus und in der Instandhaltung von Kohlekraftwerken. Und ein Kompromiss mit den mächtigen Unternehmensverbänden wird als Kompromiss mit Otto Normalverbraucher verkauft, um dessen Frau und ihre zahlreichen Kolleginnen und Kollegen sich bei der Pleite einer großen Drogeriemarktkette keiner gekümmert hat.

Es wird gestreikt, dass die Politik dem Klimaschutz endlich richtige Zugeständnisse macht. Und – mal abgesehen davon – ist es lächerlich, einem Streikenden zu sagen, es verleihe mehr Nachdruck, wenn er nach der Arbeitszeit streike. Spätestens an dieser Stelle wüsste ich nicht mehr, was ich im Einbürgerungstest der Bundesrepublik Deutschland in der Frage nach der Bedeutung der CDU ankreuzen würde – Club deutscher Unternehmer oder Christlich Demokratische Union. Ein christliches Weltbild sollte dazu anleiten, die Schöpfung zu bewahren. Und Demokratie steht auch dafür, Mut zu einer Entscheidung gegen die Industrie zu haben, die sich dafür jahrzehntelang in einer lebenswerten Zukunft auszahlt. Deshalb trete ich nicht der JU in Ahaus-Ottenstein oder sonst irgendwo in Deutschland bei. Bisher ist es noch wesentlich wirksamer, freitags auf die Straße zu gehen, als in irgendeine Partei einzutreten. Zu groß ist die Gefahr, in der dank des demografischen Wandels riesigen Masse derer, die sich nicht um die Umwelt kümmern will, unterzugehen, egal in welcher Partei. Und anstatt inhaltsloser Beschwichtigungen fordere ich Politiker aller Parteien dazu auf, im Namen der (zu großen Teil noch nicht einmal wahlberechtigten) Jugend endlich einmal das zu machen, was gefordert wird: ökonomischen Interessen nachgeben und sich den Klimazielen widmen, die sich langfristig auch ökonomisch auszahlen werden. Wir wollen alle eine lebenswerte Zukunft, doch so lange die Regierung diesen Forderungen, die voll und ganz meinem gesunden Menschenverstand entsprechen, nicht umsetzt, kann der aktuellen Protestbewegung auch durch Beschwichtigung, die an der Thematik selbst vorbeigeht, kein Ende setzen. Die jungen Menschen haben bisher noch nichts falsch gemacht, aber schon erkannt, dass das in der Politik der Vorgängergeneration der Fall ist.

Und wie gesagt bin auch ich ein Klimasünder. Aber die Politik soll dafür sorgen, dass man nicht zur Sünde verführt wird. Und der, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Ich erinnere: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos war Greta Thunberg die Einzige, die mit dem Zug kam. Ich hoffe, das war konkret genug. Vielleicht konkreter, als es in den allermeisten Parteien im Moment überhaupt gehen kann. Nun soll aber auch die Bundesregierung einmal konkret werden, anstatt mit Sonnenscheinmimik den Klimawandel als wichtig zu preisen und in der nächsten Entscheidung zu vergessen. Das Parlament ist auch für die Interessen derer zuständig, die weder durch Wählerstimmen noch durch Wirtschaftsmacht aktiv in der Politik mitbestimmen können.
PS: Der Schreiber ist 19 Jahre alt und ist auch kein Schüler mehr, hat also auch noch nie freitags demonstriert. – Andreas Sienz

Ich hoffe, Herr Spahn hat die Rede von Greta Thunberg heute bei der Verleihung der Goldenen Kamera gesehen. Aber ich weiss nicht, ob Politiker für diesen berührenden Appell noch wirklich ein Gehör haben. Im Übrigen sitzt ER an den Schalthebeln der Macht – kein Wort davon, dass er der besorgten Jugend behilflich sein wird in ihren Anliegen! (Im Übrigen haben wir in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Alternativbewegung auf andere Art bereits eine Umkehr von der kapitalistischen, Ressourcen verschwendenden Lebensweise in die Wege geleitet) – Elisabeth Haag

Die Beteuerungen von Jens Spahn, dass beim Klima schon alles noch zum Guten zu wenden sei, werden ihm die – zu Recht – ungeduldigen jungen Leute der „Friday for Future“-Bewegung angesichts der „Last Minute“-Dramatik nicht abnehmen. Warum geht er nicht auf eine Senkung des Wahlalters bei Bundestagswahlen und eine thematische Öffnung bei Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene (bisher nur möglich mit Bezug auf eine Neugliederung des Bundesgebietes) ein? – Dr. Ludwig Engstler

Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag in der „Zeit“ zum Thema „Friday for Future“ gelesen. Sie haben verstanden: es geht hier nicht um eine schöne Ausrede zum Schuleschwänzen – die Anliegen der Jungend sind ernst zu nehmen. Jedoch, mit Ihren Ratschlägen an die Demonstranten, doch bitte den Marsch durch die Parteiinstanzen anzutreten, verkennen Sie die Dringlichkeit der Situation. Die wenigsten Abgeordneten sind Physiker, ihnen fehlt daher das Wissen in Bezug auf Regelkreise und Totzeiten: Selbst die radikalsten Maßnahmen, die wir heute umsetzen könnten, hätten erst in 10 bis 15 Jahren Auswirkungen auf das Klima. Was wir heute erleben, sind die „zarten“ Anfänge einer Katastrophe, die zum Teil nicht mehr aufzuhalten ist (Totzeit/Regelkreis). Letztes Jahr kam die Binnenschiffahrt auf dem Rhein zeitweise zum Erliegen (um nur eine Auswirkung zu nennen), dies wird sich dieses Jahr vermutlich wiederholen. „Harmlose“ erste sichtbare Folgen der Klimaänderung, die kommen wird. Die Jugend hat erkannt: mit den alten Methoden („wasch mir den Pelz, aber bitte nicht naß machen“) kommen wir nicht rechtzeitig weiter. Die Abgeordneten in Berlin sind viel zu sehr in ihr Tagesgeschäft eingebunden und den Lobbyeinflüssen ausgesetzt, um jetzt die schmerzvollen, notwendigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen ist „Friday for Future“ die richtige Antwort auf das Versagen der Politik.

Erst wenn der letzte Acker verdorrt,
erste wenn die letzte Fichte gefällt
und der letzte Fluß ausgetrocknet ist,
werdet ihr einsehen, daß man das schöne Geld, auf der Bank, nicht essen kann.
(Frei nach der Weissagung der Cree)

Ich bin mir sicher, Herr Spahn, so wie der 68’er Bewegung eine politische Kraft gefolgt ist, werden Teile dieser Bewegung in eine politische Kraft münden. Sei es in den etablierten Parteien oder in einer Neuen. Doch uns fehlt die Zeit. Die Maßnahmen, die Sie erwähnen, Ihr Glaube, damit die Situation zu meistern, verkennt die Dringlichkeit. In den 80’er Jahren haben erste Wissenschaftler erkannt, dass unsere Lebensweise zu einem nicht mehr beherrschbaren Problem werden wird. Sie wurden ausgelacht und ignoriert. Teile der Industrie haben viel Geld ausgegeben und Einfluß geltend gemacht, die Botschaft der Warner lächerlich zu machen. Jetzt, fast 40 Jahre später, ist die Klimaänderung ein Faktum. Weitere 40 Jahre haben wir nicht. Jeder Arbeitsplatz (z.B. in der Kohleindustrie), den Sie jetzt meinen sichern zu müssen, wird Menschenleben kosten. Ein gezügelter, ausgebremster Protest wird verpuffen. Können Sie das verantworten? – Dipl.-Ing. Andreas Tischler

Wenn Jens Spahn uns, die jungen Demonstrierenden auffordert zu sagen, wie es konkret weitergehen soll, wenn er uns fragt, gegen wen oder was wir demonstrieren, dann versteht er scheinbar nicht, worum es den Streikenden geht. Es geht eben nicht darum, sich parteipolitisch zu engagieren, um wie er schreibt „in zehn Jahren Abgeordneter oder Bürgermeister sein“ zu können, um dann konkret mitzuentscheiden. Es geht auch nicht darum, sich im Kleinen einzusetzen, z.B. in der Schule oder im Stadtrat oder IngeneurIn zu werden, ein Unternehmen zu gründen, um irgendwann einmal Dinge zu verändern. All das sind ja gute Dinge, aber es geht uns darum, dass wir jetzt noch jung sind, dass wir zwar noch den Großteil unseres Lebens vor uns haben, aber wissen, dass wir auf diesem Planeten nicht mehr so wie heute werden leben können, wenn jetzt nicht gehandelt wird. Dabei reicht es nun einmal nicht, darauf hinzuarbeiten, langwierige Kompromisse zu verhandeln, sich in Parteistrukturen hochzuarbeiten, um dann vielleicht irgendwann mal ein Mandat innezuhaben, dafür reicht es leider auch nicht auf lokaler oder regionaler Ebene, in der Schule oder in der Uni etwas zu erreichen, sondern es muss auf nationaler, auf europäischer und auf globaler Ebene gehandelt werden. Außerdem muss es schnell gehen. Gerade deshalb richten sich doch die SchülerInnen und Studierenden an diejenigen, die aktuell über Macht verfügen. Was konkret passieren soll, dafür gibt es denke ich genug Konzepte von ExpertInnen und WissenschaftlerInnen, auf die die PolitikerInnen zugreifen können. Sie haben Zugang zu Beratung und Expertise. Die Forderung an sie ist es, dafür zu sorgen, dass wir alle hier in Zukunft noch leben können.

Jens Spahn schreibt, es würde uns „trotz großer Anstrengungen“ schwerfallen, die selbstgesetzen „ehrgeizigen Klimaziele“ einzuhalten und deshalb helfe es nicht, neue drastischere Ziele zu setzen. Doch wir Demonstrierenden fordern doch in erster Linie ein, dass die Ziele, zu denen sich die Regierung selber verpflichtet hat, eingehalten werden. Dabei geht es nicht um neue immer drastischere Ziele, sondern um Glaubwürdigkeit der Politik, um Vertrauen und um Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und den Menschen, die die Folgen des Klimawandels schon heute besonders stark spüren. Jens Spahn fordert hier Geduld bei der Aushandlung von Ausgleich und Kompromissen bei einem Problem, bei dem keine Zeit bleibt, bei dem es um unser aller Lebensgrundlage geht, auch um die des Papas mit dem Job im Braunkohletagebau. – Luisa Gerdsmeyer

Hallo Papa, in der Zeit ist diese Woche ein super Artikel, der dazu aufruft, dass Jugendliche, die bei fridays for future mitkämpfen, sich selbst engagieren sollen. Ich finde ds wär ein sehr wichtiger Input, der uns Jungen mitgegeben werden sollte. Lg, Anna
Hallo Anna
hab mir den Artikel jetzt durchgelesen: der ist nett, aber ein bisschen wie von einem pensionierten Oberlehrer geschrieben… Ich sehe es eher so: Die Politiker, die so schreiben, stehlen sich aus ihrer Verantwortung. Dieser Artikel hätte genauso zu meiner Jugendzeit vor 35 Jahren in der Zeitung stehen könnnen. Aber: Die Leute, die wegen des galloppierenden Klimawandels KURZFRISTIG in der Pflicht sind (bzw wären), die wirklich wichtigen weil wirksamen Massnahmen wie C02 Steuer, Kerosinsteuer etc. zu entscheiden, die sind bekannt, und die müssen aus meiner Sicht durch den Druck der Schüler von der Strasse und dann den Druck ihrer Eltern rasch zum Entscheiden gebracht werden. In 10 Jahren mal in die Politik gehen, und ein paar Projekte im Dorf zu machen, ist nett, aber das hatten wir sozusagen schon… Ich hoffe eher (vielleicht vergeblich) auf eine richtige druckvolle „68er“ Revolution… Hab jetzt sozusagen mal laut gedacht;-) Lg Paul
PS: Ein Beispiel, wie es sich die erwachsenen Politiker und Firmenbosse richten: Als man vor ca 10 Jahren oder begonnen hat, beim Diesel zB die NOx bzw Feinstaubgrenzen jährlich zu senken, hat die Autoindustrie das alles unterschrieben etc. Als 5 Jahre später die Umwelthilfe und andere (aber nicht die zuständigen Ministerien) begonnen haben, auch im Alltagsbetrieb zu messen, hat man gesehen, dass die Autofirmen die Grenzwerte zwar unterschrieben und in ihren Broschüren veröffentlicht haben – aber der Ausstoss im Realbetrieb jahrelang fast UNVERÄNDERT blieb. DAnn kam der Dieselskandal, und auf einmal raschelten die Werte auf Bruchteile der vorherigen Werte runter… Und weisst Du was: der oben genannte ZEIT Artikel ist von einem GESUNDHEITSMINISTER geschrieben. Könnte mir gut vorstellen, dass der was zu verbergen hat bzw ablenken muss, denn das Gesundheitsministerium hätte die Abgase messen müssen, nicht die Deutsche Umwelthilfe !!! – Anna und Paul

Es ist fast anrührend, wie Herr Spahn seine politische Hilflosigkeit vermittelt. Sind die Kinder und Jugendlichen nicht konkret genug mit ihrer Forderung nach einer Zukunft? Die anstehenden Klimaveränderungen werden wir nicht mehr abwenden können, soviel ist gewiss. Doch die Sorgen der Generation, welche die längste Zeit ihres Lebens noch mit den Folgen der überökonomisieren Lebensweise jener Generationen die jetzt das Sagen hat derart zu ignorieren, das zeugt wohl schon von einem besonderen Maß der eingestandenen Inkompetenz. So entschuldigt er die klimapolitische Verweigerungshaltung Deutschlands mit der Bedeutungslosigkeit am Gesamtgeschehen. Gleichzeitig verweist er aber die demonstrierenden Jugendlichen auf die Hinterbänke der etablierten Politik, sie sollten sich doch erst einmal ihre eigenen Sporen in der Dorfpolitik verdienen – ganz nach seinem Vorbild. Was Herr Spahn übersieht, ist, dass unsere Kinder in den Schulen trotz Unterrichtsausfall durch Lehrermangel, etwas wissen, was er noch nicht weiß: Man kann die Probleme der Zukunft nicht mit den Lösungen der Vergangenheit aus der Welt schaffen!

Lieber Herr Spahn, Protest ging noch nie konform. Die Radikalität dieser Jugendlichen darf uns ruhig Angst machen, denn sie zeigt uns wie selbstzerstörerisch, wie parasitär wir agieren – im guten Glauben, etwas Gutes aufzubauen. Die Jugendlichen nun zur Mitarbeit in der eigenen Politikstruktur aufzufordern statt eigene Wege zu suchen, ähnelt eher dem Versuch unbequeme Geister besser kontrollieren zu können. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem eigentlichen, dringlichen Thema sieht anders aus! – Hellmuth Rochholz

Jens Spahn appelliert an die Schüler, die während der Schulzeit freitags für ihre Zukunft demonstrieren, konkret zu werden und ihre Protest-Energie in die Parteien einzubringen und auf diese Weise Politik zu verändern. Der Appell ist insofern berechtigt, als eine echte ökologische Wende nicht allein durch Demonstrationen in die Wege geleitet werden kann, sondern nur durch harte Arbeit, um Machtverhältnisse in Staat und Gesellschaft zu verändern. Andererseits steckt in seinem Appell aber auch ein gutes Stück Arroganz der Experten, à la Lindner, der ja auch den Jugendlichen empfahl, „den Profis die Politik zu überlassen“. Genausowenig wie man Arzt sein muss, um Anspruch auf die Behandlung einer Krankheit zu haben, ist es notwendig, dass man Politiker werden muss, um Politik zu machen und zu gestalten. Nicht jeder, der politische Veränderungen möchte und Verantwortung für die Gesellschaft spürt, hat Lust, „Abgeordneter oder Bürgermeister zu werden“, wie Spahn es denen in Aussicht stellt, die früh in eine Partei eintreten. In einer Demokratie braucht es gerade auch politisch engagierte Menschen außerhalb des politischen Apparats; Menschen, die (möglicherweise utopische) Forderungen stellen, anstatt sich im Klein-Klein des politischen Alltags aufzureiben. Natürlich sind solche Forderungen noch keine Politik, es ist Aufgabe der Parteien, diese in mühsamen innerparteilichen wie -gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in reale Politik zu übersetzen. Aber ohne diesen Druck von außen und von unten koppeln sich die Parteien vom Wahlvolk und vom Bürger ab, so wie wir es zurzeit in Deutschland erleben. Es braucht viel mehr Bürger, die selbstbewusst die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse einfordern und dafür auf die Straße gehen! Wenn es mehr Demonstrationen gegen Missstände wie Wohnungsnot, die Vernachlässigung ländlicher Regionen oder von mir auch für die Erhaltung von „Papas Job im Braunkohletagebau“ gäbe, würde deutlich, dass es nicht nur Wutbürger sind, die Änderungen am System fordern. Vielleicht würden dann auch die Parteien mutiger, Entwürfe zu präsentieren, die über reine Alltagspolitik hinausweisen und – Vorsicht: Naivität folgt – Visionen zu verfolgen. – Dr. Dirk Kerber

Ich finde es schade, dass sie es uns jungen Demonstrant*innen absprechen, die Komplexität des Klimaproblems zu verstehen. Verstehen Sie denn, mit welchen Auswirkungen meine Generation und die Folgenden zu kämpfen haben werden, falls wir Ende des Jahrhunderts, ups, dann doch bei einer Erwärmung von 2, 3 oder 4 Grad herauskommen? Wir gehen auf die Straße, eben weil wir nicht davon ausgehen, dass es einen großen, einfachen Wurf gibt, um den Klimawandel einzudämmen. Im Gegenteil, wir erwarten, dass es ein langer, unbequemer Weg dorthin ist. Deswegen müssen wir ja demonstrieren: Wir sind das Gesicht der Notwendigkeit dieses Weges. Ich hoffe sehr, dass Bilder wie das neben Ihrem Artikel etwas auslösen können. Bilder von Kindern, die der Meinung sind, wenn sich in der Klimapolitik nichts ändert, dann brauchen sie sich nicht um ihre Zukunft zu scheren. Man weiß nicht, wie sich Fridays For Future entwickeln wird. Ich wünsche den Demonstrant*innen Ausdauer und dass sie gut auf sich aufpassen, denn den meisten Druck machen die Schüler*innen sich mit dem Ausbleiben vom Unterricht selbst… Was ich ihnen nicht wünsche, ist Zuversicht. Eine Klimapolitik, die so schnell wirkt, wie sich die Erde erwärmt, wird sich kaum durch bequemen Optimismus einstellen.Und deshalb werde ich weiterhin demonstrieren gehen. Und ich fordere alle Menschen auf, sich am Freitag nicht in die Schule, die Uni oder ins Büro zu setzen. Wir sollten die Chance dieser Bewegung nutzen, um zu zeigen, wie wenig zuversichtlich wir sind. Denn vielleicht, vielleicht, können wir dem Thema damit tatsächlich den Stellenwert und die Dringlichkeit geben, die es für uns hat. – Luka B.

Beim Lesen Ihres Artikels bekomme ich das ungute Gefühl, dass auch Sie die drohende Klimakatastrophe noch nicht wirklich begriffen haben: „Wer jetzt mit 16 oder 20 eintritt, kann in zehn Jahren Abgeordneter oder Bürgermeister sein.“ Das ist wunderbar, bloß kann dann dieser Abgeordnete oder Bürgermeister maximal noch die Folgen der Klimakatastrophe verwalten, denn der Kipppunkt wird, wenn man der Wissenschaft glaubt, dann zumindest so gut wie erreicht sein. Wenn die Demonstranten von heute Ingenieure sind, wird es zu spät sein, die längst in Gang gekommene Kettenreaktion aufzuhalten. Nein, es ist Ihre Aufgabe und die Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der Regierung jetzt dafür zu sorgen, dass die Klimaziele eingehalten werden. Jetzt, und nicht in 10 oder 15 oder 20 Jahren. Und wenn Ihre „großen Anstrengungen“ nicht ausreichen, dann müssen Sie und wir alle uns eben noch deutlich mehr anstrengen! Die nächste Generation wird mit den Demonstrationen ihrer Aufgabe glänzend gerecht: sie erinnert uns daran, dass wir ihr eine Zukunft schulden. Nun ist es Zeit, dass auch wir unserer Aufgabe gerecht werden, nämlich ihnen diese Zukunft zu ermöglichen. – Raphaele Drögemüller

Bestens aufgehoben
Aus meiner Sicht als Mitglied der Europa Union ist es ermutigend, dass die Bundeskanzlerin den Ernst der Lage des Klimawandels nicht klein redet, sondern die Jugend (nebst namhaften Wissenschaftlern) in aller Welt für ihr politisches Engagement ausdrücklich lobt. Ebenso anerkennenswert ist, wer sich darüber hinaus begrüßt, dass die „Friday for Future“-Bewegung und die Wissenschaft sogar selbst eine Reihe konkreter Vorschläge machen. Soweit es um das Manko der CO2-Minderung im Verkehrssektor geht, steht beispielsweise die konkrete Empfehlung eines Tempolimits auf Autobahnen analog der überwiegenden Zahl von EU-Mitgliedsländern. Eher emotional als „konkret“ fällt die Antwort aus, wenn Verkehrsminister Scheuer dazu meint, es fehle „der gesunde Menschenverstand“? Wie steht es mit der konkreten Antwort des Verkehrsministers auf die Empfehlung von Anreizen für Industrie und Verbraucher, die Produktion von Diesel-PKW à la Porsche nicht etwa gänzlich einzustellen und nicht für den Kauf von und mehr schweren SUV-Benzinern zu werben? Wie lautet etwa die konkrete Antwort auf das Avis von VW, jeden zweiten PKW als SUV auszuliefern Je konkreter die Antworten auf derart konkrete Vorschläge ausfallen, desto dienlicher mag dies auch für das Ergebnis der Europa-Wahl sein. Ja, als Minister kann man gewiss ebenso wie das gesamte Kabinett vor allen Schülern noch schneller/noch mehr „verändern“, da ein Minister schon heute „dort am besten aufgehoben ist, wo konkret entschieden wird“.Frank Müller-Thoma

Sie haben recht, die Jugendlichen sollten sich politisch engagieren, um Ihre Ziele durchzusetzen. Die Sache hat nur einen Haken: was das Klima betrifft, die Klimaziele 2030, müssen SIE schneller handeln, nämlich JETZT! Da können wir nicht warten, bis die heute 16jährigen einmal den 40. Geburtstag hinter sich haben und effektiv Macht ausüben können. Wenn sich bis 2030 etwas verbessern soll, müssen SIE, die Personen, die aktuell die Macht in diesem Land haben, schneller handeln, nämlich JETZT: 2019, 2020…. – Markus Hofmann

Wir machen es uns gerade etwas zu einfach. Mit „wir“ meine ich meine Generation der ca. 30- bis 45jährigen. Wir blicken zwar überwiegend wohlwollend auf die klimabewegten Jugendlichen, sind aber insgeheim ganz froh über unseren demographischen Sicherheitsabstand. Zugleich fühlen wir uns auf eigentümliche Weise nicht wirklich angesprochen von den Protesten und schütteln bedauernd den Kopf – an den Schalthebeln der Entscheidungsmacht sitzt in der Regel ja leider, leider die Generation 50 plus. Wie kommt es, dass meine Sandwich-Generation sich so heraushält? Nun, wir waren zwar nie derart apolitisch, wie uns immer nachgesagt wurde. Sogar demonstriert wurde zu unserer Zeit oft genug: gegen den Irak-Krieg, die Globalisierung, gegen Studiengebühren oder falsche Bildungspolitik. Allerdings fand dies immer in einer Art Komfortzone statt. Für Frieden und globale Gerechtigkeit zu sein, war und ist zwar richtig, kostete aber auch nicht viel. Bildungspolitisches Engagement ist ebenso begrüßenswert, die Grenzen zum Eigeninteresse waren aber immer fließend. Wie viel anders wirken die heutigen Proteste mit ihrer Botschaft „Wir alle müssen uns verändern und uns alle wird dies schmerzen!“

Ja, auch wir spüren seit Längerem, dass einiges im Argen liegt. Im Gegensatz zur aktuellen Protest-Generation kennen wir noch kältere Winter und Windschutzscheiben voller Insektenleichen. Zu unserer Zeit brauchte es auch noch keine 2-Tonnen SUV-Blech um 20 kg Kind zur KiTa zu bringen. Doch sind wir sehr gut geübt darin diese Beobachtungen mit einem Schulterzucken abzutun und uns den vermeintlich wichtigen Dingen des Lebens zuzuwenden: „kann man nix machen, ist halt so…“ Vielleicht liegt es an diesem verkorksten schlechten Gewissen, dass wir der demonstrierenden Jugend so kleinlaut gegenüberstehen. Unglücklicherweise lassen wir sie damit aber auch allein in der Auseinandersetzung mit den Besitzstandwahrern und Oberlehrern der älteren Generationen – was nicht heißen soll, dass es diese nicht auch in unserer Generation gibt. Dabei ist es erschreckend genug zu sehen, wie sowohl die empörten Verfechter der Schulpflicht mit ihrer „ab, zurück auf die Plätze“-Haltung die eigentlichen Anliegen der Jugendlichen komplett ignorieren als auch die gönnerhaften Verständniszeiger, in deren Pseudo-Eingehen auf die Proteste immer auch die Herablassung eines „Och, sind die nicht süß!“-Seufzers mitschwingt.

Schon klar, es wäre lächerlich einfach auf den Zug aufspringen zu wollen und sich mit angegrauten Schläfen in die Freitagsdemos einzureihen. Doch gibt es so viel mehr, was wir tun könnten. Zunächst sollten wir verdammt froh sein, dass die Vertreterinnen und Vertreter der nächsten Generation sich nicht etwa rechts-, links- oder religiösen Extremisten zuwenden, sondern beherzt für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen eintreten. Ihnen dabei vorzuwerfen sie seien zu radikal und zu wenig differenziert ist blanker Unsinn. Wir sollten dankbar für die jugendliche Radikalität sein, ohne die es nicht gelingen würde, ihre nicht minder richtigen Argumente in die Welt zu transportieren. Und wenn uns Differenziertheit fehlt, warum sehen wir es nicht als die Aufgabe unserer Generation an die Argumente der Jugend aufzugreifen, auszudifferenzieren, in konkrete Handlungen zu übersetzen und es den Entscheidungsträgern dadurch noch schwerer zu machen sie einfach zu ignorieren? Und überhaupt, wieso machen wir uns so klein? Dass wir (noch) nicht an den Schalthebeln sitzen, heißt doch nicht, dass wir gar keine Macht besäßen. Direkt können wir etwa als Konsumenten ungeheuer viel Macht ausüben, indirekt sowieso: Wir müssten den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft nur deutlich machen, dass auch wir trotz Mehrfachbelastung durch Job, Kinder und unaufschiebbarer Hobbys nicht mehr gewillt sind, so weiter zu wählen und zu konsumieren, wie bisher. Fassen wir uns also an unsere eigene Bequemlichkeitsnase und nehmen die Proteste der Jugendlichen als Ansporn. Hören wir auf über Sie zu reden, reden wir mit Ihnen. Und noch viel wichtiger: fangen wir endlich an zu handeln! – Dr. Jan Querengässer

Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Momentan ist es die Aufgabe der jungen Leute, Druck zu machen. Das gelingt ihnen recht gut. Ich bin sehr dankbar dafür. Ihre eigene Aufgabe als Mitglied einer Regierungspartei und sehr erfahrener Bundestagsabgeordneter ist es, diesen Druck anzunehmen und die Probleme zu lösen. Das scheint Ihnen dann doch unangenehm zu sein. Sie wollen den Druck lieber an die Schüler zurückgeben. Das wäre aber allenfalls statthaft, wenn Sie ihr Bundestagsmandat abgeben würden. Sie müsssten als Berufspolitiker eigentlich dafür brennen, Lösungen für die wichtigen Probleme in angemessener Zeit zu finden. Statt dessen ziehen Sie sich auf die Komplexität der Materie zurück. Die Erderwärmung stellt einen Notfall dar. Das ist noch nicht ersichtlich bei Ihnen angekommen. Sie halten die Arbeitsplätze in der Kohle noch immer noch für ein gleichwertiges Problem. Ein Intensivmediziner könnte sich ein ähnlich zögerliches Vorgehen nicht erlauben. Sein Patient wäre tot, bevor er sich zu einer ausgefeilten Therapie durchgerungen hätte. Bitte zeigen Sie Ihr Können auf der politischen Bühne. Seien Sie selbst erfolgreich. Priorisieren Sie und arbeiten Sie die entsprechende Liste ab. WERDEN SIE SELBST KONKRET. Das stünde Ihnen besser an, als junge Menschen altväterlich abzukanzeln und ihnen die Verantwortung zuzuschustern, die momentan als ranghohes Mitglied der größten Regierungspartei auf Ihren eigenen Schultern ruht. – Dr. Christian Voll

Ihren Brief habe ich gelesen und bin auf viele Widersprüche gestoßen, die ich gern benennen möchte. Es ist gut, wenn sich Politiker zu Wort melden und versuchen, die Aktivitäten der benachteiligten Generation zu würdigen. Aber tun Sie das wirklich? Ich unterstelle Ihnen ein „Ja“. Es ist nicht die Frage, wie es konkret weitergehen soll. Vielmehr beantworten das die physikalischen Gesetze, nach denen sich die Umwelt und das Klima richten. Bessere Naturgesetze gibt es nicht, auch wenn Politiker und Politikerinnen sich das so sehr wünschen. Physikalische Gesetze unterliegen, glücklicherweise, nicht den Kompromisswünschen der Regierenden. Wenn Sie bis jetzt nicht verstanden haben, wofür die Kinder und Jugendlichen ihre Stimme und ihre Plakate erheben, dann schauen Sie einfach auf die Plakate. Dort steht ganz konkret, nicht welche Wünsche sie haben, sondern wie sich die Welt real darstellt, wie sie sich verändert, wenn sich die Regierenden nicht endlich der Realität stellen. Der Senator Ties Rabe, Hamburg, hat mir folgendes geschrieben: „…Schon jetzt zählen 20% der Hamburger Schülerinnen und Schüler zu den so genannten ‚Bildungsverlierern‘, die nach der Schulzeit aufgrund ihrer schlechten Bildung kaum noch eine Teilhabe an Gesellschaft und Berufswelt haben. Und 25% der Viertklässler in Hamburg können so schlecht lesen, dass sie nicht einmal ein einfaches Buch lesen und verstehen können. Nach vier Jahren Schule!“ Ich möchte nicht fragen, wer dafür zuständig ist, dass Schülerinnen und Schüler nicht lesen und schreiben können. Dennoch frage ich mich: Sind die genannten 25% in der CDU/CSU… und in den Parlamenten… Würde es dem Parlament nicht mehr Nachdruck verleihen, wenn die Parlamente nicht während der Arbeitszeit tagen, sondern mit gutem Beispiel vorangehen und nach der Arbeitszeit die Parlamentstätigkeit vollziehen? Anhand der vielen Nebenjobs der Politikerinnen und Politiker wäre das zielführend. Die Schülerinnen und Schüler streiken nicht gegen wen, sondern für ein in Würde gelebtes Dasein, für eine Zukunft, die auch den nächsten Generationen Leben ermöglicht, für eine Zukunft in Gesundheit und Freude, ein Leben, das lebenswert ist und bleiben soll. Das habe ich den Plakaten und den Worten der Demonstrierenden entnommen. Das ist konkreter als jeder Kompromiss! Sie, die jungen Leute, wollen eine menschliche Katastrophe vermeiden, die Sie mit zu verantworten haben!

Wenn die gewählten Vertreter nichts tun, wer soll es dann machen? Es bleiben nur die Vernunftbegabten, die gebildeten jungen Menschen, die erkennen, dass sie handeln müssen, gezwungenen Maßen! Sie, Herr Bundesminister, sind stolz auf Ihren Weg und wollen den jungen Menschen damit imponieren. Das ist gut gemeint, aber hilft den nachkommenden Generationen nicht. Sie nennen es „Schule schwänzen“. Ich nenne es: Zukunftssicherung. Zukunftssicherung, nicht nur für die jungen Menschen, sondern auch für die Generation, die nach dem furchtbaren Krieg den Wiederaufbau in Deutschland organisierten und die Souveränität für Deutschland wiederherstellen mussten, Vertrauen zu den Nachbarn aufbauen und die Friedfertigkeit (Luther) beweisen mussten und für unsere natürlichen Verbündete in der Natur. Mit der friedlichen und einzigen Revolution in Deutschland, die tatsächlich Veränderung brachte, wurde Deutschland in die Gemeinschaft Europas und der Welt wieder aufgenommen. Das war nur möglich, weil es Menschen gab, die nicht nach den Buchstaben der Gesetze gefragt, sondern nach deren Sinn gesucht haben. Junge Menschen als „Schulschwänzer“ zu stigmatisieren, wird der kritischen und unaufschiebbaren Situation nicht gerecht.

Vielmehr müssten die bestraft werden, die die Weltkatastrophe nicht verhindern wollen, die grundgesetzwidrig handeln, in dem sie Schaden dem deutschen Volk zufügen. Ich weiß, was Stigmatisierung bedeutet. In meiner Kaderakte (also: Personalakte) stand: „Feindtätigkeit“. Was das in der DDR bedeutete, kann nur verstehen, der die DDR erlebte. Und der Weg allein über die Straße führte zur Wiedervereinigung. Eine Enttäuschung? Für Sie vielleicht, für die Menschen nicht! Es müsste Sie wachrütteln, dass diese Revolution der Vernunftbegabten unter und mit dem Schutz ihrer Eltern und Großeltern passiert. Generationen sind sich einig, einzig die Politiker und Politikerinnen und Beamten und Beamtinnen machen sich die drei Affen-Methode zu eigen und scheren aus dem Kanon der Bevölkerung aus. Wenn diese Jugend, wenn diese Eltern- und Großelterngeneration nicht das Volk ist, das Sie sich wünschen, dann erinnere ich an Bertolt Brecht: „Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ oder: “Reden über Angelegenheiten, die durch Reden nicht entschieden werden können, muss man sich abgewöhnen.“ Dazu zählen das Klima und die gesunde Umwelt. Wäre es nicht eine Überlegung wert, Politiker und Politikerinnen durch künstliche Intelligenz zu ersetzen? Das sparte viel Geld und es kämen vernünftige Beschlüsse dabei heraus.

Sehr geehrter Herr Bundesminister der Gesundheit, Sie haben eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes zugestimmt, dass „Verkehrsverbote nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz wegen der Überschreitungen des Luftqualitätsgrenzwerts für Stickstoffdioxid in Gebieten, in denen bei Stickstoffdioxid der Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel nicht überschritten wird, in der Regel nicht erforderlich sind“. Das ist eine 25%ige Erhöhung des internationalen Richtwerts. Sie nehmen damit billigend in Kauf, dass die Gesundheit der Ihnen anvertrauten Menschen geschädigt wird. Wann teilen Sie der Bevölkerung mit, dass die Lernfähigkeit (je nach mathematischem Modell einer Exponentialfunktion) etwa eine 30%ige Verringerung nach sich zieht? Wie steht das im Zusammenhang mit Ihrer Feststellung, dass die jungen Leute sich selbst schaden, wenn sie partiell nicht zur Schule gehen? Wäre es nicht zwingender, Schulen so umweltfreundlich auszustatten, dass Schule wieder Spaß macht, dass die klimatischen Bedingungen höchste Lernfähigkeit garantieren? Darüber muss gesprochen und demokratisch entschieden werden. Sie werben für Parteienmitgliedschaft. Ich denke, die jungen und kritischen Menschen werden diese Mitgliedschaft aus vielerlei Gründen nicht annehmen:
1.Die Parteien waren ein gutes Mittel im 19. Und 20. Jahrhundert. Sie sind ein politisches Auslaufmodell, nicht mehr zeitgemäß. (Ich bin gern bereit, über Alternativen zu reden).
2.Die Parteiendemokratie ist zur Parteienautokratie mutiert. Sie bietet nicht das Auswählen im wahrsten Sinne und lebt nicht von der Änderung.
3.Die jungen Menschen wissen, dass eine Parteizugehörigkeit ihnen die Stimme, Kreativität und Verantwortung nimmt. Sie werden sprachlos gemacht. Demokratie lebt vom Reden und nicht von Sprachlosigkeit. Theodor Parker sagte einmal: „Demokratie heißt nicht: Ich bin so gut wie du. Demokratie heißt: Du bist so gut wie ich.“
4.Demokratie lebt vom Wort. Demokratie lebt vom Wechsel. Demokratie lebt vom Wortwechsel. Demokratie braucht das „Du“. Demokratie braucht das „Ich“. Demokratie braucht das „Wir“, die Gemeinschaft, die Ideen, das Tun, die Zeit von uns, mit uns, für uns. Alle diese Gedanken verliert man bei Parteizugehörigkeit.
5.Das Grundgesetz nennt Parteien explizit, deren Mitglieder prozentual so viel ausmachen wie vergleichsweise einst IM und Stasi am Bevölkerungsanteil, aber die jungen Menschen, eine Vielzahl der Parteimitglieder, sind implizit verankert. Kurz gesagt: Parteien haben einen höheren Stellenwert als unsere Kinder, als die Biodiversität, als unsere Zukunft. Noch zeitgemäß?
6.Die jungen Leute erfahren am Beispiel Großbritanniens wohin Konservatismus führt.
7.Es wird Zeit, dass Artikel 146 GG zum Tragen kommt.

Wer möchte als junger Mensch zu den Verlierern gezählt werden? Da Sie nur das Ungefähre kennen, denken Sie, dass die jungen Leute im Ungefähren leben oder leben wollen. Sie wollen real leben. War es nicht die CDU mit Parteispendenaffären? Waren es nicht die CSU und CDU mit Plagiaten? War es nicht die CDU/CSU, die den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossen haben? Ist es nicht die die CDU/CSU mit ihrer flexiblen Wertevorstellung? Ist es nicht die CDU/CSU, die Menschen bevormunden und die freie Entscheidung eingrenzen will ( §§ 218, 219a)? Aber Waffenlieferungen zur Tötung von Menschenfordert und durchsetzt? Ist diese Partei noch als dem Gemeinwohl verpflichtend anzuerkennen? Ist es nicht beschämend, dass die jungen Menschen den Regierenden den Spiegel vorhalten und erklären müssen, dass das Spiegelbild tatsächlich die Regierenden sind? Dass die Umwelt, die Umwelt von Deutschland ist? Wie kommen Sie zu der Aussage, dass Sie auf dem richtigen Weg sind? Oder meinten Sie Umweg oder Irrgarten? Warum werden die Zielvorgaben 2020 ad acta geschoben? Warum sollen die Verteidigungsausgaben überdimensional steigen, wenn die wahre Herausforderung die Umweltverschmutzung und die Klimaveränderungen ist, eine Frage der inneren und äußeren Sicherheit? Sollen wir Deutsche die amerikanische Mauer zu Mexiko finanzieren, weil wir die Lücken im amerikanischen Haushalt schließen sollen (2% BIP für Verteidigungsausgaben)? Müssen wir nicht für das fehlende Aufkommen der Amerikaner für den Umweltschutz Kosten an anderen Haushaltspositionen einsparen, z. B. Verteidigungshaushalt? Müssten wir nicht jährlich ca. 50 Mrd. € als Rücklagen bilden, um die Klima-und Umweltkatastrophe zu beherrschen oder sollen Ihre Fehler die nachkommenden Generationen bezahlen? Wäre das gerecht? Warum fehlt diese Haushaltsposition?

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie machen die jungen Menschen mitverantwortlich dafür, dass Lebensmittel in Kunststoffverschweißt angeboten werden. Es wäre ein Einfaches, eine klare Verordnung und ohne Sonderbestimmungen zu erlassen, die empfiehlt, dass Lebensmittel ordnungsgemäß und umweltfreundlich verpackt wird. Und wer sich nicht an die Empfehlung halten will, für den wird es verboten. Sie rufen junge Menschen dazu auf, Ihre Arbeit, für die Sie vom Volk bezahlt werden, zu erledigen –Stromtrassen. Man könnte auch sagen: Wenn der Strom nicht zu den Verbrauchern kommt, dann müssen die Verbraucher zu den Stromversorgern gehen –eine Alternative. Sie verbinden Dinge, die nicht verbunden werden können. Für Arbeitsplätze kann die Politik Rahmenbedingungen schaffen, für Naturgesetze nicht. Wenn die Politik dazu nicht in der Lage ist, dann muss ein neues Parlament gewählt werden, dass das umsetzen kann –eine Volksabstimmung. Dass das funktionieren kann, hat die Wende bewiesen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich alle Wissenschaftler und FFF aufrufen, dem Bundesminister für Gesundheit nur eine Frage zu senden. Oder sie senden eine E-Mail an: eller@email.de Ich werde die Fragen weiterleiten und veröffentlichen mit oder ohne Namensnennung. Das unmöglich Scheinende möglich machen. Ein Weg von passiver zu aktiver Mitbestimmung. Ein Weg von parlamentarischer Demokratie zur humanistischen Demokratie. Deutschland braucht einen Politikwechsel. Reden wir miteinander. Jeder muss eingeladen werden und eingeladen sein. Beginnen wir eine neue Epoche der Aufklärung durch Transparenz in Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität. – Ortwin Ringleb

Grundsätzlich stimmt es ganz sicher, dass man sich politisch engagieren sollte, wenn man etwas erreichen möchte. Das ist ganz eindeutig richtig! ABER: In diesem konkreten Fall sehe ich das anders. Seit Jahren hat sich bezüglich der Klimapolitik viel zu wenig getan und jetzt ist es eigentlich schon zu spät. So weit, so bekannt. Wie anders, wenn nicht durch organisierten öffentlichen Protest, sollte da noch etwas erreicht werden? Und wie anders, als mit einem Verstoß gegen die Schulpflicht, hätten die Schülerinnen und Schüler sich Gehör verschaffen können? Wer hätte hingehört, wenn sie sich freitagnachmittags getroffen hätten? Erst der Verstoß gegen die Schulpflicht erweckte so manchen aus seinem seligen Dösen, es war der Tritt ans Schienbein, um sich verzweifelt Aufmerksamkeit zu verschaffen. So gesehen muss ich sagen, dass Herr Spahn diese jungen Menschen besser sehr ernst nehmen sollte und sowohl den erhobenen Zeigefinger als auch die Werbung für einen Eintritt in eine Partei als Antwort auf die Proteste doch besser unterlassen sollte. Die Handlungspflicht liegt hier und jetzt eindeutig bei den Politikern, die genau jetzt an der Macht sind und entsprechende Gesetze verabschieden könnten. Diese Pflicht lässt sich nicht klammheimlich an die folgende Generation abschieben! Bis sich die nächste Generation durch den Dschungel der Alphatiere im Politikbetrieb gearbeitet und sich Gehör verschafft hat, sind die Polkappen abgetaut! Und noch eine Bemerkung zu diesem Thema: Ich möchte, dass diese Verantwortung von Politikern der Parteien übernommen wird, die an unser Grundgesetz, Demokratie und Menschenrechte glauben! Von anderen möchte ich nicht vertreten werden! – Christine Duttenhöfer

Herr Spahn, Sie haben es wahrscheinlich noch nicht einmal gemerkt: Ihr Beitrag formuliert die Bankrotterklärung der Politik. – R. Kerz

Kommt ihnen dieser gönnerhafte, auf die Schulter klopfende Ton bekannt vor? Sie gefallen sich darin, die Latte so hoch zu legen, damit Sie und ihre engagierten Politik-Kollegen, die sich schon seit frühester Jugend für die richtige Sache engagiert haben bequem darunter durch schlängeln können. Sie wollen, dass sich die Schüler in politischen Parteien organisieren? Aufgepasst: Ihre wird das dann wohl nicht sein, eine Partei, die seit 30 Jahren Ökologen und Klimawarner ins Lächerliche ziehen und diese in eine ideologische Ecke stellen wollen. Aber lassen wir die Polemik. Worum geht es, was wollen die Schülerproteste uns (ihnen) sagen: Wir müssen handeln! Hören sie den Schülern eigentlich zu? Die Schüler sind bestens informiert, sie wissen durchaus, dass radikale Verhaltensänderungen jedes Einzelnen nötig sind, um uns auf dem Weg in die Katastrophe zu stoppen. Aber danke dafür, dass sie uns nochmal daran erinnert haben, wie komplex das mit dem Klimaschutz ist! Leider fällt ihnen das sehr spät ein, zu einem Zeitpunkt in dem es für die Suche nach Kompromissen im besten demokratischen Sinne eigentlich zu spät zu sein scheint. Während man in der politischen Auseinandersetzung der letzten Jahre zu dem Schluss kommen konnte, dass Komplexität überhaupt zu benennen gescheut wurde (wie der Teufel das Weihwasser) und sich nicht wenige Politiker immer weiter von den Fakten entfernt haben, um gleichzeitig an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, der leider allzu oft vom eigenen Menschenbild bzw. von den eigenen Interessen definiert wird, gehen wir doch besser das Wagnis ein, über den eigenen Horizont hinauszuschauen. Die Kinder halten uns den Spiegel vor! Schauen wir in die ehrlichen Gesichter: die Empathiefähigkeit, die Konzentriertheit, der Weitblick sind Eigenschaften, die zu neuer Hoffnung Anlass geben. Lassen wir es nicht dazu kommen, dass eine neue Desillusionierung um sich greift, die Folgen möchte ich mir nicht vorstellen, sondern freuen wir uns darüber. Oh ja, wir haben Anlass, uns darüber zu freuen, dass eine neue Generation heranwächst, die politisch denkt und sich engagiert. Was tun sie in der Zwischenzeit? – Ines Hausmann

Was Jens Spahn hier zum Besten gibt, bestätigt voll und ganz, dass er das Engagement der FridaysForFuture-Demonstranten überhaupt nicht ernst nimmt. Genau gegen die Politik solcher bornierten und unbelehrbaren Politiker wie ihn gehen doch Zehntausende freitags auf die Straße! Gerade diese Politik, bei der alles etwas länger dauert, als einem lieb ist, hat doch zur bevorstehenden Klimakatastrophe geführt! Dieser Gesundheitsminister empfiehlt den jungen Leuten allen Ernstes, doch erst einmal den langen Weg durch die Parteigremien anzutreten, um irgendwann einmal das großartige Gefühl erleben zu können, selbst Entscheidungen treffen zu können! Und dann sollen sie auch noch gefälligst in der schulfreien Zeit protestieren, damit es nicht so stört! Hat der Mann denn noch alle Tassen im Schrank?

Allerdings fragt Jens Spahn zurecht: „Gegen wen oder was streikt ihr? – doch er hat mit Sicherheit die Brisanz dieser Frage nicht erkannt: im Grunde genommen richten sich diese Proteste doch gegen das Schulsystem, das zu der jetzigen Lage geführt hat, ein System, das den Schüler zur menschlichen Ressource degradiert, die v.a. dazu ausgebildet wird, dass sie möglichst gut in dem Wirtschaftssystem funktioniert, das die Alten geschaffen haben und von dem hier und jetzt vorwiegend diese Alten profitieren, auf Kosten der Umwelt und der jungen Generation! Warum ist denn der Run auf Privatschulen heute so groß wie noch nie? Vielleicht doch gerade deshalb, weil immer mehr die Persönlichkeitsbildung oder die Ausbildung des kritischen Denkens im Vordergrund stehen, die im staatlichen Schulsystem eher als störend empfunden werden, weil sie nicht abfragbar und somit kaum in Noten zu fassen sind? In diesem Sinne kann ich mich Jens Spahns Aufruf nur anschließen: „Bleibt politisch, aber werdet konkret!“ Und ich füge hinzu: Kämpft nicht nur für sofortige aktive Klimapolitik, sondern auch für ein Schulsystem, das Menschen bildet und nicht v.a. Rädchen im Getriebe – wie Jens Spahn offensichtlich eines ist! – Roland Graef

Wie lange noch wollen wir den Schülern bei den Freitags-Demos zusehen und uns über das Problem des Schule-Schwänzens unterhalten? Drücken wir uns da nicht vor einer riesigen Verantwortung? Sind nicht wir, die Generation der Eltern und Großeltern, diejenigen, die aus Sorge um die Lebensgrundlagen unserer Kinder, und aus der Hoffnung auf einen allseitigen Vernunftwandel auf die Straße gehen und aktiv werden sollten? Wir schicken die Kinder freitags (von uns entschuldigt!) auf die Straße – am Wochenende aber bevölkern wir Skipisten und Shoppingcenter, oder jetten in den Kurzurlaub, und machen uns nur wenige Gedanken um unsere eigene Verantwortung. Die Politik wirds schon richten, und wenn nicht die, dann wenigstens die moderne Technik. Unsere Kinder gehen auf Demos, und der Appell geht an uns! Wir sind aufgefordert, endlich aufzuwachen und aktiv Vorbild zu sein! Laßt uns endlich antworten, mit konsequentem, bewußten Handeln! Wie wäre folgender Ansatz: Auch wir „demonstrieren“! Und zwar bewußt samstags! Draußen, zu Fuß, auf dem Fahrrad! In unserer Stadt, in der Nachbarschaft, in den Gärten, zwischen den Feldern, im Wald! Wir lassen einfach das Auto in der Garage – und der Kurzurlaub? Wäre ja eigentlich sowieso zu stressig. Dafür nehmen wir mal wahr, was wir fußläufig vor der Haustür haben. Wir sind erstaunt, wen und was wir unterwegs in unserer Umgebung kennenlernen und entdecken. Und freuen uns, engagiert und zufrieden, bereits auf das nächste Wochenende! Damit wäre schon viel Klima geschont. – Katharina Glasenapp


 

Leserbriefe zu „Letzte Hilfe?“ von Wolfgang Thielmann und Evelyn Finger

Warum betrachtet man die Situation immer von außen mit dem Blick der pflegenden Person? Ich würde meine letzten Tage wesentlich gelassener angehen, wenn ich ein Mittel zur Hand hätte, mit dem ich selbstbestimmt mein Leben beenden könnte. Es ist doch ein Hohn von Würde zu reden, wenn man vor Schmerzen brüllt und/oder verzweifelt nach Luft röchelt. Was sich mit meiner Würde verträgt, bestimme alleine ich! Das Leben haben mir meine Eltern ermöglicht. Sie sind längst gestorben. Ich kann sie nicht mehr damit beleidigen, dass ich mich töte. Im Übrigen sollte man Religion aus dem Thema heraushalten. Religion hat bisher immer Gründe zum Hinrichten und Morden gefunden, da wirkt jedes Argument gegen den Freitod schal. Zum Abschluss eine Frage: Darf man eine Gabe, über die man nicht frei verfügen darf, Geschenk nennen? Ich bin fast 81 Jahre alt. Noch lebe ich gerne. – Bruno Becker

Es gibt unerträgliche Leiden. Als Seelsorger habe ich eine Patientin begleitet, die sich schließlich mit Hilfe von Dignitas in Zürich suizidiert hat. Der Gott, an den ich glaube, ist nicht eifersüchtig, dass sie oder wir in sein Handeln eingegriffen haben, sondern hat mitgelitten. – Wäre Wolfgang Thielmann konsequent, müsste er jede medizinische Behandlung als Eingriff in Gottes Handeln ablehnen. Für den Einzelfall muss es Auswege in schier unerträglichen Leidenssituationen geben. Diese ermöglicht das Gesetz zum assistierten Suizid! (Die Tötung auf Verlangen stand ja nicht zur Debatte.) Das für mich stärkste Argument zur Vorsciht in den Diskussionen von 2015, das beide Autor*innen nicht nennen, ist:
Wie verändert die Ausweitung der Möglichkeit zum assistierten Suizid eine Gesellschaft? Wie setzte das alte Menschen, Schwache, Kranke unter Druck, den anderen nicht länger zur Last zu fallen? Wie veränderte es den Blick Pflegender und Angehöriger und Freunde von schwer Kranken oder Behinderten, wenn die Möglichkeit des Todes und damit des Endes der Belastung immer mit im Raum stünde!
Ich empfehle: Gerbert van Loenen: Das ist doch kein Leben mehr!, Mabuse Verlag, Frankfurt am Main 2014, der die Situation in Holland kritisch beleuchtet! – Michael Brems

Sie haben unerträgliche Zahnschmerzen und suchen einen Arzt, der sich über das Zahnziehverbot der Zahnfee hinwegsetzt? Ich bin dagegen: Die Extraktion eines Zahnes greift in das Handeln der Zahnfee ein! Darum plädiere ich dafür, sie hierzulande zu verbieten. Natürlich darf niemand mit Zahnschmerzen allein gelassen werden. Und ich denke, wenn man jemanden zur Seite hat, der einem mit etwas Morphium versorgt und das Händchen hält, werden die Zahnschmerzen erträglicher und die Forderungen nach einer Extraktion leiser. Ich kenne keine Zahnärzte, die gerne Zähne ziehen und ich würde es befürworten, dass man ihnen diese unethische Zumutung abnähme. Denn wo kämen wir hin, wenn Ärtze das tun sollten, was Patienten sich wünschen? Da sei die Zahnfee vor! – Margot Neuser

„Du sollst nicht töten“
Es ist scheinheilig, die Beihilfe zum Suizid zu verbieten, wenn man die Rüstungsindustrie und Waffenlobby toleriert! Diese sind Beihilfe zum Mord und gehörten verboten! – Ulf Deutsch

Ich glaube nicht, dass es Gottes Wille ist, dass ich nicht selbst bestimmen kann, ob ich weiterleben will, dass ich eine Patientenverfügung erstellen muss um am Sterben gehindert zu werden und dass ich demnächst auch noch verfügen muss, dass ich keine Organe spende. Am Anfang war nämlich nicht das Wort, sondern die ERDGÖTTIN GAIA – und die sorgt mütterlich für ihre Kinder. Deshalb rebelliert sie jetzt auch durch ihre Kinder. – Wilhelmine Stefani

Die Ausweglosigkeit eines von schwersten Schmerzen geplagten Patienten ist erschütternd. Die Palliativmedizin ist heute so weit fortgeschritten, dass eine massiv erhöhte Dosis von Morphium o.ä. nicht mehr als assistierte Sterbehilfe verurteilt werden dürfte. Es ist letztlich eine Erleichterung, leben zu können, wobei das Lebendige generell einer völlig neuen Interpretation bedarf. Der Schöpfergott, der uns das Leben schenkt, ist eine Illusion. Die Bewahrung der Schöpfung und die Ehrfurcht vor der Natur sind notwendiger denn je zuvor, aber nicht durch Verherrlichung von Götzengestalten, welche zur Dämonisierung der menschlichen Seelen beitragen. – Roland R. Ropers

Religiöser Glaube kann zu herzlosen Einstellungen führen. Hätte sich die Mutter von W.Thielmann entschlossen, ihr Leben wegen der schlimmen Qualen zu beenden, so hätte ihr Sohn die Schultern gezuckt: „Da kann ich dir nicht helfen. Die Frage ist zu groß für mich.“ Der Autor sollte einmal mehrere Jahre mit Schwerstkranken arbeiten. Vielleicht würde er dann merken, daß die meisten Situationen wenig mit Hiob zu tun haben. Und daß die Rede von der „Würde des Menschen“ angesichts totaler Hilflosigkeit von vielen Betroffenen als schlimme Phrase empfunden würde. Ich hoffe, daß das Bundesverfassungsgericht so menschlich wir Evelyn Finger urteilt. – K.-H. Eckert

Wenn Wolfgang Thielmann schreibt, dass die Frage, ob er eines Menschen Leben beenden oder dabei helfen könne, zu groß für ihn sei, kann ich diese auf der christlichen Moral basierende Antwort als seine persönliche Antwort respektieren und akzeptieren. Dass er daraus eine Vorschrift für alle Menschen in Deutschland bzw. machen will, auch für die 37% Konfessionslosen (Prozentzahl der Agnostiker? ), halte ich für moralischen bzw. religiösen Terrorismus bzw. für eine Form von christlichem Imperialismus. Als Begründung werden drei Argumente genannt, das Christentun, die Naturrechtslehre und Immanuel Kant. Leider werden diese Argumente nur teilweise ausgeführt, als ob das nicht nötig sei.
a) Das Christentum. Diese Religionsform war schon seit Jahrhunderten dafür bekannt, dass sie über Leben und Tod ihrer Gläubigen verfügte, wenn diese (angeblich) nicht ihrer Meinung waren. Solche Leute wurden zu Ketzern erklärt, gefoltert, verbrannt oder ins Gefängnis geworfen. Auch Progrome und die Ausrottung der Juden durch die verschuldeten christlichen Herrscher wurden damit gerechtfertigt, dass sie den Heiland ermordet hätten. So wurde man schnell wieder schuldenfrei und hatte sogar noch gutes Werk getan. Mit diesen Taten griff man wohl nicht in das Handeln Gottes ein oder? Die Nazis haben im Grunde nichts anderes als die Christen gemacht, jetzt nur mit etwas anderer Begründung. Die Begründungen für Projektionen können inhaltlich ganz unterschiedlich sein, beruhen aber meist auf ganz ähnlichen psychologischen Motiven. Ich finde die ganze Argumentation heuchlerisch. Gottes Namen wurde schon immer für andere, meist eigensüchtige oder Herrschaftszwecke missbraucht. Damit fällt das Christentum als Begründung aus.
b) die Naturrechtslehre. Dieses Argument wird von Herrn Thielmann nicht weiter ausgeführt. Ist es nicht so wichtig? Oder ist das Argument so dürftig.
c) Wieso die Selbsttötung oder die Mithilfe dazu dem kategorischen Imperativ Kants widerspricht, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Was soll daran vorbildlich sein für andere, sich nicht zu töten, wenn man seine Würde als Mensch nur durch Selbsttötung z.B. vor Mord oder Vergewaltigung schützen kann, wie dies in der Geschichte öfters geschehen ist. Da scheint die christliche Moral wohl Kant untergeschoben zu werden. Für mich ist die Selbsttötung das letzte Recht eines jeden Menschen angesichts von Mord, Vergewaltigung oder unerträglichem Schmerz. Vielleicht ist deshalb der Versuch in Deutschland auch nicht strafbar.

Wir leisten keine Sterbehilfe, stattdessen nehmen wir den Tod durch erhöhte Dosen von Morphium in Kauf. Ist das nicht auch Heuchelei? Und was das Verhältnis der Ärzte zu Tod, Suizid und assistiertem Suizid anbetrifft, das ist ein eigenes Kapitel der Heuchelei , Verleugnung der eigenen Endlichkeit, und Geschäftemacherei, das hier eigentlich kein Thema ist. Aber kann es aus dem ganzen Komplex herausgehalten werden? Natürlich sind wir in Deutschland verständlicherweise bei allem, was nach Euthanasie aussehen könnte, besonders vorsichtig. Haben wir nicht der ganzen Welt gezeigt, wo zu wir Deutschen, auch deutsche Ärzte, fähig sind. Müssen wir uns deshalb aber den Verstand venebeln lassen? Dass deutsche Politiker intellektuell nicht in der Lage sind, zu differenzieren, in welche Gemengelage sie sich bei diesem Thema begeben, darauf hat ja Prof . Borasio in seinem ZEIT-Artikel ‚Der Streit der Ahnungslosen‘ schon am 17. 9. September 2015 (ZEIT Nr. 38) hingewiesen. Insbesondere auf den Punkt der eklatanten Übertherapie am Ende des Lebens und jetzt müssen wir doch auf das Verhältnis der Ärzte zum assistierten Suizid zu sprechen kommen. Worum es da in Wirklichkeit geht, habe ich in meinem (damals nicht abgedruckten) Leserbrief dargestellt: „Ähnlich wie bei dem immer unverschämteren Zugriff des Gesundheitswesens und der Versicherungen auf die Daten der Versicherten soll auch der Sterbenskranke nicht mehr selber über seine Behandlung und über die Art und Weise entscheiden, wie er leben oder sterben will. Schon längst gehört er nicht mehr sich selbst, schon längst sind wie bei den Bodenschätzen in der Arktis die claims der geschäftsmäßigen Spekulanten abgesteckt.“

„Leider sind unsere Volksvertreter intellektuell anscheinend nicht in der Lage, diese Zusammenhänge zu durchdringen und lassen sich dazu benutzen, das ‚marginale Phänomen‘ der Suizidhilfe mit einer Inbrunst zu diskutieren, als stünde der Untergang des Abendlandes an. Circa 50 % aller Sterbenskranken, so die Statistik laut Prof. Borasio, dürfen nicht selbstbestimmt und in Würde sterben, sondern müssen in den letzten beiden Lebensjahren und besonders in den letzten Lebenswochen meist im Krankenhaus Behandlungen und Operationen über sich ergehen lassen, die entweder unnötig sind oder ihnen nicht helfen, häufig sogar schaden. Ein Drittel der Gesundheitskosten, die im Leben eines Versicherten anfallen, kommen so zusammen, nach Borasio die gewaltige Summe eines dreistelligen Milliardenbetrags. Wem fließen diese Beträge zu? Bei solchen Summen braucht man auch gar nicht mehr darüber nachzudenken, wer ein kommerzielles Interesse daran hat, die ‚organisierte und geschäftsmäßige‘ Sterbehilfe anzuprangern und zu verbieten. Nämlich die, die schon am meisten an der bisherigen ‚Übertherapie‘ geschäftsmäßig und organisiert verdient haben. Jeder begleitete Suizid, jedes selbstbestimmte Sterben in Würde zuhause macht der kommerziellen Krankenindustrie das Geschäft kaputt. Warum wird diese Geschäftemacherei nicht angeprangert und unter Strafe gestellt? Die hehren Worte, mit denen die Ärztekammern ihren Angehörigen den assistierten Suizid verbieten wollen, gewinnen so einen tieferen zynischen Sinn.“

Man wird abwarten müssen, als welches Geistes Kinder unsere Richter am Bundesverfassungsgericht sich herausstellen werden. Schlagen sie sich auf die Seite der Geschäftemacher oder auf die Seite einer sich christlich nennenden Ethik oder können sie eine eigene unabhängige Position entwickeln? Bei all den vorgebrachten Argumenten fällt besonders auf, dass sich niemand wirklich um das körperliche und seelische Wohl der Sterbenden zu interessieren scheint. Die Argumentationen sind so gnaden- und erbarmungslos wie ich sie sonst nur aus Stellungnahmen von Katholiken zur Abtreibung kenne. Da scheint ein alttestamentliches eifer- und rachsüchtiges Gottesbild im Hintergrund zu stehen. Dass man einem sterbenden Menschen nicht die Möglichkeit gibt, seinem Leben durch ein bereitgestelltes Medikament selbst ein Ende zu bereiten, finde ich zutiefst inhuman. Selbst bei einem wilden oder Haustier würde man es nicht aushalten, dass es qualvoll bis zum Tode hinsiecht, und es aus Mitgefühl einschläfern.

Von Mitgefühl, Einfühlungsvermögen oder Nächstenliebe ist für die sterbenden Menschen nichts zu spüren. Dass sterbende Menschen erbarmungslos in ihrer inneren Not allein gelassen werden, auch in Hospizen, liegt daran, dass sie den sie behandelnden Ärzten keine beruflichen Schwierigkeiten machen wollen (Verlust der Approbation). Wie Ärzte wirklich denken, beschreibt Evelyn Finger, wenn sie über die Heuchelei der Argumente spricht. Danach möchten etwa 2/3 der deutschen Ärzte keinen assistierten Suizid vornehmen, aber selber im Ernstfall eine solche Hilfe in Anspruch nehmen. Ich kann Frau Finger nur zustimmen, wenn sie schreibt, dass Sterben in Deutschland auch heute noch sehr grausam sein kann. Wir können nur hoffen, dass eine humane, am Wohle der Sterbenden orientierte Justiz der Verlogenheit der christlich orientierten Gegner der assistierten Sterbehilfe und der eigentlichen Geschäftemacher im Hintergrund eine eigene unabhängige Position des klaren Geistes entgegen setzen kann. Eine solche unabhängige Position kann oft viel menschenfreundlicher und christlicher im jesuanischen Sinne sein als die vermeintliche Interessenvertretung von Politiker, Ärzteorganisationen und Kirchen. – Dr. Karl-Heinz Grimm

Meine Mutter litt im Alter an starker Osteoporose. Die Wirbel brachen. Die letzten 2 Jahre lebte sie im Heim. Lebte? Schlimme Schmerzen; ein Schmerzmittel, das Haut, Magen und Verdauung schädigte. Angewiesen auf Hilfe, da sie nur im Bett liegen oder im Rollstuhl sitzen konnte. Zeit wie in allen Heimen Mangelware. Folglich Windeln z.B., die entsprechend Stundenplan gewechselt wurden. Nicht einmal genug Kraft in den Händen, um eine Tasse zu heben, ein Buch zu halten. Lebte sie? Sie hortete Schmerz- und Schlafmittel. Mit der ihr ausreichend erscheinenden Menge schaffte sie es – allein! – bis ins Koma. Entspricht das der Vorstellung eines würdigen Abgangs nach erfülltem Leben? – Ein/e Leser/in

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist der Maßstab. Man möge ihn bitte auch respektieren, wenn ein Mensch – aus welchen Gründen auch immer – des Lebens überdrüssig ist. Nur der Sterbewillige selbst, und sonst niemand, kann und darf und hat das Recht, zu beurteilen und zu entscheiden, ob sein Leben noch wert- und würdevoll ist. Moderne Demokratien haben schon lange hohe moralische Standards entwickelt, die ethisch weit über denen der Religionen stehen. Einem Menschen Sterbehilfe – indirekte oder aktive – zu verweigern, wäre eine zynische Missachtung seiner Würde, eine Vergewaltigung seines freien Willens und unterlassene Hilfeleistung in seiner übelsten Ausprägung. Auf keinen Fall sollten hier religiös belastete Menschen ein Mitspracherecht haben. – Walther von Donat

 

Leserbriefe zu „Letzte Hilfe? – Ja!“ von Evelyn Finger

1:0 für Sie und Ihren Artikel. Schützt uns unser Grundgesetz wirklich bis zuletzt? „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das heißt, jeder Bürger hat nicht nur ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben, sondern auch auf ein menschenwürdiges Sterben. Niemand sollte vor Schmerzen wimmern müssen, wenn ihm offenbar nicht mehr geholfen werden kann. Es ist schon bemerkenswert, dass unsere Volksvertreter nunmehr jahrelang die Umfragen ignorieren, die besagen, dass etwa Dreiviertel der Bevölkerung eine Hilfe beim Sterben zumindest in bestimmten aussichtslosen Fällen wünscht. Gibt es ein Recht, über den Zeitpunkt des eigenen Todes zu entscheiden? Ja, es ist das Selbstbestimmungsrecht oder auch das Prinzip „In dubio pro libertate“ (im Zweifel für die Freiheit). Der Staat muss uns doch nicht vor uns selbst schützen, sondern nur vor anderen, die uns das Leben gegen unseren Willen nehmen wollen. Was gibt dem säkularen Staat das Recht, die Hilfe zur Selbsttötung zu verbieten?

Die Kirchen sind aus dogmatischen Gründen gegen Sterbehilfe nach dem Grundsatz: Gott hat uns das Leben geschenkt, und nur er darf es uns wieder nehmen. Wenn aber das Leben kein Geschenk mehr ist, sondern eine Zumutung? Dann kann man doch das Geschenk wieder zurückgeben. Oder fürchten fromme Christen, dass der hohe Herr dann beleidigt ist? Allerdings herrscht bei uns Religionsfreiheit, mithin auch Freiheit von der Religion. Wir haben nicht das Christentum als Staatsreligion – unser Staat ist säkular – deshalb dürfen die gläubigen Christen nicht über Anders- oder Nichtgläubige bestimmen. Ich habe überhaupt noch kein zwingendes Argument gegen die Sterbehilfe gehört. Man komme mir nicht mit „Euthanasie“. Das war ein Gewaltakt des Nazi-Staates. Bei der Sterbehilfe handelt das Individuum. Ich will dann sterben, wenn mein Weiterleben (oder Weitervegetieren) hoffnungslos und schmerzvoll ist und brauche dazu einen Freundschaftsdienst, also z. B. einen Arzt, der mir das tödliche Medikament verschreibt. Wo ist das Problem? Wem schade ich damit? Wer trotzdem weiterleben will, soll daran nicht gehindert werden. Es gibt Fälle, bei denen Palliativmedizin noch hilft, es gibt andere, bei denen eine Lebensqualität nicht mehr gegeben werden kann – es kommt nicht darauf an, wie lang ein Leben ist, sondern wie gut. Die Meinung, dass Sterben heute schmerzfrei geht, trifft leider nicht für alle zu. Wie Sie selbst schrieben, Frau Finger, kann Sterben auch heute noch grausam sein, und das ist ja nicht human. Ich halte es mit Johann Gottfried Seume: „Das Leben ist mir nicht so viel wert, um mich darin übel zu befinden.“ Sterbehilfe ist ein Akt der Humanität und sollte den Rang eines Menschenrechts bekommen. – Ragnar Reuland

Frau Finger beschreibt die unnötig schmerzbelasteten letzten Tage einer Angehörigen. Offensichtlich wurde die Familie mit der Schmerztherapie alleingelassen. Gab es denn in dieser bedauernswerten Gegend Deutschlands keinen spezialisierten, ambulanten Palliativdienst? Anhand dieser familiären Erfahrung werden die Themen der juristisch sogenannten Sterbehilfe diskutiert und dabei wie üblich die Begriffe ziemlich durcheinandergewirbelt. Ärzte brauchen für jede Behandlung eine Indikation und jede Indikation braucht ein Therapieziel. Wer Schmerzen behandelt, hat die Verminderung der Schmerzen zum Ziel und nicht die Tötung des Patienten: Das ist anerkannt gute, palliative Behandlung (und juristisch indirekte Sterbehilfe). Wer Medikamente besorgt und verteilt, um zu töten, hat das Ziel Tod des Patienten: Das ist kein allgemein akzeptiertes, palliatives Therapieziel (und juristisch ärztlich assistierter Suizid). Meine Überzeugung und die meiner meisten Kollegen ist, dass Ärzte prinzipiell nicht töten dürfen. Ob es jetzt eine gute Idee ist, Gerichte über palliative Therapieziele und damit Indikationen am Lebensende entscheiden zu lassen, wage ich zu bezweifeln. Hingegen bestätigt der Artikel unabsichtlich den früheren Gesundheitsminister Hermann Gröhe: Wir benötigen deutlich mehr gut ausgebildete und organisierte ambulante Palliativdienste. – M. Schmidt

„Ein Hoch auf die pflegenden Angehörigen!“
Zuerst einmal ziehe ich meinen Hut und verneige mich tief vor der Schreiberin Frau Finger für ihren offenen Beitrag und den Mut ihre Angehörige auf dem letzten, schmerzhaften Weg liebevoll zu begleiten. Nicht in einer unpersönlichen fremden Umgebung, sondern in ihrer Wohnung. Nach jahrelanger Berufstätigkeit als Krankenschwester auf der Intensivstation, arbeite ich seit einiger Zeit nun schon in der sepzialisierten ambulanten Palliativversorgung, das heißt wir fahren zu Familien nach Hause und beraten und begleiten schwerstkranke Menschen und auch deren Angehörigen, die für die Pflege und Versorgung zu Hause unerlässlich sind. Wir unterstützen sie bei der Symptomkontrolle, sind sozusagen der verlängerte Arm des Hausarztes mit 24 h Bereitschaftsdienst, 7 Tage die Woche. Schade, dass sie in der aufreibenden Begleitung ihrer Angehörigen keinen Kontakt zum Dienst der SAPV hatten. Dieser Dienst ist eine Pflichtleistung der Krankenkassen und somit kostenlos für die Familien. Ja, es gibt Schmerzen in der Palliativpflege, den sogenannten Durchbruchschmerz, der nur mit sehr hohen Dosen an Opiaten u.ä. und Benzodiazepinen in Griff zu bekommen sind. Bei solchen Schmerzeskalationen dürfen pflegende Angehörige nicht allein gelassen werden, sondern hier bedarf es Profis, die geschult und erfahren sind. Wir arbeiten auch viel mit patientenkontrollierten Schmerzpumpen (PCA), bei der sich der Patient selbstbestimmt, per Knopfdruck, einen Schmerzmittelbolus verabreichen kann. In meiner Arbeit durfte ich schon viele besondere Menschen begleiten und deren Angehörigen, die an der intensiven Betreuung gewachsen sind und es nicht bereuen den letzten Weg gemeinsam gegangen zu sein. Lebensqualität, Leid und Schmerzen sind sehr persönliche, individuelle Empfindungen und Interpretationen. Wenn wir nun assistierten Suizid anböten, wäre meine große Befürchtung, auch im Hinblick auf den Pflegenotstand und die demografische Entwicklung, dass wir schwerstkranke, alte und demente Menschen indirekt unter Druck setzten. Damit das Leben unantastbar bleibt, sollten wir die unterstützenden Dienste ausbauen und in den Medien entsprechend thematisieren. – Elke Schneider

 

Leserbriefe zu „Letzte Hilfe? – Nein!“ von Wolfgang Thielmann

Oh hätte Wolfgang Thielmann doch die Bemerkungen Thea Dorns über Toleranz in derselben Zeitausgabe gelesen, dann wäre ihm möglicherweise bewusst geworden in welchem Ausmaß er Macht ausüben will über anders denkende Christen und insbesondere Nichtgläubige. – Ulrich Berns

Meine Frau ist vor vier Wochen an den Folgen von ALS verstorben, die vor drei Jahren diagnostiziert wurde. Also habe ich den ganzen Prozess des Leidens noch voll in mir. Ihre körperlichen Funktionen wurden kontinuierlich außer Kraft gesetzt bis sie kein Glied mehr selbständig bewegen konnte und schließlich vor einem Jahr auch noch ihre Sprache verlor. Mehrmals am Tag musste ich ihr mit einer Pumpe den Schleim absaugen, damit sie noch halbwegs Luft bekam. Sie konnte kaum noch Nahrung zu sich nehmen und wurde mit Medikamenten vollgepumpt, die ihr Leid mindern sollten aber nur das Sterben verlängerten. Funktionsfähig war allein noch ihre Gehirntätigkeit. Sie musste also bei vollem Bewusstsein erleben, wie sie täglich ein bisschen mehr starb. Als Krankenschwester kannte sie den Krankheitsverlauf. Sie wollte sterben und hat das den Ärzten kundgetan als sie noch sprechen konnte. Ich, der sie täglich 24 Stunden allein gepflegt habe und dieses Elend ständig vor Augen hatte, werde das mein Leben lang nicht vergessen und sage Herrn Thielmann, die Kirche und Gott haben nicht das Recht, die freie Entscheidung eines Menschen zu hinterfragen. Um Gottes Willen zu folgen, muss ein Mensch das ertragen. Nein!!! Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Kant würde ich schon gar nicht als Gegner der Sterbehilfe anführen. Meines Wissens hat sich ein Herr Eichmann in seinem Prozess in Israel auch mit Kants Thesen entschuldigen wollen. Kein allgemeines Gesetz darf meine, meine persönliche Entscheidung, die keinem anderen Menschen Schaden zufügt, vorschreiben, was ich zu tun habe. Maxime können nicht mehr als eine Empfehlung sein. Religion und Philosophie sind so oft missbraucht worden. – Dietmar Seela

Wieso dürfen Bundeswehrsoldaten im Kriegsfall andere töten; wieso dürfen aber Ärzte nicht einem totkranken Patienten auf dessen Wunsch eine totbringende Spritze setzen? Wieso darf unsere Rüstungsindustrie totbringende Waffen nach Saudi- Arabien liefern; wieso darf aber ein Arzt nicht einem sterbewilligen Patienten ein totbringendes Medikament liefern? Herr Thielmann, können Sie mir diese Fragen beantworten? – Dr. Peter Dodel

In seinem Plädoyer gegen die Sterbehilfe schreibt Wolfgang Thielmann, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, und Recht hat er. Zur meiner Würde gehört jedoch auch, dass ich nicht gegen meinen Willen unnötig leiden muss, dass ich nicht Demenz im Endstadium erleiden muss, wenn ich es nicht will – ich darf in Würde gehen. Diese Würde darf auch vom Staat nicht angetastet werden, schon gar nicht aus kirchlichen Gründen. Denn wir leben in einem säkularisieren, und wichtiger noch: in einem freien Staat. Und bedeutet Freiheit nicht zuallererst, dass wir immer eine Wahl haben sollten? – Niklas Schulte

Ich hoffe, „normal“ sterben zu können! Ich empfinde es allerdings auch als letztlich ungeuerliche Anmaßung von Herrn Thielmann und anderen auf verschiedenen Ebenen metatheoretisch argumentierenden Heilsvertretern, mir persönlich im Ernstfall ein unaushaltbares Leid zumuten zu wollen. Dabei geht es nicht in erster Linie (wohl aber auch) um das Recht auf Selbstbestimmtheit und um den Erhalt von Würde, sondern um eine moralinsaure Rechtfertigung von Erlebenszuständen, die andernorts unter schwerste Folter fallen. Ich werde auf Hilfe hoffen, um im wirklichen Ernstfall nicht (quasi wie der tagelang gefolterte Jesus „von Gott verlassen“) mitleidlos „den Umständen“ ausgeliefert zu sein, sondern erlöst, aus dem Schmerz gelöst werden zu können – auf eine von mir selbst vorbestimmte Art und Weise! Da hat sich niemand, auch kein „Gesetzgeber“, einzumischen! – Ein/e Leser/in


 

Leserbriefe zu „Abrüsten, Avantgarde!“ von Thea Dorn

Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Text von Thea Dorn; sie spricht mir aus der Seele.

Am liebsten würde ich diesen Artikel sofort zur Pflichtlektüre für alle machen, die sich mit Politik beschäftigen. Den folgenden kleinen Text habe ich vor Jahren mal während meines Studiums zu diesem Thema verfasst:
Toleranz

Wir sprachen über Toleranz.

Das war schon immer mein Thema!
Andere Menschen achten! Andere Kulturen achten!
Endlich redeten wir mal darüber!
Dann sagte jemand:
Toleranz gibt es auch in der Technik. Das ist die Differenz zwischen der angestrebten Norm und
den tatsächlichen Maßen. Diese Toleranz ist begrenzt.
Das hat nichts mit unserem Thema zu tun, dachte ich, und ich ärgerte mich maßlos über den, der das gesagt hatte.

Irgendwann werde ich sicher auch lernen, tolerant zu sein. Annette Söllinger

Nein, liebe Thea Dorn, wir, die 50%, die Sie in Ihrem Artikel der „Avantgarde“ zurechnen (also avantgardistischer Mainstream!?), wir deklarieren die „Bürger mit eher traditionellen Wertvorstellungen“ nicht als „Geisterfahrer“, wenn sie wie wir Richtung Zukunft nehmen und dabei vernünftigerweise nicht der Raserei frönen; warum sollte ein Tempolimit schlecht sein? Nun aber stellen Sie sich bitte vor, dass es geschätzt 20% dieser Mitreisenden auf der Fahrt in die Zukunft plötzlich einfällt, den Rückwärtsgang einzulegen… – Willi Mößel

Auch wenn ich der Autorin in ihrem Aufruf zu mehr Toleranz zustimme, halte ich die derzeitige linksliberale Elite nicht für eine Avantgarde im positiven Sinne. Ich war immer ein „aufmüpfig-selbstbewusstes Individuum“, z.B. im Kampf gegen die Notstandsgesetze oder als Mitkämpfer in der Anti-AKW-Bewegung. Meine Kritik kommt also nicht aus der Ecke derjenigen, „deren einstige soziale Gewissheiten und Ordnungsvorstellungen erschüttert worden sind“ und die Zeit brauchen, die heutige Welt anzuerkennen. Meine Kritik richtet sich an vermeintlich linksliberale Eliten, die „im Namen der guten Sache“ z.B. Andersdenkende wie Thilo Sarrazin, Matthias Matussek und andere als „Rechte“ abqualifizieren oder Steckbriefe von AfD-Politikern mit Klarnamen und Adresse an Laternenpfähle kleben, die andersdenkende Professoren an den Unis unter Druck setzen oder mit ihrem Gender-Deutsch die Sprache verhunzen. Wie der Kunsthistoriker und Zeit-Redakteur Hanno Rauterberg betont, sind es heute nicht mehr Staat und Obrigkeit, die der Kunst strenge Grenzen setzen wollen (z.B. Gomringer-Gedicht), sondern „Kräfte, die sich selbst oft als links und progressiv begreifen“. – Klaus Lüßenhop

Frau Dorn vertritt die Ansicht, Minderheiten sollten nicht erwarten, dass die gesamte Gesellschaft für sie „positiver Resonanzraum“ sei. Man müsse sich mit Toleranz begnügen. Nur: Die vermeintlich Wertkonservativen (Welche Werte sollen das eigentlich sein?) müssen nach dieser Prämisse umgekehrt eben auch damit leben, dass heutzutage weder die Betroffenen noch die Mehrheit der Umstehenden geschmacklose „Komplimente“ gegenüber Frauen oder schlechte Witze auf Kosten von LGBTIQ-Personen beklatschen oder unkommentiert lassen. Genau dies fordert Dorn aber im Ergebnis und verlangt damit so paradox wie absurd einen positiven, kritikfreien Resonanzraum exklusiv für die Wertkonservativen. – Dr. Sven Kerkhoff

T o l e r a n z
Thea ist im Aug‘ kein Dorn, sondern einzig, klar, das Wahre; stoßen wir ins selbe Horn: Duldsam sein, ja, „tolerare“! – Elke & Frank Müller-Thoma

Statt des kleinen Fingers=behutsame Veränderung ergreifen bisher vermeintlich benachteiligte Minderheiten heute gleich die ganze Hand=radikaler Bruch! So bestimmt inzwischen eine links-grüne Minderheit unsere gesellschaftspolitische Entwicklung und Moral: nur der ist tolerant, der für die uneingeschränkt offene Gesellschaft eintritt, für allzeit offene Grenzen, durch die Menschen aus allen Ländern unserer Erde nach Deutschland kommen und mit den Einheimischen in Zukunft ein Volk grenzenloser Buntheit und Vielfalt bilden sollen, man könnte auch sagen: globaler Beliebigkeit! Wer jedoch weiterhin lieber in einem Land leben möchte, dessen Bürger mehrheitlich mitteleuropäische Deutsche sind, wird jetzt nicht mehr als „von vorgestern“ belächelt, sondern mit massiver Intoleranz als Rassist und Rechtspopulist beschimpft! Dabei wünscht er sich nur, die Nation, der er sich zugehörig fühlt, mit ihrer Geschichte, Kultur, Sprache, Lebensart, ihrem Gesicht möge der kleine, unverwechselbare Stein bleiben im großen, bunten Weltmosaik! Intoleranz hat Konjunktur, wie auch DIE ZEIT zeigt: s. Lieber den Deckel draufhalten (Wolfgang Steeck) und besonders Der PC-Wahn (Josef Joffe)! – Dr. med. Ulrich Pietsch

Goethe, schreibt Thea Dorn, sei kein Freund der Toleranz gewesen und seine Meinung dazu “pardon, idiotisch“. Nach Goethe sollte Toleranz „nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zu Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Toleranz, so Dorn, ist kein anerkennendes Auf-die-Schulter-Klopfen, sondern die Fähigkeit eines erwachsenen Menschen, zu unterscheiden, was er befürwortet und was er mit Blick auf den gesellschaftlichen Frieden erträgt, obwohl er es eigentlich ablehnt. Ich fürchte, Dorn tut Goethe und, leider, dem ganzen Thema Unrecht. Anerkennen bedeutet gerade nicht, einer Person oder Meinung auf die Schulter zu klopfen, sich mit ihr zu solidarisieren. Es bedeutet nur, sie „als gegeben“ anzunehmen, ohne zu bewerten und ohne vor allem, denn darin liegt das Beleidigende, sie in großmütigem Besserwissen zur Rettung des Weltfriedens zu ertragen. Wer „erträgt“, wer duldet, aber innerlich ablehnt, der verdrängt, der leidet, baut Widerstand und Ressentiments auf. Der „Geduldete“ fühlt sich nicht ernst genommen. Und irgendwann explodiert das Ganze, in Beziehungen, in der Gesellschaft. Wir erleben das. Deshalb hat Goethe einfach recht: Toleranz kann nur eine vorübergehende Haltung sein, sie muss in der Anerkennung „als gegeben“ enden. – Dr. Stefan Rüll

Klug gedacht und gut geschrieben! Bravo und mehr davon! – B. Winkler

Thea Dorns Aussagen zur Toleranz, insbesondere zum Erdulden anderer Meinungen sind durchaus erhellend. Ihre Forderung, dass „wir den Bürgern dieses Landes (nicht) vorschreiben“ sollen, „wie sie über diese Themen denken und zu reden haben“, ist jedoch recht befremdlich. Wer schreibt eigentlich wo wem was vor? Und wer ist hier mit „wir“ gemeint?. Ein Vorschreiben anderer Meinungen oder gar Denkverbote, wie manche behaupten, habe ich im öffentlichen Diskurs bisher nicht feststellen können. Gerade die Tatsache, dass z.B. in Zeitungen sehr verschiedene Auffassungen zu Themen deutlich werden, zeugt doch von einer Meinungsvielfalt in unserer pluralistischen Gesellschaft. – Dieter Schwandt

Konservativen mehr zumuten!
Thea Dorn informiert: Linke Avantgardisten gehen viel zu intolerant mit ihren Gegnern um. Man möge bitte mehr Rücksicht nehmen im Umgang mit einer völlig in die Defensive gedrängten, offenbar reichlich zerbrechlichen Gruppe von Konservativen, die eben keine „Geisterfahrer“ seien, sondern die auch „Richtung Zukunft fahren, dabei allerdings für ein Tempolimit plädieren“. Jetzt wird alles klar – eigentlich ist gar niemand gegen Feminismus, gegen die Anerkennung (!) – nicht bloß Toleranz – von Homo- und Transsexuellen, von Migrant*innen und anderen sozial Benachteiligten als vollwertige Menschen mit gleichen Rechten. In Wirklichkeit gibt es gar keine Reaktion, nur überzeugte Revolutionäre, von denen manche gerne ab und an ein paar Verschnaufpausen einlegen wollen, um „sich erst einmal mit den bisherigen Verhältnissen zu arrangieren“. Eine solche Schönfärberei der gesellschaftlichen und politischen Realität ist mehr als naiv. Sie ist zynisch, weil sie soziale Ungerechtigkeit marginalisiert und die Täter zu Opfern verklärt. Ich plädiere dafür, den armen Konservativen, denen von herzlosen linken Avantgardisten tagtäglich ach so viel zugemutet wird – in Zukunft bitte noch viel, viel mehr zuzumuten. – Florian Müller

„Werden wir immer dümmer?“ – Die auf Seite 1 der aktuellen Ausgabe der ZEIT gestellt Frage musste ich leider bereits bei der Lektüre von Seite 3 bejahen – und dabei diente die ZEIT- Autorin als Negativbeispiel …. Der Artikel von Thea Dorn ist klug, wichtig und lesenswert. Aber er beginnt mit einer eklatanten Dummheit. Frau Dorn nennt gleich zu Anfang „Mullahs, Evangelikale, reaktionäre Hardliner, Stalinisten oder sonstige Verbohrte“ in einem Atemzug und wiederholt diese ansprechende Mischung im zweiten Abschnitt noch einmal – damit sich das Feindbild besser einprägt. Warum halte ich diese Aufzählung für so dumm und so ärgerlich, dass sie mich zu einem Leserbrief drängt? „Wikipedia“ erklärt: „Im engeren Sinne bezeichnet Dummheit die mangelhafte Fähigkeit, aus Wahrnehmungen angemessene Schlüsse zu ziehen beziehungsweise zu lernen. Dieser Mangel beruhe teils auf Unkenntnis von Tatsachen, die zur Bildung eines Urteils erforderlich sind,….“ (Wikipedia, aufgerufen am 30.3.2019). Wer „Evangelikale“, „Mullahs“ und „Stalinisten“ gleichsetzt, hat sich nicht ausreichend über Tatsachen informiert, zieht aus (vermutlich selektiven) Wahrnehmungen unangemessene Schlüsse und begeht dadurch einen beleidigenden Akt der Intoleranz gegenüber Christen evangelikaler Prägung und zugleich gegenüber islamischen Gelehrten.

Die „Evangelikalen“ stehen u.a. für engagierte Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten. Sie kümmern sich um die Integration von Geflüchteten und setzen sich für die Abschaffung der Sklaverei in Ländern der Zwei-Drittel-Welt ein. Sie tun dies, weil „evangelikal“ vom ursprünglichen Wortsinn her „Dem Evangelium von Jesus Christus verpflichtet“ bedeutet – nicht nur in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich ein wenig von Stalinisten…. Wie bedauerlich, wenn ein Artikel Toleranz fordert und dazu mit Klischees arbeitet, die Dummheit und Intoleranz vermuten lassen. Deshalb bitte ich Frau Dorn und das Redaktionsteam der ZEIT, in Zukunft auch in klugen Artikeln keinen Dummheiten zu erliegen und keine Menschen zu diffamieren, die konstruktiv „in Richtung Zukunft fahren“ – mit oder ohne Tempolimit. – Gabriele Deutschmann

Ich vermisse in dem Artikel von Thea Dorn einen zentralen Punkt: Während sie denen, die sie zu den Minderheiten zählt (was sie nur kann, weil es nach wie vor Minderheiten gibt, die sich nicht vorrangig durch ihre geringere Zahl an Mitgliedern auszeichnen, sondern durch ihre nicht gleichberechtigte und anerkannte Stellung innerhalb unserer Gesellschaft) Humorlosigkeit, beleidigtes und intolerantes Verhalten vorwirft, etwa weil man sie nicht fragen dürfe, woher sie kämen, fragt sie nicht im Kern: Woher kommt das denn? Woher kommt das, dass nicht mehr jedes Kompliment salonfähig ist? Woher kommt es, dass Menschen entrüstet reagieren, wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt? Woher kommt es, dass die queere Community keinen Spaß mehr versteht? Kommt all das nicht vielleicht daher, dass sie beleidigt, dass sie verletzt sind von einer jahrhundertelangen Geschichte der Verletzungen, die Thea Dorn durch historische Daten illustriert, aber nicht in Relation zur gesellschaftlichen Dauerwirkung setzt. Anstatt ein kollektives Arbeiten an gesellschaftlicher Resilienz vorzuschlagen, löst Thea Dorn diese Probleme mit der Aufforderung zu mehr Toleranz durch die, die bis heute um Anerkennung ihres Menschseins ringen. Denn Rechte und Gesetze besiegeln noch keine gesellschaftliche Anerkennung. Sie sind ein wichtiger Wegbereiter aber sie dürfen nicht das einzige, das finale Ziel sein. Das Ziel muss lauten, dass wir nach Herkunft fragen können, und zwar nicht, weil wir das für unser gutes Recht halten und dabei nicht böses, nichts rassistisches im Schilde führen. Sondern weil mit Herkunft kein Stigma mehr verknüpft wird und zwar nicht nur auf der Seite derer die Fragen, sondern im täglichen Leben derer, die gefragt werden. Das erreichen wir dann, wenn wir kollektive Resilienz herstellen können. Das ist harte Wiederaufbau-Arbeit auf allen Seiten und überall in einer Gesellschaft und vor allem darf sie – wie irrtierend in der Überschrift! – nicht Sache der Avantgarde sein und bleiben. Diese Arbeit ist selbstverständlich weitaus komplexer, schwieriger und zäher, als zu erwarten, man möge sich jetzt mal wieder locker machen. Denn Goethes Zitat ist nicht idiotisch: Thea Dorn verwechselt (absichtlich?) Anerkennung mit Lob. Denn dulden heißt beleidigen: Es nimmt sich das Privileg heraus, Anderssein zu erlauben, anstatt (Verschieden-)Sein ohne Bewertung anzuerkennen. – Ein/e Leser/in

Danke für das seltsam bekannte Bild von einer „seltsamen“ Gesellschaft, die sich im Streit um die richtige Fahrgeschwindigkeit in die Zukunft gegenseitig das Leben schwer macht. Das Attraktive einer offenen Gesellschaft ist aber eben nicht das (für alle) Gleiche und das Richtige, sondern das Mögliche. Ich kann so sein, wie ich bin, und nicht wie ich soll. Und der Andere kann „anders sein“, und ich lasse ihn. Das ist aber keine Welt von „digitalen ja-nein-Entscheidungen“ zwischen Toleranz und Intoleranz, oder „richtig“ und „falsch“. Es ist der analoge Raum des Lebendigen, der sich hier im Spannungsfeld von Nähe und Distanz ausbreitet. Wer sich in diesem Raum bewegt muss nicht alles gut heißen, jedem auf die Schulter klopfen, sich überall einmischen. Mit dem nötigen Respekt und etwas Vertrauen kann jeder dabei sein. Auch ein moderner „Goethe“. – Jürgen Pilz

In der Ausgabe behauptet Thea Dorn, die Progressiven müssten erklären, wie die „hochindividualisierten Einzelnen eine neue Art von gesellschaftlichem Zusammenhalt“ erreichen könnten. Meines Erachtens geht sie dabei von falschen Annahmen und Begriffen aus, weil es ja darum geht, dass sich Menschen heute oftmals gerade nicht primär als Einzelperson, sondern als Teil einer Merkmalsträgergruppe sehen – früher bezeichnete man solche als Stände. Deren Einfluss minderte in der Wirtschaft der vordringende Kapitalismus und politisch der Liberalismus, wogegen etwa Bauern („Nährstand“) und Handwerker ankämpften. Heute sind es tatsächlich oder vermeintlich benachteiligte Minderheiten (Homosexuelle als „Gleichstand“?) statt absteigender Berufsgruppen, die durch (althergebrachten, nur auf neue Gruppen übertragenen) Zunftzusammenhalt – statt der von Frau Dorn angenommenen Hochindividualisierung – verbunden sind. – Stefan Riedl

Witze auf Kosten von Minderheiten sind einfach. Und sie sind billig. Die Reaktionen auf den Toiletten-Witz von AKK war wohl der Aufhänger für den Beitrag von Thea Dorn, in dem sie linksliberale Positionen zur Abrüstung aufruft. Linksliberale Positionen – sei es zu Rechten von Frauen, von Lesben und Schwulen, von Transsexuellen, von Migrantinnen und Migranten – drohen die traditionelle Mehrheitskultur zu überfordern und fördern eine Spaltung der Gesellschaft. Der Beitrag enthält zahlreiche Variationen einer einzigen Botschaft an die Linksliberalen in diesem Land: Seid toleranter gegenüber konservativen Anliegen, Werten und Positionen! Damit bleibt der Beitrag erschreckend einseitig. Wo bleiben die Empfehlungen für die konservative Mehrheit? Mit solcher Einseitigkeit lässt sich einer Spaltung der Gesellschaft jedenfalls nicht beikommen. Außerdem: Die Errungenschaften, die Thea Dorn in ihrem Beitrag erwähnt, muten Menschen mit konservativen Anliegen, Werten und Positionen etwas zu und bedrohen vielleicht ihr Weltbild. Aber die liberalen Errungenschaften bedrohen nicht die Lebensweise von Menschen mit konservativen Anliegen, Werten und Positionen. Denn welche Rechte werden ihnen genommen, wenn andere Menschen Rechte gewinnen? – Ines Kollei


 

Leserbriefe zu „Lieber den Deckel draufhalten“ von Wolfgang Streeck

Sie bieten dem Soziologen Wolfgan Streeck viel Raum, hätten der Vollständigkeit halber aber meiner Meinung nach erwähnen müssen, dass Herr Streeck auch politisch unterwegs ist. Als Vordenker der linken Bewegung Aufstehen. Somit entsteht ein nicht ganz vollständiges Bild. – Katrin Gravemeyer

Alles Mumpitz, würde ich mit Verlaub sagen. Gegen wen soll gekämpft werden – berechtigte Frage. Die Franzosen sollten es mal langsam angehen lassen. Mir geht das alles auf den Keks. Auch die Kuschelei von der Bundeskanzlerin. Was meinen sie wie die anderen Staaten in der Union darüber denken. Die sind alle stinksauer auf das ausschließen ihre Länder. So führt man die EU weiter auseinander statt zusammen. Das hat den Engländern schon stark gestunken. Frau Merkel hat den Termin ihrer Amtszeit längst überschritten. – Gunter Knauer

Der Artikel von Wolfgang Streeck ist einfach nur ärgerlich. Nicht nur, dass der Autor das Thema weitgehend verfehlt, weil er – statt über die EU – zur Hälfte des Artikels über die deutschen Militärausgaben innerhalb der NATO schreibt. Nein, er hat auch von der EU nicht einmal die fundamentalen Kenntnisse über ihre Funktionsweise. Für ihn liegt die gesetzgeberische Initiative beim Europäischen Rat und nicht – wie Art. 17 des EU-Vertrages sagt – bei der Kommission. Selbst die Kritik des Autors, dem Europäischen Parlament fehle die Gesetzesinitiative, geht ins Leere: in nationalen Parlamenten wie dem Bundestag wird das Initiativrecht so gut wie nie ausgeübt, Initiativen gehen in der Regel immer von der Regierung aus. Ganz schlimm ist die Unkenntnis des Autors, wenn er den Europäischen Rat als Regierung bezeichnet, der Exekutive und Legislative zur gleichen Zeit sei. Auch hier hätte ein Blick in den von Herrn Seeckt als „unlesbar“ bezeichneten Vertrag geholfen (die Art. 13 bis 19 des EU-Vertrages über die Organe sind gut lesbar und selbst für einen Laien verständlich!): nach dem Vertrag (Art. 14 EU-Vertrag) sind das Europäische Parlament und der Rat (nicht der Europäische Rat!) gemeinsam die Gesetzgeber in der EU, Gesetze der EU werden nur angenommen, wenn Parlament und Rat sich einigen. Auch scheint dem Autor völlig unbekannt zu sein, dass das EP den Präsidenten der Kommission wählt und seine Zustimmung zur gesamten Kommission ( der „Regierung der EU“) gibt, nachdem die vorgesehenen Mitglieder der Kommission vor den Ausschüssen des EP bestanden haben.

Auch bestreitet der Autor das Bestehen einer europäischen Öffentlichkeit zu Unrecht. In den letzten Jahren haben zahlreiche Themen von gesamteuropäischem Interesse die Bevölkerung über nationale Grenzen hinweg bewegt. Hier sei nur an die Protestbewegungen gegen TTIP oder CETA, zur Urheberrechtsreform oder zur Klimapolitik erinnert. Artikel wie die von Herrn Seeckt, in denen ohne die erforderliche Sachkenntnis drauflos polemisiert wird, tragen lediglich zur Verwirrung und weiteren Euroskepsis bei. Schade, dass DIE ZEIT sich für so einen solchen Artikel zur Verfügung stellt. – Johann Schoo

Mit dem Autor stimme ich völlig überein. Erstaunt bin ich über den Mut der Journalisten Ihrer Zeitschrift, einen so europakritischen Artikel in dieser Länge zu veröffentlichen. Für mich ist das ein Anstoß zum Nachdenken. Meine Anerkennung! – Gudrun Crusius

Um ehrlich zu sein: Diesen Beitrag von Wolfgang Streeck fand ich ausgesprochen ärgerlich und schon gar nicht hilfreich für die Findung einer Lösung der EU-Probleme. Natürlich hat er recht, wenn er schreibt, das Europäische Parlament habe kein gesetzgeberisches Initiativrecht. Das ist aber meines Erachtens nicht die Schuld dieses Parlaments, sondern die über Jahrzehnte immer wieder von den Nationalstaaten hinausgeschobene Entscheidung für eine europäische Legislative, aus der die europäische Exekutive hervorgeht. Ich bin ein bekennender Europa-Föderalist, der die Ansicht vertritt, eine europäische Kollektivsouveränität ist, vor allem in der jetzigen weltpolitischen Situation, erheblich effektiver als (wahrscheinlich künftig) 27 nationale Partikularsouveränitäten. Ich bekenne mich auch zur europäischen Solidarität, zu der gehört, daß die Starken die Schwächeren stützen, und das gilt meiner Meinung nach sowohl für den finanziellen wie für den sozialen Bereich. Wenn ich Streecks Aufzählung der Probleme lese, die seiner Meinung eben nicht mit „Europa“ oder, wie er ironischerweise schreibt, mit „mehr Europa“ auch nicht lösbar sein sollen, dann frage ich: Meint Herr Streeck, die Probleme wie „Migration, Klimawandel, Trump, Putin, der Aufstieg Chinas, Terrorismus, Steuerflucht, die Kriege in Syrien, der Ukraine und anderswo, die wirtschaftliche Stagnation, die wachsende Ungleichheit, das Abgleiten des Mittelmeerraums, Nationalismus und Neoliberalismus, deregulierte Arbeitsmärkte und der Konflikt zwischen supranationaler Währung und nationaler politischer Souveränität“ (wörtlich zitiert) seien einfacher in belgischer, italienischer, polnischer, schwedischer etc. Einzelsouveränität zu lösen? Letztendlich erscheinen mir die herbeigeholten Argumente gegen die politische Einheit Europas doch irgendwie „völkisch“. Selbstverständlich besäße eine politische Union Europas aber doch ein Staatsvolk, das sich eben aus vielen Menschen mit unterschiedlicher Sprache zusammensetzt; ein Spanier wird deshalb kein Finne, genauso wenig wie durch das Bismarckreich ein Holsteiner verpflichtet war, sich als Württemberger zu empfinden. Sage doch bitte keiner: „Aber das waren doch alles Deutsche!“ Die große kulturelle Basis des heutigen Europas – Dichtung, Musik, Architektur etc. – begann spätestens im 10. Jahrhundert, und das Motto meiner Leitkultur lautet nach Johann Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann „Allemande – Courante – Sarabande – Gigue“. Da können sich die Nationen Europas finden, und es ist noch Platz für Polonaise und Tarantella. – Raimund Scholzen

Herrn Streecks andere Sichtweise auf die Zeitläufte schätze ich sehr. Er öffnet mir immer wieder die Augen. Auch jetzt wieder. Warum ist den Parteien von links bis zur Mitte die Europawahl so wichtig? Ich dachte, wie das überall zu lesen ist, dass es um den Zusammenhalt Europas, die Abwehr des Populismus etc ginge. Aber nein! Je mehr Macht nach Europa wandert, umso weniger politische Entscheidungen werden in einem legislativen Rahmen getroffen. Herr Streeck weist darauf hin, dass Legislative und Exekutive im Europäischen Rat vereint sind, einem gerade nicht durch Volkswahl bestimmten Gremium. Die Regierungen bestimmen hier europäische Gesetze und je enger die Zusammenarbeit, je mehr Hinterzimmerdiplomatie, umso weniger demokratische Entscheidungsfindungsprozesse. Hier kann wieder Politik nach Gutsherrenart praktiziert werden und die jeweilige nationale Opposition kann mit Zugeständnissen und Pöstchen ruhiggestellt werden, auf dass der politisch-industrielle Komplex den Status quo aufrechterhalten kann und nur das umsetzt, was aus Sicht der Oligarchen erforderlich ist. Da fällt mir nur – ganz ohne Bezug zu Herrn Streecks Artikel – gerade ein, dass die Autoindustrie doch tatsächlich die Chuzpe hat, nun Milliardensubventionen von der Politik für die E-Mobilität zu fordern und die auch zu erhalten. Statt Strafe fürs Schummeln nun warmer Regen vom Steuerzahler, der sich dann für teuer Geld ein E-Auto kaufen soll, weil die Politik ihm die Nutzung seines Dieselfahrzeugs verboten hat. Welch Ironie (s. o.).

Wo ich nicht ganz bei Herrn Streeck bin, ist die Sache mit der Rüstung. So haben die letzten Jahre leider gezeigt, dass Verteidigungsfähigkeit weiterhin erforderlich ist, weil Europa eine Insel der Seligen im Meer von Krieg, Hass und Hunger ist. Es ist auch verständlich, dass die USA nach dem Ende des Kampfes gegen den Kommunismus und einer neuen Rivalität mit China immer weniger bereit sind, Europa bei Auseinandersetzungen in früheren Kolonien oder im Mittleren Osten beizustehen und hierfür die Kosten zu tragen. Wenn europäische Handels- und Kreuzfahrtschiffe von Piraten bedroht werden, dann müssen sich die Europäer darum kümmern, zur Not weltweit. Wenn es asymmetrische Bedrohungen und Menschenrechtsverletzungen durch islamistische Terroristen gibt, dann reicht es nicht aus, von der Kanzel Mitmenschlichkeit und Dialog zu predigen. Diese Leute hören nicht auf christliche Missionare. Auch Patrouillen im Mittelmeer müssen finanziert werden, egal, ob man die Flüchtlinge danach nach Nordafrika oder nach Europa bringt. Und schließlich müssen auch Cyberattacken als neue Form der Kriegsführung abgewehrt werden können. All das ist notwendig. Herr Streeck hat sicher recht, wenn er Kostenklumpen wie einen europäischen Flugzeugträger anprangert. Indes besteht Verteidigung heute auch nicht mehr aus Panzerdivisionen und Millionenheeren. Herr Gabriel ging bei der Sicherheitskonferenz 2018 (?) ja so weit, die Kosten für die Flüchtlingsverwaltung und -integration bei der Berechnung der Verteidigungsausgaben miteinzubeziehen. Das war sicherlich überzogen. Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, Entwicklungshilfeprojekte und Aufklärung (Spionage) hier zu berücksichtigen. Damit könnte man auch die Kosten für das neue BND-Hauptquartier „abschreiben“. Überdies ist davon auszugehen, dass der wirtschaftliche Gesamtaufwand für die Generalüberholung der Gorch Fock Deutschland ohnehin in den Bereich der 2-Prozent-Marke bringen wird. Man denke nur an andere Großprojekte (Stuttgart 21, BER) und ihre Kosten. – Dr. David Wolff

Wie lautet die Frage, auf die Europa die Antwort ist, fragt sich Herr Streeck. Helmut Schmidt hat das nach meiner Erinnerung mehrfach in der ZEIT dargelegt. Frage: gibt es Herausforderungen, für die der nationale Ansatz nicht reicht? Wenn ja, dann – Antwort – die EU soweit entwickeln, dass diese Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden können. Alle glaubhaften Politologen sind sich einig, dass auch die größeren europäischen Länder besser beraten sind, die gemeinsame Schiene zu fahren.

Nun, die einleitenden Sätze über den institutionellen Aufbau der EU in Herrn Streecks Beitrag zeigen eine unglaubliche Ignoranz. Richtigstellung : das gesetzgeberische Vorschlagsrecht liegt bei der Kommission, nicht beim Ministerrat, auch nicht beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs oder dem Europäischen Parlament. Gesetzgebungs- und Haushaltskompetenz: Rat + Parlament. Die Exekutivkompetenz liegt im Wesentlichen ebenfalls bei der Kommission und nicht bei der Vertretung der Mitgliedstaaten, also: gibt es eine gravierende Vermengung von Legislative und Exekutive? Dass die EU-Organe einschließlich des Parlaments keine „Kompetenz der Kompetenzen“ haben und nur im Rahmen der in den Verträgen fixierten Aufgaben handeln können, ist so von den Mitgliedstaaten und damit indirekt von den Wählerschaften gewollt – bislang hat man eben vor der Schwelle zum Bundesstaat Halt gemacht, à tort ou à raison. Das alles kann man in allgemein zugänglichem Material nachlesen, man braucht gar nicht in die Verträge selbst einsteigen. Angesichts dieser Ausgangslage erübrigt es sich, die weiteren inhaltlichen Ausführungen zu kommentieren. Nur vielleicht dieses: der Druck auf Deutschland, mehr Geld für die Verteidigung bereitzustellen, ist eher made In US als in Paris – und wesentlich motiviert durch die Destabilisierung vom Baltikum bis zur Krim, die auf das Konto von Putins Regime geht – Ich glaube nicht, dass Frankreich auf eine allzu große Präsenz der Bundesrepublik in Afrika drängt – zu dem in der Tat überraschenden Vorschlag eines gemeinsamen Flugzeugträgers sollte dessen Autorin die Erklärung geben, ich sehe keinen Bezug zur EU, die ja verteidigungspolitisch – so von den Mitgliedstaaten gewollt – praktisch keine Rolle spielt. – J. Müller-Borle

Wolfgang Streeck schreibt sich den Frust von der Seele und zerlegt übereifrig das ihm offensichtlich verhasste Konstrukt der Europäischen Union. Dabei wirft er alles in einen Topf: von tatsächlichen und vermeintlichen parlamentarischen Defiziten über die deutsche(westliche) Russland-Politik bis hin zu Interventionen im sub-saharischen Afrika. Leider erschöpft sich der Artikel ausschließlich in rhetorischen Fragen, die lediglich das Ziel verfolgen, alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Das würde nicht bei einem AFDler verwundern. Dass jedoch ein ehemaliger Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsordnung nichts Konstruktives zu bieten hat, ist schon ein Armutszeugnis. – Dariusz Adamczyk

Wenn es zutrifft, dass allein die deutschen Rüstungsausgaben derzeit mit knapp über 40 Milliarden Euro ungefähr genauso hoch sind wie die russischen, und die Nato-Mitglieder insgesamt ca. 1000 Milliarden Euro ausgeben (davon allein die USA ca. 600 Milliarden) – brauchen wir dann nicht dringend eine Diskussion über die Frage, wie Russland es schafft, den Westen in Atem zu halten? – Klaus Werner


 

Leserbriefe zu „Weltmeister im Ausgrenzen“ von Martin Spiewak und zu „Geht alles anders“ von Ulrich Schnabel

Herr Spiewak legt in seinem Beitrag ausführlich und zutreffend dar, wie es die Politik versäumt hat die eigenen Beschlüsse umzusetzen. Vielleicht fehlt hier noch die Perspektive der Eltern, die sich immer noch unter einem Rechtfertigungszwang fühlen müssen, wenn sie für ihre Kinder wollen, was alle Eltern wollen: in die Schule am Ort gehen. Umso ärgerlicher ist es, dass im Artikel über Henri genau diese Eltern regelrecht in die Pfanne gehauen werden, nur weil sie sich nicht mit der Verweigerungshaltung der vielen Beteiligten abfinden wollen. Es ist leider immer noch allzu normal, dass viele Schulen mit Inklusion am liebsten nichts zu tun haben wollen, anstatt sich endlich ihrer Aufgabe bei der Umsetzung eines Menschenrechts zu stellen. – Stefan Jäger

 

Leserbriefe zu „Weltmeister im Ausgrenzen“ von Martin Spiewak

Es gibt diese fabelhaften embrace-Hotels. Dort arbeiten Behinderte und Nichtbehinderte zusammen. Es funktioniert fabelhaft. Z.B. im Hotel Kornspeicher in Marburg oder im Hotel Lindenhof in Bielefeld. – Carola Picard

Danke für die sachliche Darstellung der Probleme zu dem Thema Inklusion. Ob und wie ein gemeinsames Lernen funktionieren kann, kommt auch auf die Uhrzeit an. Einige Schüler mit (oder auch ohne) anerkanntem Förderbedarf sind einfach physisch nicht in der Lage, sich nach 13.00 Uhr noch zu konzentrieren. Besonders wenn noch mangelnde Deutschkenntnisse hinzukommen, ist es für diese Schüler eine Quälerei bis nachmittags in der Schule zu sein. Dies wird besonders im Unterricht der Naturwissenschaften u.ä. deutlich. Unruhe und Störungen sind unvermeidlich, in etwa so, wie die Raubkatzen im Käfig unruhig werden, mangels Bewegungsmöglichkeit. Diese Schüler brauchen Lernangebote für die Hände und ihre Sinneswahrnehmung sowie viel Bewegungsmöglichkeiten. Die hierfür notwendigen Räumlichkeiten sind aber nicht vorhanden, ebenso der benötigte Personalschlüssel mit entsprechender Qualifikation. Inklusion kann nur gelingen, wenn wir die Klassifizierung der Schüler in Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten beenden, denn das ist ein Widerspruch in sich.

Der volkswirtschaftliche Schaden, der sich durch diese Bildungspolitik manifestiert, wird in den nächsten Jahren offensichtlich werden. Die Konzentrationsfähigkeit auf ein Thema ist auf die Videolänge der gängigen Internetvideos von ca. 4 Minuten begrenzt, die Ausdauer einen Arbeitstag im Praktikum stellt für viele Schüler eine große Herausforderung dar. Um diese Schüler zu Facharbeitern, die dringend gebraucht werden, auszubilden braucht es große Anstrengungen, die die Schulen in jetziger Konstellation nicht leisten können. Es muss schnell investiert werden, um den notwendigen Pool an Fachpersonal auszubilden, bzw. fortzubilden, um den Lehrermangel zu beheben. Die notwendigen Gebäudeumbauten, die zusätzlichen fachgeschulten Lehrer und Schulsozialarbeiter sind zwingende Vorraussetzungen für das Gelingen der Inklusion. – Michael Rudolph

„Weltmeister im Ausgrenzen“ könnte auch heißen: „Weltmeister in Sachen Volksverdummung“, denn der zitierte Artikel 24 in der englischen Version fordert eben Zugang zu „secondary education“, eben nicht das „gemeinsame Lernen“, was in einer Art Gesamtschulfetischismus dem Leser weisgemacht wird. Das wird dann auch klar, wenn der verschiedene individuelle Förderbedarf anschließend genannt wird. – Klaus Klueners

Das ist eine tolle Beschreibung der Nixklusion oder Inklosion in Deutschland! Danke, danke, danke! Was fehlt noch? Richtig, da war da doch noch die völlig ignorierte Forderung, dass Inklusion nicht eine Einbahnstraße für Behinderte sein sollte, sondern j e d e r Schüler nach seinem Können in seinem Tempo lernen dürfen sollte. Sprich: Da hätten alle etwas davon. Das Schulsystem umkrempeln, kleine Klassen, Lehrertandems… Gründliche und grundsätzliche Achtsamkeit, Anerkennung und Akzeptanz von allen, egal, wie unterschiedlich Menschen sind. Individuelles Lernen, Spaß am Lernen, Lernen nach Interessen. Was fehlt noch? Richtig, der Zusammenhang von Inklusion und Hochbegabung. Jeder Mensch ist begabt; wenn man ihn nicht an Normen, Normalem und Noten bemisst.

Der Begriff Inklusion ist von Anfang an missglückt. Einschließen, was soll das? Jeder denkt an Knast. An Zwang. An Grenzen. Es gibt bis heute kein gutes deutsches Wort dafür. Schulen, die samt und sonders erlauben, (ins)(ge)samt und (be)sonders anders zu sein, das wäre es doch. Selbst Wortspiel helfen nicht. Allinklusion, allumfassende Schulen, Nextklusion 2.0, tollerante (!) Schule, Fairschulung, IN-Schule, Spür-Sinn-Schule, Inklusion als Zu-Mutung, nicht als Zumutung. Mitmenschschule, Mitmachschule, unbegrenzte Schule, grenzenloses Lernen, weil: Lernen will und kann jeder, neugierig und wissbegierig, zumindest bis er in der ersten Klasse sitzt und ab sofort so sein soll wie alle sein sollen. Herauskommt eine exklusive dreiteilige Schulklassengesellschaft. Absurd: Wo nach Einheitsstandard gelehrt wird und gesplittet Bewertungsstufen von 1 – 6 gestreut werden soll Gemeinschaft und sozialer Zusammenhalt entstehen? Logischerweise entstehen eher Konkurrenz, Leistungsdruck, Selbstvermarktungswirtschaft. Insgeheim ist jeder Schüler der Wolf des anderen. Aus Schulklassen gehen die Klassengesellschaften hervor. Schule for future, darauf warte ich. Klima und soziales Klima hängen eng zusammen. Grundschulkinder nehmen Anderssein anstandslos hin. Es machte nichts, dass ich Windeln trug. Sie freuten sich, dass ich ihnen in Englisch und Deutsch helfen konnte. Spätestens in den sogenannten weiterführenden Schulen hat man ihnen das ausgetrieben. Ich brauche heute keine Windeln mehr, aber dass ich fünf Sprachen kann, ist ein Achselzucken wert. Meine Gesamtschule verfrachtet mich unverfroren und schamlos zwei Klassen zurück in Englisch und Spanisch, weil die UN-Konvention bedauerlicherweise (Ironie!) in den letzten elf Jahren noch nicht in die Ausbildungs- und Prüfungsordnung des Schulgesetzes NRW von 1998 eingearbeitet werden konnte. Meine sogenannten Klassenkameraden wechselten in die 11. Klasse, ich wiederhole jetzt zwei Jahre Lerninhalte, die ich schon bestanden habe. DAS ist Teilhabe? Aspergers for future. Ich bin für einen Generalstreik. Unverehrte Schulminister aller Länder, ihr bekommt viel Geld, was bittschön tut Ihr den ganzen Tag? Herr Spiewak, warum senden Sie meinen Brief nicht an die Zuständigen und bitten um Antwort? Auf Post von mir reagieren die nicht. – Joscha Röder

In der Berichterstattung zum Thema Inklusion fällt immer wieder auf, wie sehr sich der Tenor der Artikel ändert, sobald Journalisten einige Stunden im real existierenden Inklusionsalltag in einem Klassenzimmer verbracht haben. Ihre Kolleginnen Anja Reschke und Thomas Binn legten danach ernüchternde Bildreportagen vor. Reisen nach Finnland und Schweden lieferten gleichfalls Erkenntnisse, die so gar nicht zum deutschen Modell passen, alle Schüler in einen Raum zu sperren. – Dr. Ulrich Dickmann

mit großem Interesse habe ich als Lehrerin einer Gesamtschule den Artikel zur Inklusion gelesen. Was soll ich sagen? Prinzipiell finde ich auch, dass alle Kinder gemeinsam lernen sollten. Das würde aber auch bedeuten, dass man Gymnasien endlich abschafft und flächendeckend zu einem Gesamtschulsystem übergeht. Alleine in einem Bundesland gibt es dazu keine Einigung. Dass die Gymnasien sich erfolgreich gegen Inklusion verschließen, ist ein politisches Unding und muss endlich auf die Tagesordnung. Die Funktionsstellen im Bereich der Inklusion werden nämlich sehr gerne von Oberstudienräten ausgefüllt oder ausschließlich für Menschen mit keiner Praxiserfahrung dann ausgeschrieben. Der Sinn ist mir nicht klar! Jede Woche, eigentlich jeden Tag, gehe ich aus der Schule und habe ein schlechtes Gewissen. Entweder werde ich meinen sechs! Inklusionskindern nicht gerecht, oder andere Regelschüler leiden darunter. Meine Klasse besteht aus 24 Schülerinnen und Schülern, davon haben 6 einen offiziellen Förderstatus, vier andere Kinder leben weniger als drei Jahre in Deutschland und sind u.a. durch Flucht und Krieg geprägt, eine Schülerin wird wegen Kindeswohlgefährdung vom Jugendamt und mir intensiv betreut, vier weitere Schülerinnen und Schüler haben eine Gymnasialempfehlung und von den anderen Regelschülern drohen vier bis fünf im System zu versagen und werden aktuell als Hauptschüler eingestuft. Wie soll ich all‘ diesen Einzelfällen gerecht werden? Wie soll ich ihre Lernmotivation ausgraben, stabil halten oder gar erst sich entwickeln lassen? Auch mein Tag hat nur 24 Stunden. Ich bin mit dem staatlichen Schulsystem so unzufrieden, dass ich sogar über einen Ausstieg nachdenke, denn eigentlich kann ich nicht allen gerecht werden. Täglich versuche ich es. Täglich nehme ich es mit neuen Herausforderungen auf. Eine Überlastungsanzeige und einen Mahnbrief hat mein Kollegium schon vor zwei Jahren geschrieben. Wann kommt die Entlastung und wie soll diese aussehen? Was nützt mehr Geld, wenn man keine Personen hat, die diese Stellen ausfüllen können? Wie können Entscheidungsträger seit nun zehn Jahren ruhig schlafen? Ich kann die Welt nicht retten und auch nicht das Schulsystem, das vorvorgestern stehengeblieben scheint und oftmals gelenkt wird von praxisfernen Entscheidungsträgern, die jahrelang nicht an der Unterrichtsfront in Brennpunktschulen unterrichtet haben. Hinzu kommt noch eine Elterngeneration, die z.T. erziehungs- und beratungsresistent erscheint. Dem individuellen, offenen Unterricht stehen zentrale Abschlussprüfungen gegenüber. Das alles passt hinten und vorne nicht! Ziele wie guter Unterricht, keiner soll zurück bleiben und Kinder dort abholen, wo sie stehen, gelingt auch mir als Beamtin mit sehr guten Staatsexamina nur noch bedingt. Das macht mich unzufrieden und traurig, denn den meisten Politikerinnen und Politikern dieses Landes scheint es einfach egal zu sein! Immer mehr gute, verantwortungsbewusste Lehrkräfte werden aus dem staatlichen Schuldienst ausscheiden. Entweder, weil sie unter Burnout leiden oder aber sie nicht mehr die Verantwortung dafür übernehmen wollen. Inklusion an einer Privatschule, nur drei Straßen weiter, wirkt wie ein Paralleluniversum. Es sind kleine Klassen von 18 Kindern, ein Team von zwei Lehrpersonen sowie Schulsozialarbeitern arbeitet im Einklang mit den lernwilligen Schülerinnen und Schülern. Am Freitag, nachdem ich diesen Leserbrief geschrieben habe, verteilt eine Inklusionsschülerin Kuchen in meiner Klasse. Auch ich bekomme ein Stück mit den Worten: „Ich hoffe Sie bleiben so wie Sie sind, denn so liebe ich Sie!“ Das zauberte wieder ein Lächeln in mein Gesicht und ich weiß, dass ich nicht alles falsch mache. Es gibt mir Hoffnung. Es kann nur besser werden, aber die Voraussetzung dafür ist, dass sich etwas grundlegend in den Köpfen vieler beteiligter Personen ändert! – A. Alwan

Inklusion ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. Man glaubte vor allem, dass dadurch Stigmatisierung und Ausgrenzung von Schülern verhindert werden könnten, und übersah dabei oft, dass Kinder mit Handicaps in den verschiedenen Förderschulen optimal gefördert werden. Auch versetzte man sich zu wenig in die betroffenen Schüler. Wie fühlen sich wohl Kinder mit Auffälligkeiten, wenn sie tagtäglich in einer Regelschulklasse mit den viel besseren Leistungen ihrer Mitschüler konfrontiert werden? In einer Förderschule haben sie viel mehr Möglichkeiten, ihre Stärken im Vergleich zu den Anderen zu erfahren und dadurch selbstbewusster, letztlich lebenstüchtiger und glücklicher zu werden. Diese Chance sollte man ihnen nicht nehmen. Inklusion sollte daher nur in einzelnen Fällen unter den erforderlichen Voraussetzungen realisiert werden. Auch ohne Inklusion wäre es vielleicht auch möglich, dass Regel- und Förderschulen besser zusammenarbeiteten und die betroffenen Schüler mit Handicaps auf diese Weise mehr Anteilnahme und Unterstützung erführen. – Gabriele Gottbrath

Als ich in der Bildunterschrift auf der Ressort-Titelseite las, dass die ZEIT den abgebildeten Schüler mit Down-Syndrom in diesem Jahr wiedergetroffen hat, bin ich fest davon ausgegangen, dass auf einer der folgenden Seiten ein Interview mit ihm folgen würde. Wie naiv von mir. Erneut sprechen und schreiben lediglich Erwachsene über junge Menschen mit Behinderungen, obwohl man auf einen reichen Erfahrungsschatz von Tausenden Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen im inklusiven Schulsystem der vergangenen zehn Jahre hätte zurückgreifen können. – Lucas Weiss


 

Leserbriefe zu „Geht alles anders“ von Ulrich Schnabel

Wenn von Menschen mit Down-Syndrom die Rede ist, dann oft unter dem Vorzeichen: Schaut her, was sie alles können, wenn sie durch das Abbauen von Barrieren und intensive Förderung in die Gesellschaft inkludiert werden. Als ob geistige Behinderung nur das Ergebnis mangelnder Förderung und fehlender Inklusionsbreitschaft der Gesellschaft wäre. Was mir bei Henri´s Mutter zu fehlen scheint, ist die prinzipielle Akzeptanz, dass ihr Kind anders ist. Es ist sehr die Frage, ob sie ihrem Kind etwas Gutes tut, wenn sie es dem Stress des ganz normalen Schulbetriebs aussetzt mit den entsprechenden Frustrationserfahrungen. Schon „normale“ Kinder können da traumatisiert werden. Als Vater eines Sohnes mit Down-Syndrom, der nicht sprechen kann, befürchte ich, dass inklusionsversessene Eltern das gewachsene System der Förderschulen gefährden. Geistig Behinderte brauchen beides: Förderung und Schutzräume. Dazu darf man sie zunächst so annehmen und lieben, wie sie sind. Nicht derjenige hat höchsten Lebenssinn, der so normal wie möglich ist. Womöglich steck hinter so mancher übertriebener Inklusionsbemühung ein Denken, das Anderssein und Behinderung nicht erträgt. – Wolfram Hädicke


 

Leserbriefe zu „Verwirrt, nicht verirrt“ von Jan Ross

In seinem Artikel lobt Jan Ross das trotz Brexit-Chaos „erstaunlich zivile“ politische Klima in London. Offenkundig hat er den politischen Mord an einer EU-freundlichen Abgeordneten vergessen, ist ja auch schon eine Weile her. Erst kürzlich musste sich eine moderate Tory-Abgeordnete als Nazi beschimpfen lassen, auch erging die Aufforderung an Abgeordnete, doch lieber mit dem Taxi zum Parlament zu fahren, um sich nicht in Gefahr zu bringen. Nicht erwähnt hat der Autor außerdem die Vergleiche der EU mit Nazi-Deutschland, der Sowjetunion und dem Ägypten der Pharaonen sowie die Gleichsetzung der EU-Mitglieder mit Vasallenstaaten, und zwar nicht durch die für ihre Anti-EU-Hetze berüchtigten Tabloids, sondern durch hochrangige Politiker. Ein englischer Freund erzählt mir, dass er seine greise Mutter nicht ins Pflegeheim geben kann – wegen ihres deutschen Akzents. Stimmt schon: Die britischen Parlamentarier schlagen sich nicht gegenseitig die Köpfe ein und rufen nicht zu Rassenhass auf, trotzdem kann ich in das Loblied des Autors leider nicht einstimmen. – Monika Baumüller

Klar, der britische Eiertanz um den Brexit gleicht schon lange einer Erpressung Großbritanniens und Europas durch politische Hasardeure. Und trotzdem erfasst diese Sicht nur Teile des Geschehens. Denn es fehlt die wichtige Unterscheidung zwischen Ursache und Auswirkung. Ursächlich für die unselige Entwicklung auf der Insel ist nämlich nicht zuletzt die deutsche Kanzlerin Merkel und ihre Unterstützer mit ihrer verantwortungslosen Flüchtlingspolitik ab September 2015. Das hatte als Auswirkung zur Folge, dass Ukip & Co. auf ihren Wahlkampfbussen zum englischen EU – Austritt Flüchtlingsströme aus Richtung Europa auf dem Weg nach GB abbildeten. Und genau das trug nicht zuletzt zum GO – Voting der Engländer bei, dessen Auswirkungen nun die komplette EU treffen. Aber dies wollen einige nicht hören. Es passt manchen, vor allem in Deutschland, nicht in den Kram. Und die werden heuer nach den wichtigen Wahlen zum europäischen Parlament und in den neuen Bundesländern wieder fassungslos über die Wahlergebnisse lamentieren. Ein Verhalten, das unbelehrbare Ignoranten schon immer auszeichnet. – Claus Reis

Danke, ihr Briten. Unser Dank dafür, dass ihr Europa anschaulich zeigt, was daraus wachsen kann, wenn man den miesmachenden Populisten und nationalen Fanatikern das Feld überlässt. Dank dafür, dass jeder sehen kann, wie eine einst stolze Nation kollektiven Selbstmord in Bezug auf Freiheit und Wohlstand betreibt; und Dank dafür, dass ihr dafür gesorgt habt, dass auch der schlimmste Europakritiker ins Grübeln kommt, wenn er euer Chaos betrachtet. Die verhaltensauffälligen Briten haben durch ihr irres Tun und Handeln Europa mehr denn je zusammengeführt und seinen Wert schätzen gelehrt. Ihr solltet jetzt ganz schnell euer Köfferchen packen und euch möglichst schnell vom Acker und hin zu eurem eigenen Planeten machen. Ansonsten plädiere ich dafür, euch schlicht rauszuschmeißen aus der Gemeinschaft, die unsere Freiheit festig und den Menschen Wohlstand beschert. Gute Reise … – Kurt (Curd) Nickel

Klar, der britische Eiertanz um den Brexit gleicht schon lange einer Erpressung Großbritanniens und Europas durch politische Hasardeure. Und trotzdem erfasst diese Sicht nur Teile des Geschehens. Denn es fehlt die wichtige Unterscheidung zwischen Ursache und Auswirkung. Ursächlich für die unselige Entwicklung auf der Insel ist nämlich nicht zuletzt die deutsche Kanzlerin Merkel und ihre Unterstützer mit ihrer verantwortungslosen Flüchtlingspolitik ab September 2015. Das hatte als Auswirkung zur Folge, dass Ukip & Co. auf ihren Wahlkampfbussen zum englischen EU – Austritt Flüchtlingsströme aus Richtung Europa auf dem Weg nach GB abbildeten. Und genau das trug nicht zuletzt zum GO – Voting der Engländer bei, dessen Auswirkungen nun die komplette EU treffen. Aber dies wollen einige nicht hören. Es passt manchen, vor allem in Deutschland, nicht in den Kram. Und die werden heuer nach den wichtigen Wahlen zum europäischen Parlament und in den neuen Bundesländern wieder fassungslos über die Wahlergebnisse lamentieren. Ein Verhalten, das unbelehrbare Ignoranten schon immer auszeichnet. – Claus Reis

In Ihrem Artikel schreiben Sie, daß es in der Brexit Debatte vor allem um staatliche Souveränität geht. Das ist ein grosser Irrtum. In der Debatte geht es schlicht und einfach und vor allem nur ums Geld. Die angeführte Souveränität ist nur ein heuchlerischer Deckmantel für die Forderungen nach der Beibehaltung von Vergünstigungen. Viele britische Abgeordnete unterstützen auch die naive Meinung von einem grossen Teil der Brexit-Befürworter, dass nur ein Austritt ohne Deal keine Zahlungen zur Folge hätte. Die ganzen vorherigen Verhandlungen waren eine einzige Bettelei und Ringen der Briten um die Beibehaltung von Vorteilen. Die britische Regierung war damals der EU beigetreten weil es den Briten wirtschaftlich schlecht ging. Die folgenden Jahre haben den Briten wieder zu einem besseren Leben geholfen. Die britische Regierung hat jedoch während der ganzen Zeit nie der Bevölkerung die Wahrheit gesagt, dass die Vorteile der EU nicht umsonst zu haben sind, sondern die Bevölkerung bewusst in dem Glauben gelassen, das ihr die Vergünstigungen umsonst zustehen (altes Kolonialdenken). Auch die grössten Lügen im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum bezogen sich auf die Höhe von Geldzahlungen an die EU. Wann lernt die Britische Regierung endlich, dass Solidarität kein Schimpfwort ist, und das Solidarität am Besten nur mit Solidarität beantwortet werden kann? – Theodor Schlickmann

Die Demokratie in UK bewegt sich zwar auf der Stelle, aber sie bewegt sich noch und lebt! – Klaus P. Jaworek

Lasst endlich Guy Fawkes auferstehen! – Hans D. Kaestner


 

Leserbriefe zu „Endlich nicht mehr diskutieren“ von Jan Schweitzer

Her Schweitzer schreibt sehr herablassend über Impfgegner, das missfällt mir sehr. Besonders die ‘Pseudofakten’, die Impfgegner angeblich ‘nach Belieben konstruieren’ finde ich repektlos. Ich bin selbst kein Impfgegner, vor allem nicht in Bezug auf Masern-Impfung, aber ich bin der Meinung, dass man tolerant sein sollte, die Ansicht anderer akzeptieren und respektieren sollte. Ansichten und Diskussionen sowohl von Impfgegnern als auch -befürwortern sind nicht überflüssig, nur weil es wissenschaftliche Erkenntnisse über einen Nutzen gibt. Es geht hier um Menschen, um die persönliche Erkenntnis und um ihre freie Entscheidung. Sanktionen wie Schulverbot und Kindergeld Streichen gehen gar nicht! Herr Schweitzer sollte sich bitte mal in die Lage von Betroffenen versetzen – es gibt Nebenwirkungen von Impfungen, auch wenn sie (laut Statistik) selten sind. In sehr seltenen Fällen sind diese Nebenwirkungen meines Wissens nach tödlich oder führen zu irreparablen Schäden. Da Herr Schweitzer Mediziner ist, weiß er das sicherlich (besser). – Carolin Bremer

So ein nüchterner Artikel zum Thema Masern-Impfpflicht tut gut. Noch besser wäre, so einen Artikel mit einem sachlich zutreffenden Foto zu illustrieren. Es ist nicht nur „ein kleiner Piks“, es verwendet auch kein Impfarzt für subkutane Impfungen bei Kindern solche langen Normalkanülen(von 25mm Länge) – vielmehr ist es üblich und sinnvoll, dafür zu den viel feineren und nur 10 oder 15 mm kurzen „Insulin-“ Kanülen zu greifen. Die machen weniger Angst. – Dr. Joerg L Neumann

Die Art und Weise, wie Sie Ihren Feldzug gegen die Masern führen, beunruhigt mich. Ich möchte darauf hinweisen, dasss es sich bei einer Impfung – wie auch bei anderen medizinischen Eingriffen – um eine Körperverletzung handelt. Eine gesetzliche Impfpflicht ist ein staatlicher Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Bürger, der sich nur bei einer erheblichen Gefährdung der Volksgesundheit rechtfertigen lässt. Es geht hier um eine Abwägung von Gütern und um Verhältnismäßigkeit. Mir ist das Selbstbestimmungsrecht wichtig, bei Ihnen überwiegt offenbar die Angst vor dem Masernvirus. Leider wird mir auch angst und bange, wenn ich lese, mit welchen Mitteln die Impfpflicht gegen widerspenstige Eltern durchgesetzt werden soll. Sie wollen ungeimpften Kindern den Schulbesuch verweigern? Und die Eltern sollen in die Armut gedrängt werden, indem ihnen der Rechtsanspruch auf Kindergeld entzogen wird? Wenn bei dieser Schlacht gegen den Masernvirus das Recht auf Bildung und das Kindeswohl auf der Strecke bleiben, dann ist das ein trauriger Sieg. Dabei ist die Zahl der entschlossenen Impfgegner gar nicht so groß. Eine Erhöhung der Impfquote kann man auch durch Routine-Impfungen in Kitas und Grundschulen erreichen, um auch solche Kinder zu impfen, deren Eltern aus Bequemlichkeit oder Unentschlossenheit das Impfen unterlassen haben. Es ist nicht nötig, im Kampf gegen Maserninfektionen zum Angriff auf Grundrechte aufzurufen. – Sulamith Samuleit

Leider begründet Jan Schweitzer seinen Appell für die Einführung einer Masern-Pflichtimpfung nur aus einer wissenschaftlichen Sicht heraus. Das ist insofern verständlich, da Jan Schweitzer ein Medizinstudium absolviert hat. Wissenschaftlich gesehen liegt er damit auch vollkommen richtig. Dennoch fehlt mir zu diesem Thema die Miteinbeziehung ethischer Überlegungen. Kann ein Staat Bürger zu Impfungen überhaupt verpflichten? Müsste der Staat dann nicht auch Zigaretten verbieten, die tödliche Erkrankungen bei Aktiv- und Passivrauchern hervorrufen? Wäre eine Werbeoffensive für die Masernimpfung eine Alternative? Diese Fragen sollte man sich stellen, da neben einer wissenschaftlichen Sicht ethische Überlegungen ebenfalls miteinbezogen werden sollten. – Nikolas Tauber

Endlich nicht mehr diskutieren? Ganz im Gegenteil – wir müssen reden! Denn das, was Sie fordern, hat weitreichende Folgen, die die Gesundheit eines Jeden betreffen. Ob diese positiv oder negativ sind, darüber sind wir unterschiedlicher Meinung. Sie stellen wissenschaftliche Erkenntnisse als abgeschlossene Fakten dar, was sie schlichtweg nicht sein können, denn die Grundlage von Wissenschaft ist die beständige Infragestellung des Gegebenen und die permanente Suche nach Antworten auf (wieder neue) Fragen. Die Erkenntnisse sind immer nur so gut wie ihre Messmethoden und Antworten können sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie die Fragestellung formuliert ist. Nicht unerheblich ist es auch, von wem Daten zur Verfügung gestellt werden. Zu dem Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zu einem großen Teil von einer Industrie stammen, die ein wirtschaftliches Interesse am Erfolg ihrer Produkte hat, trägt u.a. auch in regelmäßigen Abständen Ihr Arbeitgeber bei, der immer wieder detailliert über fragwürdige Praktiken der Pharmaindustrie berichtet, die sich hinsichtlich Transparenz und Glaubwürdigkeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Auch Aussagen von praktizierenden Ärzten sind mit Vorsicht zu geniessen, denn sie unterliegen ebenfalls ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen und sind meines Erachtens nicht unabhängig genug, um als alleinige Experten gehört zu werden. Es ist ja nicht so, dass impfkritische Literatur von fachfremden Idioten verfasst wird, sondern in der Mehrheit von Ärzten, die sich intensiv mit der Thematik beschäftigen. Diesen Umstand blenden Sie völlig aus. Sie reden abfällig von ‚diesen Leuten‘, die ‚Pseudofakten nach Belieben konstruieren‘ und erklären die Diskussion einfach für beendet.

Sie fordern eine Zwangsimpfung, was nichts anderes ist, als eine Körperverletzung – eine Körperverletzung mit ungewissem Ausgang. Gibt es eine breit angelegte, unabhängige Langzeitstudie, die belegen kann, dass insgesamt gesehen geimpfte Kinder langfristig ein besseres Immunsystem aufweisen als ungeimpfte Kinder? Dass sie weniger chronische Kranheiten, neurologische Auffälligkeiten, Allergien, Infekte etc. haben? Wenn ja, warum wird sie nicht zitiert? Und wenn nein, warum gibt es eine solche Studie eigentlich nicht? Das würde doch Bedenken und Sorgen ausräumen? Und bitte keine Vergleiche mit Daten aus irgendwelchen Krisengebieten weltweit, deren Lebensgrundlagen (Mangelernährung, verunreinigtes Wasser etc.) nicht mit unseren westeuropäischen übereinstimmen! Solange ich diesbezüglich keine verlässlichen Zahlen habe, die mein Misstrauen ausräumen, verlasse ich mich auf meine persönliche Einschätzung fachlich qualifizierter Diskussionsbeiträge und auf die Erfahrung in meinem nächsten Umfeld. Wenn Sie Eltern kennen, deren Kind nach einer Impfung schwerbehindert wurde, überlegen sie sich gut, was sie ihren eigenen gesunden Kindern unter die Haut spritzen! Meine Kinder haben sich oft gewundert, warum sie so gut wie nie krank sind – während im Kindergarten und in der Schule alle anderen ständig irgendetwas auskurieren müssen. Diese Kinder sind alle geimpft. Warum ist ihr Immunsystem so anfällig? Wurde es etwa in der sensiblen Zeit des Aufbaus massiv gestört durch mehrere Mehrfachimpfungen mit einer Mixtur an körperfremden Stoffen, deren langfristige Auswirkung auf den kindlichen Organismus eben nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht ist? Will man einer unabhängigen Erforschung zuvorkommen, indem man alle zwingt, mitzumachen und die Existenz potentieller Vergleichsgruppen unterbinden? Das Medienfeuer auf die angeblich so kleine Gruppe der Impfgegner hat das Ausmaß einer Hetzkampagne angenommen und steht in keinem Verhältnis zu den Fallzahlen. Ich habe den Eindruck, da macht sich jemand Sorgen. Aber nicht um die Gesundheit. Sie möchten die Diskussion beenden, weil Leute wie ich Ihnen auf die Nerven gehen? Dann hören Sie auf, meine Rechte einschränken zu wollen! – Vroni Mutlu

Das ist nun wirklich traurig. Es ist noch nicht lange her, dass ein sehr guter und selbstkritischer Artikel in Ihrem Blatt erschienen ist, der das Totschlagargument „wissenschaftlich“ als oftmals fragwürdig entlarvt und die Notwendigkeit zur Hinterfragung aufzeigt. Gerade wenn es um eindeutige Interessengruppen geht. Das ist in diesem Fall der Fall. Zumal da sich die Pharmaindustrie in der Vergangenheit bereits immer wieder als in Teilen ethisch immun erwiesen hat. Stattdessen freut sich der Autor, dass nicht mehr diskutiert wird. Da freuen sich andere noch viel mehr. Ein in Gesetz gegossener, nicht endender Geldfluss steht bevor. Denn Masern werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausrotten lassen, weil es ein Erregerreservoir in Tieren gibt. Hier ein wissenschaftlicher Artikel dazu: https://www.uni-bonn.de/neues/102-2012

Ich bin KEINE Impfgegnerin! (Meine Kinder sind gegen mehrere Erkrankungen geimpft.) Aber ich bin kritische Bürgerin. Und wenn eine derart langandauernde Kampagne mit einem Charakter, der sich durch viel Sendungsbewusstsein und wenig Information auszeichnet und ein sehr eindeutiges Ziel hat, das ganz bestimmten Gruppen viel Geld verspricht, dann werde ich misstrauisch. Ich frage mich zum Beispiel auch, wie häufig in Deutschland und Europa Komplikationen der Masernerkrankung wirklich vorkommen und wie gravierend die sind. Ich kenne einfach niemanden, der Komplikationen erlitten hat, obwohl in meinem Altern noch fast alle Kinder Masern hatten. Soweit ich weiß sind in Afrika die Komplikationsraten hoch und das hat eine einfache Erklärung: Das Masernvirus wurde dort erst vor einigen Jahrzehnten eingeschleppt und traf daher auf ein unvorbereitetes Immunsystem der dort lebenden Menschen. Meine Vermutung ist, dass die Zahlen von dort genannt werden, wenn es um Komplikationen geht. Die Zahlen von möglichen Impfschäden werden jedoch nicht genannt. Das hat natürlich auch mit der Schwierigkeit zu tun, Schäden die zeitlich nach Impfungen auftreten, kausal auf die Impfung zurück zu führen. Und da es kein Interesse – kein Geld – für entsprechende Forschungen und Publikationen gibt, bleibt die Frage offen, ob in Deutschland und Europa die Zahl der Komplikationen aufgrund der Erkrankung wirklich höher und gravierender sind als die Komplikationen aufgrund der Impfung. Die offensichtlich selektive und interessengeleitete Information über Impfungen auch im Allgemeinen macht mich misstrauisch. Und ich erkläre mir damit auch, dass sich daraus Verschwörungstheorien bilden. Das würde vermutlich seltener passieren, wenn die namhaften Medien ihrer Aufgabe gerecht würden. – Sibylle Riffel

Jan Schweitzer beklagt sich auf den Wissen Seiten der letzten ZEIT, dass es immer wieder vorkäme, dass nichts über Masern zu lesen sei. Den Grund verkennt er: Masern traten 2017 weniger als eintausend Mal in Deutschland auf und verursachten dabei einen Todesfall, Er zieht aus dieser erfreulichen Situation dennoch den Schluss, die Krankheit würde unterschätzt. Seine Botschaft: Pflichtimpfungen müssen her. Ihm geht es darum, die Impfquote von jetzt 93% auf 95 zu erhöhen, übrigens sagen manche Experten, dass 94 % reichen würden, um Ausbrüche zu verhindern. Erst einmal noch mehr Zahlen, die ihm nicht bekannt scheinen: Seit einigen Jahren ist ein Anstieg des relativen Anteils älterer Altersgruppen (> 10 Jahre) bei den an Masern Erkrankten zu beobachten, der seit 2006 konstant über 50% liegt. Es sollte also auch darum gehen, die Impfquote in allen Altersgruppen zu erhöhen. Was steht Impfungen entgegen? Man könnte es eine schlechte Masernimpfkultur nennen. Bei einem besseren Zugang zu Impfungen wären diese 1 – 2% gut zu schaffen: mit einer besseren Vergütung von Impfungen für Ärzte (warum nur die Krankenkassen und nicht der Staat als Kostenträger?), Kinderärzte dürften Eltern impfen, ohne dass denen Kosten entstehen, die Gesundheitsämter machten Impfaktionen, wie früher. Sie hatten Impfungen aus Sparsamkeitsgründungen eingestellt, weil Impfstoffe ihr Budget belasteten, inzwischen tragen Krankenkassen die Kosten

Bevor wir eine harte Impfpflicht fordern wie Herr Schweitzer (Kürzung oder Streichung des Kindergeldes für nicht geimpfte Kinder!) sollten jedoch Dinge interessieren, die wir doch noch nicht wissen, und dazu sollten auf den Wissen Seiten der ZEIT folgende Fragen zumindest gestellt werden:
Wer meldet wem Verstöße gegen die Impfpflicht? Welche Behörde stellt Bescheide aus? Sind diese widerspruchsfähig? Sollen nur Kinder zwangsweise zum Impfen zugeführt werden, auch wenn es mehr und mehr Ältere sind, die erkrankten? Wer trägt die Bürokratiekosten? Sind vielleicht die schon immer wieder verlängerten WHO Ziele, die Masern auszurotten, unrealistisch?
Bei Pocken waren es über 10 und bei Ebola über 30 Prozent, die starben. Bei der geringen Sterberate von 0,05- 0,1 Prozent bei Masern können wir ohne Zwangsmaßnahmen das Impfen aller Altersgruppen betreiben und einfach davon ausgehen, dass irgendwann die Masern nicht mehr auftreten. – Prof. Dr. med. Eva Luber


 

Leserbriefe zu „Schont Atomstrom die Erdatmosphäre?“ von Gero von Randow

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!
Herrn von Randow’s Artikel erwähnt die Wirksamkeit der Kernenergie als Klimaschützer, meint aber, dass wir unser Klima auch auf anderen Wegen schützen können, da wir ein reiches Land und diszipliniert genug sind, um Klimasünden zu vermeiden. Entwertet wird die Tatsache, dass die verantwortlich betriebene Kernenergie eine gebotene Option zur Einhaltung von Klimazielen sein kann, offenbar weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Realistisch gesehen bleibt die radikale Umstellung unseres Verkehrs- und Konsumverhaltens zum Erreichen der Klimaziele eine Utopie. Die technische Realisierbarkeit von inhärent sicheren Kernkraftwerken, an der heute weltweit geforscht und entwickelt wird, zweifelt er an, da keiner weiß, was auf den Weg dorthin schief gehen kann (H. v. Randow macht sie lächerlich durch das Attribut „idiotensicher“). Industrieländer haben mit ihren Ingenieuren und ihrem Wissen gerade hier die Verantwortung neue Wege aufzuzeigen und ideologische Scheuklappen abzubauen. Sich hier auszuklinken ist unverantwortlich und dokumentiert die Voreingenommenheit unserer Medien und verantwortlichen Politiker. Ist unsere kostspielige Energiewende wirklich ein gangbarer Weg? Als Wissenschaftsjournalist müsste er inzwischen erkannt haben, dass unsere Bemühungen zur Einhaltung unserer Klimaziele nach Abschaltung unserer genehmigten KKW’s als Folge von Fukushima gescheitert sind, wir diese aber durch Weiterbetrieb unserer streng überwachten sicheren Anlagen vielleicht sogar hätten noch einhalten können. Mit den gegenwärtig getroffenen Maßnahmen sind die weltweit gesetzten Klimaziele nicht erreichbar, schon die angestrebte neue Elektromobilität bringt zusätzliche Anforderungen, die sich mit den „Erneuerbaren“ allein nicht erfüllen lassen. Es wird Zeit, das Tabu zum weiteren Einsatz der Kernenergie zu brechen und mit neuen einfacher handhabbaren und überwachbaren CO2 freien Kernkraftwerken auch den weniger wohlhabenden Ländern eine Möglichkeit zum Einhalten der Klimaziele an die Hand zu geben. – Dr. Ing Peter Royl

Natürlich schon die Kernenergie die Atmosphäre (d.h. es fällt bei der Stromerzeugung kein CO_2 an). In Deutschland wurde bei der Energiewende 2011 die Kernenergie nacheinander abgeschaltet und durch Erneuerbare Energien ersetzt. D.h. der CO_2 freie Strom aus Kernenergie wurde durch CO_2 freie Erneuerbare Energien ersetzt. Der Strom aus Kohlenstoffen (Kohle, Öl, Gas) wurde (zunächst) beibehalten. Eine einfache Überlegung sagt, dass sich an den CO_2 Emissionen nichts geändert hat (was auch die Ergebnisse belegen). Sie brauchen längere Überlegungen über Szenarien des IPCC, um zu diesem simplen Ergebnis zu kommen. Das ist wieder ein Hinweis über die deutsche Energiewende. Primäres Ziel war die Abschaltung der Kernenergie. Der Klimaschutz kam sehr viel später (2019 vs. 2011). Dazwischen wurde viel geredet. Das Ergebnis ist, dass das Klimaziel 2020 „krachend verfehlt wird““ (zitiert nach den Medien). Die Gleichsetzung ‚Atomausstieg = Klimaschutz‘ in den Köpfen wurde mir Jahre vor 2011, aber nach 2000 (rot-grüner Atomausstieg) klar bei einer Veranstaltung über Vermeidung der globalen Erwärmung. Ein Berufsschullehrer berichtete, wie er Schüler zum Stromsparen anleitete. Ich empfand es großartig. Und am Schluss sagte er: ‚Wenn alle Schulen das machen würden, könnten wir ein Atomkraftwerk einsparen‘. Wohlgemerkt, es ging um CO_2 Einsparungen für das Klima! Es ist kein Wunder, dass mit solchen Fehlmeinungen die Energiewende das wesentliche Ziel, Schutz der Erdatmosphäre, nicht zielgenau erreichen wird. Ich empfinde das als schlimm. Sehr geehrter Herr von Randow, ich bin gespannt über Ihre Reaktion. – Prof. Dr. Hans Bienlein

Endlich! Wenn Greta Thunbergs Aktion dazu beiträgt, dass man nun auch in Deutschland anfängt die Diskussion über die Kernenergie rational zu führen, dann hat sie sich gelohnt. Gero von Randow beschreibt auf nüchterne Weise, dass letztlich ohne ein Rückgriff auf die Kernenergie die notwendig Reduzerung der CO2-Emissionen und die Reduzierung der Erderwärmuing nicht zu erreichen sind. Wir sollten es deshalb nict nur hinnehmen, dass China seinen Strombedarf aus Kernenergie deckt, sondern selbst wieder mehr in diesen Energieträge inverstieren – und auch in die notwendig Forschung, um Kernenergie noch sicherer und beherrschbarer zu machen. Den früheren technischen Vorsprung in diesen Bereich haben wir durch jahrzehntelange ideologische Verblendung verspielt. Hoffentlich gelangen nun alle diejenigen, die – von der Bundeskanzlerin bis zu den Grünen – Greta Thunbergs Aktion jetzt wohlwollen unterstützen, endlich auch zur Erkenntnis, dass zur Erreichung der Klimaziele in Deutschland auch die Kernenergie eine wichtig Rolle spielen muss. Die Debatte darüber sollte neu und diesmal ohne die alten ideologischen Scheuklappen geführt werden. – Dr. Wilhelm Hofmeister

Der Artikel von Gero von Randow geht in die richtige Richtung. Zu ergänzen wäre, was die Kernenergie betrifft, dass die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ungelöst ist. Die hierfür und für das „in Schach halten der Anlagen“ (von Randow) anzusetzenden Kosten werden den Betrieb von Kernkraftwerken in Zukunft vermutlich unfinanzierbar machen. Was den CO2-Ausstoß betrifft, sollte angesichts der kurzen verbleibenden Zeit (bis 2050 sollen alle fossilen Energieanlagen außer Betrieb sein) ein Ersatz von Kohleanlagen durch Gasanlagen nicht in Erwägung gezogen werden, da diese bis 2050 wieder stillgelegt sein müssten. Es ist bekannt, dass der Weltenenergiebedarf auch bei weiterhin steigendem Bedarf durch direkte (Strom, Wärme) und indirekte (Wasserkraft, Windkraft) Nutzung der Sonnenstrahlung gedeckt werden kann, allerdings zu erheblich höheren Kosten. Es wäre an der Zeit, dass die Politik dies den Verbrauchern klar macht und die notwendigen Maßnahmen setzt, in erster Linie die deutlich höhere Besteuerung der der fossilen Energie. – Josef Spitzer

Wer den Artikel aufmerksam liest, wird schlussfolgern müssen: Das Klimaziel ist praktisch nicht erreichbar – und das hätte der Autor vielleicht etwas deutlicher sagen sollen, auch wenn es weh tut! Auch wenn Deutschland mit wesentlich höheren (und auch schmerzlicheren) Anstrengungen erfolgreicher gewesen wäre, hätte dies letztlich doch wenig bewirft. Das Klimaproblem ist ein Weltproblem! Viel wichtiger wäre es gewesen, wenn wir Wege gezeigt hätten, die vielleicht auch andere weniger wohlhabende Länder gehen können – und da hätten wir bei unserer “Energiewende” nicht voreilig dem Ausstieg aus der Kernenergie, sondern dem Ausstieg aus den fossilen Energien erste Priorität einräumen müssen. – Rolf Krieg

Über Kernenergie in seiner harmlosesten Form habe ich so noch nichts gelesen. Schont Atomstrom die Erdatmosphäre? Absolut gesehen, ja. Frankreich macht es beispielsweise mit seinem ca. 70% Atomstromanteil vor und hat so eine prima CO2 Bilanz. Die weiteren zietierten Passagen des Textes muß man sich auf „der Zunge“ zergehen lassen. Der sogenannte Weltklimarat IPCC erwähnt in 85 Szenarien dezent, das die bisherigen 11% Kernenergieanteil deutlich ausgebaut werden müssten, um das 1,5 Grad Ziel erreichen zu können. „Ohne Kernenergie kein Klimaschutz“, würde er aber nie sagen, sagt unser Autor. China soll für sein Wachstum lieber Kernkraftwerke anstelle Kohlekraftwerke bauen. Und. Deutschland steigt aus guten Gründen aus der Kernenergie aus, da die Kraftwerke den Bürgern nicht geheuer sind, da die Technik komplex ist und sich Nachlässigkeiten, Fehler und Schummelein addieren können, bis sie versagen. Und. Deutschland ist ja ein reiches Land und kann sich den Ausstieg leisten. Mir als Bürger sind diese vordergründigen Wiedersprüche nicht geheuer. PARDON. Es grenzt an Verdummung! Und zum Schluss. Zukünftige Kerntechnik mag zwar aus physikalischen Gründen idiotensicher sein…, (Es gibt grundsätzlich keine 100% sichere, „idiotensichere“Technik. Es gibt entsprechende Wahrscheinlichkeitsannahmen) Das Gesundheitsrisikos wäre um ein vielfaches geringer als die Gefährdung durch Kohle, Öl und Gas. Es, das Gesundheitsrisikos entspräche etwas der Solarzellentechnik. Sind diese Aussagen jetzt nur kindisch, naiv, unverschämt oder bewusst heuchlerisch. Eine ernsthafte Diskussion über die Rolle der Kernenergie beim Klimawandel kommt mir bei dieser Lektüre überhaupt nicht in den Sinn. Das „vernachlässigbare Gesundheitsrisiko“ des weltweiten radioaktiven über Jahrtausende strahlenden Mülls sei nur am Rande erwähnt. Wenn dem Klimawandel in letzter Konsequenz alles unterzuordnen ist, auch die Renscane der Kernenergie, sind wir auf einen falschen Weg! – Walter Schroiff

Greta Thunbergs Appell überzeugt gerade deshalb, weil sie die Dinge nur schwarz-weiß sieht. Denn bei der Bekämpfung des Klimawandels darf es keine Kompromisse mehr geben. Aber dunkle Gespenster scheinen noch viele Verantwortliche zu lähmen. Warum bleibt z. B. die Schwarze Null heilig? Mit ausgebautem und kostenlosem Nahverkehr könnte man die Verkehrsflut eindämmen, auch mithilfe einer Reichensteuer. Warum speichert man nicht großtechnisch die Wärme des Sommers unter der Erde, wie in der Stadt Neckarsulm, um damit im Winter Gebäude zu heizen? Das Voranbringen der Wärmeisolierung und der Photovoltaik auf den Dächern könnte unzählige Arbeitsplätze sichern. Die Stromtrasse von der Nordsee nach Süddeutschland muss mit teureren Kabeln unter der Erde gebaut werden, wo sich Bürger gegen oberirdische Leitungen wehren. Wir müssen endlich die Macht der Wirtschaft einsetzen, um den Planeten zu retten, anstatt ihn zu zerstören. – Hans Oette

Atomkraft – ein Kabinett-Stück deutscher (Un-)Verschämtheit
Was Gero von Randow mit diesem Artikel abliefert, ist das Kabinett-Stück eines sich windenden Gewissens. Er repräsentiert damit vielleicht ein wachsendes deutsches Unwohlsein über die einsame Entscheidung zur Sache, die „was mit Atom“ zu tun hat. Schon der Titel ist einfach eine (Un-)Verschämtheit: „Schont Atomstrom die Erdatmoshphäre“ – in Frage gestellt! Er liefert die Antwort selbst: „Stromgewinnung aus Kernenergie erzeugt weitaus weniger CO2 als fossile Technik“, ja sie ist darin so gut wie Wasser- oder Windkraft! Und das galt schon immer so, was also niemals eine Frage gewesen wäre, sondern immer einer klare Auskunft: Ja, Atomkraft schont das Klima! Und gegenüber Windkraft hat sie dazu noch den Vorzug, dass sie stetig ist, nicht abhängig davon, ob Wind weht oder nicht. Und was soll es uns sagen, ob der IPCC die Kernenergie als Klimaschützer befürwortet oder nicht? Es ist schlicht nicht seine Aufgabe, die Maßnahmen gegen klimawirksame Gase vorzuschreiben. Wenngleich die Brüsseler Energie-Politik die Kernenergie ausdrücklich beim Klimaschutz mit einbezieht! Auch Greta Thunberg mag zwar nicht sagen, was sie von der Atomenergie hält, doch würde ich sie gern einmal fragen, wie sie zur Nutzung in ihrem Heimatland steht. Denn dort hält man an ihr fest, ist sogar vom einstmals beschlossenen Ausstieg abgerückt und hat inzwischen die Aufgabe der Endlagerung gelöst – unter Zustimmung der Bevölkerung! Ähnliches gilt für Finnland und für die Schweiz. Dort nutzt man die Kernenergie solange, wie es technisch-wirtschaftlich vertretbar ist. Hätten wir das nicht auch machen können? Was für eine Frage!

Aber nein, Gero von Randow meint doch glatt, dass es für den deutschen Ausstieg „gute Gründe“ gegeben hätte. Ja welche denn? Die Antwort ist stereotyp und grobschlächtig – so wie man sich das in Deutschland eben leisten kann, wenn man die Atomkraft schon verteufelt hat. Technische Einrichtungen müssten „in Schach“ gehalten werden, damit sie nicht „aus dem Ruder“ laufen. Den Bürgern ist die Technik „nicht geheuer“, sie wüssten, dass sie „komplex“ ist. Und als läge Fukushima in Deutschland wird nahtlos auf die dortigen Schlampereien und objektiven Missstände verwiesen. Das ist eine Unverschämtheit! Ein objektiver Fußtritt für all diejenigen Ingenieure und Techniker, die sich in Deutschland um die Sicherheit der Kernenergie kümmern. Das haben sie nicht verdient! Im Gegenteil. Aber dass Gero von Randow im nächsten Absatz wieder die Vorzüge der Kernenergie betont – oder besser die überwiegenden Nachteile der fossilen Energie – und daraus den Schluss zieht, dass z.B. China – und wohl doch auch andere Länder, warum  nur China? – gut daran tut, Strom auch aus dieser Technik zu gewinnen, das schlägt dem Fass den Boden aus. Für die Bürger all dieser anderen Länder, China, Japan, USA, Russland, halb Europa usw. gibt es also eher gute Gründe, die Kernenergie zu nutzen, für uns Deutsche dagegen gute Gründe, aus ihr auszusteigen. Delphische Weisheit der Deutschen. Aber typisch! Wir haben sie verteufelt, mit merkelscher Bekenntnis-Verlogenheit – also von höchster Stelle öffentlich sanktioniert und rationalisiert. Und geradezu im höchsten Maß widersinnig. Denn in Deutschland stehen die sichersten (robustesten) Kernkraftwerke der Welt.

Ich habe der grünen Bundestagsfraktion einmal folgende Frage gestellt. Die Antwort ist symptomatisch für eine rationalisierte Verteuflung. Durch welche Maßnahme würde die kerntechnische Sicherheit in Europa erhöht? 1. Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie – was ja bis 2022 auch Wirklichkeit wird. 2. Europa hätte auf dem Gebiet der Kernenergie eine enge Zusammenarbeit angestrebt und von den über 150 Kraftwerken die 20 minder robusten in der Weise abgeschaltet, wie das jetzt allein für Deutschland geschieht. Die Folge wäre mit großer Wahrscheinlichkeit, dass kein einziges deutsches Kernkraftwerk zu den Abschaltkandidaten gezählt hätte, sondern andere um uns herum – etwa Fessenheim, Cattenom, vll. auch Tihange oder Doel  usw. Die Antwort der Grünen: Ob ich denn glauben würde, dass die deutschen Kernkraftwerke sicher seien. Solange wir uns solche prinzipiellen (also nicht abwägenden) Antworten leisten mögen – bar jeder Sachlichkeit – und das auch noch dort, wo der politisch rationale Kompromiss zu Hause sein sollte, ist was faul im Staate Deutschlands. Und es kann kaum wundern, dass Deutschland auf dem Weg zu einer CO2-armen Energie-Zukunft nicht wirklich vorankommt. Schon der Ausstieg allein verursacht einen Milliarden-Schaden; Geld, das z.B. für eine wirkungsgrad-effizientere Solartechnik fehlt und für Jointventures mit dem Süden Europas, wo die Sonne lohnenswerter scheint als hierzulande, ja für den gesamten Umbau hin zu einer stromintensiven Wirtschaft, ganz zu schweigen vom Straßenverkehr. Wenn Gero von Randow allen Ernstes vorschlägt, dass der „motorisierte Individualverkehr eingeschränkt“ werden sollte, ja die gesamte „industrielle Stromnachfrage“ so gesteuert werden sollte, dass sich die Industrie nach dem Zappelstrom richtet und nicht umgekehrt, dann frage ich mich, worin mehr Realismus steckt; in dem Gedanken an eine europäische Zusammenarbeit bei der Atomenergie, die mit Sachverstand kerntechnische Sicherheitsfragen in Europa angeht, oder in diesen Vorschlägen. – Axel Sigwart


 

Leserbriefe zu „YouTube, aber fair“ von Heinrich Wefing

Chapeau! Gerne hätte ich schon vor der Abstimmung im Europäischen Parlament mehr derart vernünftig abwägende Stimmen gehört und gelesen, aber leider ist es wohl publikumsträchtiger, Befürworter und Gegner emotional aufeinander losgehen zu lassen… Aber jetzt: Gebietet die Logik eigentlich einen weiteren, für das Zusammenleben der Gesellschaft weitaus bedeutsameren Schritt. Den gleichen Schutz, zu dem die Politik die Internet-Veranstalter für die Rechte der Urheber verpflichtet, müsste sie ihnen doch für die Rechte und die Würde aller Menschen auferlegen. Also: sie mitverantwortlich machen für Beleidigungen, Verleumdungen, Hasskommentare u.ä., die aus der Anonymität heraus die Würde von Individuen, Minderheiten und anderen Gruppen verletzen. Oder müssen wir darauf verzichten, weil es dabei nicht um mächtige wirtschaftliche Interessen, sondern nur um Grundrechte geht? – Josef Pütz

Mit Waffen aus der alten Welt glaubt Herr Wefing, wird es Europa gelingen, die neuen „Tech-Giganten einzuhegen“. Wer bei dem Wort „einhegen“ zunächst an den Rehgehege-Song denkt, darf sich wohl zur neuen Welt zählen. YouTube vs. YouSteets: es steht nun 100:1. Wer erinnert sich noch an YouTube vs. Gema: „Dieser Beitrag ist in ihrem Land leider nicht verfügbar“. Streit beigelegt, Gema eingehegt. Schon die DSGVO-Novelle war für die „Tech-Giganten“ ein Muckefuck, für die Kindergärten dieses Landes dagegen ein Fanal. – Ingo Kraupa

Die Regulierung der Macht der Internetgiganten ist ein hehres Ziel. Das stellen die meisten Demonstranten auch nicht in Abrede. Der Weg, den das Europäische Parlament eingeschlagen hat, ist jedoch eine Gefahr für den Meinungspluralismus – und damit für unsere Gesellschaft. Denn nur durch den Meinungspluralismus können unterschiedliche Lebensstile, Interessen und Meinungen gelebt werden. Nach Artikel 13 des Gesetzentwurfs zur Reform des europäischen Urheberrechts sollen in Zukunft die digitalen Plattformen dafür verantwortlich sein, Urheberrechte zu prüfen. Wie wird das in der Praxis ablaufen? Die unzähligen Inhalte können die Plattformen nur technisch kontrollieren – mit so genannten Upload-Filtern. Diese Programme scannen alle Inhalte und stellen mit Hilfe einer riesigen Datenbank fest: Hat jemand anderes ein Recht an diesem Video, dieser Fotografie, dieser Musik oder diesem Text? Dann verhindert der Filter das Hochladen. Es sei mal dahingestellt, ob die Einrichtung einer Datenbank, in der alle Videos, Fotografien, Musikstücke oder Texte der Menschheit enthalten sind, technisch überhaupt realisierbar ist. Doch wer wird sich solch eine immens große Datenbank leisten können? Wohl nur Internetgiganten wie Facebook, Google oder YouTube. Kleinere Plattformen werden die hohen finanziellen und technischen Hürden, welche die Einrichtung und Pflege einer solchen Datenbank mit sich bringen, nicht stemmen können und aufgeben. Am Ende wird diese Urheberrechtsreform zu einem Monopol der großen Digitalkonzerne führen. Somit zementiert die EU die Vormachtstellung der Internetgiganten, die sie eigentlich regulieren wollte, und fügt dem Meinungspluralismus damit schweren Schaden zu. Daher war der Protest der Demonstranten schon aus diesem Grund mehr als gerechtfertigt. – Michael Pfeiffer

Im Artikel wurde geschrieben, dass es richtig sei, die Datenkonzerne zu regulieren. Ein wichtiger Teil des Protestes speist sich jedoch daraus, dass eben die Datenkonzerne Profiteure des neuen Gesetzes sind. Die großen Plattformen haben genügend Kapital und Marktmacht um ihre schon vorhandenen Filter an das neue Gesetz anzupassen und um günstige Verträge mit Verwertungsgesellschaften abzuschließen. Verlierer sind die kleinen Alternativen. Sie können keine eigenen Filter schreiben, denn in diesen steckt Arbeit und Datenschatz von vielen Jahren. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben als von den großen Datenkonzernen einen Filter zu kaufen. Die Datenkonzerne sind also Profiteure dieses neuen Gesetzes. Es ist unklar, wie kleine Plattformen das Gesetz überhaupt einhalten können. Die ursprünglich geplanten Ausnahmen für kleine Plattformen wurden übrigens aus dem Gesetz entfernt. – Joachim Frank

Es ist vollkommen richtig, daß Europa sich bemüht, die Tech-Giganten einzuhegen, und es ist allerhöchste Zeit dafür. Allein, das richtige Wollen ist kein Garant für das richtige Ergebnis, dafür, die Urheberrechts-Richtlinie „am Ende richtig“ zu machen. Umgekehrt ist etwas nicht automatisch falsch, nur weil ein Tech-Gigant der gleichen Meinung ist. Immerhin erwähnt der Artikel schon mal das „herkömmliche Lobbying“ der Befürworter, aber immer noch ohne dessen finanzielle Größenordnung. Die Befürworter dürfen das anscheinend, während das homöopathisch dosierte „herkömmliche Lobbying“ der Gegner im letzten Artikel noch skandalisiert worden war (Fahrtkostenzuschüsse). Und am Ende ist es wohl doch ein „Jung gegen Alt“, die im Schnitt älteren Befürworter haben das mit der Mobilisierung in den sozialen Medien nicht drauf. Diesbezügliche Versuche gerieten eher zu Lachnummern, wie das vermeintliche Erklärvideo auf dem Parlaments-Twitter-Account (bezahlt von AFP), oder der Hashtag #yes2copyright.

Erschütternd ist das Verhalten der Justizministerin tatsächlich, aber aus anderen Gründen. Erschütternd ist, daß sie der Reform für Deutschland zugestimmt hat, entgegen ihrer persönlichen Überzeugung und entgegen den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Opportunismus hat sie gezeigt, sie traut sich nicht, gegenüber Merkel auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags zu pochen. Tiefer erschüttert bin ich über einen Abgeordneten Elmar Brok, der nun wirklich viel Geld bei Bertelsmann kriegt, und sich trotzdem bei der Abstimmung nicht enthält. Verheerend, daß das niemanden in der CDU/CSU auch nur zu wundern scheint. Wenn derlei legale Bestechung mal kein Debakel für die Demokratie ist. Und das über die ganze Legislaturperiode, nicht nur für diese eine Abstimmung. Upload-Filter gibt es schon, geschenkt. Bei den wenigen sehr großen Plattformen. Aber das wurde nicht „häufig einfach ausgeblendet“, im Gegenteil. Man weiß schon, wie schlecht die sind, und man will genau darum nicht noch mehr davon. Man hat ja Erfahrungen damit, durchaus schlechte. Mangelhafte Treffsicherheit z.B., zu Unrecht geblockte Accountinhaber hatten da nicht nur Ärger, sondern auch ernsthafte finanzielle Einbußen. Außerdem macht es einen gewaltigen Unterschied, ob die Filter gesetzlich vorgeschrieben sind, auch für jede noch so kleine Plattform – die vernünftigen Ausnahmen hat man ja Frankreich zuliebe gestrichen. Das wird die kleinen Plattformen hinwegfegen, und die großen stärken, die schon über die Filtertechnologien verfügen.

Man wollte eine Reform gegen die Tech-Giganten machen, hier verschafft man ihnen ein Oligopol. Gute Zeiten für US-Giganten. Frau Hofstetter, bitte demokratisieren Sie das und sorgen Sie für noch mehr Filter! Und „die eigentlich Betroffenen“: DIE Kreativen sind nicht nur die in der GEMA und der VG Wort und sonstwo organisierten Hauptberufler, sondern auch viele nichtorgansierte Youtuber, Blogger, Forenbetreiber. Das wurde (und wird noch) häufig einfach ausgeblendet. Die werden jetzt die Leidtragenden der Reform werden, und gehören damit sicher auch zu den „eigentlich Betroffenen“. Daß die sich wehren und dabei nicht primär Ihre Lieblingsgeschichte der „entrechteten (organisierten) Kreativen“ erzählen, ist völlig normal und hat mit Begriffsverschiebung nichts zu tun. Verschoben muß hingegen die Wahrnehmung sein, wenn man „Framing“ ausschließlich bei den Reformgegnern verortet. Gibt es irgendeine politische Diskussion, in der nicht permanent geframed wird? Muß man jetzt auf einer Demo zuerst die Erzählung der Gegenseite produzieren, um nicht des Framings für schuldig befunden zu werden? Wenn ein (vermeintliches) Opfer einem anderen (vermeintlichen) Opfer den Mund verbieten will, weil der andere vermeintlich weniger Opfer ist, dann erinnert das an die alten Wettbewerbe der Linken, wer denn wohl am allerlinkesten ist. Hilft das, die Lage für alle zu verbessern? Ich glaube ja, DIE (organisierten) Kreativen haben sich hier erfolgreich framen lassen, damit sie bloß nicht auf die Idee kommen, das bestehende Verwertungssystem könnte Teil des Problems sein. Das merken die nie! :-) Die Abstimmung war am Ende tatsächlich viel deutlicher als vermutet. Daß die unmittelbar vorangegange Abstimmung über weitere Änderungen an Artikel 13 äußerst knapp war, und daß sie ganz anders ausgefallen wäre, hätten die schwedischen Abgeordneten nicht versehentlich den falschen Knopf gedrückt, das erwähnen Sie lieber nicht. Hätte auch nicht so gut ins aktuelle Framing der ZEIT gepasst. – Matthias Ferdinand

Es ist sehr wohl ein Debakel für die Demokratie – und ein Generationenkonflikt
Die Erfahrungen, die ich als Mensch von Mitte 20 mache, erzeugen bei mir den Eindruck, dass wir mitten in einem Generationenkonflikt stehen, für den die Diskussion um Artikel 13 ein wichtiges Beispiel ist. Außerdem haben noch nie mehr Menschen gegen eine EU Richtlinie demonstriert, noch nie mehr eine Petition unterschrieben. Sie wurden diffamiert und ignoriert, weil sie zu jung waren. Ich selbst habe meine Abgeordnete im europäischen Parlament angeschrieben und nie eine Antwort erhalten. Damit sagt mir Frau Quisthoudt-Rowohl zum einen, dass sie sich nicht mit den Gedanken ihrer Wähler befassen möchte, und zum anderen, dass ihr technisches Verständnis noch nicht einmal für das Einrichten einer automatisierten Antwort reicht. Von mir wird dagegen erwartet, dass ich mein Leben lang die Rente ihrer Generation zahle und selbst keine bekommen werde. Außerdem soll ich mich bitte um die ökologischen Folgen ihres Lebens kümmern. Politische Mitbestimmung bekomme ich dafür aber nicht, denn die Älteren sind schon längst der ausschlaggebende Machtfaktor in der Politik geworden. Ich habe mich lange Zeit wegen der drohenden Gerontokratie gesorgt. Jetzt habe ich den Eindruck, dass sie schon da ist. Warum sollte ich mich noch an Wahlen beteiligen? Fast mein ganzes Leben über bedeuteten Wahlen einen Sieg der CDU und die Ignoranz meiner Generation. Ich wünsche denen, die sich ihre politischen Altersträume erfüllen lassen, dass es bald noch genug junge Menschen mit ökonomisch erfolgreichen Ideen gibt, die das bezahlen können und wollen. Zur eigentlichen Sache möchte ich noch einen kleinen Denkanstoß loswerden: In diesem Land kann jeder Unrecht tun. Er muss aber mit Strafe rechnen. Das ist ein Rechtsstaat. Was hier geplant wird, ist die präventive Verhinderung von verbotenen Handlungen. Das ist ein Präventivstaat, den wir auch schon einige Male in der deutschen Geschichte hatten. – Ein/e Leser/in


 

Leserbriefe zu „Auf der Kippe“ von Marc Brost et al.

Den Verfassern obigen Berichts kann konstatiert werden: Sie bleiben Ihrem Stil treu, sie wissen nicht nur alles, sondern können sicher auch alles besser! Ihre Bestandsaufnahme aktueller Regierungspolitik zeigt es doch: Alles wäre viel einfacher zu gestalten mit der heutigen bundesrepublikanische Wähler und Parteiengesellschaft, es ließe sich doch Demokratie auf Knopfdruck ohne Kompromisse umsetzen. Kritik in Ehren, doch fehlen mir überzeugende Argumente dafür, dass unser Land in den meisten zu vergleichenden persönlichen und wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten 70 Jahre Defizite gegenüber den westlichen Partnerländer fürchten müsste. Die brennenden Problemfelder sind ja alle und auch weltweit ausgemacht. Doch das politische Klima ist nun mal komplexer und verlangt einen längeren Atem als manchem lieb sein kann. Könnte es sein, dass der Ist-Zustand unserer derzeitigen Regierung auch Ausdruck einer fehlgeleiteten Medienlandschaft geworden ist? Nur Forderungen und Wünsche in einer Wochenzeitung mit harter Kritik – teils recht aggressiv – zu beschreiben erfreut eher Populisten und nicht denkende und fühlende Leser. Ich möchte Aufbegehren gegen eine feindselige Berichterstattung und empfehle, dass auch Medien sich bezüglich des Begriffes „Geduld“ sich gedanklich mehr beschäftigen. Oh, wie schön wäre, äh – für vorbildliche Demokratie: Das Berichterstatter-Team – Brost, Dausend, Hildebrandt, Lau, Pausch, Pinzler, Schieritz – teilen sich die in ihrem Bericht analysierten Ämter als Minister auf! – Karl Steidle

Die Autoren – Tina Hildebrandt ist seit Jahren ohnehin bei jedem Merkel-Bashing dabei – malen einseitig ein Weltuntergangs-Szenario. Als stehe die Berliner Bundespolitik kurz vor dem Zusammenbruch. Bei keiner anderen Regierung sei das Ende so präsent gewesen, wie beimdieser, schreiben sie. Die Kanzlerin verhindere durch ihre Präsenz geradezu einen Neuanfang. Ich möchte dem entgegen halten: Nie waren die gesellschaftlichen, innen- und außenpolitischen Herausforderungen an unsere Bundesrepublik größer als heute. Wegen ihrer aktuell Gleichzeitigkeit. Unser Gemeinwesen erkennt nach Jahrzehnten, dass die Zeiten paradiesischer Wohlfühlatmosphäre auf einer Insel der Seeligen langsam zu Ende gehen. Frühere Gewissheiten gibt es nicht mehr, die globalen Herausforderungen erreichen unsere behaglichen Wohnstuben. Das schafft Herausforderungen und Zerreißproben, die auf kurz oder lang jeden von uns erreichen. Nicht nur die Große Koalition. Jetzt erst recht, muss die Devise lauten und nicht alles auf einmal. Da helfen weder Lamento noch illusionäre Versprechen auf eine bessere Zukunft. – Jochen Freihold

Eine schöne Karikatur! Eine mit Merkel und Kramp-Karrenbauer auf der Wippe wäre auch passend gewesen. Hier mein Bild: Es ist Frühling. Die Blaumeise mit Federchen im Schnabel weiß, wohin sie damit fliegen wird. Die Dohle, die kleine Papierfetzen sammelt, kennt ihre Aufgabe. DasTeichhuhn trägt den allzu langen Zweig zielstrebig zum Nest. Alle haben einen Plan und eine Vorstellung von ihrer Zukunft. – Im Regierungsviertel von Berlin dagegen wähnt man sich im Herbst. Man zwitschert von Ernteerträgen, sät gegen alle Erfahrung nochmals nach und spart nicht am Dünger. Als ob sie nicht wüssten, dass es dafür zu spät ist. – Johannes Kettlack

Im Folgenden will ich, pars pro toto, auf einen Aspekt des erschreckenden Bildes eingehen, das Sie von unserer derzeitigen Bundesregierung zeichnen: Das eigentliche Versagen von Minister Scheuer liegt nicht darin, dass er zu wenig für die Elektromobilität tut, sondern in der Engstirnigkeit seines Denkens, exemplarisch für so manches Mitglied dieser Bundesregierung. Nur auf Elektromobilität als Allheilmittel zu setzen führt geradewegs in die Sackgasse, dies allein schon wegen der weltweit nur begrenzt verfügbaren Rohstoffe für die Millionen von Fahrzeugbatterien (Lithium, Kobalt). Ignoriert werden hingegen nachhaltige Lösungen, wie weltweit regenerativ produzierbare, CO2-neutrale Kraftstoffe, zum Beispiel Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe. Letztere können bei vertretbaren Kosten in allen vorhandenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor eingesetzt werden, ohne die CO2-Bilanz zu belasten, sogar in Schiffen und Flugzeugen! Selbst die Infrastruktur ist vorhanden: Tankstellen. Man könnte verzweifeln. – Dr.-Ing. Franz Ulrich Häusler

Theresa May macht weiter, Emmanuel Macron macht weiter und Dr. Angela Merkel macht weiter; was sollen die MMM´s auch sonst so anstellen. Die Quote ist bei diesem Trio mit einem 2/3-Frauen-Anteil, überdruchschnitt hoch. Das klingt doch schon mal ganz gut, das ist die Zukunft: Frauen bleiben fest an und in der Macht. Die Demokratie wird weiblicher, es wird wieder mehr gequasselt, in der „Wörterbücherei“, mit dem Frauenüberschuß; von wegen alles auf der Kippe! – Klaus P. Jaworek


 

Leserbriefe zu „Bloß Zufall?“ von Stefanie Kara

Die Auseinandersetzung erinnert stark an einen Streit um des Kaisers Bart. Hierzu nur die folgenden Gedanken:
1. Wir haben grundsätzlich kein gutes, zuverlässiges Gespür für zufällige Ereignisse. So widerspricht es z. B. unserer Intuition, dass beim Zahlenlotto „6 aus 49“ die Ziehungen 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 44, 45, 46, 47, 48, 49 genauso wahrscheinlich sind wie etwa 1, 9, 20, 32, 43, 49. Daher sollte man bei der Auswertung und Interpretation von statistischen Versuchsreihen stets sehr sorgfältig vorgehen.
2. Man kann mit statistischen Verfahren nichts „beweisen“. Signifikanztests beispielsweise lassen nur Aussagen wie „das Ergebnis (eines Experiments, einer Versuchsreihe o. ä.) steht im Rahmen der vorgegebenen Sicherheitswahrscheinlichkeit (des Signifikanzniveaus) nicht im Widerspruch zur angegebenen (Null-)Hypothese“ zu.
3. Dass üblicherweise mit Signifikanzniveaus wie p = 0,05, 0,01 oder 0,001 gearbeitet wird, ist eine reine Konvention. Man könnte auch mit anderen Werten arbeiten. Je gravierender eine fehlerhafte Schlussfolgerung ist, desto niedriger sollte die zugelassene „Irrtums- wahrscheinlichkeit“ sein.
4. Aussagen wie die unter 2. sind nur zulässig, wenn dem gesamten statistischen Verfahren eine angemessene Versuchsplanung vorausgegangen ist. Stichprobenwerte, die auf beliebige Weise erzeugt wurden, einfach einem den statistischen „Kochbüchern“ entnommenen Test mit nachträglich vorgegebenem („passendem“) Signifikanzniveau zu unterziehen, ist nicht zulässig.
Dass eine unzulängliche Versuchsplanung auch außerhalb von Signifikanztests zu unsinnigen Ergebnissen führen kann, zeigt schon das sogenannte Simpsonsche Paradoxon: Es ist möglich, dass ein Medikament A in beiden Teilpopulationen einer Grundgesamtheit besser abschneidet als Medikament B, während bei den aggregierten Werten B als besser erscheint. Die Ursache dieser scheinbaren Paradoxie: In einer der beiden Teilpopulationen sind die Heilungschancen erheblich größer als in der anderen, und B wurde weit überproportional häufig in dieser Teilpopulation angewendet. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann

Jedes auf Statistik beruhende Ergebnis birgt immer zwei Fehlermöglichkeiten:
Ein unterstellter Zusammenhang wird bejaht, obwohl er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit p nicht gilt: Fehler „erster Art“. Ein Fehler „zweiter Art“ entsteht, wenn ein faktisch bestehender Zusammenhang verworfen wird, obwohl er doch existiert (Trennschärfe). Bei gegebenem Stichprobenumfang kann man den einen Fehler auf Kosten des anderen verringern. Beim Test auf „bessere Qualität von Tennisbällen“ kann man zum Computerprogramm (p = 5 %) greifen, aber nicht, wenn es um Kosmetika oder gar pharmazeutische oder medizinische Produkte geht. Selbst wenn 96 % der Probanden durch die neue Hautcreme etwas besser aussehen, ist der p-Wert sinnlos, wenn nur 3 % an schweren Nebenwirkungen erkranken. Und umgekehrt wäre der Verzicht auf eine neue Chemotherapie für sterbenskranke Menschen mit wenigen Monaten Restleben Unsinn, selbst wenn sie nur zu 60 % erfolgreich ist. Es wäre ganz übel, wenn in der Medizin oder Pharmazie „ein Standardverfahren“ im Computer stur angewendet würde, ohne es je ver­standen zu haben. Sollte es möglich sein, dass dies häufiger passiert als uns lieb ist.

Das wäre auch eine exzellente Gelegenheit, um möglichst viele Naturwissenschaftler mit dem best­möglichen Hintergrund in mathematischer Statistik sowie Zeitreihenanalyse und der Theorien zum natürlichen und menschengemachten Klimawandel samt auch divergierender Interpretationen zusammenzuführen. Am Ende eines wissenschaftlichen Konklaves von 3 Tagen mit dem Zwang zur Klarlegung aller „Be­­wei­se“ herrschte mit höherer Wahrscheinlichkeit Klarheit in der Community, wie hoch etwa ein natürlicher bzw. ein menschlicher Einfluss auf die globale Er­wärmung seit 1850 wirkt. Um diese Zeit ging sowohl eine „kleine Zwischeneiszeit“ zu Ende, als auch in Europa und USA die Dynamik der Industrialisierung zunächst gestützt auf Kohle, dann auch Öl und Elektrizität los. Da fängt das Elend der statistischen „Beweise“ schon an! Und wenn keine Konsensliste zustande käme, wüsste die Menschheit eventuell immerhin, wie sie bestehende Unsicherheiten durch gezielte Analysen weiter verringern kann. – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

Die Forderung, den p-Wert „abzuschaffen“, ist ungefähr so sinnvoll wie die, das CO2 abzuschaffen, um das Klimaproblem zu lösen. Sicher ist es richtig, mehr bzw. ausreichend Zeit „mit Denken“ zu verbringen, nur ist es eine Pseudo-Alternative, dies „anstelle“ des Rechnens zu tun. Mathematik ist nicht beschließbar, vom Wissenschaftsrat so wenig wie vom Parlament. Nein, die beiden großen Fehler liegen woanders. Der erste: die herkömmliche Signifikanzberechnung hat einen beschränkten Anwendungsbereich, und zwar auf Größen, die der sog. („Gauß’schen“) Normalverteilung unterliegen. Und das tun zwar viele Größen, viele – und oft gerade „politisch wichtige“ – andere aber überhaupt nicht. Wer seine „Taschenrechnerformel“ auf Meßwerte anwendet, die nicht mit der Gauß’schen Glocke angenähert werden können, MUSS Murks produzieren; von vornherein. Das müsste allen, die statistische Berechnungen durchführen sollen, ab Tag 1 in den Kopf gehämmert werden, wird es aber – leider oft – nicht. Der zweite: das Signifikanzniveau liefert keine Binär-Entscheidung, wie Sie vermeinen. Es ist ja gerade nicht vorgegeben, welches Niveau man für „bedeutsam“ hält. Ob man auf einen zu 10 %, zu 1 % oder zu ein Tausendstel Prozent Wahrscheinlichkeit auf purem Zufall beruhenden Zusammenhang reagiert (in Produktion, Gesetzgebung, Verhalten, …), ist eine ENTSCHEIDUNG, die nicht die Wissenschaft selber trifft. Kein seriöser Wissenschaftler hat je behauptet, sein Ergebnis wäre „signifikant“ oder auch nicht, sondern er gibt – eben – das Signifikanzniveau an: das Ergebnis beruht mit 5 % Wahrscheinlichkeit (nur) auf Zufall, mit 1 %, … Welche Schwelle aber erreicht sein „muss“, bzw. „sollte“, ist nichts als eine Frage der Kommunikation und des Aushandelns. Dem kommt man aber gewiss nicht näher, bzw. erzielt keine besseren Resultate dadurch, dass man schon gar nicht rechnet. Rechnen muss man; nur um die Begrenztheit der Ergebnisse wissen sollte man. Das freilich dringend. – Dr. rer. nat. Christian Naundorf

Der Artikel unter der Rubrik „Wissen“ ist enttäuschend. Ihre Journalistin hat die Methodik der statistischen Messverfahren und die Bedeutung des p-Wert nach meinem Verständnis nicht richtig verstanden. Die Kritik geht ins Leere. Sie sollte die Thematik des variabel wählbaren Signifikanzniveaus und damit der unterstellten noch akzeptierbaren bzw. abzulehnenden Hypothesen nachlesen. Also ich habe Forscher und Journalisten „satt“, die viel Wissen angehäuft haben, aber über wenig oder ggf. nur „interessengeleitete “ Beurteilungsfähigkeit verfügen. Der p-wert aus unterschiedlich strukturierten Tests über denselben zu untersuchenden Zusammenhang kann nichts dafür, wenn Forscher oder Journalisten ihn und abweichende Untersuchungsbedingungen nicht richtig einschätzen können. – Wolfgang Kolb


 

Leserbriefe zu „PRÜFERS TÖCHTER – »JETZT IST ALLES KAPUTT!!!«“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin und zu „Das hat Mama uns eingebloggt!“ von Anne Backhaus

Schon lange bereitet es mir Unbehagen, wenn ich jede Woche sehe, dass Tillmann Prüfer im Zeit-Magazin wöchentlich über seine Töchter schreibt und ich verstehe nicht, dass die redaktionell Verantwortlichen dieses mittragen. Erkennen Sie nicht, dass hier die Privatsphäre der Kinder nicht respektiert wird? In welche Dilemmata Kinder gebracht werden, deren Zustimmung zur Veröffentlichung durch den Vater erbeten wird? Der Artikel von Anne Backhaus zeigt das emotionale Spannungsfeld auf, die Kinder berichten ihr Hin- und Hergerissensein zwischen Faszination, Ausgeliefertsein, Bewunderung für und Ärger über die Mutter. Nach so vielen Missbrauchsskandalen wundert es mich, dass Feingefühl für den Respekt vor der persönlichen Selbstbestimmung von Kindern nicht selbstverständlicher geworden ist. – Inge Berns

 

Leserbriefe zu „PRÜFERS TÖCHTER – »JETZT IST ALLES KAPUTT!!!«“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Mit anhaltend großem Vergnügen lese ich die köstlichen Geschichten aus dem 4-Mädelhaus Prüfer im Zeit-Magazin. Ich hoffe, die Texte werden in nicht allzu ferner Zukunft gesammelt zwischen zwei Buchdeckel gepackt –zum Kaufen und Nachlesen. – Dr. Elke Schulz-Hanßen

Mit großer Freude und oft mit einem liebevollen Lächeln lese ich Ihre Kolumne über Ihre Töchter. Sie geben darin sehr viel Persönliches preis, schreiben aber nie,ob es zu diesen tollen Töchtern auch eine Mutter gibt. Oder sind Sie alleinerziehender Vater von 4 Töchtern. Das wäre zum Verständnis schon gut zu wissen. – Elfi Vatter


 

Leserbriefe zu „»Ich fühle die Angst heute noch«“ von Stephan Lebert

Sie haben vergessen das Buch von Jürgen Dehmers „Wie laut soll ich denn noch schreien?“,die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch, 2011, zu erwähnen. – Dr. Hildegard Schöndorf

Durch Ihr Interview fühlen wir uns erneut diskriminiert und attackiert. Können Sie sich vorstellen, dass durch die Nichtnennung der Ihnen bekannten Namen in Verbindung mit dem Missbrauch an der Odenwaldschule jede weitere Person, die dort zur fraglichen Zeit tätig war, in den Verdacht gerät, Kinder missbraucht zu haben? Inzwischen sind wir älter als achtzig, in unseren Lebensläufen erscheint die Odenwaldschule als Wirkungs- und Lebensort für fünf Jahre ( 1969 bis 1974 ). – Dr. Bodo und Waltraut Nehring

Es ist durchaus bemerkenswert, welchen Raum Medien, die sich dem „Qualitätsjournalismus“ verpflichtet fühlen, den nur schlagzeilenträchtigen Beiträgen in Bezug auf die frühere Odenwaldschule zur Verfügung stellen. So titelte die „Süddeutsche Zeitung“ vor einigen Tagen einen entsprechenden Bericht mit: „Ort des Verbrechens“, in der ZEIT vom 28.3. kommt nun, in einem Interview ohne eine einzige kritische Zwischenfrage jemand zu Wort, der seine Rolle als Opfer und mutiger Streiter für das Recht zugleich offenbar gut internalisiert hat. Allerdings hätte eine kurze Recherche zu früheren Äußerungen Desselben Anlass geben können, ein paar Zwischenfragen zu stellen. Es geht hier keinesfalls darum, die Missbrauchsfälle an der Schule nicht ernst zu nehmen oder zu relativieren! Aber einige Überlegungen zu psychologischen Abläufen (reicht schon die Küchenversion), zur „Motivation“ Hunderter versagender Eltern (einschließlich des früheren Bundespräsidenten, dem hier Kenntnis der Missbrauchsfälle unterstellt wird), Mitlehrern und Mitschülern und der immer größer werdenden Zahl von Meldungen Betroffener wären doch angebracht. (Die nächste Polizeidienststelle, in der man hätte Anzeige erstellen können, befindet sich in 6 km Entfernung.)

Die vor- und nach der Becker-Ära bestehende Odenwaldschule wird als Begleitschaden gleich mit in den Sumpf getreten – für die Tausende von Schülern, die diese erlebt haben, durchaus auch ein Thema,. Das dort früher vermittelte kritische Denken hat aber wohl keine Konjunktur mehr – was letztlich auch der politische Hintergrund für die Liquidation der in den Konkurs getriebenen Institution sein dürfte. – Dr. Frank Rawer

Es ist leider immernoch sehr notwendig, dass es Artikel wie diesen zur Aufarbeitung von sexuellen Straftaten gibt. Schade finde ich allerdings, dass es meist um die Taten an sich geht, bei denen es sich aus meiner Sicht um intime Wahrheiten der Betroffenen handelt. Es scheint mir, dass es meist die perfide die Sensation im Mittelpunkt steht. Was viel mehr notwendig wäre, wäre die Darstellung der schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. Z.B. dass es kein Einzelfall ist, wenn Herr Koerfer seine eigene Tochter an die gleiche Schule schickt, in der er bereits mishandelt worden ist. Dass es so typisch ist, dass sich sexuelle Gewalt durch mehrere Generationen zieht und dass Opfer auch immer wieder weitere Opfer generieren oder riskieren. So lange bis dies endlich durch Bewusstsein aufgelöst wird. Und dafür ist endlich die Zeit gekommen! – Katja Nolte


 

Leserbriefe zu „Nihilismus und Terror“ von Thomas Assheuer

Verstehen Sie selbst Spaß ? Oder bleiben Sie gerne ein ewiger Spielverderber in der Sprachanwendung von Symboliken als auch im eigenen Satire /Ironie-Gebrauch? Heute fragen Sie einseitig :Warum nur Rechtsextreme die Ironie zur Waffe machen können!! Diese Einschränkung ist für mich ein Indiz dafür, wie das ZEIT-Feuilleton selbst, aus eigener Erklärungsnot, eine rhetorische Überlegenheit zu machen versucht. Sie geben mir heute die Antwort dafür selbst:Mit „Ironie ist rhetorisch Camouflage ,sie tarnt den mörderischen Ernst.Im Schutz der ironischen Rede können Judenhasser,Muslimhasser ,Frauenhasser … ihre Abscheulichkeiten absondern,ohne das man auf Anhieb erkennt,ob sie es ernst meinen.Und wer das ironische Spiel abstoßend findet,der beweist damit nur ,dass er zur Ekelfraktion der Gutmenschen(und Besserwisser)gehört,die sich von „Moral“ das Hirn hat vernebeln lassen und immer alles verbieten will.“(Ist das ein Selbstbekenntnis des Feuilletons ?) Ich frage daher das ZEIT-Feuilleton ,wollen Sie mit solchen rhetorischen Mitteln nicht gleichsam nur Quote und Aufmerksamkeit machen?Gerade mit Zuweisung von Nihilismus und Terror explicit nur allein auf die rechtsextreme ,toxische Lauge und Brut ,die moralische Maßstäbe zersetzen?.Damit lassen sich auch alle anderen konservativen und liberalen Provokationen sehr leicht kritisieren und polarisieren. „Verantwortung“,“Respekt“ bei anderen nur nicht bei sich selbst einzufordern ,ist doch irre lustig !! Killer-Ironie gibt es überall in der Politik und Kunst und allen Medien zu finden.Das bleibt den Rechtsextremen,Nihilisten und Terroristen nicht allein bloß vorbehalten.Es gibt ein buntes ,vielffältiges Meinungs-Spektrum. Ich möchte jedoch betonen,ich halte Medienkritiker und kritische Literaten nicht für Mörder,jedoch stelle ich fest,,dass diese gern mit ironischen Vergnügen Andersdenkenden den Totenschein ausstellen mit ihrer Kritik.(siehe dazu von Guttenberg und Wulff-Abschüsse) Kurt Tucholsky klagte in seiner Zeit bereits über das Phänomen,dass der,der auf den Schmutz hinweist,für viel gefährlicher ist,als der,der den Schmutz verursacht. Sind wir alle in dieser Hinsicht der Bescheidenheit im Urteil nicht gleichsam fehlbar in der richtigen Einschätzung unserer Kritik heute ebenso wie damals?. Für mich ist schlechte Kritik gar nicht mal so schädlich,wie oft behauptet wird.Sie kann für Autoren und Journalisten sehr verkaufsfördernd und lukrativ sein.wenn nur ein anderer Kritiker jeweils dagegenhalten kann.Damit die sogenannte Plus-minus Spannung selbst in der ironischen Fassung entsteht und zur Geltung kommt. Das vermisse ich jedoch in Ihrer einseitigen Nihilismus und Terror-Kritik heute . Mein Fazit: -„Der eigene Hund macht keinen Lärm-er bellt nur. „(Kurt Tucholsky) -„Für jeden berechtigten Tadel am anderen sollte man gleichzeitig eine Eigenschaft suchen,um deretwillen man ihn loben kann“(Frank Thiess) -Gewiß,nur wenige Menschen und Redaktionen sind bescheiden und einsichtsvoll genug,um zu ertragen,dass man sie auch richtig einzuschätzen vermag. Lieber Thomas Assheuer,das ist nur ironisch gemeint ,versteht sich! – – Lothar Hantel

Ironie ist wegen seiner Doppelbödigkeit ein Stilmittel der Unterdrückten. In Diktaturen und Monarchien war sie weit verbreitet. Man versuchte dadurch Strafe und Zensur zu umgehen. Alle Vögel sind schon da ist ein durch und durch ironisches Lied. Schostakowitsch war in der Lage, die Ironie durch Musik zum Ausdruck zu bringen. Die Ironie gedeiht bei den Rechten, weil von links bis weit in die Mitte eine Tugenddiktatur herrscht, die die Ironie verlernt hat. Wer heute als Speedy Gonzales auf eine Faschingsparty geht, wird als Rassist gebrandmarkt. Comedy und Kabarett dürfen nur noch politisch korrekt sein, müssen also alles vermeiden, was irgendwie irgendwen verletzen könnte. In Der Name der Rose geht es um die Verhinderung der philosophischen Begründung für die ironische Brechung. Ein Bauer, der über den Teufel lacht, kann von der Kirche nicht mehr geknechtet werden. Heute sind wir wieder soweit, dass jemand für eine ironische Äußerung moralisch belangt wird, weil der linke Mainstream jede Form von Wortspiel verbietet.

Damit überlässt man das Feld der Ironie allerdings den Rechten. Jankélévitch hat bei der Ironie von der Abwesenheit der „vitalen Dringlichkeit“ gesprochen. Das linke Sendungsbewusstsein, der andauernde Verkündigungseifer und die calivinistische Ernsthaftigkeit der Linken sind somit nicht mit der Ironie vereinbar. Es wird ja gern von Linksliberalismus gesprochen. Von liberalem Verhalten der Linken ist indes nirgendwo etwas zu sehen. Der Liberalismus bezieht sich lediglich auf die Freiheit, linke Ansichten unkritisch und ungeprüft zu übernehmen, bei Zuwiderhandlung wird mit gesellschaftlicher Ächtung gedroht. Damit ist es den Linken ernst und Ernst schließt Ironie aus. Wie sagte Gerhard Polt so schön: „Jeder hat das Recht, sich zur Mehrheit zu bekennen.“ Und: „Wir brauchen in Bayern keine Opposition, weil wir sind schon Demokraten.“ Bayern müsste man heute allerdings durch Deutschland ersetzen. – Dr. David Wolff

Ich habe Ihren Artikel mit der (vielleicht für mein Umfeld) typischen Mischung aus Interesse und Ironie gelesen, denn ganz ernst nehmen kann man ihn wohl nicht. Dennoch, interessante Anregungen. Deshalb entging mir auch zuerst eines: haben Sie wirklich den Attentäter von Christchurch beim Namen genannt? Es ist mir egal, welche feuilletonistischen Gründe Sie dafür anführen können – ich habe es als Zeichen einer gewissen Solidarität empfunden, den Namen nicht zu nennen. Sogar die von Ihnen vermutlich (oder vielleicht nur ironisch?) verachteten Online-Medien haben das geschafft. – Lukas Schmid


 

Leserbriefe zu „Da bewegt sich was“ von Fritz Habekuss

Ihr Bericht über das Schwinden der Insekten macht kein gutes Gefühl. Es ist bedrückend, wie weit fortgeschritten der Rückgang dieser Tierchen bereits ist. Tipps, die Sie geben, um das Insektensterben zu stoppen, werden jedoch verhallen. Fahre ich z.B. durch ein Neubaugebiet, sehe ich Häuser und Gärten mit dem Charme und der Vielfalt eines LEGO-Prospektes. Vorgärten wurden mit Zierkies/Ziersplit zugeschüttet, dazwischen liegen Steinplatten, ähnlich, wie auf einem Friedhof. Die beherrschenden Farben: Anthrazit, grau, weiß. Von grün, gelb, blau, rot usw. ist nichts zu sehen. Die Natur ist ausgesperrt! Zur Einfriedung der Grundstücke werden meterhohe Stahlgewebezäune mit eingelegten Kunststoffstreifen verwendet. Die Baumarktketten haben bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder also wesentlich mehr Erfolg, als die Apelle irgendwelcher Ökofreaks… – Achim Bothmann

Auch wenn das erwas kautzig klingt: Ich wünsche mir eine Untersuchung über den Zusammenhang von globaler Funknetzten und dem Insektensterben. Der weltweite Einsatz von Smartphones usw und das Insektensterben sind zeitgleiche Ereignisse und hoffentlich gibt es nicht einen Zusammenhang dabei. Mich wundert, dass die Landwirtschaft oder der Vorgarten als Verursacher für das Insektensterben vermutet werden, obwohl in diesen Bereichen nicht wirklich große Verschlechterungen in den letzten Jahren stattgefunden haben. Plötzlich hinzugekommen zu der nicht idealen Landwirtschaft sind aber die Handys in jeder Hosentasche und die vielen anderen Sender auf dem Globus. Wissen wir, was das für die Insekten bedeutet? Das beschäftigt mich, daher schreib‘ ich mal. – L. Götz

Zum wiederholten Male fällt mir auf, dass Ihr Kollege Habekus einen Passus verwendet, der m.E. überhaupt keinen Sinn macht und der überdies von Keinem von mir Befragten Kollegen mit naturwissenschaftlicher Ausbildung verstanden wird, so dass sich natürlich auch der Artikel nur teilinterpretieren lässt. Habekuss schreibt: „…diesmal gingen ihm 10- bis 60mal weniger Tiere in die Falle“. Kann die Redaktion und auch Herr Habekus mitteilen, wieviele Tiere nun wirklich in die Falle gingen?
(a) Bei 10- bis 60mal mehr Tieren kann man berechnen, dass die Anzahl dann a+10a=11a bzw. a+60a=61a bedeutet.
(b) Bei 10- bis 60mal weniger Tieren bedeutet das analog, dass die Anzahl a-10a=-9a bzw. a-60a=-59a in die Falle gingen.
Setzt man a=100, dann erhält man die unsinnigen Werte für (a) 1100 bzw. 6100 Tiere, für (b) -900 bzw. -5900 Tiere.
Die Mathematik bietet zwei von Jedermann nachvollziehbare Größen: Prozent und Bruch – damit wüsste man wie stark die Abnahme der Insekten wirklich ist. Selbst bei Google bleibt man im Ungefähren, weil dort lediglich Meinungen wiedergegeben werden (verständlich, da „x-mal weniger“ kein gebräuchlicher Begriff und uninterpretierbarer Begriff ist). Da Herr Habekuss unter der Rubrik „Wissen“ über naturwissenschaftliche Zusammenhänge schreibt, sollte man davon ausgehen können, dass er vielleicht auch eine zumindest MINT-nahe Ausbildung besitzt und deshalb auch für den Leser verständliche Aussagen trifft. – Dr. rer. nat. Georg Steger


 

Leserbriefe zu „Ist Glyphosat gefährlich?“ von Christiane Grefe

Sie bemühen sich zwar um Aufklärung zu Glyphosat, bleiben jedoch -wie Journalisten häufig- an der Oberfläche. Sie gehen davon aus, dass ein Pestizid, das Pflanzenwachstum unterbindet selbstverständlich auch Lebewesen schädigen kann. Das ist falsch! Befragen Sie einen Biochemiker. Der wird Ihnen erklären, dass der Wirkstoff Glyphosat in der Pflanze -nur in der grünen Pflanze -ein Enzym ersetzt, das zur Synthese von Aminosäuren essentiell ist. Der Wirkstoff ist molekular so geringfügig verändert, dass die Pflanze die Manipulation nicht erkennt. So wird Wachstum verhindert und die grüne Pflanze stirbt ab. Nochmal: Nur Pflanzen verwenden dieses Enzym, und es wird im Boden -bei sachgemäßer Anwendung- nicht angereichert : Nachfolgend ausgebrachtes Saatgut wird so in keiner Weise geschädigt, da die vorausgegangene Unkrautpopulation das Mittel verbraucht. In dieser Weise hätten Sie die Leser aufklären sollen. Ihre (beschränkten) Ausführungen dienen nur dem Zweck der Verunsicherung und Verängstigung. Das sollte Sie unterlassen. – Dipl.agr.oec. Wolfgang Eckardt

Da wird seit Monaten darüber gestritten, ob Glyphosat krebserregend ist, aber nur in den letzten drei Zeilen des Artikels erwähnt, dass dieses Herbizit „Bodengetier, Insekten und Vögeln, die von ihnen und mit ihnen leben“, mit Gewissheit schadet. Das wiederum wird in dem „Großen Feldversuch“ der gleichen Ausgabe nur zwischen den Zeilen angedeutet, das umstrittene Glyphosat jedoch nicht beim Namen genannt. Wie lange müssen wir noch auf ein Verbot warten? – Ekkehard Scheven

In Ihrem Beitrag zur Giftigkeit von Glyphosat wird der Stand der Forschung gut dargestellt. Wenn man dann aber am Ende eine Bewertung anfügt, so sollte man, wenn man objektiv berichten will, wichtige Details nicht außer acht lassen. Glyphosat tötet natürlich die Beikräuter, aber nicht deren Samen im Boden. Genau das ist das Ziel des Einsatzes, um den Nutzpflanzen den Lebensraum zu sichern. Die Alternative wären andere chemische Mittel, die nicht so gut erforscht und oft mehrfach teurer sind. Eine andere Alternative wäre das Pflügen. Auch hierbei werden die Beikräuter vollständig beseitigt und das Samenpotential bleibt erhalten. Die Pflugvariante hat aber den Nachteil, dass mit fossilen Energien gearbeitet wird und dass man alle Pflanzenreste vergräbt. Im Sinne des Erosionsschutzes und für manche Bodenlebewesen sehr negativ. Die Bodenlebewesen sind für gute Erträge essentiell. Wenn Glyphosat hier Schaden anrichten würde, müsste man das schnell merken. In der EU ist der Einsatz von Glyphosat seit 2017 beschränkt, so dass unerwünschte Kontaminationen sehr zurückgegangen sind. Mit dem Einsatz von Flugzeugen z. B. könnte man bei uns die gesetzlich geforderte Ausbringungsgenauigkeit unmöglich gewährleisten. Der sehr problematische Einsatz in reifem Getreide ist nur dann erlaubt, wenn die Ernte sonst nicht möglich wäre und das nur mit Sondererlaubnis. Der Einsatz im Zusammenhang mit resistenten Kulturpflanzen hat in der EU auch keine Bedeutung. Das erklärt auch, dass ein großer Teil Glyphosat hier nicht von Monsanto/ Bayer verkauft wird, sondern von Firmen, die den Ablauf des Patentschutzes nutzen. Es hat sich außerdem gezeigt, dass häufiger und ausschließlicher Gebrauch von Glyphosat in wenigen Jahren resistente Beikräuter hervorbringt. Im Endeffekt macht ein verantwortungsvoller Einsatz von Glyphosat die Landwirtschaft ertragssicherer, effizienter und auch umweltfreundlicher. – Franz Georg Große Böckmann


 

Leserbriefe zu „Der große Feldversuch“ von Katharina Jakob

„Nach der Waldwende die Agrarwende“
Die Entwicklungen in der Landwirtschaft deuten darauf hin, dass eine Agrarwende erforderlich sein wird, um die lebensnotwendigen Ressourcen Boden, Wasser und Artenvielfalt zu schützen. Überdüngung, Vergiftung und großflächige Monokulturen sind negative Merkmale einer „industriellen Landwirtschaft“ – und mittlerweile bekannter Maßen einer nachhaltigen Landwirtschaft absolut nicht dienlich. Das gleiche Problem wurde bereits vor gut 100 Jahren auch von Forstleuten bezüglich der Wälder in Deutschland erkannt – doch es sollte lange dauern, bis die Waldwende realisiert werden konnte. 1955 gründete eine kleine Gruppe interessierter Wald-Großgrundbesitzer eine „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft“, die vornehmlich darauf ausgerichtet war, nachhaltig und betriebssicher zu wirtschaften. Vorrangiges Betriebsziel war die Produktion von starkem Wertholz im Gegensatz zu Massenholzsortimenten. Man distanzierte sich von Quantität in Richtung Qualität. Letztere konnte nur erreicht werden, indem man sich an Entwicklungen in Urwäldern orientierte und entsprechende naturnahe Wälder aufbaute.

Nach der Pionierarbeit dieser elitären Gründergruppe fand um 1980 ein Generationenwechsel bei den Forstleuten statt. Rasant steigende Mitgliederzahlen und die Bildung der Organisation naturnah denkender Forstleute auf europäischer Ebene – PRO SILVA – führten letztendlich zum Paradigmenwechsel. Diese Entwicklung vollzog sich also anfangs im Privatwald und um 1990 im Staatswald. Die Forstleute hatten zu jener Zeit – also vor 1993, dem Gründungsjahr der EU – noch keine Unterstützung von höchster Stelle. Sie schafften es aber, diese großartige Leistung aus eigener Kraft zu erbringen. Heutzutage sollte es in kürzerer Zeit möglich sein, analog in der Landwirtschaft mit Unterstützung der EU die Agrarwende herbeizuführen. So wie damals die Forstleute ihre Chance wahrgenommen hatten, können sie einen Weg weisen für die Landwirte heute. Wie die damaligen Initiatoren der Waldwende Grundbesitzer waren, so sind heute die Landwirte überwiegend Grundbesitzer mit der Chance zur Agrarwende. – Jörn Hinze

Nur der Mensch alleine ist für den derzeitigen Zustand der Erde verantwortlich; auch die Bauern haben ihren Anteil daran, und auch wir, die „Billig-Billiger-Am-Billigsten-Konsumenten“. Der Mensch, der könnte noch immer dagegensteuern, um das Schlimmste, die drohende End-Katastrophe, doch noch abzuwenden. Wenn das letzte Insekt und das letzte Unkraut weggespritzt worden ist, dann ist auch das letzte Erden-Wort gesprochen. – Riggi Schwarz

Ich bin bin voll auf Ihrer Linie. Viele Bauern merken, dass sie den Saatgutherstellern und Chemiebuden auf den Leim gingen. Sie vernichteten so ihre eigene Lebensgrundlage, die Artenvielfalt und die Insekten, durch intensive Düngung verseuchten Sie das Grundwasser. Ich kenne einen Landwirt, der in der Aktion bäuerliche Landwirtschaft organisiert ist und Breiten Blühstreifen in Äckern und an Wegesrändern schon lange Zeit Raum lässt. Er freut sich über jede Libelle, jeden Schmetterling und jeden Regenwurm den er sieht. Außerdem spritzt er nicht, setzt weder Herbizide noch Isektizide ein. Er baut keine konventionelle Frucht an, sonder Ackerbohnen , Lupinen oder Sojapflanzen. Er ist unabhängig, hat sein Auskommen und ist sehr glücklich… – Achim Bothmann


 

Leserbriefe zu „Der Befehl“ von Wolfgang Bauer

Mit großem Interesse habe ich zunächst begonnen, Ihre sehr anschauliche Reportage über das Massaker in Kerala im April 1979 zu lesen. Bis ich schließlich nicht genau wusste, ob ich mich „veräppelt“ fühlen oder mich ärgern sollte, wie leichtfertig Sie mit den persönlichen Daten Ihrer Informanten umgegangen sind. Entweder kann ich die von Ihnen in der Reportage immer wieder betonte massive Bedrohungslage nicht wirklich ernst nehmen – leider glaube ich diese jedoch sofort – oder Sie haben die Bedrohungslage für die Dorfbewohner nicht ernst genommen. Wie kann es sein, dass Sie auf Seite 22 einen Mann namens „Mohammed Schersoe“ vorstellen, der aufgrund eines befürchteten Racheanschlages seinen wahren Namen nicht nennen wollte, um diesen im folgenden Absatz so genau zu beschreiben, dass die Dorfbewohner mit Sicherheit sofort erkennen könnten, um wen es sich handelt (56.Jahre alt, Polizist, seit einem Monat in Rente!!!, elf Kinder!!!), sollten sie den Artikel irgendwie in die Hände bekommen. Das ein afghanischer Migrant diesen Artikel liest und die Informationen weitergibt, halte ich nicht für ausgeschlossen – falls Sie dies tun, hätten Sie doch direkt den echten Namen verwenden können. Als wären diese preisgegebenen Daten nicht genug, sah ich dann auf Seite 27 noch ein Foto des Polizisten, das setzte dem Ganzen doch die Krone auf! Auch wenn ich den allerhöchsten Respekt davor habe, dass Sie selbst Ihr Leben riskieren, um diese Informationen zu recherchieren und diese Reportage zu schreiben, bin ich über diese Leichtfertigkeit völlig fassungslos! – Claudia Dombrowsky-Eitz

Die „Suche nach der afghanischen Ursünde“ sollte sich nicht nur auf die Ereignisse des Jahres 1979 beziehen, sondern es sollte daran erinnert werden, dass es in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts bereits einen breit angelegten Versuch afghanischer Gebildeter gab, ihr Land für aufgeklärte und demokratische Verhältnisse zu öffnen. Leider haben damals die rückwärts gewandten Hardliner die Oberhand behalten, so dass man heute die afghanische Bevölkerung zur unvoreingenommenen Hinterfragung aller standardisierten und tradierten Weltdeutungsmuster auffordern sollte – in ihrem eigenen Interesse. – Christoph Müller-Luckwald

Haben Sie vielen Dank für den Artikel zum Massaker von Kerala. Eine kleine Sache ist mir aufgefallen: für „Mohammed Schersoe“ ist ein anderer Name angegeben, aber sein Foto taucht offenbar im Artikel auf. Wenn das Bild wirklich denjenigen zeigt, dessen Name geändert ist, sollte das nicht der Anonymität halber auch weggelassen werden? (ich bitte diese Detailversessenheit zu entschuldigen, aber als Sozialwissenschaftler, der auch Interviewpartner anonymisiert, um ihre Identität zu schützen, fiel mir das auf). – Harald Sterly


 

Leserbriefe zu „Filterurlaub“ von Anna Mayr und zu „Wie bekomme ich einen guten Sitzplatz im Flugzeug?“ von Thilo Mischke

Ist euch bekannt, dass die Flugreisen 2018 wieder ein Rekordhoch erreicht haben? Durchschnittliche Zeitleserinnen und -leser erfügen wahrscheinlich über ein Einkommen, das reltiv hoch ist und werden daher auch oft reisen, je höher das Einkommen, desto mehr Flugreisen. Daher sollte man eher Artikel schreiben, in denen verdeutlicht wird, dass ein Verzicht auf Flugreisen, der Beitrag ist, mit dem Einzelne am meisten ein Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Stattdessen geht es um Tipps, wie die besten Plätze gebucht werden können (S. 55, Stefan Nink). Warum nicht mal ein Artikel über Unterschiede bei Airlines bzgl. des CO2-Ausstoßes? Oder über eine Reise, wo ein weiter entferntes Reiseziel mit Bus/Bahn erreicht wird? Dann noch die Seitenverschwendung über den billigen Urlaub auf Lanzarote (schon ganz zu Anfang der Hinweis darauf, das Ticket habe nur so viel gekostet wie Essen im Restaurant für zwei Personen. (S. 54, Anna Mayr)). Ich fordere die Redaktion jetzt zum wiederholten Mal auf, bei den Reisen mal in der Infobox auch etwas zum CO2-Ausstoß der jeweiligen Reise zu schreiben im Vergleich mit dem Jahresverbrauch eines Menschen in Indien, Deutschland oder dem, was nötig wäre, um das Klimaziel zu erreichen. Aber es ist hier wieder das Typische: Im Wissenteil steht was über Greta Thunberg und das Steigen des Meeresspiegels (2018 Rekord!). Und in anderen Teilen dann solche Artikel. Bei Reiseartikeln ware es doch mal toll, wenn Sie beschließen könnten, nur solche Ziele aufzunehmen, die mit Bus/Bahn/Rad zu erreichen sind. Das wird sicher nicht der letzte Leserbrief dieser Art sein, da bin ich mir leider sicher.
P. S. Wie hoch waren übrigens die Emissionen der Reise nach Lanzarote und des Fluges nach Kanada? Laut atmosfair (jeweils Hin- und Rückflug von Frankfurt/Main für eine Person)
Montreal: 2,8 t CO2
Lanzarote: 1,4 t CO2
Klimaverträglich sind 2,3 t IM JAHR!!! – Astrid Ahlers


 

Leserbriefe zu „Filterurlaub“ von Anna Mayr

Ich lese die Zeit seit langem und sie ist grundsätzlich eine Bereicherung. Aber obiger Artikel bringt mich zu einigen Fragen, wachse ich altersmäßig langsam aus der „ Zeit „ raus ? Wie kann man auf soviel Papier so etwa belangloses drucken . Es soll wohl witzig sein , aber dazu ist die Flugzeit wohl doch zu belastend um so einen Schrott zu rechtfertigen. Jeder muss für sich entscheiden , ob er solche Reisen noch macht ( Klimabelastung ) aber dafür noch Zeitungspapier zur Verfügung zu stellen und unkritische junge Leute für so einen Quatsch noch zu animieren, geht mir zu weit. Aber vielleicht bin ich auch inzwischen einfach zu alt . – Ingrid Rass


 

Leserbriefe zu „Wie bekomme ich einen guten Sitzplatz im Flugzeug?“ von Thilo Mischke

Selten habe ich mich so über einen ZEIT-Artikel geärgert, wie über den von Thilo Mischke geschriebenen „Wie macht man die Economyclass zum Erlebnis?“. Erstens, weil hier, was mich sehr wundert, Fliegen, und vor allem häufiges Fliegen geradezu gefeiert und als ganz normal dargestellt wird. Zweitens, weil ich einige der Tipps äußerst fragwürdig finde (zweites Essen erschleichen, Schlaftabletten werden empfohlen). Und drittens, weil ich nicht weiß, wen dieser Artikel ansprechen soll. Ich denke, die wenigsten ZEIT-Leser_innen fliegen „im Schnitt 400.000 Kilometer“ im Jahr oder „rund zehn transatlantische Flüge“. Ich als ZEIT-Abonnent war jedenfalls sehr enttäuscht und hätte mir hier mindestens einen Hinweis darauf, dass Fliegen sehr unökologisch ist, gewünscht, noch mehr allerdings, dass solche Artikel erst gar nicht veröffentlicht werden. – Leo Summerer


 

Leserbriefe zu „Der Mann für den prallen Staat“ von Lisa Nienhaus

Mich interessiert, was die wissenschaftliche Qualifikation des Sachverständigen im Sachverständigenrat denn nun ist und wie sie festgestellt wird. In dogmatischen Wissenschaften (Jura, Theologie) wird ausgehend von gesetzten Prinzipien über die Stimmigkeit von Sätzen diskutiert. Anders die Naturwissenschaften. Und was ist mit den makroökonomischen Prozessen? Wessen Beschreibung ist “richtig“ ? Wer hat die Finanzkrise 2008 (und die Wirtschaftskrisen davor) annähernd richtig beschrieben? Was hat die Finanzexpertin Isabel Schnabel denn wissenschaftlich qualifiziert dazu gesagt? Wer mit den Wölfen heult, hat nicht immer recht. – Klaus Timmerbeil

Der sog. Wirtschaftsweise Truger wurde aus parteipolitischen Gründen von den Gewerkschaften vorgeschlagen und im Sinne der Koalitionsraison von der Politik akzeptiert. Wissenschaftlich fundiert ist diese Vorgehensweise ohnehin nicht. Eindeutig ist jedoch, dass die Schule der Ordoliberalen massgeblich am wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik in den Nachkriegsjahren beteiligt war, wenngleich deren Rezepte durch die Politik zum Zwecke der Erreichung bestimmter Ziele regelmäßig verwässert oder ganz ignoriert wurden. Die Orientierung Trugers an staatlicher Lenkung bei gelösten Schuldenbremsen erinnert eher an die gescheiterte Wirtschaftspolitik von sozialistischen Staaten wie aktuell Venezuela. – Hans Hardenberg


 

Leserbriefe zu „Das Geld der Welt wird neu verteilt“ von Felix Rohrbeck und Mark Schieritz

Die Steueranwälte der internationalen Großunternehmen werden das alles verhindern wissen. Einige asiatische Staaten würden ihnen dabei helfen. Zum Beispiel in Singapur, wo ich auch lebe, sind bereits circa 1600 deutsche Firmen angesiedelt. Und Singapur legt den größten Wert auf ihre Souveränität. Übrigens, ist Singapur auch ein muslimisches Land, wie auch einige andere asiatische Staaten. – Gunter Knauer

Warum lässt man die Besteuerung nicht beim alten System und macht für Digitalunternehmen eine Ausnahme? Die Lösung, die Großbritannien anbietet, würde ich preferieren. – Thomas Miesel


 

Leserbriefe zu „Stimmt’s?“ von Christoph Drösser

Mit Interesse habe ich Ihren letzten „Stimmt´s“- Artikel gelesen, in dem es um den Wald als Klimaanlage ging. M.E. gehört als weiterer Faktor für die Abkühlung des Waldes die Blattfarbe hinzu, da die Farbe grün dadurch entsteht, dass aus dem Sonnenlicht der Rotanteil überproportional resorbiert bzw. herausgefiltert wird. Für eine kurze Erklärung wäre ich Ihnen dankber. – H.Bode

Sie schreiben Ende von Abs. 2; „… beziffert die Kühlleistung auf 70 kWh …“ Da ist Ihnen entgangen, dass die Quelle dieser Angabe die zeitbezogene Größe Leistung mit einem Energiewert „verheiratet“. Eines der Energiemaße ist die Kilowattstunde (kWh); die Größe Leistung wird jedoch z.B. in Kilowatt (kW) gemessen, enthält die Zeit also nicht. Das Zitat ist daher leider physikalisch inkohärent. – Volker Morstadt


 

Leserbriefe zu „WIE ES WIRKLICH IST … sein Kind im Knast großzuziehen“ von Marlen S.

Wenn man das Mutter-Kind-Heim der Justizvollzugsanstalt III in Frankfurt am Main – Preungesheim seit der Gründung im Jahr 1975 und über viele Jahrzehnte hinweg ehrenamtlich begleitet und in dieser Zeit unzählige Gespräche mit inhaftierten Müttern von Kleinkindern geführt hat, springt man auf das obige Thema natürlich sofort an und möchte auch etwas dazu erklären. Vor allen Dingen hofft man, dass es Mutter Marlen gelingen möge, die positive Einstellung zu ihrer kleinen Tochter Margarethe beizubehalten. Es ist schön, dass ihr bewusst ist, diese Einstellung während und zum Teil vielleicht auch durch die Haft erworben zu haben. Das Leben in Freiheit gestaltet sich oft anders, als man es sich in der geschützten Umgebung der Haftanstalt vorstellen kann, und oft fehlen der notwendige Beistand, Rat und Unterstützung durch wohlmeinende und erfahrene Erwachsene.

Dass Mutter Marlen das Kind „im Knast groß“ gezogen habe, irritiert ein wenig. Groß ist ein Kind erst, wenn es an Körpergröße sich mit Erwachsenen messen kann. So lange wird niemals ein Kind „im Knast“ bleiben, gesetzlich endet die Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von Müttern in Haft und ihren Kindern mit dem Beginn der Schulpflicht. Man geht davon aus, dass bis zum Alter von drei Jahren die gemeinsame Unterbringung mehr positive als negative Züge aufweist, während die drei folgenden Jahre, wenn die Haft noch andauert, mit vielen Schwierigkeiten belastet sind. Deutlich und zweifelsfrei ist aber die Beobachtung, wie stark die gegenseitige Bindung von Mutter und Kind während der Zeit in der JVA anwächst und bestimmend wird. Helga Einsele, die „Erfnderin“ der Idee, Mutter-Kind-Paaren das Zusammenleben während einer Haftstrafe zu ermöglichen, hat es in einer Rede zum 10-jährigen Bestehen des Mutter-Kind-Heims Preungesheim so ausgedrückt: „Es gibt keine wirklich befriedigende Lösung aller Probleme, solange Mütter kleiner Kinder nach geltendem Recht bestraft werden.“ – Helga Matthiessen

Ich wünsche vom ganzen Herzen der jungen Mutter Marlen S., dass sie nur noch mit „richtigen“ Leuten zusammen kommt. Möge sie durch die Liebe zu ihrem Töchterchen ihre Agressionsprobleme besiegen. Es wäre schön, in ein paar Jahren zu lesen, dass die beiden das Leben meistern und Gretchen eine glückliche Kindheit hat. – Martha Koller


 

Leserbriefe zu „Sauber!“ von Anna von Münchhausen

Ein toller Artikel und selbst als Mann (58), kann ich das nachvollziehen. Sie haben aber das Bettenmachen vergessen. Hierzu ein Link von einem General der Navy Seals. https://youtu.be/U6OoCaGsz94 Sehr motivierend, auch für meine Polizeischüler. – Lothar Riemer

Begeisterung über meine wöchentlichen Putzresultate empfinde ich durchaus auch. Nur unzureichend findet in Ihrem – von mir ebenfalls mit Begeisterung gelesenen – Artikel jedoch Platz, wie – ach so – kurz der Schritt von der momentanen Begeisterung zum leider viel länger anhaltenden Frust ist, wenn schon nach kurzer Zeit die Waschbecken, Spiegel, Spüle etc. aussehen, als könne man mit dem Putzen direkt wieder von vorn beginnen :-)) Oder bezog sich Ihr Artikel vorwiegend auf den jährlichen Frühjahrsputz? Ihr ersten Satz legt es nahe. – Kuno Glag


 

Leserbriefe zu „Der Bauplan der Chemie“ von Stefan Schmitt

In dem Beitrag von Stefan Schmitt wird der Erfinder des Periodensystems der Elemente,Dmitri Iwanowitsch Mendelejew ausführlich gewürdigt. Hierbei wird seine rastlose Beschäftigung mit dem Periodensystem durch einen Satz hevorgehoben, der nur zur Hälfte richtig ist:“Der zauselbärtige Professor (richtig) soll auf langen Fahrten mit der transsibirischen Eisenbahn (falsch) Patiencen aus Spielkarten gelegt haben.“ In Wikipedia findet sich nämlich zur Transsib der Eintrag „Im März 1891 proklamierte Zar Alexander III. den Baubeginn für die Transsib und der damalige Zarewitsch Nikolai, der spätere letzte Zar von Russland, führte in der Nähe von Wladiwostok den ersten Spatenstich durch. Da Mendelejew sein System zum ersten Mal 1869 veröffentlicht hat (Angabe im Artikel) kann er nicht in der Transsib gesessen haben. Der Versuch des Autors, atmosphärische Dichte, gar Authenzitität, durch diese Nennung der Bahnlinie zu schaffen, ist also misslungen. Dabei sei nicht in Frage gestellt, dass Mendelejew häufig reiste, die Fahrten lange dauerten, und er “ auf Kärtchen notiert,…. die zentralen Eigenschaften jedes Elements bei sich (trug)“. Nur kann es sich eben allein um Fahrten westlich von Sibirien gehandelt haben. Leider müsste man aber dann aber auf solch assoziations-mächtige Angaben zu Zuglinien verzichten- was der sehr eindrucksvollen Darstellung der einzigartigen intelektuellen Leistung von Dmitri Iwanowitsch Mendelejew aber keineswegs abträglich gewesen wäre. – Dr.Klaus Wiedemann

Mit dem „Atomgewicht“ und der „Ordnungszahl“ geht es im Artikel ziemlich durcheinander: Das Periodensystem ist –anders als in der Legende unten angegeben- schon lange nach der Ordnungszahl geordnet (auf diese verweist auch der in der rechten Spalte zitierte Michael Gordelin und sie steht auch in der Reproduktion des Periodensystems), da sich das Atomgewicht als Durchschnittswert verschiedener Isotopengewichte als ungeeignet zeigte. Die ursprüngliche Ordnung nach dem Atomgewicht musste aufgegeben werden, z.B. nach den Röntgenspektralanalysen von Moseley 1913. Auch mögen „die Menschen heute“ noch das Bild der kreisenden Elektronen haben, das bereits rund 100 Jahre alte Atommodell der Quantenphysik und Wissenschaftler haben sie sicher nicht mehr, hoffentlich. – Michael Barth


 

Leserbrief zu „Ich, eine Maschine, die nie funktioniert“ von Peter Kümmel

Selten hat mich ein in der ZEIT publiziertes Gespräch so angerührt wie das mit dem 85jährigen Roberto Ciulli. Solche Geschichten – die er auf dem Theater erzählen will – wie die von dem afrikanischen Flüchtlingsjungen, der – sein Schulzeugnis in die Jacke eingenäht – nach Europa wollte und es nur als Toter erreichte: sie sagen mehr als 1000 Proklamationen. Und die eigene Geschichte des Theatermachers: ein 29jähriger Italiener kommt nach dem Tod des geliebten Stiefvaters und nach einem Herzinfarkt nach Deutschland, ein einsamer, mittelloser Fremder. Hier verliebt er sich als Bühnenarbeiter in die Sprache Hölderlins und Kleists, in der er seine Emotionen und Gedanken präziser fassen kann als in der Sprache Boccaccios und Dantes. So etwas macht mich richtig stolz. Und die Aufforderung des wunderbar jung Gebliebenen (Gewordenen) zum „geistigen Diebstahl“ nach dem Motto: „selbst denken und auch die Gedanken eines anderen zu den eigenen machen“ ist ein wohltuender, gesunder Appell im Goethe’schen Sinn. Es lebe der Clown, der das Lachen der Erkenntnis lacht, auch wenn sie schon fast zu spät kommt. – Ludwig Engstler-Barocco


 

Leserbrief zu „Der PC-Wahn“ von Josef Joffe

Unterstellend, dass mit PC die „Political Correctness“ gemeint ist, möchte ich die Aussagen von Herrn Joffe uneingeschränkt unterstützen. Nur ist dieses rechtswidrige Gebaren akademischer Scheinriesen eher NICHT der Politischen Correctness zuzuordnen, sondern der gleichen Verrohung wie wir es hier zu Lande in vielerlei Couleur kennen. Verrohung ist nicht den Rechten vorbehalten. Oder anders ausgedrückt: Aus viel Wissen resultiert nicht zwangsweise Bildung. – Karlheinz Henry


 

Leserbrief zu „Wohlstand für wenige“ von Isabel Schnabel

Der Artikel von Isabel Schnabel spricht mir aus der Seele: Die westlichen Staaten, ob Deutschland, EU oder auch die USA, verraten die Prinzipien, mit denen sie wirtschaftlich stark geworden sind. Marktwirtschaft lebt vom Wettbewerb der Ideen, während staatliche Subventionsprogramme, aber auch groß angelegte Forschungsförderungsprogramme die Inhalte vorgeben und den Mainstream fördern. Wer eine gute Idee hat, die nicht den vorgegebenen Inhalten entspricht, geht nicht nur leer aus, sondern muss auch noch mit den subventionierten Wettbewerbern konkurrieren. Ob in Wirtschaft oder Forschung: Die Fördermittel landen nicht bei den Innovativen, sondern bei denen, die entweder selbst, oder unterstützt durch professionelle Agenturen, Förderanträge schreiben können, in denen sich die gewünschten Buzz-Wörter des Förderprogramms optimal aneinanderreihen. So fördern wir dann – mit der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung – das, was Politiker, Lobbyisten oder bestenfalls ein Expertengremium vor fünf bis zehn Jahren für zukunftsweisend hielten. Innovation braucht keine Förderprogramme, sondern fruchtbare Randbedingungen. Und die Aufgabe des Staates ist es nicht, Subventionen zu vergeben, sondern Rahmenbedingungen zu setzen. Fünf-Jahres-Pläne begünstigen Ja-Sager, nicht Innovation. – Prof. Dr. Andreas Klamt


 

Leserbrief zu „Schluss mit dem Ablasshandel“ von Jens Jessen

Zunächst erscheint es nachvollziehbar, wenn Museen die Zusammenarbeit mit Mäzenen, die moralisch verwerflich gehandelt haben (juristisch belegtes Fehlverhalten liegt ja nicht vor), beenden wollen. Das ist ihr gutes Recht. Allerdings zeigt ein Blick auf die Geschichte, dass dieses Verhalten äußerst kurzsichtig und wenig sinnvoll ist. Würde man alle großen Mäzene einer kritischen Überprüfung unterziehen, wären die Museen leer und Städte wie Florenz oder Rom müssten dem Erdboden gleichgemacht werden. Man kann sicher darüber nachdenken, ob das System, Kunst den Gewinnen und launischen Interessen von Förderern zu überlassen, eine gute Idee war. Deshalb bin ich dankbar, dass es in Deutschland nach wie vor noch hohe staatliche Zuschüsse für Orchester und Museen gibt.

Es ist aus meiner Sicht falsch, wenn der Staat sich zunehmend aus der Museumsbewirtschaftung zurückzieht. Nationales Kulturgut kann nicht in privaten Wohnzimmern hängen. Wenn Frau Grütters meint, den Kunstmarkt regeln zu müssen, dann muss sie auch als Akteurin aktiv werden. Für den Umgang mit den Mäzenen muss ich feststellen, dass ich hier eine Doppelmoral erkenne. Wer Geld von privaten Gönnern nimmt, muss entweder vorab Regeln bestimmen und diese konsequent überarbeiten (die Zeiten ändern sich) oder man muss Spenden auf bestimmte, zeitlich befristete Projekte beschränken und vorab klären, mit wem man zusammenarbeiten will. Sonst müsste man diskutieren, ob der Sackler Wing in der National Gallery oder im Metropolitan Museum abgerissen und die Kunstwerke an die Spender zurückgegeben werden, auf dass sie auf immer in Freilagern verschwinden und so der Allgemeinheit dauerhaft vorenthalten werden. – Dr. David Wolff


 

Leserbrief zu „Im Höllenkreis der Baugruppe“ von Iris Radisch

Frau Radisch beklagt sich über die Jurywahl für den Preis der Leipziger Buchmesse. Das kommt aber dabei heraus, wenn eine homogene Jury aus quasi gleichgeschalteten Journalisten besteht, die einer linksliberalen Lebensform anhängen, die viel beklagt, aber wenig ändert. Neulich war hierüber ein schöner Artikel in der SZ zu lesen (der Autor ist mittlerweile sicher schon freigestellt), wonach diese Menschen davon ausgehen, dass sie durch die Wahl der Grünen alle gesellschaftspolitischen Probleme lösen können und danach weiter in ihren SUVs durch die Gegend fahren und viel in der Welt herum fliegen können.

Eine Jury, die letztlich nur noch eigene Nabelschau betreibt, wählt dann konsequenterweise auch ein Buch, dass sich mit den Marginalien der eigenen Lebensführung beschäftigt. Es gibt durchaus das eine oder andere mutige und gute geschriebene Buch eines deutschen Autors. Weil die sich jedoch mit Themen befassen, die wehtun oder vielleicht am linksliberalen Meinungskorridor anecken, oder weil ein Autor diesen Korridor mit eigenen Äußerungen überschritten hat, kommen solche Bücher nicht in die engere Wahl. Die Jury will sich nämlich nicht angreifbar machen oder erklären müssen. Die Jurymitgleider wissen, wie schnell man aus den einschlägigen Netzwerken raus ist, wenn es mal eine kritische Schlagzeile gibt. – Dr. David Wolff


 

Leserbrief zu „Weiter nach Plan“ von Thomas Fischermann et al.

„Die Monokulturen vertrieben Kleinbauern, zerstörten Felder von Ökolandwirten durch Pflanzengifte und die Vielfalt der Natur“ – wirklich? Hier haben wir Aussagen mit dem gleichen Subjekt („die Monakulturen“), aber verschiedenen Prädikaten („vertrieben“ und „zerstörten“). Beide Aussagesätze sind durch ein Komma voneinander getrennt. Nehmen wir den ersten: Wie muß ich mir das vorstellen, wie „die Monokulturen“ Kleinbauern vertreiben? Und: ist es überhaupt ausgeschlossen, daß Kleinbauern Monokulturen betreiben? Nun zur zweiten: Die Subjekte zerstören „Felder von Ökolandwirten“, und zwar durch die Anwendung von zwei Mitteln: a) durch Pflanzengifte und durch „die Vielfalt der Natur“. Sie verwenden ausgerechnet das zweite Mittel, und das ausgerechnet mit den Feldern von Ökolandwirten! Ich glaube das nicht. Mal eine lustige Übung für Ihre Radaktionsneulinge: Lassen Sie sie alle Artikel ab einer bestimmten Länge (z.B. 1/2 Seite Text) laut so vorlesen, daß alleine durch die Betonung – ggf. unter Berücksichtigung der vorhandenen Zeichensetzung – trotzdem ein anderer Sinn herauskommt, als der Verfasser wahrscheinlich gemeint hat. Dann streichen Sie all die Stellen, bei denen das gelingt. Das spart allen Lesern Zeit und sie können den Rest Ihrer Zeitung auch wirklich lesen. – Adalbert Hanßen


 

Leserbrief zu „SchönwetterÖkonomen“ von Uwe Jean Heuser

Der Autor schreibt: „was uebrigens die im Euro-Gruendungsvetrag festgelegte Obergrenze ist [Staatsschuldenquote 60, alle Zahlen in % des Bruttoinlands- produkts] an die sich nur kaum jemand haelt. Deutschland ist heute fuer Europa der groesste Stabilitaetsanker“. Nach Herbstprognose der Europaeischen Kommission (Monatsbericht des Bundesministeriums fuer Finanzen Maerz 2019) halten sich 15 EU-Staaten an die 60-Grenze, 13 einschliesslich Deutschland tun es nicht. Neue deutsche Daten fuer Emde 2018 (Bundesbank laut FAZ und SZ 2.4.) geben 60,9; vielleicht hat es Deutschland in diesen Wochen erstnals seit etwa 15 Jahren unter die Grenze von 60 geschafft. Die Arroganz und Scheinheiligkeit, mit der sich Deutschland in der Schuldenkrise als Musterknabe darstellte, hat viele Partnerstaaten veraergert. Die Schuldenbremse im Grundgesetz sollte zumindest beibehalten werden, bis die deutschen Staatsschulden mit einem deutlichen Sicherheitsabstand unter 60 liegen. Unter den Bundeskanzlern Erhard, Kiesinger und Brandt waren es etwa 20 (so wie heute Luxemburg und Bulgarien), Estland hat jetzt etwa 8 und Griechenland etwa 180. – Dietrich Stauffer


 

Leserbrief zu „Premiere ohne Trump“ von Georg Blume

Sie können auch ohne den großen „Scheinblonden“ aus den Staaten, aber kann Donald Trump auch wirklich ohne diese „Mauerbauexperten“. China kann mit einer sehr langen und uralten Mauer prahlen, Deutschland hatte eine Deutsch-Deutsche-Trennungs-Mauer, und Frankreich hatte nie eine Mauer. Drei Länder, drei Geschichten zum Thema Mauer! Nun ist Donald Trump am Zuge, sich für den richtigen Maurerpolier zu entscheiden. – Klaus P. Jaworek


 

Leserbrief zu „Ellbogen einziehen, bitte“ von Anna von Münchhausen

Wer über genügend Kohle verfügen kann, der wird auch bereit sein, für ein Gemälde, genügend Kohle auszugeben. Man/frau gönnt sich ja sonst nichts, und wenn Geld, sowieso die Welt regiert, dann will man/frau auch mitregieren; ist doch klar! – Klaus P. Jaworek


 

Leserbrief zu „Trump im Nacken“ von Kerstin Kohlenberg

Was sagte da einst John F. Kennedy (1917-1963), Präsident der USA (1961-1963), u.a. bei seiner Amtsantrittsrede am 20. Januar 1961:
„Die Energie, der Glaube, die Hingabe, die wir diesem Unterfangen widmen, werden leuchten in unserem Land und in allen, die ihm dienen – und der Schein dieses Feuers kann wahrhaftig ein Licht sein für die Welt. Und deshalb, meine amerikanischen Mitbürger: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Meine Mitbürger in der ganzen Welt: Fragt nicht, was Amerika für euch tun wird, sondern fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“ (Quelle: http.//www.jfklibrary.org/JFKHistoric-Speeches/Multilingual-Inaugural-Address/Germany.aspx)
John F. Kennedy, Rede-Auszug vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin, am 26. Juni 1963:
„Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten, und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen.“ (Quelle: John F. Kennedy: Ich bin ein Berliner (1963) von Englisch Lernen Online) (hhtp://www.englisch-lernen-online.de/Fertigkeiten/hoeren–hoerverstehen/reden/john-f-kennedy-ich-bin-ein-berliner–mit-uebersetzung-john-f-kennedy-ich-bin-ein-berliner/) – Klaus P. Jaworek


 

Leserbrief zu „Alles great again“ von Martin Klingst und Jörg Lau

Im Zweifel für den Angeklagten
Die meisten Menschen sind noch nicht in die Bedroullie geraten, von diesem wichtigen Grundsatzprofitiert zu haben. Dennoch baut die Rechtsordnung und damit unser Gerechtigkeitsempfinden genau darauf auf. Dieser Grundsatz ist unbestritten auch schon missbraucht worden, indem er instrumentalisiert wurde. Bei O.J. Simpsons Freispruch beispielsweise, bestehen zumindest berechtigte Zweifel daran, ob wirklich Zweifel an seiner Schuld bestanden. Aber dass wir daran zweifeln können und dürfen, basiert im Wesentlichen darauf, dass wir einer scheinbaren Gewissheit kein absolutes Vertrauen schenken, weil man sich zumindest darüber einig ist, dass man sich irren kann. Unser und auch das amerikanische Regierungssystem ist die Demokratie, grob übersetzt, die Herrschaft des Volkes. Der Sinn darin besteht auch darin, dass Meinungen wechseln können was u.a. auch daran liegen kann, dass man sich geirrt hat, dieser Irrtum aber erst später erkannt wurde. Ein Werkzeug der Demokratie ist, dass bei berechtigten Zweifel an einem Tatbestand, dieser gesondert untersucht werden kann, in den vereinigten Staaten machen das u.a. Sonderermittler. Wenn nun, ein solcher Sonderermittler in, von allen Parteien berechtigt angenommener Weise, gründlich einen Sachverhalt untersucht und darüber zu einem Ergebnis kommt, erwarten wir für gewöhnlich, dass dem Rechnung getragen wird, indem, auch von der Gegenpartei akzeptiert wird, dass die herausgefundenen Resultate als Grundlage für einen Freispruch gelten dürfen. Ich bin kein Freund von Herrn Trump und hege Zweifel daran, dass er mit probaten Mitteln seine Macht erlangt hat und diese ausübt, aber da er demokratisch legitimiert wurde, sind meines Erachtens nur von der Demokratie zur Verfügung gestellte Mittel berechtigt, ihn seiner Befugnisse wieder zu entledigen. Da ein von den Demokraten akzeptierter Sonderermittler, in diesem Fall Mueller, objektivnachweisen konnte, dass keine eindeutigen Beweise dafür existieren, dass Präsident Trump von Verstrickungen der russischen Politik in seinen Wahlkampf gewusst hat, muss das auch von denen akzeptiert werden, die sich einen anderen Ausgang erhofft haben. Macht man das nicht, hat man die eigene Glaubwürdigkeit untergraben, denn mit welcher Sicherheit darf man annehmen, dass diese Menschen in anderen Fällen nicht auch eher persönlichen Interessen denn objektiven Argumenten folge leisten? Sie täten also gut daran, dass Ergebnis zu akzeptieren und sich im anstehenden Wahlkampf darauf zu konzentrieren, Wähler mit nachvollziehbaren Argumenten zu überzeugen, statt mit den Mitteln die man dem erklärten Gegner Trump selbst vorwirft, gleichartig zu diskreditieren. – Adolf Ulf Muenstermann


 

Leserbrief zu „Ein Besuch fürs Leben“ von Ulrike Gastmann

Wenn ich in Deutschland bin, kaufe ich am Kiosk regelmäßig „DIE ZEIT“. (In Spanien, wo ich monatelang bin, kommt sie meistens erst sonntags , so dass ich sie dort nicht kaufe.) Heute aber möchte ich endlich ein Kompliment an Ihre Kolumnistin, Frau Ulrike Gastmann, weiterreichen. Deren Beiträge lese ich als erste; diese Redakteurin ist mit ihren pragmatischen aktuellen Kurzbeiträgen am Puls der Zeit. Sie lebt zwischen den Zeiten – Ost- und Westdeutschland – ihre Vision und Vorstellung, wie ein gemeinsames deutsches Zusammenlebens funktionieren könnte, wünschte ich Politikern aller Colour. Ich freue mich auf Frau Gastmanns nächsten Beitrag! – Reinhard Just


 

Leserbrief zu „Wochenmarkt – Heilsame Knolle mit Miso“ von Margit Stoffels

Gerade habe ich Ihr sehr verführerisches Topinambur-Rezept gelesen und darin eine sehr wichtige Warnung vermisst, nämlich dass das Inulin, das vielleicht die Diabetiker freut, einen nicht kleinen Teil der Bevölkerung vor ein großes Problem stellt: Es zersetzt sich erst im Darm und verursacht so dramatische Blähungen. Dabei weist es sogar frisch fermentiertes Sauerkraut locker in die Schranken. Wenn jetzt jemand das Rezept mittags zum ersten Mal ausprobiert und abends ins Konzert will, dann hat er oder sie ein Problem, und vielleicht sogar noch am nächsten Tag bei der Arbeit. Das vergisst man sein Lebtag nicht. Ansonsten haben Sie mit allem Recht, zum Beispiel dem Vergleich mit Artischockenböden oder der Fertilität der Knolle, die, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, keine Grundstücksgrenzen kennt. – Felix Richter


 

Leserbrief zu „Über Sprachregelungen“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Wie so oft hat mich auch Ihr letzter Artikel sehr amüsiert, etwa Ihre feine Beobachtung, daß Frauen mehr auf sich achten – Die ganze Gender-Sache ist, zumindest von den Männern aus gesehen, eine reine Augenauswischerei, solange die Frauen in zahlreichen Berufen nach wie vor weniger verdienen (ich hab am Fließband gearbeitet, und die Frauen neben mir bekamen alle weniger, bei völlig gleicher Tätigkeit) – Und irgendwie klingt das Folgende unglaublich: Unlängst hörte ich mit einem Ohr Radio, doch auf einmal merkte ich auf, denn da hatte jemand klar und deutlich „Terroristinnen und Terroristen“ gesagt – und das schoß denn doch den Vogel ab -! – Peter Tertinegg


 

Leserbrief zu „Von Erdoğans Fortbestehen“ von Can Dündar

Vor lauter drängenden Daten in diesem turbulenten Politigeschehen hätte ich die Kommunalwahlen Am 31. März in der Türkei fast übersehen. Wenn Ihre Landsleute wüßten, was auch mir spät, viel zu spät aufgegangen ist, in meinem ganz privaten Leben: Ich schrieb ihnen von der Angst der Machthaber vor Machtverlust. Die ich selber hautnah kennengelernt habe. In Ihrem Artikel in der neuen ZEIT skizzieren Sie beängstigend, wie aufgeschreckt und durchgedreht Erdogan und Seine Anhänger derzeit in der Türkei versuchen, mit noch schlimmerer Verbreitung von Angst und Schrecken Die Bevölkerung in Schach und sich an der Macht zu halten. Heute und viel zu spät für meine/unsere persönlichen Belange wünschte ich, „wir“ hätten uns zusammengetan und hätten uns „der Macht“ geschlossen und entschlossen entgegengestellt. Damit hätten wir viel künftiges Unheil verhindern können. Ein paar Momente / Tage / Wochen hätten wir etwas riskieren müssen, um dann Wieder freier atmen zu können. Wenn man sich das bewußt macht… Ihnen und Ihren Landsleuten wünsche ich ein Gottvertrauen ohne Angst. Der Sonntag wird es zeigen. – Beate Schwärzler


 

Leserbrief zu „Klimaschutz als Klassenkampf“ von Laura Cwiertnia

Eine solche Diskussion gibt es in keinem anderen Land. Der Sache mit den Schülern wird viel zu viel Bedeutung beigemessen. Und das die Grünen davon profitieren liegt klar auf der Hand. Ich bin mir auch ziemlich sicher, daß diese Partei auch der Initiator dieser Schülerproteste ist. Ausserdem sind die Proteste verlogen. Die Kits erzeugen mit ihren Handys rund um die Uhr X-mal mehr CO2-Ausstoß als die Dieselfahrer. – Gunter Knauer


 

Leserbrief zu „Wem die Sonne scheint“ von Martin Braml Und Gabriel Felbermayr

In der Zeit habe ich mich den Artikel über die Zeitumstellung gewundert. Es wird immer über „Winterzeit“ gesprochen. Was soll der Begriff bedeuten? Die angebliche „Winterzeit“ war frühe einmal die Normalzeit! Es ist schon bedenklich, dass der Mensch über die Zeit befinden darf. Da viele Menschen immer Spaß haben wollen, wird eben an der Zeit gedreht! – W. Fröhlich


 

Leserbrief zur Deutschlandkarte „Die engsten Städte“ von Friederike Milbradt und Laura Edelbacher

Im Text zur Deutschlandkarte hätte noch erwähnt werden sollen, dass die Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte die ehemalige Großstadt Wanne-Eickel war. Bis zur Zusammenlegung mit Herne 1975 waren das 5100 Ew pro km² und damit doch mehr als der aktuelle Spitzenreiter München (nur 4686 Ew pro km²).Darüber hinaus erwähnenswert war Wanne-Eickel die Heimatstadt von Adolf Tegtmeier, selig. – Frank Welches


 

Leserbriefe zu „Das hat Mama uns eingebloggt!“ von Anne Backhaus

In Kürze und auf den Punkt gebracht ….Mütter, die ihre Kinder wohlfeil zu Markte tragen, schlimmer als geschmacklos …. – Ulrike Weber