Lesezeichen
‹ Alle Einträge

26. November 2020 – Ausgabe 49

 

Leserbriefe zu „Eintauchen in das Geheimnis“ von Ulrich Greiner

 

Zu Ihrem Aufsatz „Lichter der Welt“ in Die ZEIT Nr.18/ 2019 wies ich Sie am 27.4.19 darauf hin, dass nicht jedes Dorf eine Kirche hat. Am 30.4.19 antworteten Sie. Auch Ihrem jetzigen Aufsatz stimme ich weitgehend zu. Jedoch gilt der Satz „In den alten Kirchen gibt es eine erstaunliche Anzahl von Seitenaltären…“ nur stark eingeschränkt, auch wenn sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass Sie nur die katholischen Kirchen meinen. Sie haben vermutlich überwiegend Stadt- und Klosterkirchen mit Seiten- und Querschiff besichtigt, vielleicht auch Kirchen von Stiften und Kaland-Brüderschaften, in denen mehrere Geistliche tätig waren. Aber bei den kleinen Stadtkirchen und den Dorfkirchen war wohl nur 1 Geistlicher, zum Teil noch für weitere Kapellen in anderen Orten zuständig.

Hatten die ersten (einschiffigen) Hallenkirchen nördlich der Alpen (etwa die Basilika in Trier) Ihrer Kenntnis nach auch schon Seitenaltäre? Dies kann ich mir bei den frühen Kirchenneubauten (Die Basilika in Trier diente zuerst staatlichen Zwecken) nur in der ursprünglichen Bedeutung von „Kapelle“ vorstellen, nämlich eine mit einem Ziegenfell verhangene Mauernische mit einem Kultgegenstand darin. In meinem Geburtsort gab es 1277 eine Kapelle (hier: kleine Kirche) mit Turm, 1516 durch einen Chorraum zur Kirche erweitert (noch vor 1528 wurde lutherisch gepredigt). Anfangs war der einzige Geistliche für etwa 40 Familien zuständig. Spätestens bei der Verdoppelung der Einwohnerzahl war kein Platz für weitere Altäre. Bei der Bauweise der Seitenwände sind zwar Reliefs denkbar (Bemalung ist teilweise freigelegt), nicht aber Mauernischen.

Erst die Erweiterung des Gotteshauses machte die Aufstellung einer Kanzel und von Sitzbänken möglich (bis dahin standen – und wanderten – die Gläubigen), vermutlich wurde das Taufbecken aus dem Turm in den Chorraum verlegt. Um Sitzplatz für alle Konfirmierten zu haben, wurden nach und nach Emporen eingebaut. Die Meierhöfe zahlten im allgemeinen für 2 Männer- und 2 Frauenstühle. Die „Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek“ (gwlb.de) hat meine Forschungsergebnisse zu Wiedensahl im „Niedersächsischen Online Archiv“ veröffentlicht. – Adolf Ronnenberg

 

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre profunden Gedanken zum christlichen Glauben und für den Mut, sie in der ZEIT öffentlich zu machen. Sie sprechen mir mit allem „aus der Seele“ (im wahren Sinn des Wortes). Möglicherweise hat das auch damit zu tun, dass ich mit meinen 76 Lebensjahren aus einer anderen Zeit komme. Ich bin froh über diese Einstellung, weil sie meinem Leben Sinn gibt. Ich befürchte, Sie werden mit hämischen Leserbriefen rechnen müssen, und könnte mir vorstellen. dass selbst Frau Finger Ihre Sichtweise nicht teilt. Aber ich bin mir sicher, dass Sie damit gut leben können. – Dr. Ute Götz-Henrich

 

Die Zeit vom 26. November 2020 bringt anlässlich des Beschlusses des Koalitionsausschusses der Bundesregierung zur Einführung einer Quotenregelung für die größten Konzerne etliche Beiträge zur Lage der Gleichberechtigung. Zwischen dreien dieser Beiträge sehe ich eine besondere Beziehung. Charlotte Parnack erhofft sich von dem Beschluss ein Zeichen, dass es mit der Besetzung von deutschen Chefetagen „wie in Männergesangsvereinen“ demnächst Schluss sein werde. Rita Süssmuth bleibt skeptisch: „Manchmal denke ich, wir sind bald wieder in den fünfziger Jahren.“ Liest man dann Ulrich Greiners dialektisch verklausulierte Empfehlung, „Die Kirchen sollten die Gefahr, verstanden zu werden, mehr fürchten als die Gefahr, nicht verstanden zu werden“, so erscheint Rita Süssmuths Skepsis durchaus berechtigt.

Vom Standpunkt der Gleichberechtigung hat Ulrich Greiner Recht: Es ist für die Kirchen eine größere Gefahr, wenn Frauen und gleichgesinnte Männer verstehen, was meine (katholische) Bibel unter der Rubrik „Christliche Hausordnung“ an diversen Stellen dazu lehrt. Weithin bekannt ist beispielsweise die Analogie zwischen Christus als Haupt zum Leib der Kirche und dem Mann als Haupt zum Leib seiner Frau, woraus gefolgert wird, dass die Frauen den Männern in allem untertan sein sollen (Brief des Apostels Paulus an die Epheser). Das ist keine bloße Empfehlung, sondern ein Gebot, von dem Paulus (Brief an Timotheus) direkt ein Verbot ableitet: „Dass eine Frau lehre, gestatte ich nicht, auch nicht, dass sie sich unabhängig erhebe über den Mann, sondern sie verhalte sich ruhig.“ Ähnlich lautet in den sog. „Katholischen Briefen“ der zweite Petrusbrief. Frau Süssmuth hat sich als Professorin, Ministerin und Bundestagspräsidentin in diesem Sinne nicht ruhig verhalten, und sie sieht wohl mit Sorge, dass die Zahl der Professorinnen in Deutschland wieder abnimmt.

Die weniger zu fürchtende Gefahr, „nicht verstanden zu werden“, exemplifiziert Greiner am katholischen Ritus der Eucharistiefeier, die er Geheimnis des Glaubens und Kern religiöser Praxis nennt. Hierbei gehe es nicht um Denken, sondern um Fühlen der Anwesenheit Gottes. Begeistert berichtet Greiner von der römischen Messliturgie in einem Kloster für Benediktiner-Mönche, worin man ein sakrales Gegenstück zu den von Charlotte Parnack erwähnten „Männergesangsvereinen“ in profanen deutschen Chefetagen vermuten darf. Es ist anzunehmen, dass die Chefs auf diesen Etagen genau verstanden haben, welchen Dienst die frommen Gesänge ihren Herrschaftsinteressen leisten. – Prof. em. Dr. Herta Schmid

 

Vielen Dank für Ihren Artikel, den ich mit Freude zustimmend und aufmerksam gelesen habe. Nun habe ich die Angewohnheit, schöne Bibelverse mit einem Leuchtstift in der Bibel zu markieren. Allerdings habe ich trotz mehrmaligen Lesens des langen 119. Psalms weder bei Luther noch in der Einheitsübersetzung ihr Zitat gefunden. Deshalb bitte ich Sie, mir Ihre Übersetzung mitzuteilen oder die Quelle. – Uli Steier

 

Eine sehr einseitige und elitäre Religiosität ist das, die Ulrich Greiner seiner (und meiner) Kirche predigt. Auch wenn ich seine Vorbehalte gegen manche Tendenzen ihrer derzeitigen Praxis verstehe und teile – die Neigung, auf die Abwanderung der Gläubigen mit bloßem Organisations-Management und social engineering zu antworten, die sprachliche und musikalische Banalität mancher neuer Gesänge, die Gregorianik, Bach’sche Choräle und andere bilderreiche traditionelle Kirchenlieder verdrängen usw. usw.: Das Beharren auf dem „Eigentlichen“, das „dem Diesseits entgegengesetzt“ sei, gegenüber dem Kümmern um das Profane müffelt mir verdächtig nach den Talaren der Verfechter des Tridentinischen Ritus und anderer Traditionalisten, für die das Aggiornamento des Zweiten Vaticanums vom klerikalen Kerngeschäft wegführt.

Wem die von Greiner postulierte Größe und Andersheit Gottes nicht im Mysterium des Glaubens aufleuchtet, der entdeckt sie vielleicht in der Natur, in der Fürsorge von Menschen umeinander, in ihrem Widerstand gegen brutale Diktaturen oder die Ausbeutung der Schöpfung. Das Heil ist schließlich nicht nur den religiös musikalischen versprochen, sondern allen Menschen guten Willens. Und nicht zu vergessen: Mit der Verklärung von „Mysterium“ und „Geheimnis“ steigt leider auch die Gefahr von Missbrauch, geistigem wie auch sexuellem. Deshalb, so schön es ist, wenn die Seele sich in Sehnsucht auf das ganz andere verzehrt: Gott (!) sei Dank ist uns dazu auch ein kritischer Geist gegeben. – Josef Pütz

 

Tätige Nächstenliebe statt mystisches Abtauchen. Ulrich Greiners Glaubensverständnis scheint mir elitär und sektiererisch. Es widerspricht damit allem, was Jesus uns vorgelebt hat: Praktizierte Nächstenliebe , auf die Menschen zugehen statt in stillem Rückzug auf das ekstatische Momentum tremendum einer einzigartigen Gottesbegegnung zu warten. In seinen Gleichnissen war Jesus bemüht , von seinen Anhängern verstanden zu werden, um ihnen klar zu machen, dass das Reich Gottes eben kein fernes transzendentes Paradies ist, sondern im Hier und Jetzt angelegt ist und wir aufgefordert sind, unseren Beitrag zu seiner Verwirklichung zu leisten. Tätigsein in der Welt statt monastischer Rückzug in eine raunende Mystik ist der Auftrag an uns Christen. – Mia Herber

 

Phantastisch! Blickig! Das unbeschreibliche Geheimnis unglaublich präzise auf´s Papier gebracht! – Angela Kiewitt

 

Genau so, wie Ulrich Greiner es beschreibt, ist es: Die Kirchen sind zu gemeinnützigen Vereinen geworden, die völlig austauschbar sind und das Wesentliche, das sie zu verkünden haben, dem Zeitgeist geopfert haben. Es war die für die katholische Kirche einer der größten Fehler, im Zuge des 2. Vaticanums die „Liturgiereform“ mit fadenscheinigen Argumenten durchzuführen – zum Beispiel die Abschaffung der Kirchensprache Latein oder die Einführung des „Volksaltars“, an dem der Priester dem Volk ins Gesicht gafft, anstatt sich Gott, dem Heiligen, zuzuwenden. Dieses Konzil hat keinen Segen über die Kirche gebracht, im Gegenteil.

Wäre die Anpassung an den modernen Zeitgeist zielführend, so würden sich die Kirchen jeden Sonntag bis auf den letzten Platz füllen – das Gegenteil ist der Fall. Viele katholische Gottesdienste gleichen beliebigen Versammlungen und lassen dabei jede Andacht und Ehrfurcht vermissen. Die Priester vollziehen die Liturgie in kartoffelsackähnlichen Fetzen, anstatt die liturgischen Gewänder ad maiorem Dei gloriamzu tragen. Die Jahrhunderte alte lateinische Messe hat man ohne Not über Bord geworfen und es sträflich vernachlässigt, den Gläubigen den Sinn der Liturgie zu erklären und verständlich zu machen. Wenn es so weiter geht, wird es bald keine Kirche mehr geben – und Schuld daran trägt die Kirche selbst. – Franz Schneider

 

Als angesehener und erfolgreicher Journalist und Autor erstaunt das Verdikt von Ulrich Greiner über seine Kirche: sie sei zu einer „humanitären Agentur“ geworden. Stattdessen preist er die Eucharistiefeier in seiner Kirche als ein für ihn entscheidendes Erlebnis. „Die Eucharistie ist eine heilige Handlung, deren Sinn nicht auf der flachen Hand liegt.“ Vielleicht sitzen aber arme Leute vor der Kirche, die zwar diesen Sinn nicht begreifen, wohl aber sich über Brot und Wein freuen würden, um ihren Hunger und Durst zu stillen? Vielleicht hat die Kirche doch auch einen Sinn als „humanitäre Agentur“? Für Ulrich Greiner besteht das eigentliche der Kirche „in dem, was dem Diesseits entgegengesetzt ist.“ Wohl dem, der gut situiert ist und sich solchen Gedanken hingeben kann. – Klaus Grieshaber

 

Ulrich Greiner kritisiert die christlichen Kirchen – als Christ. Das sticht wohltuend ab von vulgäratheistischen Kritiken. Es deckt aber auch ein Problem zu. Der „Frieden mit dem Rationalismus“, den die Kirchen gemacht haben, muss nicht mit einer Anmahnung des Glaubens zusammengehen, der mit der „Anwesenheit Gottes“ in der Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi rechnet und dies als ein „Geheimnis des Glaubens“ auf sich beruhen lässt. Auch nicht mit dem Lobpreis einer „Auferstehung“ bis zur Wiederkehr „in Herrlichkeit“, wenn dies in einem historischen Sinne wahr sein soll.

Greiner scheidet damit eine Betrachtungsweise aus oder ab, die die Fundamente des Christentums mythologisch versteht und darin durchaus unbedingt „verstanden“ werden will. Habermas hat gerade vorgeführt, was es bedeuten kann, wenn Glauben auf Wissen trifft. Sehr anstrengend, gewiss. Aber ein Rückfall vor die Aufklärung wird nicht helfen. Weshalb predigen die Pastoren heute lieber über Klimaschutz und humanitäre Anliegen? Weil die Kirchen sie mit einer intellektuell anspruchsvollen Theologie jenseits voraufklärerischer Glaubensgewissheit im Stich lassen. – Prof. Dr. Karl-Heinz Göttert

 

Welche “weltlichen Werte und Ziele“ meint Greiner, von denen in “ängstlicher Anpassung“ die Leuchtkraft christlichen Glaubens verschluckt worden wäre? Geht es um die ängstliche Anpassung an eine weitverbreitete Gier nach materiellen Gütern, nach Reichtum, Macht, Eitelkeit usw., oder geht es nicht vielleicht doch um einen von Greiner beklagten “Frieden mit der Moderne“ i.S. von Gleichberechtigung der Geschlechter, dem Recht auf freie Meinungsäußerung, einem selbstbestimmten würdigen Leben auch bei von der “Norm“ abweichender sexueller Bedürftigkeit, um einen eigenverantwortlichen Umgang mit dem eigenen Körper ohne kirchliche Vorgaben? Der ganze Grundrechtskatalog des Grundgesetzes wäre in früheren Zeiten von der katholischen Kirche in Grund und Boden verdammt worden. Wie kann ich diese Geschichte, wenn ich von einer Anpassung an weltliche Werte und Ziele spreche, außen vor lassen?

Warum stellt Greiner der “frohen Botschaft“ nur den “rechnenden Verstand“ gegenüber, der in der Tat seit Descartes ungeachtet aller technischen Effizienz ein drückendes Problem der Moderne geworden ist? Warum erwähnt er mit keinem Wort die aufgeklärte Vernunft, die ihre Grenzen sieht, den wachen Zweifel den voreiligen Gewissheiten vorzieht, sich an humane, für alle erträgliche Entscheidungen herantastet und statt autoritärer Vorgaben den gesellschaftlichen Kompromiss sucht? Mit keinem Wort erwähnt Greiner dieses Essential jeder modernen demokratisch verfassten Gesellschaft. Und verkörpern die so mühsam errungenen Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde, mit ihrem religiösen Glutkern nicht ein Stück dieser “frohen Botschaft“?

Es kommt noch schlimmer: Die “redlich bemühten Funktionäre“ der Kirche verwechselten „das Seelenheil der Gläubigen mit deren mentalem oder gar körperlichem Wohlbefinden“. Ich wäre fast geneigt, dem zuzustimmen, käme mir nicht sofort ein Bild in die Quere, das Bild des Ketzers inmitten züngelnder Flammen, dem ein Priester das Kreuz hinhält, um ihn zur Rettung seiner Seele zu Reue und Umkehr zu bewegen. Das “mentale oder gar körperliche Wohlbefinden“ eines Ketzers hat die Kirche damals nicht interessiert.

Ich habe die Mezquita von Cordoba vor Augen, in die mit brutaler architektonischer Gewalt eine Kathedrale hineingesetzt wurde. Viele christliche Kirchen wurden dort hingesetzt, wo vorher ein “heidnisches“ Heiligtum stand. Was war hier mit dem “mentalen oder gar körperlichen Wohlbefinden“ der “Heiden“? Und wie verhält sich die “leuchtende Klarheit“ der “Botschaft des Evangeliums“ zum Satz Greiners, “die Kirchen sollten die Gefahr, verstanden zu werden, mehr fürchten als die Gefahr, nicht verstanden zu werden“? Ist wirklich der ein Schelm, der hier sogleich an Machtmissbrauch und Korruption denkt, kaschiert durch nebulöse Sprache samt erhobenem Zeigefinger wegen des Verlusts des Seelenheils?

Ich gehöre zu denen, die in einer Welt ohne Kathedralen nicht leben möchten. Den Verlust des Heiligen in der Moderne empfinde ich mit Greiner als gravierend. Für mich erwächst das Gefühl des Heiligen aus der Stille, dem Hinhören, dem Staunen, dem Überwältigtsein beim Anblick von Natur und Kosmos und unserem Meer des Nichtwissens. Deswegen liebe ich die romanischen Kirchen und die alten Abteien, die Raum geben für Stille, für Innerlichkeit, für ein Zu-sich-selbst-finden. Bin ich da nicht ganz nahe an Greiners „Eintauchen in das Geheimnis“? Vielleicht. Und doch mag ich seinen Artikel nicht, der den Gewinn der Moderne nicht sieht und in scheinbarer Arglosigkeit so tut, als ob nichts gewesen wäre. So arglos kann Herr Greiner nicht sein. – Gunter Kodal

 

Mit grossem Interesse habe ich Ihren Artikel „Eintauchen in das Geheimnis“ gelesen. DANKE dafür. Ich denke, Sie haben eine Finger in eine offene Wunde gelegt. Wie schaffen wir es als Christen „Salz der Erde“ zu sein? Wie schaffen wir es, einerseits „das Geheimnis des Glaubens“ zu erfahren, zu bewahren und es auch anderen Menschen zugänglich zu machen und andererseits nicht ins Profane abzugleiten (mit allem guten Willen, mit aller Ethik).

Die Spannung zwischen „Verweltlichung“ und „Rückzug in das rein Mysthisch Religiöse“ – sie bleibt ständige Herausforderung. Derzeit habe ich das Gefühl, dass beide Extreme stark werden (eine verweltlichte Religiosität, die sich ausdrückt in Werten wie „das höchste Gut ist unsere Gesundheit“, und vorauseilendem Gehorsam gegenüber einem Staat, der Gottesdienste – aus zunächst nachvollziehbaren Gründen – nicht zulässt) und andererseits einem Rückzug mancher Kirchenkreise in eine super religiöse private Niesche. Christen, die Uebersetzungsleistungen bieten können, – Brücken bauen – werden seltener und manchmal auch nicht wahrgenommen. Vielleicht gibt uns dieser Corona Advent die Chance, von der christlichen Hoffnung und dem Wunder des Heiligen zu erzählen. – Andrea Schwarz

 

Der Artikel von Herrn Greiner spricht mir aus der Seele, vielen Dank und mehr davon! – Angelika von Renteln

 

Durch den Artikel angeregt, habe ich folgendes gedacht: Gott Gott ist schön. Gott schafft Leben. Leben ist Liebe. Liebe ist schön, macht strahlende Gesichter. Davon erzählt ein Gottesdienst. Es ist schön, in einen solchen Gottesdienst einzutauchen. Es ist schön, sich von dieser Schönheit tragen zu lassen. Gott ist nicht nützlich. Gott ist nicht brauchbar. Denn wenn ich ihn nicht mehr brauche, wäre mein Gott tot. Ich will nicht Gott als meinen Problemlöser mißbrauchen. Gott gegenüber ist unser angemessenes Verhalten: Anbetung. Im Gebet kann ich ihm auch meine Probleme klagen; doch ich erwarte nicht, dass er meine Probleme löst. Es ist aber schön, einem anderen seine Probleme zu klagen und sich von einem anderen tragen zu lassen.

„Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir …“ (eg 11) In einen Gottesdienst einzutauchen ist kein leichter Sport. Wir können ihn aber lernen, einüben.Wenn ein Gottesdienst wirklich schön ist, dann überzeugt er auch und nimmt uns mit in die Vertrautheit mit Gott. „Ich steh an deiner Krippe hier …“ (eg 37) Da ist keine prunkvolle Kirche, da ist kein redegewandter Prediger. Da sind Hirten, draußen auf dem Feld. „Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben …“ Ich habe etwas empfangen, ich habe es nicht selbst gemacht oder gar verdient. Es ist mir geschenkt. Ich gebe, was mir geschenkt wurde. Gott ist schön. „Aber da ist keine Gestalt, die uns gefallen hätte.“ (Jes 53,2) Da ist ein Mann mit allen Zeichen der Niederlage und der Folterung, mit einer Dornenkrone. „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab …“ (eg 32,2). – H. Meinhard

 

Ich bin, wie Herr Greiner, katholisch, seit 72 Jahren. Herr Greiner macht sich unter anderem Gedanken zum rechten Lob Gottes. Ein bekannter theologischer Satz ist: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch.“ Das ist ein religiöser Grund, weshalb Christen Atomwaffen ablehnen: Werden sie eingesetzt, sind sehr viele Menschen, vielleicht sogar alle Menschen tot (ganz abgesehen von allen anderen Lebewesen). Und deshalb ist der Kampf für die Abrüstung der Atomwaffen zugleich auch ein Lob Gottes. Solch ein Gedankengang fehlt mir beim Artikel von Herrn Greiner. – Michael Strake

 

Auch in Die Zeit die ich seit fuenfzig Jahren lese, sind aufhebenswerte Beitraege selten geworden. Ihrer ist es, und ich habe ihn mehrmals und dankbar gelesen. – Karl Lubomirski

 

Danke für Ihre ernsten Gedanken zum Advent. Als Lutheraner sehe ich die Sorgen und Nöte eher noch dringlicher. Aber was wäre die Lösung? Nach meinem Empfinden – die Merkel-Ära ist dafür ein lebendiges Muster – kränkelt unsere Gesellschaft inkl. die der theologischen und juristischen Fakultäten an der Diskrepanz zw. sehr viel Freiheit der Selbstverwirklichung resp. neoliberaler Selbstoptimierung und im Verhältnis dazu zu wenig kollektiver Verantwortung. – Dr. agr. Gernot Henseler

 

Hut ab! Ulrich Greiners Ausführungen haben für mich etwas ungemein reizvolles, da ich seit jeher für die Messe in lateinischer Sprache hinter einem hohen Lettner plädiere. Was der Islam kann, die Rezitation von Suren in einem Arabisch, das viele nicht verstehen, soll den Christen recht sein. Allerdings habe ich als ungetaufter (westdeutscher) Heide in den Kirchen nichts zu melden, so dass für mich eher ein Engagement für eine denkmalschützerische Bewahrung der kirchlichen Riten infrage kommt. Die pragmatischen Italiener haben es mit der Aufnahme der Perdonanza Celestiana in das immaterielle UNESCO-Kulturerbe vorgemacht.

Die damit drohende Gefahr gesteigerter touristischer Attraktivität könnte sich wiederum in Grenzen halten, weil die Kirche selbst für die Verletzung eines der heiligsten Bezirke menschlichen Lebens, der Sexualität, durch die zahlreichen Missbrauchsfälle unter dem Mantel der Heiligkeit ihrer altehrwürdigen Institution verantwortlich zu machen ist. Auch ist es heute kein Alleinstellungsmerkmal des Apostels Paulus mehr, zu verkünden, was kein Auge je gesehen hat, das können auch die Wirecard-Vorstände: frohe Botschaften, die den Rahmen des rechnenden Verstandes übersteigen.

Wie das richtige Leben im falschen finden? Wohl schwerlich durch das Beharren darauf, religiösen Glauben und seine Riten nicht wissenschaftlich hinterfragen zu sollen. So kann gerade wissenschaftliches Nachdenken zu dem Schluss kommen, dass der Mythos nicht die Fragen kennt, auf die er die Antworten gibt. In der Analogie zur Musik sei aus meiner Erfahrung angemerkt, dass ihre analytische Durchdringung den Hörgenuss bisweilen zu steigern vermag. Ähnliches, lieber Herr Greiner, gilt für die Literaturkritik. Jedenfalls lässt mich gerade die kritische Beschäftigung mit religiösen Fragen fest im Glauben stehen: Ich glaube an das Nichtwissen! – Hanns-Christoph Eisenhardt

 

Ulrich Greiners Sorge um die Entwicklung der Kirchen zu „humanitären Agenturen“, denen das Geheimnis um Eucharistie und Abendmahl abhanden zu kommen scheint, lässt leider den Gedanken außer acht, dass der Ritus trotz seiner konfessionellen Notwendigkeit und ästhetischen Schönheit gegenüber dem Gebot der Nächstenliebe lediglich eine theologische „Luxusrolle“ spielt. Der Schriftsteller Ernst Wiechert hat dies in dem Buch „Der Totenwald“ über seine Zeit im Konzentrationslager Buchenwald auf den nüchternsten aller Nenner gebracht, wenn er von einem (kommunistischen) Mithäftling im mörderischen Kipplorenkommando berichtet:

„Was gefehlt wurde, nahm er auf seine breiten Schultern“ und ihm bescheinigt: „Du wußtest nichts von Goethe und Mozart. Du glaubtest an keinen Gott und warst ein Hochverräter, aber wenn ein Gericht sein wird, von dem die Bücher sagen, werden die Richter aufstehen und sich neigen vor dir.“ Wenn es den Kirchen gelingt, anstelle dogmatischer Kämpfe um den rechten Ritus „Agenturen“ jener Humanität zu werden, muss man um ihre Zukunft nicht fürchten. Das „Heilige“, um das Ulrich Greiner so engagiert ringt, stellt sich dann ganz von selbst ein. Ohne jene bedingungslose „Garantie des Humanen“ verkommt der Ritus jedoch lediglich zu einer Farce. – Karl Koch

 

„Von evangelischer Seite hörte man, die Gesundheit der Gläubigen sei oberstes Gebot“, schreibt Ulrich Greiner. Seine schönen, welt-fremdenGedanken zur Liturgie des Gottesdienstes, die ich durchaus zu teilen vermag, zerspringen wie eine Glaskugel, angesichts der steinharten Realität der Pandemie. Nicht aber nur der aktuellen Pandemie wegen, auch gottlob angesichts der Heiligen Schrift. Da heißt es u.a. im Markus Evangelium „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Mk 2,27). Mein Dank gilt allen, die Liebgewonnenes zurückstellen, um Menschenleben zu retten. Hier geschieht Heilvolles und nicht Profanes, auch durch den Verzicht auf gottesdienstliche Vollzüge. Der lesenswerte Beitrag vom Eintauchen ins Geheimnisvolle wird leider so zum selbstverliebten Blick. Schade. – Rainer Brandt

 

Herr Greiner übersieht in seinem engagierten Artikel, dass es nicht nur eine caritative Praxis der Kirchen, sondern auch eine ernstzunehmende Caritasspiritualität gibt. In diakonischen Einrichtungen und Diensten mühen sich haupt- und ehrenamtlich Seelsorgende an der Seite sozialer Berufsgruppen um eine alltagstaugliche Erschließung von Glaubens- und Gotteserfahrung. Sie leisten also bereits Tag für Tag die reklamierte Übersetzungsarbeit zwischen christlicher Frömmigkeit und dem individuellen Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Als Gesprächspartner haben sie dabei den „religiös Unmusikalischen“ genauso im wertschätzenden Blick wie den traditionell kirchlich Beheimateten.

Jedem dürfte klar sein, dass die hochliturgische Gottesdienstkultur eines Benediktinerklosters etwa in einem psychiatrischen Krankenhaus fehl am Platze ist – was ihre Bedeutung nicht schmälert. Gleichwohl geht es auch und gerade hier im Klinikkontext um intensive Glaubensprozesse, die in den von Greiner zitierten Psalmen eine solidarische Resonanz finden. Im Gespräch mit jungen Psychiatriepatienten ist mir das von ihm benannte Befremdliche religiöser Erfahrung immer wieder begegnet. Nur eben nicht im abgeschiedenen Raum eigener Glaubensvertiefung, sondern in der mitmenschlichen Begegnung, im Mitgehen und Mitaushalten existentieller Krisen. – Matthias Mader

 

Danke für Ihren Mut, Göttliches in seiner Stellvertretung hier auf Erden einfach beim Namen zu nennen – aller geistigen Inflation der Gegenwart zum Trotz. Gerade in Zeiten von Corona. – Wer sich geistig als sein eigener König fühlen kann, könnte das Ende der bestehenden „Sonnenfinsternis“ einläuten. Dank für diesen journalistisch und menschlich authentischen Blick. – Gabriele Ruhnau

 

Glaube war in allen Religionen von Anfang an eine Doktrin, ein Rahmen, in dem Glaube stattzufinden hat. Streng hierarchisch organisierte Institutionen erheben den Anspruch, Gehilfen ihres jeweiligen Gottes zu sein und diesen verteidigen zu müssen. Der Gläubige hat sich ihren Vorgaben zu „unterwerfen“. Glaube ist für mich eine individuelle Angelegenheit. Er betrifft die bewusste Gestaltung meines Lebens, mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen und zu meiner Umwelt. Glaube ist meine persönliche Vorstellung von den Kräften außerhalb der Dimension menschlichen Denkens. Hiervon ausgehend ist Rationalismus kein Gegensatz zum Glauben, sondern die praktische Reaktion auf die Anforderungen des Lebens.

Der Verzicht der Institutionen des Glaubens auf das rationale Denken und Handeln der Menschen hat in der Geschichte des Glaubens viel Leid über die Menschheit gebracht. Dieses Leid setzt sich bis in die Gegenwart fort und ist Alltag in der Berichterstattung. Ohne eine Doktrin des Glaubens, gäbe es keine Evangelikalen, keine Boko-haram-Milizen, keine Islamisten, keine Schiiten/Sunniten und manche anderen „Abweichler“ von der Glaubensdoktrin. Leider ist der im 18. Jahrhundert, dem „Jahrhundert des Lichts“, wie es in Frankreich genannt wird, einsetzende Prozess der Aufklärung auch durch die Macht und den Einfluss des institutionalisierten Glaubens gebremst worden. – Schmolling

 

Es kann nicht wahr sein: So ein Text in der ZEIT!!! Was ist passiert, dass die Herrin der Rubrik GLAUBEN & ZWEIFELN ihn akzeptiert hat??? Ich kann es schier nicht fassen. Erst einmal: Danke! DANKE !! Danke!!! Es ist genau so, wie Sie schreiben, Satz für Satz. Aber: Dieser Text er-scheint mit einer Verspätung von vier Jahren. Fällig war er im Juni 2016. Da gab es eine unsägliche und unvergessliche Ausgabe der ZEIT mit dem Titelthema „Warum haben wir noch zwei Kirchen?“ (zwei !!!), einem ebenso tendenziösen wie geschmacklosen Titelbild und zahlrei-chen Beiträgen von z.T. namhaften Autoren. Gewiss haben Sie sich seinerzeit ebenso über sie geärgert wie ich. Allesamt bliesen sie in ein- und dasselbe Horn: Es sei an der Zeit, dass Papst Franziskus den Weg für allgemeine Interkommunion freimache.

Während sonst DIE ZEIT sich dadurch auszeichnet, dass sie bei Streitfragen nach dem Prinzip audiatur et altera pars verfährt (weshalb ich sie seit Jahrzehnten abon-niere), gab es keinen einzigen Beitrag, dem ein Nichtkatholik hätte ent-nehmen können, was eine Eucharistiefeier überhaupt ist. Warum Chris-ten, die ein völlig anderes Abendmahlsverständnis haben, nicht zur Kommunion zugelassen sind, wurde nicht einmal ansatzweise erklärt, sondern als Frucht konservativen Denkens von „Kirchenbeamten aus der dritten Reihe“ hingestellt. Ich schrieb damals einen ausführlichen bitter kritischen Brief an Frau Finger, einen respektvoll aufklärenden an Herrn Schorlemmer (der ausweislich des abgedruckten Interviews nicht einmal wusste, dass das Zweite Vaticanum das anstößige extra eccle-siam nulla salus ad acta gelegt hatte – und darüber auch von Frau Finger als Interviewerin nicht aufgeklärt wurde!) und einen an Fulbert Steffensky.

Den finden Sie, wenn Sie nach Ende dieses Briefes weiter-scrollen; vielleicht erfreut er Sie. Alle diese Briefe waren ausführlich und sehr differenziert, viel zu lang, um als Leserbriefe abgedruckt zu werden. Ob die genannten Herren sie auch nur gelesen haben, weiß ich nicht. Frau Finger hat es getan, das ging in einem späteren von ihr gezeichneten Beitrag hervor – nicht etwa aus einer Antwort. Auf eine solche hatte ich auch nicht gehofft. Wo kämen ZEIT-Redakeure hin, wenn sie anfingen, auf Leserbriefe zu reagieren! Was ich zu erreichen hoffte, war aber, dass Frau Finger, guter ZEIT-Sitte entsprechend, am Ende doch einen der verknöcherten Sak-ramentalfetischisten bitten würde, den katholischen Standpunkt in einem qualifizierten Beitrag darzustellen, so wie Sie es jetzt getan haben. Vergebens. Darum bin ich jetzt ob des Erscheinens von „Eintauchen in das Geheimnis“ so tief verblüfft und freue mich sehr. S e h r !!!

Zwei Sätze Karl Rahners (bei dem zu studieren ich noch das Glück hatte) zitiere ich bei passender Gelegenheit immer wieder; wo diese gedruckt sind, weiß ich längst nicht mehr. „Wir leben in einer heidnischen Welt mit christlicher Vergangenheit und christlichen Restbeständen.“ „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“ So ist es. Und Rahner meinte mit „Mystiker“ nicht Heilige wie Juan de la Cruz oder Theresa von Avila. Laien wie wir meinte er: Sie und mich. Die Kirche als Sozialagentur hat keine Zukunft. Der Sozialstaat sorgt für die Armen. Dochdoch, es gibt natürlich immer noch welche, für die er das nicht gut genug tut.

Aber nicht so viele, dass die nunmehr mehrheit-lich heidnische Bevölkerung die Notwendigkiet von Volkskirchen sähe. Wir müssen lernen, dazu zu stehen, dass unser Glaube Mystik ist und es aushalten, dass man uns für Spinner hält. Das ist nicht leicht. Wie es gehen kann, haben Sie, sehr verehrter Herr Greiner, uns jetzt vorgemacht. Ich hoffe inständig, dass Frau Finger Sie auch in Zukunft zu Worte kommen lässt! Gott mit Ihnen!!!

P.S.: Liebe Frau Finger, vielen vielen Dank, dass Sie Ulrich Greiners Text publiziert haben! Ich habe mich darüber sehr gewundert und riesig gefreut. Er bringt die Dinge Satz für Satz auf den Punkt! Genau dies wäre eigentlich im Juni 2016 fällig gewesen!!! Aber damals haben Sie sich über meine einschlägigen Einlassungen nur geärgert und die Auseinandersetzung um die Interkommunionfrage mitnichten durch einen Beitrag wie diesen vervollständigt. Da ich annehme, dass Sie Ihren Kollegen nicht wie seinerzeit meinesgleichen unter die Rubrik “verknöcherte Sakramentalkonservative” (oder so ähnlich; ich erinnere mich nicht mehr genau) einordnen, ziehe ich den Schluss, dass die Bekanntschaft mit Menschen wie Heiner Wilmer Sie inzwischen davon überzeugt hat: Man kann katholisch sakramentenfromm und trotzdem unverknöchert sein. Bitte weiter so! Als Fan der Rubrik GLAUBEN & ZWEIFELN – Thelma von Freymann

 

Nicht die aus der Kirche ausgetretenen Christen sind es, die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Es ist schon die Kirche selbst, die den „guten Mann“ erfunden hat. Und so lange der katholische liebe Gott die guten Frauen immer noch am liebsten beim Schmücken und Putzen der Kirche oder als Pfarrerköchin sieht, werden mehr und mehr Menschen ihm den Rücken kehren. Nicht religiöse Unmusikalität macht uns zu „Krüppeln“, sondern jahrhundertelange Ignoranz der Würde der halben Menschheit. Glücklicherweise können wir dennoch in das Wunder eintauchen, denn das Geheimnis des Glaubens ereignet sich täglich und überall, ob in oder außerhalb der Kirche. – Roland Schmid

 

In Ihrem Artikel beklagen Sie einen von Ihnen wahrgenommenen Abschied der Kirchen von dem Heiligen, das Sie in der Liturgie und besonders im Abendmahl spüren. Das Geheimnis derGröße Gottes zu erleben ohne es verstehen zu können ist Ihnen eine wichtige Glaubenserfahrung. Es freut mich, dass es immer noch Menschen gibt, die das so erleben können. Aber meine Frage ist: wie kann man dorthin kommen, bzw. wie sind Sie zu diesem Empfinden gekommen? Als ehrenamtliche Mitarbeiterin einer evangelischen Gemeinde merke ich, wie viele Menschen diesen Zugang nicht haben, aber doch auf der Suche nach einer geistlichen Heimat sind. Ist es nicht besser, diesen Menschen zunächst mal mit niedrigschwelligen Angeboten die Kirche zu einem Ort zum Wohlfühlen zu machen, als sie mit einem vollständigen, liturgisch korrektem Gottesdienst zu begrüßen.

Immer wieder sagen mir Menschen, dass sie sich dort nicht zugehörig fühlen. Die einen, weil sie meinen, nicht gläubig genug zu sein, die anderen, weil sie sich nicht gut genug in den liturgischen Formen auskennen. Erst, wenn die Leute tatsächlich ein wenig heimisch geworden sind, ist es ihnen möglich, in den Gottesdienstfeiern auch ein wenig das Mysterium des Glaubens, wie Sie es nennen, wahrzunehmen. Und es ist dort durchaus noch spürbar. Man braucht nur ein bisschen geschärfte Sinne. Mit denen kann man Gott auch zwischen den Kochtöpfen finden, wie sinngemäß Hildegard von Bingen geschrieben hat. Bewahren SIe sich Ihren Sinn für das Heilige, aber geben Sie auch kirchenfernen Menschen die Chance, auf ihren Wegen dorthinzugelangen. – Frauke Heins

 

Ist ja ein guter Artikel, aber am Ende frage ich mich doch, worauf zielt er? Ist doch alles unverändert da! Jeden Tag, jeden Sonntag wird die Messe zelebriert. Vielleicht will der Verfasser ja gar nicht klagen, sondern nur, etwas versteckt, raten, daran nichts zu verändern. Da steckt auch ein Kern Wahrheit drinnen, den ich gerne gelten lasse. Bleibt dann nur die Frage: Warum können damit immer weniger Menschen was anfangen? Ich denke: Mit diesem religiösen Gebäude muss man aufgewachsen sein, dazu muss man formatiert (oder soll ich sagen: kontaminiert?) worden sein. Von Kind auf als Messdiener oder von Eltern, die dieses geheimnisvolle Glaubensgemälde gerne als pädagogisches Mittel eingesetzt haben. Da kommst du dann nicht so leicht mehr los (wie man an Max Webers Bemerkungen gut nachfühlen kann).

Da hängst du dann drin, im Guten wie im Leidvollen. Von daher versteht es sich von selbst, dass die Anzahl derer, die damit heute was anfangen können, sehr begrenzt bleiben wird. Auch das ist gut so. Da hat die katholische Kirche sich ein Monopol als Religion angeeignet, das bewundernswert ist, worin sie aber mit ihrem Gründer wenig oder nichts gemein hat, wenn wir bei dem, was uns von Christus überliefert ist, auch nur oberflächlich nachschauen. Will ich aber auch so stehen lassen, diesen Machtbereich Religion. Sollte auch redlich verwaltet werden. Aber es läuft auch die andere kritische Linie die ganzen tausende von Jahren der jüdisch-christlichen Religion mit, wo mit Gottes Worten geklagt wird: Mich widern eure liturgischen Gesänge und Gewänder an, ich will Gerechtigkeit und Wahrheit! Das steht nun mal deutlich in unserem Stammbuch. Und das hat der Gott, der das Geheimnis wahrt oder ist, gesagt.

gehe darum eher davon aus, dass dieses „Eintauchen in ein Geheimnis“ unsere menschliche Möglichkeit und Fähigkeit ist und somit „objektiv“ gar nichts mit dem zu tun hat, den wir dort oben oder tief drinnen im Geheimnis glauben. Ich tauche auch gerne ein, aber nicht unbedingt nach der altehrwürdigen Liturgie, sondern folge darin meinem persönlichen Bedürfnis und Gefühl und vor allem: Ich bin und bleibe mir dessen bewußt: Da geht es nicht darum, ins Jenseits und alles Übersteigende zu gelangen oder von dort angerührt zu werden, sondern darum, zur Ruhe und einem guten Gefühl innerlicher Festigkeit zu kommen. Somit bleibe ich dabei:

Es geht für Kirche und Christen nichts drüber, verstanden zu werden, sozial zu wirken und präsent zu sein in der Gegenwart für die Menschen, die zunehmend erdrückt werden von sich heranwälzenden persönlichen oder katastrophalen Wirklichkeiten, jenseits aller Vorstellungskraft. Wo wart ihr, als es mir elend ging? Wo seid ihr jetzt, wo wir eure Botschaft brauchen? – das sind die alten und immer neuen Fragen. Das Weg – oder Eintauchen ist gewiß was Großes, aber kann letztlich nur dem dienen, den genannten Fragen ehrlich und würdig standzuhalten. Dass dies gelingt, dafür gibt es heute auch noch andere Wege. – Herrmann Emmerling

 

Unsere Kirchen haben sich einerseits zu sehr den weltlichen Fliehkräften ausgesetzt, andererseits Lebendigkeit eingebüßt. Sie kümmern sich um Mißstände allüberall auf unserer Erde, vergessen darüber aber die Not des Nächsten! Gottesdienste vor nahezu leeren Kirchenbänken mit Frontalpredigten statt eines Dialogs mit der Gemeinde über Fragen und Zweifel und Diskussionen über Glaubensinhalte – so, wie Urban Priol es sinngemäß formulierte: wie is’n das mit der unbefleckten Empfängnis? Immer mit Respekt und dem Wissen, das Sokrates uns lehrte: ich weiß, daß ich nichts weiß! Da erst beginnt das Geheimnis, der Glaube! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Ich las diesen Artikel als die Klage eines Mannes, der bedauert, dass dem modernen Menschen die Spiritualität abhanden gekommen ist. Sie wiederzufinden in der Rückkehr zur frühchristlichen Theologie und Dogmatik dürfte nicht gelingen. Eine Spiritualität wiederzufinden, da gibt es viele Wege. Sie führen über das bewußte Schauen, das Erkennen, das Fühlen, das immer etwas ganz Subjektives ist. Das Ziel ist immer das gleiche: das emotionale Erleben des Mysteriums des Lebens. Man lese einmal das Lied des Türmers Lynkeus in „Faust II“! – Albrecht Hauter

 

Zunächst großen Respekt, dass Sie in unserer säkularen Zeit einen solchen Artikel in Ihrem Blatt veröffentlichen. Eine Frage habe ich an Herrn Greiner: Was halten Sie von Gottesdiensten der afroamerikanisch dominierten Gemeinden in den USA? Dort gibt es keine Gregorianik zu hören, aber tiefe Frömmigkeit zu erleben. – Viktor Rintelen

 

Ja, die Frage nach der Blässe und Schwäche der Christen und der mangelnden Leuchtkraft ihres Glaubens ist ganz sicher berechtigt und es ist gut, dass sie so öffentlich gestellt wird. Man wird jedoch fragen dürfen, erstens ob die Ursache für diese mangelnde Leuchtkraft in „einer ängstlichen Anpassung an weltliche Werte und Ziele“ zu suchen ist, zweitens, ob „Die Kirchen“ im Gefolge davon „zu humanitären Agenturen geworden“ und somit „austauschbar“ sind und schließlich drittens, ob das Heil allein von der Zuflucht ins „Mysterium des Glaubens“ zu erwarten ist. Immerhin gibt es neben dem Mysterium, d.h., dem Sakramenten- und Gottesdienstvollzug der Kirche, und der im Artikel nachgeordnet eingestuften Caritas auch noch die Verkündigung des Evangeliums als wesentliche Kernkompetenz einer christlichen Gemeinde.

Diese drei Säulen christlichen Lebensvollzugs lassen sich nicht gegeneinander ausspielen, z.B. indem man den Kampf „für eine bessere Welt“, „für den Klimaschutz oder gegen den Rassismus“ als Mitgesang „im Chor der Rechtschaffenen“ abtut, der folglich „immer weniger“ gehört werde. Natürlich kann man das Evangelium für politische Zwecke missbrauchen, wofür die Geschichte nur allzu viele Beispiele liefert, aber die Verkündigung der Gottesherrschaft durch Jesus bestand wesentlich in der Hinwendung zu den Menschen mit ihren konkreten Sorgen und Alltagsbelastungen und seine Gleichnis-Erzählungen bieten – wenn auch „kein moralisches Handbuch“ – so doch vielfache Handlungsorientierung, die für viele der „Reformeiferer mit bewundernswertem Elan“ Grundlage ihres Engagements ist.

Das Plädoyer für „Eucharistiefeier oder Abendmahl“ soll dadurch nicht geschmälert werden und als Katholik bin ich hinsichtlich der Feier der „Anwesenheit Gottes“ ganz auf der Seite des Verfassers. Jedoch ist dem Lobpreis der „Seitenaltäre“ und der damit verbundenen Privatmessen in kleinstem Kreis durch die Liturgiekonstitution des II. Vaticanum eine deutliche Grenze gesetzt: „soll nachdrücklich betont werden, daß ihre Feier in Gemeinschaft – im Rahmen des Möglichen – der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist“ (Liturgiekonstitution Nr. 27). Sicherlich müssen alle, die das Überhandnehmen der „Kultur des Profanen“ auf Kosten der „Kultur des Sakralen“ beklagen, darüber nachdenken, wie der „Bannkreis des Profanen“ zugunsten eines Verständnisses vom Sakralen aufgebrochen oder geöffnet werden kann. Grundvoraussetzung dafür ist allerdings, dass die Sprache der Kirche von den Menschen verstanden wird.

Wir erleben hier in Münster gerade, wie ein Pastor, der eine Sprache gefunden hat, die die Menschen aus seiner Gemeinde – auch der jüngeren Generation (!) – und darüber hinaus aus verschiedenen Pfarreien zu seinen sonntäglichen Gottesdiensten zahlreich versammelt – wo gibt es das heute noch(?) -, als echter Hirte der Gemeinde von der Bistumsleitung demontiert wird, weil er mit seiner offenen Art und der über die Jahre praktizierten Zugewandtheit zu den Menschen offensichtlich dem Konzept der Gemeindefusionen und ganz nebenbei der Installierung von besonders frommen Priestern der Gemeinschaft Emmanuel im Wege steht. Hier scheitert Kirche nicht an der Sprache eines Seelsorgers, sondern sie zerstört gewachsenes Vertrauen als Grundlage des Glaubens an einen Gott der Liebe. – Josef Croonenbroeck

 

Ulrich Greiner begründet das nachlassende Interesse der Menschen am katholischen Glauben im Wesentlichen mit dem Verlust des Glaubens an das Mysterium und die Leuchtkraft des Glaubens. Die Menschen von heute unterliegen seiner Auffassung nach dem „Rationalismus des Zeitalters“. Er empfiehlt satt dessen ein kritikloses Eintauchen in der Geheimnis. Dem ist zu widersprechen. Jeder Glaube muss sich gefallen lassen, dass seine Inhalte hinterfragt werden. Viele Katholiken treten aus der Kirche aus, nicht um Steuern zu sparen oder weil der sexuelle Missbrauch vertuscht oder nur zögerlich aufgearbeitet wird oder weil die Frauen in vielen Bereichen benachteiligt werden.

Vielmehr vermissen sie Antworten und Beweise zu wesentlichen Inhalten der christlichen Lehre. Beispielsweise wird die Frage nach dem Gottesbeweis gestellt, oder es bleibt die Kirche Antworten schuldig auf Fragen wie: weshalb braucht Gott eine Schöpfung mit Menschen? wo war Gott vor der Schöpfung der Welt?; weshalb hat er seinen Sohn Jesus erst im Jahre Null auf die Erde geschickt; die Menschen hatten doch schon Jahrtausende zuvor nach einem göttlichen Wesen gesucht oder sich ein solches erfunden ; was geschieht nach dem Tod der Menschen, die anderen Glaubens oder nicht getauft sind ? Ich versage mir ähnliche Fragen zu thematisieren; es sind zu viele, auf die nachvollziehbare und belegbare Antworten fehlen. Es bleibt als Ergebnis: Glauben ist Nichtwissen und Nichtwissen ist Glauben. – Dr. Peter Bleutge

 

Welch ein grandioser Artikel, den sich die Theologen des Landes als Pflichtlektüre zu Gemüte führen sollten. Es liegt dabei nicht nur an den Säkularen, die in den vergangenen Generationen die geistigen Grundlagen der Welt in einer nachhaltigen Neusprech-Offensive kommunikativ pulverisiert haben. Es liegt auch an den Geistlichen selbst, die in einem Wettbewerb der größten Gesellschafts-Gefälligkeit oder umgekehrt in einem Rückzug hinter den Vorhang des göttlichen Geheimnisses ihre Grundlagen entweder in der Substanz verwässert oder in der Praxis unvermittelbar gemacht haben. Vielleicht deshalb, weil nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die moderne Theologie Gott immer mehr nur als Chiffre versteht, und der konservative Rest sich zurückzieht. Es wäre Zeit für eine Offensive der Kirchen, die nach innen und nach außen erkennbar macht, was Spreu und was Weizen ist. – Kurt Schäfer

 

Als katholischer Priester unterstütze ich die ästhetisch-rituelle Betrachtung unserer Liturgie und die Notwendigkeit der Anbetung Gottes, die Herr Greiner hervorhebt. Jedoch möchte ich mindestens zwei kritische Anmerkungen einwerfen: Erstens scheint mir Herr Greiners vernunftkritische Einlassung zu Paulus zumindest stark einseitig. Diese Strömung gibt es im Christentum, wird aber bereits in anderen neutestamentlichen Schriften (und auch von Paulus selbst) gebrochen. Allerspätestens mit Augustinus tritt die Notwendigkeit der Philosophie als Mittel zur Selbstreflexion endgültig auf den Plan des Christentums.

Zweitens ist Herr Greiners Annahme, die katholische Liturgie entstamme einer „Tradition magischer Praktiken“ so zu einfach. Die Urchristen wollten sich vielmehr von magischen Praktiken abwenden und waren ausgesprochen Kult-kritisch (z.B. im Hebräerbrief). Das von Herr Greiner beschriebene Liturgieverständnis ist eine Entwicklung seit dem Frühmittelalter, wie er selbst betont. Damit wird aber deutlich: Liturgie ist wandelbar – auch heute. Die Geschichte ist auch in der Kirche nicht an ihr Ende gekommen. Diese beiden Entwicklungen – Vernunftkritik unter dem Deckmantel des „göttlichen Geheimnisses“ und das vermeintliche „Ende der Liturgiegeschichte“ – sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Das Problem sind nicht diese historischen Entwicklungen, aber ihre Verabsolutierung. – Manuel Hammer

 

Ich muss gestehen, dass ich beim ersten Lesen des Artikels immer wieder bestätigend mit dem Kopf genickt habe. Greiner hat recht, genauso ist es, dachte ich. Aber in mir regte sich ein ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Also las ich den Text noch mal, diesmal mit mehr kritischer Distanz. Dazu muss ich sagen, dass ich nicht wie Herr Greiner katholisch bin, sondern ein evangelischer Christ, der gelegentlich auch in eine Kirche geht, gern der Predigt lauscht und auch in den Gesang einstimmt. Ich bin, was meinen Glauben betrifft, anders sozialisiert als Ulrich Greiner. Mir liegt nicht das übertrieben Rituelle, auch der Weihrauch, die bunten Gewänder der Priester und ähnliches Getue sprechen mich nicht an, sondern künden für mich von einer Zeit, in der die Kirche ihre Schäflein beisammen hielt, indem sie ihnen mit Teufel und Hölle drohte, wenn sie nicht das für wahr hielten, was Priester ihnen aus der Bibel herauslasen.

Greiner hat recht, wenn er schreibt, dass die frohe Botschaft der Bibel das übersteigt, was der Verstand begreifen kann. Gott ist nicht zu fassen. Das Geheimnis des Glaubens: „ein wunderbarer Vorgang, der nicht diskursiv auflösbar ist“. Wie wahr! Und trotzdem müssen darüber Worte gefunden werden. Da reichen keine Riten und kein Weihrauch. Die „Botschaft des Evangeliums“ sei von leuchtender Klarheit, meint Greiner, und er wirft den heutigen Priestern und Pfarrern vor, sie hätten „die Komplexität der Weissagungen und Handlungen Jesu letztlich nicht verstanden.“ Das klingt so, als habe Greiner sie verstanden. Das wäre anmaßend. Was meint er, wenn er schreibt: „Es geht ja auch nicht ums Denken, sondern um ein objektives Fühlen.“ Was er unter einem „objektive Fühlen“ versteht, erklärt er nicht. Ist es etwa das Fühlen, das den Andächtigen befällt, wenn er Ritualen beiwohnt, die von bunt gekleideten Personen ausgeführt werden? Das kann es nicht sein. Das können Esoteriker noch besser.

Wir modernen Gläubigen müssen, um das Geheimnis des Glaubens nicht mit einem Hirngespinst zu verwechseln, wissen, dass die Bibel als „Gottes Wort“ in einer Sprache zu lesen ist, die in unsere heutige Sprache übersetzt werden muss. Wer die Bibel auslegt, muss sich dem „Rationalismus des Zeitalters“ stellen, ohne in diesem gefangen zu sein. Die „Leuchtkraft des Glaubens“ entfaltet sich nicht von selbst. Sie benötigt Leute, die überzeugend auftreten, wenn sie uns den „Kern religiöser Praxis“ nahebringen wollen. Und diese Praxis ist für mich nicht in erster Linie Eucharistiefeier und Abendmahl, sondern tätige Liebe, von der uns Berichte über Jesus einige Beispiele geliefert haben. Diese tätige Liebe kann in heutiger Zeit die Gestalt des sozialen Engagements annehmen.

Die Kirchen sollten nicht „die Gefahr, verstanden zu werden, mehr fürchten als die Gefahr, nicht verstanden zu werden“, wie Greiner meint. Sie können das Geheimnis Gott nicht auflösen, aber sie können ein Gespür dafür wecken, dass es möglich und hilfreich ist zu glauben, dass es hinter unserem rationalen Weltverständnis einen Raum gibt, der Vertrauen in das Leben möglich macht. Ein solches Vertrauen strahlen Menschen aus, die religiös nicht völlig unmusikalisch sind und daher in der Lage sind, sich auf das Geheimnis der im Glauben aufscheinenden Liebe einzulassen. Das ist keine Leistung, sondern ein Geschenk, wie Luther uns gelehrt hat. – Dr. Hans-Joachim Schemel

 

Kann man die „Feier des Heiligen“ rekonstruieren? Wer „beherrscht“ noch die alten „Techniken“: Gebet, Meditation, Lobpreis… Gibt es noch die Ordensleute (Benediktiner), die sich um die Liturgie mühen? Und die Priester, die sie vollziehen? Und gibt es noch die mitfeiernde Gemeinde? Ihre Sehnsucht nach dem Verlorenen teile ich. – Dr. Gerhard Jastram

 

Da greint ein höchst Konservativer dem verdunkelten Heiligen hinterher, und sträubt sich gegen die Profanisierung der Kirche. Er hängt am Ritual, das umgeben sei vom Mysterium, „nur vollziehen, nicht erklären“, mahnt er. „Die Liturgie kommt aus der Tradition magischer Praktiken und übersteigt sie.“ Soso! Die Kirche habe ein „Übersetzungsproblem“, sie dürfe sich nicht verstümmeln „im Bannkreis des Profanen“. Wer erschrickt denn heute noch vor dem „Heiligen“? Und worin bestünde es selbst?

So redet einer, dem die Formen & Feierlichkeiten fehlen. Der nicht begreifen kann, dass eine Entleerung stattgefunden hat, eine heillose Entwürdigung des Humanen und zwar genau in der Welt, und zwar leider auch in der katholischen Kirche. Er begreift nicht, dass Jenseitspraktiken sich verflüchtigt haben. Mit Beschwörung ist solchem nicht beizukommen. Herrn Greiners Jammer ist gleichzeitig Fundamentalkritik an der Gegenwart, der Moderne, der sich Kirche niemals anpassen dürfe. Die alte Verweltlichungskritik, und dies bei geglaubter Inkarnation in genau diese Welt. Wieder beklagt (leider) nur ein Rechter Konservativer die „Gehorsamsfreude“ der Kirchen. Die freiwillige Verzichtserklärung in der Krise. Eben noch das „herunterbrechen“ des Überzeitlichen verachtet, schon wieder in der Gegenwart. Von Sprachlosigkeit zu klagen, ist eben ein Widerspruch, der nur neuzeitlich aufzulösen ist.

Als Kern religiöser Praxis empfindet er Eucharistie. Ganz traditionell. Und die Gläubigen, gleichsam Echokammern des Geheimnisses, schuldeten Lobgesang. Reformeiferer und querulantische Gedanken verweist er auf die Plätze. Man feiere ja die Anwesenheit Gottes. Den Gedanken einer Abwesenheit Gottes erlaubt er keinen Raum, verwirft er von vorneherein. Gipfel der ich-verwandelnden Ritual-Romantik: dieses rituelle Erlebnis, dieses großartige Fest, dieses subtile Kunstwerk, sei „ein objektives Fühlen“. Vollziehen, nicht erklären, sei angesagt. Da spricht mindestens ein Erzbischof mit, wenn nicht gar ein Erzkardinal! Kein Wort zur Steifheit, Formelhaftigkeit, Priesterzentriertheit, zur Fragwürdigkeit des Opfergedankens! Kirche sei nicht Teil der Welt, sondern als Jenseitsbastion unverzichtbar. Bitte, wer im Eiswasser baden mag, kann nur hoffen, ein gutes Herz zu haben. Was sagt denn nun die glasklare Botschaft, die leuchtende Klarheit des Evangeliums? Schwärmt sie mit einem einzigen Wort vom hohen Stil des Rituals!? Das muss ich überlesen haben. – Günther M. Doliwa

 


 

 

Leserbriefe zu „»Meine kleine Handgranate reicht dafür nicht«“. Gespräch mit Viktor Orbán geführt von Giovanni di Lorenzo

 

Würden Sie mir bitte einen kurzen Kommentar zu Ihrem Interview mit Herrn Orbán geben? Ich finde es zutiefst beunruhigend, dass die westlichen Medien seit über 10 Jahren nicht in der Lage sind, ein angemessenes Wissen über die Taten von Herrn Orbán, die Art des Denkens und die meisterhafte Umgehung der Tatsachen mit offensichtlichen Lügen zu entwickeln. Ihr Interview war keine Ausnahme und als solches ein alarmierendes, in der Tat bedauerliches Stück Journalismus. Mit dieser Mail wollte ich Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre große Verantwortung lenken, wie Sie Ideen verbreiten und Ihr Publikum aufklären. Ich wünsche Ihnen den Mut und das Gewissen, diese Mission in Zukunft für uns alle einzuhalten. – Dr. Peter Béndek

 

Dass die ZEIT dem Autokraten Orban eine Plattform für seine pseudodemokratischen Ansichten bietet, ist in hohem Maße empörend! Noch so ein Fehltritt und wir kündigen unser Abonnement! – Sigrid Roth-Preis und Eduard Roth

 

Vielen Dank für dieses hervorragende Interview, das gründliche Einblicke in das Denken Victor Orbans ermöglicht. Auf so etwas habe ich lange gehofft. Ich sehe seine Art zu regieren ähnlich kritisch, wie auch in der ZEIT und den so genannten „Mainstream Medien“ darüber kritisch berichtet wird. Aber dieses Interview ermöglicht mir, auch die Betrachtungsweise von Orban und der – bei einer Zweidrittel-Mehrheit anzunehmenden – Mehrheit der Menschen in Ungarn weit besser zu verstehen, als mir das bisher möglich war. Vielleicht sollten wir an Demokratie gewöhnte Länder, den Ländern, die aus dem Kommunismus kommen, deutlich mehr Zeit lassen.

Veränderungsprozesse bei einzelnen Menschen verlaufen oft sehr langsam und allmählich. Und verlangsamen sich, sofern Veränderungsdruck ausgeübt wird! Wieviel mehr mag beides für Bevölkerungen gelten. P.S. Einen herzlichen Gruß an Frau Berlin! Ich fühlte mich „ertappt“ bei Ihrer Grafik zum Doktortitel. Sie haben Recht! Es lohnt sich nämlich, diesen bei Leserbriefen zu verwenden: Die Häufigkeit mit der meine Leserbriefe veröffentlicht werden ist spürbar gestiegen, nachdem ich meinen Titel angefügt habe! Deshalb auch heute: – Dr. med. Sibylle Riffel

 

Es ist das letzthin zu oft gehörte alte, böse Lied: Autokratisch agierende Politiker vom Schlag eines Viktor Orbán präsentieren sich als legitime Sachwalter einer vermeintlich kohärenten nationalen Identität und lassen sich in ihrer superlativistischen Rhetorik von niemandem überbieten. Auch der tapfere Giovanni di Lorenzo kann mit seinen Argumenten nicht verhindern, daß Orbán durch stete Wiederholung und Variation von Behauptungen beispielsweise zu Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn oder zur Partizipation seines Landes am EU-Haushalt mehr zur Verneblung als zur Aufklärung der Sachverhalte beiträgt. In seiner provozierend defensiven Haltung wähnt er nicht nur das Recht sondern gar die Moral auf seiner Seite. Man darf gespannt sein, wie die von ihm geschmähten Institutionen der EU mit dieser immer drängenderen Herausforderung umgehen. – Christian Bettels

 

Das Interview hat mir gezeigt, wie Ungenau ein solches Gespräch laufen kann. Giovanni di Lorenzi hat das weggelassen, was eigentlich zum Interview gehört hätte. Ich hole das hiermit nach: Die Medien sind in Deutschland eine vierte politische Kraft, und keiner stößt sich daran. Von den Medien hört man so gut wie nichts. Das Monatsmagazin „Cicero“ war die Ausnahme. Auch die kriminellen Zustände, die nicht zu leugnen sind, sind extrem hoch. Besonders bei den schweren Delikten. Viele Bürger sind dadurch völlig verunsichert und auch ängstlich. Die unkontrollierte Aufnahme von Millionen Ausländer war das Glanzstück der Bundeskanzlerin.

Die Zustände der älteren Menschen, viele davon sind verarmt. Die Lehranstalten sind in einem katastrophalen Zustand (selbst 3 Söhne). Um nur drei Beispiele zu erwähnen. Die Liste könnte ich fortsetzen. Das alles gibt es in Ungarn nicht. Sie sollten nicht ständig auf unsere Demokratie herumreiten. Die taugt nämlich nichts. Jedenfalls in Deutschland. Ich kenne andere demokratische Länder, wo die Demokratie besser funktioniert. Der Alleingang von Frau Merkel in der Einwanderungsfrage ist ein Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte. Kein EU-Land hat das mitgemacht. Wollen sie diesen Ländern auch die Demokratie absprechen.? – Gunter Knauer

 

Ein Geschwätz das Interview. Dass Orban sich als Konservativer giert und dabei von „ungarischen“ Vorstellungen palavert, ist ihm nicht übel zu nehmen. Dass jedoch die ZEIT sich zum „nützlichen Idioten“ macht und seinen Realitätsumdeutungen oder rhetorischen Tricks eine breite Plattform bietet, dabei Korruption und Zweckentfremdung der EU-Gelder nicht thematisiert, erscheint ziemlich jämmerlich. Etliche Kommentatoren sprechen mittlerweile von einem Mafiastaat in Ungarn. Den Höhepunkt des Interviews stellt die Bezeichnung von Russland, Türkei und China als illiberale Demokratien dar. Besonders Peking sollte sich hier geschmeichelt fühlen.

Grundsätzlich fällt auf, dass die ZEIT immer häufiger Vertreter autoritärer und autokratischer Regierungen von EU-Mitgliedern interviewt oder Texte publiziert, die viel Verständnis für jene aufweisen. Warum laden Sie nicht kundige unabhängige Politologen, Soziologen, Historiker oder einfach Oppositionelle (wie im Fall von Belarus) ein, die ein abweichendes Narrativ anbieten können? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der ZEIT in den letzten Jahren viel Kompetenz in bezug auf Ostmitteleuropa abhanden gekommen ist. – Privatdozent Dr. Dariusz Adamczyk

 

Das Interview mit Viktor Orban begrüße ich außerordentlich. Es bietet die Gelegenheit, die Argumente für die Haltung Ungarns zur Migrationspolitik aus erster Hand kennen zu lernen. Das Interview gleicht m. E. einem Ritt auf der Rasierklinge. Die politische Öffentlichkeit hierzulande erwartet Haltung. Sie wird auf die sachlichen Argumente Orbans kaum eingehen, sondern an Stelle von geltendem Recht an Haltung und Moral appellieren. Wer diese Haltung nicht teilt, dem drohen Verleumdung, Hetze und Hasstiraden, wie z. B. Prof. Bernd Lucke, Prof.’in Susanne Schröter, Lisa Eckhart und Dieter Nuhr.

Was die EU, Ungarn und Polen anbetrifft, gilt wohl immer noch der alte römische Grundsatz: „Verträge sind zu erfüllen“. Welche Vereinbarung über die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten gibt es? Wo wurde dieser allgemeine Begriff gemeinschaftlich definiert und vereinbart? Wenn Verträge ergänzt oder erneuert werden sollen, dann muss darüber verhandeln, sachlich, unvoreingenommen, ohne ideologische Dogmen. Im Hinblick auf die deutsche Einwanderungspolitik wurden Haltung und Moral inzwischen von den bisher verharmlossten, teilweise auch geleugneten Tatsachen überholt. Schuld an diesen Tatsachen sind dem Mainstream zufolge nicht etwa: – die 15.000 Grauen Wölfe, – die fundamentalistischen Muslime, die die europäische Lebensweise ablehnen und das islamische über das europäische Recht stellen, – die islamistischen Gefährder, sondern die Umstände und vor allem wir selbst (zu wenig Wohnungen, gut bezahlte Arbeitsplätze für Menschen ohne ausreichende Sprachkenntnisse/Bildung).

Wer sich mit den Fragen der Migration nicht eingehend beschäftigt, fürchtet zu Recht bisher unbekannte oder negierte Wahrheiten. Wer will es den Ungarn verdenken, wenn sie mehrheitlich erneut Orban gewählt haben, um sich vor den Folgen der Migration, vor Clan-Kriminalität, vor no-go-aeres, vor Rauschgifthandel, vor islamistischen Anschlägen auf unbeteiligte Bürger mit Hunderten Toten und Verletzten zu schützen. Wer über kein gründliches Wissen verfügt, welche Überzeugungen und Vorstellungen Migranten aus anderen Kulturen mitbringen, scheut jede Wahrheit über Migranten. Diese sind jedoch nicht mehr unter der Decke zu halten. Ich bewundere immer wieder ungebundene Freidenker der Aufklärung, die sich einzig und allein ihrer eigenen unvoreingenommenen Betrachtungsweise und der daraus folgenden Logik verpflichtet fühlten, wie z. B. unter vielen Anderen Richard Jefferies:

„ Never, never rest contented with any circle of perspectives, but always be certain that a wider one is still possible.“ Statt Bekämpfung der Ursachen der Migrationsbewegungen – Bekenntnisse, Appelle und gebetsmühlenartige Predigten, an deren Umsetzung ihre Verkünder nach jahrzehntelangem vergeblichen Bemühen selbst nicht wirklich glauben. Ich empfinde es anmaßend, von unseren Nachbarn zu verlangen, in Deutschland nach langen Auseinandersetzungen in der unmittelbaren Vergangenheit getroffene Entscheidungen zur gleichgeschlechtlichen Ehe, zu deren Möglichkeit der Adoption von Kindern zu folgen. Hier ist ein Perspektivwechsel und ein wenig Demut angebracht.

Kann die EU ein Land dazu verpflichten, gegenüber seinen Bürgern die Verantwortung für Migranten zu übernehmen, die die europäische Lebensweise, die Laïzität, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ablehnen und hier nach Parallelgesellschaften streben? Über Migranten aus außereuropäischen Kulturkreisen wird viel schwadroniert, ohne deren Kultur, Traditionen, Vorstellungen, Ansprüche in den Herkunftsländern zu kennen. Stattdessen geht es um Haltungen, nicht um Wissen. Wer sich ohne ausreichendes Wissen über Tatsachen eine Meinung bildet, fürchtet Wahrheiten, die seine Meinung in Frage stellen. – Schmolling

 

Die Lektüre des Interviews mit Victor Orbán finde ich schwer erträglich. Und das liegt nicht nur an den Positionen, die der ungarische Ministerpräsident hier ausbreiten kann. Was mich so unangenehm berührt, ist die Art des Fragens, in der ich den geschmeidigen Talker wiedererkenne, dieses scheinbar unterwürfige „Aber meinen Sie nicht auch…“, das creeping in, das hier allerdings vollkommen ins Leere läuft.

Da sitzt ein erfahrener Populist und Demokratiefeind, der sich als Verteidiger konservativer Werte ausgibt und unverfroren behauptet, nicht er baue den Rechtsstaat ab, sondern der Rest der EU habe sich nun mal so verändert – und dem meint Giovanni di Lorenzo mit einer Mischung aus pieksigen, zustimmungsheischenden und ironischen Fragen beizukommen, als würde er erwarten, dass Orbán letztlich selbst zugeben müsste, Rassist zu sein und Frau von der Leyen doch schon viel sanfter zu finden. Es bleibt der Eindruck, dass hier lediglich einem gefährlichen Politiker eine Plattform geboten wird. Schlimmer noch: ihr mit unzureichenden Mitteln („Aber Sie haben eine Zweidrittelmehrheit…“) entgegen getreten zu sein. Wenn ein solches Gespräch überhaupt Sinn machen soll, müsste es von Mitarbeitern des Politik Ressorts geführt werden. – Jan Köhler

 

Ich halte es weiterhin für richtig und wichtig, die Auszahlung der geplanten EU-Corona-Hilfsgelder an den Rechtsstaatsmechanismus zu binden. Viktor Orbán vollbringt es in diesem Interview mal wieder, auf diplomatische Weise die rechtsstaatlichen Probleme des eigenen Landes zu kaschieren. Mit hohlen Phrasen und Beteuerungen, die ungarische Demokratie funktioniere doch tadellos, schiebt er die Schuld auf andere Länder, insbesondere die Deutschen, die in seinen Augen in seine hoheitlichen innenpolitischen Kompetenzen eingreifen wollen. Vor allem seine Behauptung, die Diskussionen über den Rechtsstaat in Polen und Ungarn könnten warten und seien erstmal zweitrangig, ist gerade so falsch, weil sie die Dringlichkeit einer europäischen Einflussnahme in zweien nach rechts driftenden und sich von europäischen Werten und Grundsätzen entfernenden Staaten vermissen lässt. Auch kann man Orbán die vorgetäuschte Gesprächsbereitschaft über dieses kontroverse Thema nicht wirklich abnehmen. Dass er deutsche Politik mit Atombombenabwürfen vergleicht, scheint jedoch seine weitaus authentischere Meinung zu sein.

Leider ist Ungarn tatsächlich nicht so stark auf den neuen Haushalt angewiesen wie andere EU-Länder. Aus dem letzten Haushalt sind für Orbán immer noch hohe Summen abrufbar. Ihm steht deshalb nun der eigentlich von Merkel oft praktizierte Weg des Aussitzens offen. Die EU hingegen muss überlegen, wie sie einerseits die gesamteuropäische Rechtsstaatlichkeit sichern kann und andererseits die Corona-Hilfspakete schnellstmöglich auf den Weg bringt. Einknicken gegenüber Despoten aus Polen und Ungarn sollte in jedem Falle keine Lösung sein. Deutschland traue ich allerdings zu schlussendlich nachzugeben, da freut es mich zu hören, dass Länder wie die Niederlande in so einem Fall auch ihr Veto einlegen würden. – Yannick Rinne

 

Pudding kann man nicht an die Wand nageln. Viktor Orbán fällt immer auf die Füße und schwimmt frech immer oben. Im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo schillert er in barocker Pracht und Selbstbezüglichkeit und entzieht sich schlau jedem Zugriff. Gleichwohl, durch geschickte Interviewführung ist ein für sich selbst sprechendes Dokument der Zeitgeschichte entstanden. Das Interview zeigt: Den um zentrale Merkmale entkernten Demokratiebegriff füllt Viktor Orbán passend zu seinem Herrschaftsmodell völkisch-identitätspolitisch auf. Das so kreierte und etablierte Deutungsmonopol soll ihn gegen jede Kritik an seinem Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis immunisieren. So ist ein Perpetuum Mobilie für den lebenslänglichen Machterhalt des Orbán-Clans entstanden. Abschließend kokettiert Viktor Orbán mit seinem spielerischen Verhältnis zur Macht. Hat er Angst vor der eigenen Stärke oder ist es Ironie, wenn er den absehbaren Rückzug von Angela Merkel aus der ihr verliehenen Macht zum Anlass nimmt, der stabilisierenden Kraft in Europa das Bleiben zu empfehlen? – Reinhard Koine

 

Viele Aussagen des Herrn Orban haben ihn definitiv als Antidemokraten entlarvt, der die EU nur akzeptiert, so lange diese ihn gewähren lässt. Gipfel seiner nationalen Denkweise ist die Behauptung, dass die Milliardengelder aus Brüssel kein Fördergeld seien, sondern „ partielle Linderung des im unfairen Wettbewerb erlangten Vorteils“ der westeuropäischen Mitgliedsländer. Herr Di Lorenzo, warum haben Sie nicht dagegen gehalten: die Investoren aus Westeuropa sind gewiss verpflichtet, Geld zu verdienen, zahlen aber Steuern in Ungarn, sichern viele tausend Arbeitsplätze. Man kann also von einer win-win-Lage sprechen. Gleiches gilt in noch höherem Maße im Falle von Polen. – Siegmund Lipiak

 

Haben Sie Dank, dass Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Ihr Mitarbeiter das Gespräch mit Victor Orban geführt haben. Sie sind die bisher einzigen, die den verbalen Schützengraben namens „Wir verteidigen den Rechtsstaat in Ungarn“ verlassen und den Austausch der Argumente gesucht haben. Sowohl Sie als auch der Ungarische Ministerpräsident haben das Gespräch angemessen geführt – schon erstaunlich, dass so etwas heute gesagt werden muss. Erfreulich ist auch, dass das Problem des Rechtsstaatsmechanismus angesprochen wurde.

Bedauerlich ist es aber, dass Sie sich im Interview nicht mit dem Argument Orbans auseinander gesetzt haben, dass dieser Mechanismus in den europäischen Verträgen keine Grundlage findet – anders als die Regelung in Artikel 7 – und dass es dafür auch keine vertraglich/gesetzliche Definition gibt. Deshalb bin ich an Ihrer Erwiderung auf dieses Arguments Orbans interessiert. Zu meiner Person: 76 Jahre, ZEIT Leser erstmals als Gymnasiast, dann intensiv in den 1970er Jahren, dann ein Abschied von der ZEIT über Jahre, gleichwohl immer mal wieder in kurzen Stippvisiten dabei; jetzt geworben für die digitale Ausgabe. Die „neue ZEIT“ gefällt mir (ohne „Schreiten“); erfreulich die sorgfältigen Artikeln zu Themen „über den Tag hinaus.“ Bitte weiter auf diesem Niveau! – Detlev Plückhahn

 

Dank und Anerkennung , dass Sie Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán Gelegenheit geben, seinen und Ungarns Standpunkt innerhalb der EU einmal so klar und deutlich in Ihrer Zeitung darzulegen. Im gegenwärtigen Streit zwischen EU und Ungarn (sowie Polen und der Slowakei) geht es im Kern um zwei Fragen: Die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips als wesentliche Voraussetzung einer Mitgliedschaft in der EU einerseits und die Verabschiedung des 7-Jahres-Haushalts der EU einschließlich des Corona-Zusatzhaushalts andererseits, die erhebliche Umverteilungszahlungen innerhalb der EU zur Folge haben.

Erfreulich und beruhigend ist, dass Orbán die Rechtsstaatlichkeit als Grundvoraussetzung der EU-Mitgliedschaft ausdrücklich anerkennt. Es geht ihm nur darum herauszustellen, dass eine Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch Ungarn nach Artikel 2 des EU-Vertrages a. gem. Art. 7 zunächst gerügt und konkret festgestellt werden und dann b. mit den dort genannten qualifizierten Mehrheiten ein Sanktionsmechanismus ausgelöst werden muss, zu denen im Übrigen derzeit finanzielle Sanktionen noch nicht gehören. c. Umgekehrt gilt: solange das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, würde eine vorweg genommene Sanktionierung den Vorwurf einer Rechtsverletzung Ungarns durch die EU begründen.

Orban bittet daher um eine Beschleunigung des seit einiger Zeit nach Artikel 7 gegen Ungarn laufenden Verfahrens. Änderungen des Artikels 7 durch einen neuen sanktionsbewehrten Rechtsstaatsmechanismus müssten unabhängig vom EU-Haushalt auf höchster Ebene im EU-Rat geklärt werden. Auf Ihren Hinweis, dass der Artikel 7 als undurchführbar gelte und noch nie einem Land das Stimmrecht entzogen worden sei, entgegnet Orbán, dass wenn Deutschland als zu Zeit der EU vorsitzendes Land die Rechtsstaatlichkeitsregeln ändern wolle, die damit zusammen hängende Probleme lösen müsse. Etwas spitz, aber auch nicht ganz unzutreffend verweist er darauf, dass „die Deutschen … uns eine Regel aufzwingen wollen, bei der es um die Rechtsstaatlichkeit geht, ohne dass es objektive Kriterien gibt, nur subjektive.“ Ob das zutrifft oder ob Ungarn (und andere Länder) wirklich rechtsstaatliche Regeln so verletzen, dass das Verfahren nach Artikels 7 des EU-Vertrages so geändert werden muss, dass daraus finanzielle Sanktionen abgeleitet werden dürfen, sollte tatsächlich in Ruhe juristisch geklärt und ausgehandelt werden, ohne es jetzt mit der dringenden Haushaltsverabschiedung zu verknüpfen.

Interessant ist auch Orbáns Antwort auf Ihre Frage, ob Ungarn, wenn es hart auf hart kommt, nicht doch am kürzeren Hebel sitzt. Den 4,1 oder 5, 1 Mrd. €, die Ungarn im Jahr netto von der EU erhält, stellt er die rund 6 Mrd. € gegenüber, die jährlich als Profit und Ausschüttung an die Unternehmen der EU-Länder gehen. Damit argumentiert er ähnlich wie Griechenland und verschiedene kleinere EU-Länder, die Nettozahlungen aus dem EU-Haushalt als (berechtigte) Kompensation für die zollfreie Öffnung ihrer Märkte gegenüber den weiter entwickelten Industrieländern der EU ansehen. Auch wenn man nicht mit allen Aussagen Orbáns übereinstimmt, versteht man jetzt doch besser, warum er, der in Ungarn fast genauso lange regiert wie seine Duz-Freundin Angela Merkel in Deutschland, so beliebt ist, dass seine konservative Fides-Partei immer noch über drei Viertel der Sitze verfügt. Danke nochmals für das sehr gut geführte aufschlussreiche Gespräch! – Dr. jur. Hans Georg von Heydebreck

 

Das Verfahren des Europäischen Parlaments nach Artikel 7 des EU-Vertrages dauert nun schon über 2 Jahre. Weil es offenbar nicht zum gewünschten Ziel führt, versucht die EU nun, das Corona-Rettungspaket an einen noch undefinierten Rechtsstaatsmechanismus zu koppeln. Dass sich Viktor Orbán hiergegen zur Wehr setzt, kann ich gut verstehen. Wenn Herr di Lorenzo dem ungarischen Ministerpräsidenten sagt, dass dessen Budgetzustimmung nichts mit dem Rechtsstaatsmechanismus zu tun hat, dann wäre konsequent, zu sagen, dass der Rechtsstaatsmechanismus auch nicht mit der Kürzung der Corona-Subventionen vereinbar ist. Sanktionen der EU gegenüber eines Mitgliedstaates widersprechen dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit, da hat Orbán Recht. Die Hilfen müssen schnell an die in große Not geratenen Länder fließen, eine Rechtsstaatlichkeitsdiskussion hat an anderer Stelle stattzufinden.

Gerade Deutschland sollte nicht vergessen, dass Ungarn einen nicht unwesentlichen Anteil an der Wiedervereinigung hat. Das ungarische Staatswesen wurde vor 30 Jahren erneuert, es folgten die ersten freien Parlamentswahlen seit 1947. Das Regierungssystem ist parlamentarisch. Der europäische Wert, so Orbán, besteht gerade in dem Respekt vor der Andersartigkeit und den Unterschieden. Das kann man so unterschreiben. Ungarn ist Mitglied der NATO seit 1999 und seit 2004 EU-Mitglied, seine Verfassung wurde 2013 reformiert. Man wollte Ungarn in der EU, die Andersartigkeit und die Unterschiede sind zu akzeptieren und zu respektieren. Haben wir einen voll funktionsfähigen Rechtsstaat, wenn die Bundesregierung nicht weiß, wieviel Islamisten in Deutschland im Gefängnis sitzen oder wenn jüdische Einrichtungen ständig in Gefahr sind? In Ungarn sind sie es offenbar nicht. – Ulrich Niepenberg

 

Selten las ich so ein gutes Interview wie das von Giovanni di Lorenzo. Ein Meisterstück von gutem Journalismus: mit Einfühlungsvermögen und dennoch nicht lockerlassend , witzig und bestens informiert sprach Herr di Lorenzo alle Punkte an , deren Antworten von Viktor Orban mich sehr interessierten . Wenngleich ich mir beim Thema Korruption ein weiteres Nachhaken gewünscht hätte, weil es nicht sein kann , dass Orban sich mit EU-Geldern seine Wiederwahl sichert. Die Zeit ist für mich die beste Wochenzeitung…. – Rita Mielke

 

Die Wortklaubereien, das Verdrehen der Tatsache etc. von Herrn Orban – einfach nicht mehr auszuhalten. Glaubt der Mann eigentlich selbst was er sagt, oder hält er den Rest der Menschheit für so minderbemittelt ? nach dem Lesen des o. g. Artikels kam mir spontan eine Idee: Da man Ungarn (und Polen) ja aufgrund der Rechtslage nicht aus der EU entlassen kann, sollten doch einfach die verbleibenden 25 Staaten austreten und dann eine NEU (Neue Europäische Union) gründen. Am besten verzichten man bei dieser Gelegenheit auch gleich noch auf die Mitgliedschaft solcher Länder wie Malta und Zypern (siehe hierzu den Artikel „Im Goldrausch“). Unter Berücksichtigung der gemachten, schlechten Erfahrungen und neu gewonnenen Erkentnisse kann dann auf Basis eines optimierten Gemeinschaftsvertrags vielleicht eine vernünftige, zielführende Arbeit zwecks Positionierung im immer härter werdenden Kampf zwischen den USA, China und der NEU erfolgen. – Matthias Adelsberger

 

Der ungarische Ministerpräsident lügt ungeniert. Er kann darauf vertrauen, vom schlecht vorbereiteten Zeit-Chefredakteur nicht ertappt zu werden. Der selbsterklärte Straßenkämpfer des Rechtsstaats hat den ungarischen Staat im letzten Jahrzehnt kastriert, seine Kompetenzen an eine private Clique outgesourct. Grundlegende Gesetze – Verfassungsänderungen! – wurden von privaten Thinktanks geschrieben, in Nacht-und-Nebel-Aktionen von einzelnen Abgeordneten als „Eigeninitiative“ eingereicht und in Eile verabschiedet, obwohl noch nicht mal die Regierungsfraktion sie gelesen hatte. Die zuständigen Ministerien und die Öffentlichkeit informierte man im Nachhinein.

Die Institutionen der Gewaltenteilung und die Kommunalverwaltungen wurden geschwächt, Gerichte und Staatsanwaltschaften mit Lakaien bestückt, ökonomische Macht in den Händen befreundeter Oligarchen konzentriert, usw. Stand alles auch in Deutschland in der Zeitung. Widerlich ist jedoch, dass sich Orbán wieder einmal als Beschützer der ungarischen jüdischen Gemeinschaft präsentieren darf. Dass er einen faschistoiden Diskurs wieder salonfähig gemacht hat, ist keine Floskel.

Am vergangenen Samstag schrieb der Direktor des staatlichen Literaturinstituts, oberster Kulturkader im Land und Orbáns direkter Mitarbeiter auf dem Mainstream-Nachrichtenportal Origo: „György Soros ist der liberale Führer. Die Armee der Liberarier vergöttert ihn mehr, als anno Hitler von seinen Leuten vergöttert wurde.“, und weiter: „Europa ist Soros Gaskammer: aus der Kapsel der multikulturellen offenen Gesellschaft sickert ein Gas, das tödlich für die europäische Lebensweise ist“. Solche Zeilen sind nicht nur Alltag für den ungarischen Zeitungsleser, das ist die Linie der staatlichen Kulturpolitik. Dass Orbán darauf gar nicht erst angesprochen wird, als er von Ungarn als Paradies für die jüdische Gemeinschaft schwadroniert, ist unfassbar. – Szabolcs Sepsi

 

Ich bedanke mich für das Interview mit Viktor Orban in der Zeit Nr. 49. Das Gespräch mit Herrn Orbán wirft ein viel differenzierteres Bild auf den Ungarn als in Deutschland häufig vermittelt. Herr Orbán begründet seine Standpunkte nachvollziehbar, allerdings möchte ich seiner Auffassung des „christlichen Staats“ widersprechen. Wer diesen ausruft, kann sich zumindest auf Christus, den Begründer des Christentums, nicht berufen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, sagte dieser. Als man ihn zum König machen wollte, floh er. Christus wollte keine politische Macht, sondern die Menschen zur Umkehr zu Gott, zur Vergebung des Vaters führen. Das wäre auch heute sein Anspruch und sollte der seiner Nachfolger sein. – Dr. Felix Will

 

Viktor Orbáns Konservatismus bewegt sich in sehr engen Grenzen, die er auch unter dem Schutzschild EU nicht wird halten können. Weil Sicherheit, Wohlstand und Verzicht aufgrund der absehbar global wirkenden ökonomischen und ökologisch-sozialen Umstände zunehmend geteilt werden müssen. Diesen Aussichten wird sich der „Diktatur von Junkers Gnaden“ über kurz oder lang zu stellen haben, selbst wenn er sich weiterhin so manch begründetem Argument geschmeidig und charmant wie ein Stück nasse Seife zu entziehen versucht. Im Übrigen kann man freilich nicht von einem Paradigmenwechsel anno 2015 sprechen. Es war vielmehr die Durchführung objektiv bestehenden Menschenrechts; ungewöhnlich war allenfalls die tatsächliche Anwendung. – Matthias Bartsch

 

Die Interviews von Herrn di Lorenzo sind ein MUSS! Immer kenntnisreich in der Sache, hartnäckig im verfolgen der Wahrheit in Antworten, sprachlich opulent. Herr Orban wird geschwitzt haben. Ich freue mich auf das nächste di Lorenzo-Interview. – Klaus Jürgens

 

Mit Ihrem Interview mit V.Orban über ZWEI VOLLE SEITEN haben Sie über das liberale Prinzip, dass auch die andere Seite gehört werden soll, sehr weit hinaus geschossen! Die zaghaften Einwände des Interviewers werden locker weg geschoben (dass Kriterien für allfällige Sanktionen natürlich vom Eu-G-H formuliert werden müssen, wird gar nicht angesprochen) und mit falschen und zynischen Aussagen etwa über die ungarische Medienwirklichkeit oder über die Wissenschafts- und Kulturpolitik oder über Soros wird einfach gelogen.

Das ganze also keine publizistische „Heldentat“ und wegen der Naivität der Redaktion eine tiefe Enttäuschung, die bei mir Empörung hervorruft. Erwarte dringend, dass demnächst ähnlich ausführlich die politische Realität Ungarns analysiert wird (z.B. in Universitäten und Kultur, in der Wirtschaft, in den verbliebenen Resten unabhängiger und von der Regierung drangsalierter Medien usw.). – Dr.Herbert DACHS

 

Mag Viktor Orban auch ein demokratisches Rauhbein und kein Freund der Diplomatensprache sein (in Ungarn schätzt man offenbar eine klare Ansage!): hat er nicht recht, wenn er eine dringend notwendige Entscheidung für die Coronahilfe und die Bewertung der „Rechtsstaatlichkeit“ nicht mit einem Junktim verknüpfen will; wenn er überzeugt ist, daß Menschen von ihrer unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrung geprägt sind; daß man eine libertinäre westliche Demokratie nicht jedem Land (auch nicht jedem europäischen) überstülpen kann?

Er und seine doch recht große Wählerschar lehnen eine Demokratie ab, in der eine (linke) Minderheit maßgeblich an den Richtlinien der Politik mitwirkt; in der Multikulturalismus europäisches Gesellschaftsmodell wird; lassen sich von kriminellen Clans nicht auf der Nase herumtanzen (s. a. Streit – gleiche DIE ZEIT-Ausgabe); würden keine von außen gesteuerten Islamvereine dulden; verhindern, daß das konservative Profil bis zur Konturlosigkeit abgeschliffen wird! Sie sind widerborstige Haare in der recht faden europäischen Kompromiß- und Konsenssuppe! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Danke für dieses anregende Interview. Ich bin mir sicher, es wird viel Protest geben, dass Sie Herrn Orban zwei ganze Seiten gönnen, um für sich und seine Position zu „werben“. Aber Herr Orban ist Teil der EU und die EU ist Teil unserer Hoffnung. Man MUSS mit Herrn Orban reden. Das Wort „konservativ“ wird oft kontrovers interpretiert. Für die einen bedeutet es, das Gute und Bewährte zu schützen und es nicht leichtfertig zugunsten einer neuen, unsicheren Idee zu riskieren. Für die anderen hat es einen reaktionären Charakter und und dient allenfalls gewissen Kreisen, ihre Macht zu sichern.

Ich denke, es wird einige Leser geben, die den Aussagen Herrn Orbans in vielen Punkten ein gewisses Verständnis entgegenbringen, sich aber nicht getrauen, das laut zu sagen. Sollten sie es dennoch tun, wird es andere geben, die sich öffentlich wundern, wie man so dumm sein kann, auf die rhetorisch geschickten Floskeln des Herrn Orban hereinzufallen, und nicht seine eigentlichen Absichten dahinter zu erkennen. Manchmal müssen wir uns aber entscheiden, ob wir über sachliche Inhalte und Ideen diskutieren wollen oder über die Psychogramme verschiedener Protagonisten. In Deutschland ist letzteres sehr beliebt. Das geht allerdings nur auf Kosten von Ersterem. – Dr. Christian Voll

 

Unbeirrbar zeigte Orban klare Linien in der z.T. verworrenen EU und BRD Politik. Ein kluger Kopf! Dass beim Leser große Sympathie für ihn aufkommt, war offensichtlich nicht das Ziel der Interviewer. – Alfred Trautmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Die neue Sippenhaft?“ Streit von Canan Bayram und Falko Liecke

 

Bravo, Frau Bayram! Endlich eine Stimme gegen die Diskriminierung der clanistischen Berliner Kunstsammler-und jäger. Gemeinsam gegen den neuen anticlanistischen Rassismus kämpfen. Schluß mit der Hetze gegen die Clans. – Max Steinacher

 

Warum sollte man nicht von arabischen Clans sprechen dürfen, wenn es sich tatsächlich um eine sehr spezifische Spielart der organisierten Kriminalität handelt, die für deutsche Verbrecherbanden ganz untypisch ist? Man spricht doch auch völlig zu Recht z. B. von der italienischen bzw. sizilianischen Cosa Nostra. Wichtiger als der Streit um die Nennung von Nationalitäten oder Kulturkreisen scheint mir zu sein, einerseits dafür zu sorgen, dass alle Menschen, die auf rechtschaffene Weise Geld verdienen möchten, auch wirklich die Möglichkeit erhalten, das zu tun, auch Migranten und auch Asylsuchende, dass aber andererseits jeder Mensch, der dauerhaft nicht gewillt ist, sich an die Gesetze zu halten, sondern sich mittels Verbrechen Geld beschafft, also Berufsverbrecher*innen, dauerhaft mittels Haftstrafe und anschließender Sicherheitsverwahrung weggesperrt wird – zumindest so lange, bis er glaubhaft gewillt ist, rechtschaffen zu werden.

Und das sollte für Araber*innen, Italiener*innen, Deutsche usw. gleichermaßen gelten. Auch gefährliche Psychopath*innen, wie in dem Artikel „Wo ist Anna?“ in der gleichen ZEIT-Ausgabe einer beschrieben wird, sollten meines Erachtens nicht nach Verbüßung ihrer Haftstrafe einfach freigelassen werden, sondern in Sicherheitsverwahrung genommen werden. Natürlich sollte man versuchen, sie mittels psychiatrischer Behandlung o. Ä. zu bessern bzw. zu heilen, aber solange das nicht gelingt, sollte meiner Meinung nach der Schutz zukünftiger möglicher Opfer Vorrang haben vor dem Freiheitsanspruch der Täter*innen. Zum Weiterlesen: https://www.ulrich-willmes.de/gewaltmonopol.html – Dr. Ulrich Willmes

 

Was erzählt da Frau Bayram. Kein Wunder wenn die schwere Kriminalität von Ausländern ständig steigt. Natürlich gibt es auch die Anständigen, die sich in unsere Gesellschaft einbringen. Es sind aber zuviele die das nicht tun. Die ständig uns Bürger das Leben schwer machen. Die nicht ihre Religion von der Politik trennen wollen. Solche Politiker wie Frau Bayram verstärken noch diese Haltung. In allen anderen Ländern werden diese Menschen in ihre Länder zurückgeschickt. Mit guten Worten ist das nicht zumachen, wie Frau Bayram das vorhat. Sie scheint die Scharia nicht zu kennen, die schließt das expliziert aus. Es ist schon schlimm genug, daß das überhaupt für manche Politiker ein Thema ist. – Gunter Knauer

 

Frau Banyon lebt in einer Märchenwelt, selbst als Bundestagsabgeordnete. Wenn du lieb zu mir bist, bin ich es auch. Die Realität ist eine andere. Seit Jahren schafft es die Poltik, unabhängig von Parteien, nicht, die Kriminalität signifikant zurückzudrängen. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen arabischen oder tschetschenischen Clans, Mafia oder Rockerszene. Der Rechtsstaat funktioniert nicht nur nicht, er versagt und kapituliert. – Wolfgang Scheer

 

Oh nein, was Frau Bayram da sagt, ist an Naivität kaum zu überbieten. Glaubt sie wirklich, dass sie Kindern, die in diese Clans hineingeboren und in deren Umfeld sozialisiert wurden, etwas von „Verbrechen lohnt sich nicht“ erzählen kann? Das sollte sie vielleicht einmal vor Ort ausprobieren, im besten Fall wird sie dafür viel Gelächter ernten. Natürlich lohnt sich für diese Kinder/Jugendlichen das Verbrechen. Den „Erfolg“ haben sie ja täglich vor Augen. Dicke Autos, Luxusgüter, Macht, Ansehen in den eigenen Kreisen usw. Selbst freiwillig dort auszubrechen, dürfte für sie fast unmöglich sein. Es gibt in ganz Deutschland Parallelgesellschaften, die Clans, aus denen die organisierte Kriminalität hervorgeht, gehören dazu. Ganze Generationen wurden nicht mehr in unsere Gesellschaft integriert. Und darum geht es sehr wohl, hier irrt Frau Bayram. Sich allein auf den Rechtsstaat (seine Institutionen) zu berufen, dürfte nicht ausreichend sein.

Ja, sicher können Familiengerichte den Eltern die Sorge für ihre Kinder entziehen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Und richtig, gerade weil wir in einem Rechtsstaat leben, ist so eine eingreifende Maßnahme für jeden Einzelfall zu bewerten und zu begründen. Ist das realistisch? Könnten die Gerichte diese Mammutaufgabe überhaupt bewältigen? Ich finde, Frau Bayram macht es sich hier viel zu einfach. Ausserdem entbindet diese Möglichkeit schon gar nicht die Politik von ihrer Verpflichtung, der Clan-Kriminalität aktiv entgegenzuwirken. Schlimm genug, dass jahrzehntelang von politisch Verantwortichen über dieses Problem hinweggesehen bzw. es beschönigt wurde. Das Ergebnis haben wir jetzt. Kann man der Lage überhaupt noch Herr werden? Das weiß ich nicht. Die Vermögensabschöpfung als eines der Mittel zur Bekämpfung dieser Kriminalität, halte ich für vielversprechend. Vielleicht lohnt sich das Verbrechen dann irgendwann wirklich nicht mehr.

Es sind sachliche (wenn auch z.T. recht emotional vorgetragene) Feststellungen, wenn Herr Liecke die Clan-Kriminalität beschreibt und auch die Täter benennt. Das hat nichts mit Rassismus oder Diskriminierung zu tun, so wie Frau Bayram , die dieser Punkt offensichtlich viel mehr beschäftigt, unterstellt. Für mich macht sie in diesem Moment Täter zu Opfern. Das ist deplaziert, eine Zumutung für die wirklichen Opfer und zudem wenig hilfreich bei der Bekämpfung dieser Form von Kriminalität. – Regina Stock

 

Ich bin verärgert über die Ausführungen von Canan Bayram. Man soll Clans nicht Clans nennen dürfen! Lt. Lexikon ist ein Clan eine durch wirkliche oder vermeintliche Blutsverwandtschaft aneinander gebundene Gruppe von Menschen. Genau das sind die in Berlin, Bremen und NRW lebenden Familien-Gruppen. Dann soll man die Kinder/Jugendlichen durch mehr Integrationsangebote aus der Kriminalität holen! Es handelt sich oft um jugendliche Mehrfachtäter, die in ihrem Umfeld erfahren, wie man mit unserem Staat umspringen kann und durch Kriminalität zu großen Vermögen kommt. Wir haben diese Gruppen viel zulange gewähren lassen! Frau Bayram scheint das Problem nicht verstanden zu haben. Herrn Falko Liecke möchte ich in diesem Fall hundertprozentig in seiner Meinung unterstützen. – Lilo Reichel

 

Schade. Da wäre mehr drin gewesen. Beide Gesprächspartner scheinen im Gespräch festgefahren in den Vorurteilen gegenüber der jeweilig anderen Partei. Frau Bayram lehnt eine Verurteilung der Klans ab als angeblich pauschale voreingenommene Argumentastion. Herr Liecke hat kein Verständnis dass traumatisierten Migranten angeblich allgemein Verständnis für Verfehlungen entgegengebracht wird. Dabei sind sich beide so ausdrücklich einig, dass sie gegen die Strukturen vorgehen wollen, wenn die glauben sich ein eigenes Recht schaffen zu können. Beide haben triftige Gründe die berücksichtigt werden müssen.

Vielleicht ist diese Art der Argumentation ein Abbild der politischen Szene, in der es gelegentlich mehr um Profilierung geht als um Lösungen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Diskussion hier um die Schwierigkeit geht, wie man solche Strukturen aufbrechen kann. Beide haben wohl in Berlin sehr konkrete Erfahrungen gemacht. Sie könnten darüber diskutieren wie man Menschen dazu zu bringen kann, sich aus traditionell sehr engen Familienbanden zu lösen, wenn diese kriminell werden. Und das obwohl sie darin aufgewachsen sind und ihre Vorfahren „schon immer“ so gelebt haben – wenn auch in anderen Regionen der Welt. Es geht auch um die anstrengende Aufgabe, die Mitbürger mitzunehmen auf dem etwas anstrengenden und manchmal zeitraubenden Weg, den unsere Rechtstaats-Kultur braucht, um das in unserer Außen-Sicht so offensichtlich unsoziale Verhalten in den Griff zu bekommen. – S. Bohnenberger

 

Das hat absolut nichts mit „Sippenhaft“ oder „diskriminieren“ zu tun. Wenn Mitglieder einer Großfamilie nachweislich schwerkriminell sind und von der Familie gedeckt werden, so ist der gesamte Clan mitschuldig. Mitwisserschaft und Beihilfe sind laut Gesetz Straftaten und zusätzlich wäre zu prüfen, ob es sich nicht um „Schwere und Organisierte Kriminalität“ nach dem BKA-Gesetze handelt. In Österreich wurde ein Prozess sogar gegen militante, aber vergleichsweise harmlose Tierschützer als kriminelle Organisation nach § 278a des Österreichischen Strafgesetzbuchs geführt. Schweren Kunstraub oder das Einschmelzen einer gestohlenen wertvollen Goldmünze kleinzureden und zu bagatellisieren grenzt, überspitzt formuliert, schon fast an Sympathie für solche Vergehen. – Martin Behrens

 


 

 

Leserbriefe zu „Der Durchbruch“ von Charlotte Parnack

 

Die Autorin des Artikels stellt fest, dass keines der dreißig Dax- Unternehmen von einer Frau geführt wird. Und dabei wird es wohl auch bleiben, denn eher wird eine Frau Papst in Rom als Vorstandsvorsitzende z.B. bei BASF, Mercedes oder Siemens. – Peter Dodel

 

Überall “vom Chef getriezte Assistenzärztinnen” und “auf Kinder verzichtende Juniorprofessorinnen”. Das ZEIT-Bild unserer Gesellschaft ist schon arg simpel gestrickt. – Gerhard Reinelt

 

Die Frauenquote für große Unternehmen wird von der Autorin als „historischer Durchbruch“ gefeiert, als der Anfang einer endgültigen Befreiung vom Patriarchat. Bald werden die letzten Hochburgen geschliffen sein. Das klingt wie die alten Feldherren, ziemlich machtgeil. Wie das gewohnte Kampf-Gedöns alter Patriarchen, nur eben als ein Schaulaufen von selbsternannten alpha-Weibchen, denen es auch darum geht, „die Ebenbürtigkeit weiblicher Intelligenz“ zu demonstrieren. So ist „der Durchbruch“ ein Lehrstück patriarchaler Denk- und Handlungsmuster. Drei Beispiele: 1) Der „Durchbruch“ ist nichts weiter als Symbolik. Denn, das schreibt die Autorin auch, für eine wirksame Gleichstellung im Berufsleben „müsste man an Kinderbetreuung, Elterngeld und Ehegattensplitting ran“.

Bloße Symbolik für einen großen Wurf zu verkaufen, kommt mir bekannt vor. 2) Ein Zirkel einflussreicher Frauen hat kompromisslos alles daran gesetzt, dass eine Ziel – die Quote – zu erreichen, und damit ihre „informelle Autorität in Macht verwandelt“. Das Prinzip kennen wir. 3) Die Quote wird ganz sicher die Arbeitskultur für alle Frauen revolutionieren, denn „das wird ausstrahlen, von der Spitze weiter nach unten“, meint die Autorin. Veränderung, initiiert von einem Anführer, hierarchisch von oben nach unten weitergereicht, auch hier bemächtigt sich die Autorin einer weitern, bekannten, patriarchalen Denkweise. Braucht es wirklich den Beweis der Ebenbürtigkeit weiblicher Intelligenz? Baut Gleichstellung nicht vielmehr auf sozialer Intelligenz? Diese ist genderneutral. „Sozial“ können auch Männer, selbst wenn sie aktuell bei Frauen – durch ihren Lebensvollzug – häufiger zu beobachten ist. – Jürgen Pilz

 

In gewohnt aggressivem und spalterischem Ton feiert die feministische Autorin auf Seite 1 den Pyrrhus-Sieg der Ungeduld in Form einer staatlich verordneten Umerziehungsmaßnahme. DDR-Nostalgiker wird dies freuen. Frau Parnack nennt es jedenfalls „Durchbruch“ und peilt sogleich neue Ziele an. Dabei denkt sie an die arme Assistenzärztin, welche von ihrem Chef getriezt wird. Sollte diese Assistenzärztin jemals den Sprung aus der klischee-durchtränkten Phantasie der Autorin in´s echte Leben schaffen, so wird sie feststellen, das man auch von Ober- und Chefärztinnen getriezt werden kann, während ihre männlichen Pendants zuweilen recht nett sein können. Doch wie hilft man der Juniorprofessorin mit Kinderwunsch? Diese braucht wohl am ehesten einen liebevollen Mann, der auf ihre Kinder aufpasst. Ich vermute, der Staat ist nach §3 Abs. 2 GG verpflichtet, ihr einen solchen zur Verfügung zu stellen. – Dr. Christian Voll

 

Was ist der Unterschied zwischen Patriarchat und Matriarchat? Ein Buchstabe, mehr nicht. Und der zwischen kompetitiv und kooperativ? – Volker Homann

 

Trotz des Koalitionsbeschlusses läßt sich weiterhin trefflich darüber streiten, ob eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote für die Besetzung von Vorstandsposten in Aktiengesellschaften sinnvoll ist. Für betroffene Unternehmen stellt sich dann die Frage, bis wann sie diese Quote erfüllen müssen. Werden dann männliche Vorstände entlassen, um ihre Posten fristgerecht mit Frauen aufzufüllen? Und wenn sie dann Posten neu besetzen, müssen die Unternehmen Frauen finden, die ebenso oder höher qualifiziert sind wie ihre männlichen oder sexuell diversen Mitbewerber. Stellen sie Frauen nur ein, weil es Frauen sind, um die Quote zu erfüllen oder um vielfältig zu erscheinen, verstoßen sie gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Es wird häufig ignoriert, dass dort nicht nur steht, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung usw. benachteiligt werden darf, dort steht auch, dass niemand aufgrund dieser Eigenschaften bevorzugt werden darf. – Dr. Rainer Götz

 

Für Spitzenpositionen in Konzernen, wie auch in der Politik, sind Fähigkeiten, Leistungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen unverzichtbare Voraussetzungen. Dadurch hat sich unser Staatswesen (ergänzt durch eine starke soziale Komponente) so erfolgreich und beneidenswert entwickeln können. Es gibt viele Beispiele von Frauen in Spitzenpositionen, die keine Männer brauchten, die aus Quotengründen zurückstecken sollten, sondern das Erforderliche geleistet haben und noch leisten (übrigens auch Frauen mit Familie). Was gibt das Grundgesetz zu einer Quote nur für Frauen her? Das Grundgesetz spricht von gleichen Chancen, nicht von gleichen Ergebnissen.

Art.3 Abs.3:“ Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner………benachteiligt oder b e v o r z u g t werden. In Art 3 sind weitere Gruppen aufgeführt, die auch nicht benachteiligt werden dürfen, sich aber so fühlen. Unerträglich ist in diesem Sinne schon die Proporzhandhabung in der Politik. Nun auch noch eine Quotenregelung nur für Fauen? Und auch bemerkenswerterweise nur für hochdotierte Spitzenpositionen. Man erfährt zumindest nicht, dass Parität auch bei Gleisbauarbeiter-innen, Eisenbieger-innen, Stahlkocher-innen usw. erreicht werden sollen. Solche Berufe dürfen eine Männerdomäne bleiben. Wenn Quote, dann für alle Gesellschaftsgruppen, die sich benachteiligt fühlen. Und dann: „Gute Nacht, Deutschland“!

Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass sich die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht mit einer in Gesetz gegossenen Quotenregelung befassen werden, wie bereits in Weimar und Brandenburg geschehen. Aus der Praxis: wer Führungspositionen in Unternehmen oder Politik übernehmen will, muss einen eigenen , erfolgreichen Weg finden und zeigen, dass sie sich schon im eigenen Unternehmen, eigener Partei gegen alle Widerstände durchsetzen kann. Nur einem bestimmten Geschlecht anzugehören , reicht da nicht. Die Führungsdauer an der Spitze der CDU von Frau Merkel und Frau Kramp-Karrenbauer, die sich selbst als „Quotenfrau“ bezeichnet, kann da als Beispiel dienen. – Udo Bauer

 

Die großartige und unvergessene Heidi Kabel hat es bereits ihrerzeit auf den Punkt gebracht: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn gelegentlich auch eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufrücken kann.“ Dabei dürfte sie jedoch ganz sicher nicht an eine derartige Zuteilung per gesetzlicher Quote gedacht haben. Doch sage jetzt bloß keiner, die Frauen hätten es nicht schon lange genug im Guten versucht.

Über dieses berechtigte Ansinnen hinaus sollten wir uns – die Corona-Pandemie macht es „nur“ noch deutlicher als zuvor – um die notwendige Verstärkung sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe kümmern. Soziale Standards, die Menschen nachweislich krankmachen und früher sterben lassen, können einer aufgeklärten Gesellschaft, die Gesundheit richtigerweise als Menschenrecht deklariert, selbstverständlich nicht genügen. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Angreifbaren“ von Anna Mayr

 

Vielen Dank für die interessanten Ausführungen über die sozialen Aspekte in der SARS-CoV-2-Epidemie. Sie gelten natürlich für sehr viele ähnliche Viren und Erreger, die in sehr hohem Maße von der Stärke und Aktivität des Immunsystems der betroffenen Menschen abhängen. Zusätzlich muss man natürlich die Aussagefähigkeit des PCR-Tests und die Evidenzbasis sowie die Auswirkungen der Anti-Corona Maßnahmen berücksichtigen. Diese sollten dringend auf wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Wenn man Inkubationszeit und Krankheitsdauer berücksichtigt, hatte das Infektionsgeschehen als Grundlage für die Verstorbenen, die PCR-positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren, längst abgenommen, als die allgemeine Maskenpflicht Ende April in Deutschland eingeführt wurde. Auch der R-Wert lag vor dem ersten Lockdown im Frühling bereits unter 1.

Anders ausgedrückt: Ein Ende Mai mit positivem PCR-Test Verstorbener hatte sich wahrscheinlich schon im April angesteckt. Aus den offiziellen Statistiken ist zu ersehen, dass die Kurve der positiv PCR-getestet Verstorbenen in Deutschland Ende Mai schon stark zurückging. Daraus lässt sich also keine Kausalität z.B. zwischen Maskenpflicht und Senkung der Todesrate ableiten.Berücksichtigen Sie als Medien in Ihren Entscheidungen und Veröffentlichungen bitte die wissenschaftliche Evidenz, wie sie zum Beispiel in den Thesenpapieren von Prof. Dr. Matthias Schrappe und seinen Mitautoren deutlich wird. Medizinprofessor Schrappe: Zahlen des RKI sind „nichts wert“ – ZDFheuteWebseite Matthias Schrappe

Hören Sie bitte auf Prof. Streeck und Tausende andere Wissenschaftler, die darauf hinweisen, dassder Versuch der totalen Eindämmung bei diesem Virus nicht zielführend ist. Die Testung von symptomatisch Erkrankten sollte auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Man sollte wissen, wie viele von den positiv getestet Verstorbenen wirklich an Covid-19 gestorben sind und mit allen relevanten anderen Krankheiten und Risiken vergleichen. Man sollte vor allem sehr humane Schutzmaßnahmen für Immunschwache durchführen. Die sehr hohe Immunität (z.B. auch kreuzreaktive T-Zellen-Immunität) in der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 ist durch viele Studien inzwischen belegt und sollte durch T-Zellen-Testungen bestätigt werden.

Verhindern Sie mit evidenzbasierten Entscheidungen und Veröffentlichungen bitte die Spaltung unserer Gesellschaft in einen Teil von kritisch, wissenschaftlich und demokratisch denkenden Bürgern und Experten und einen Teil, der aufgrund der Konzentration auf eine einzige Gefahrenquelle und der Vernachlässigung sehr sehr vieler anderer Risiken und aufgrund der damit verbundenen Panik von den offiziellen Dateninterpretationen überzeugt ist oder nicht auffallen und gesellschaftliche und berufliche Nachteile in Kauf nehmen will.

Machen Sie sich als Medien bitte stark dafür, dass das Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt wird, um möglichst umgehend wieder zu demokratischen Verhältnissen mit deutlicher Gewaltenteilung zurückzukehren. Zensur in Medien und Einschränkung von Demonstrationen sollten jetzt wirklich der Vergangenheit angehören. Stress und Kontaktarmut sind als Zerstörer unserer Immunkräfte wissenschaftlich belegt. Wenn wir das nicht berücksichtigen, schießen wir ein sehr tragisches Eigentor. – Gerhard Jahnke

 

Viel Wahres und doch eine unglückliche Schlussfolgerung! Die implizierte Take Home Massage, gebt den Armen mehr Geld und sie werden weniger Corona haben, ist viel zu einfach und vor allem wird hier Ursache und Wirkung vertauscht. Die erhöhte Corona-Anfälligkeit von Menschen mit geringem Einkommen ist nicht die Ursache von Armut. Vielmehr sind erhöhte Corona-Suszeptibilität und wenig Geld beides gleichzeitig Ergebnis derselben Ursachen. Also Ursachen die, wenn auch nicht ausschließlich, sowohl das eine wie auch das andere zur Folge haben. Es handelt sich somit mehr um eine Koinzidenz, als dass sich beide kausal bedingen. Wobei es zugegebenermaßen einen Graubereich gibt, der sich in der Diskussion nicht immer völlig scharf abgrenzen lässt.

Als erstes sollte man die Primärfaktoren, welche man nicht oder nur sehr schlecht ändern kann, isolieren von den Sekundärfaktoren, die sich von den Primärfaktoren ableiten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zählen für mich zu den Primärfaktoren: Elternhaus, Geschlecht, Alter, Lebensumstände und die individuelle Persönlichkeit.

Zur Persönlichkeit zähle ich individuelle Eigenheiten wie Einsichtsfähigkeit, Disziplin, Informationsneugier, Intelligenz und Selbstfürsorge. Dies hat ganz starken Einfluss auf den Sekundärfaktor „Gesundheitszustand“ eines Menschen und wie er umgeht mit seinen Süchten, seiner Ernährung, körperlicher Bewegung etc. Ein weiterer sehr wichtiger Sekundärfaktor ist die Bildung bzw. die Bildungsfähigkeit eines Menschen. Ohne die nötige Intelligenz, Disziplin und Informationsneugier wird man keine gute Schul- und Allgemein-Bildung erwerben, was wiederum eng korreliert mit einem weiteren Sekundärparameter „Beruf“. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass jeder Sekundärparameter wiederum meist von mehr als einem Primärparameter abhängt. Und hier wären wir beim zweiten wichtigen Primärparameter angelangt, dem Elternhaus.

Unter dem Begriff „Elternhaus“ subsummiere ich Begriffe wie Herkunft, Kulturkreis und Erziehung, welche einerseits wiederum die Persönlichkeit prägen, anderseits aber auch an den Sekundärparametern Bildungserfolg und damit am Beruf maßgeblich beteiligt sind. Die persönlichen Lebensumstände spielen eine große Rolle bei der Frage, ob man an Corona erkrankt oder nicht. Die in der Wohnung zur Verfügung stehende Quadratmeterzahl ist wiederum nur ein parallel auftretender, aber wenig kausaler Parameter für eine Corona-Erkrankung. Gehen wir von der vereinfachenden Annahme aus, dass Covid-19 sehr ansteckend ist und alle Mitglieder einer Familiengemeinschaft dasselbe hohe Ansteckungsrisiko aufweisen, sobald einer das Virus von außen in die Familie hineinträgt. Und dass dieses Risiko in üblichen Wohnungsgrößen von 50 – 150 qm sich nicht maßgeblich unterscheidet.

Viel wichtiger für das Corona-Risiko ist hier die Anzahl an Personen in einem Haushalt, denn mit jeder Person erhöht sich die Anzahl an Außenkontakten für alle Familienmitglieder. In einer vierköpfigen Familie mit durchschnittlich fünf Außenkontakten hat jeder in der Familie das vierfache Infektionsrisiko im Vergleich zu einem Single. Und wenn dann noch Oma und Opa in der Großfamilie leben und die Kinder in die Schule gehen, potenziert sich das Altersrisiko. Einerseits erhöht also die Personenanzahl das Corona-Risiko des Einzelnen, gleichzeitig sinkt auch die dem Einzelnen zur Verfügung stehende Quadratmeteranzahl. Mehr Koinzidenz, wenig bis keine Kausalität.

Alter und Geschlecht sind weitere Primärfaktoren, welche mehr Einfluss auf die Corona-Anfälligkeit haben, als auf das Armutsrisiko. Das Alter erhöht die Wahrscheinlichkeit, Schwere und Todesrate der Erkrankung massiv. Armut weist zwar auch eine Korrelation mit dem Alter auf, aber eine deutlich geringer ausgeprägte. Männer haben aufgrund ihres „riskanteren“ Lebensstils, weniger Selbstfürsorge und vielleicht auch weniger Einsichtsfähigkeit ein erhöhtes Corona-Risiko, Frauen, und vor allem Alleinerziehende, hingegen ein erhöhtes Armutsrisiko.

Der Beruf, wie oben hergeleitet ein sekundärer Parameter, spielt aber in der Diskussion um Corona-Ansteckung und Armut eine zentrale Rolle, wenn auch eine andere als von der Autorin impliziert. Natürlich ist der Beruf entscheidend für das Einkommen und damit das Geld. Und zu wenig Geld kann Stress verursachen und die Resilienz beeinträchtigen. Stress kann aber auch durch Termindruck im Beruf oder durch Kollegen oder den Chef verursacht werden. Faktoren, die nicht mit dem Gehalt zusammenhängen. Eine viel wichtigere Rolle spielt die Frage des Infektionsschutzes am Arbeitsplatz. Der hängt mehr von der Tätigkeit selbst ab, als vom Einkommen.

So kann sich ein gutverdienender Arzt viel schlechter vor Ansteckung schützen, als eine minder bezahlte Landschaftsgärtnerin oder ein Angestellter im Home Office. Natürlich gibt es auch viele nicht gut bezahlte Jobs mit viel Publikumsverkehr, wo geringes Einkommen und Ansteckungsgefahr Hand in Hand gehen. Aber die Schlussfolgerung, dass, wer wenig Geld hat, sich schlechter gegen das Virus schützen kann, ist zu polarisierend und wird dem multiparametrischen Infektionsgeschehen nicht gerecht. – Dr. Georg Boeck

 

Aus Befürchtung wurde inzwischen leider weltweit Gewissheit. Corona trifft Arme, Alte, Kranke und gesellschaftlich Benachteiligte am meisten. Damit ist auch die äußerst euphemistische Erzählung eines Virus, das alle gleichbehandelt, endgültig passé. Im Februar und März hatten zunächst noch vordergründig Wohlhabendere das Virus aus dem Urlaub mit nach Hause genommen und damit europaweit verbreitet. Die wirklich Leidtragenden waren in letzter Konsequenz jedoch vorwiegend andere. Nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht, sondern auch angesichts aller ökonomischen Folgen, welche die Maßnahmen zur Pandemiebkämpfung mit sich brachten.

Die Schere zwischen Arm und Reich war schon vorher vorhanden, aber verbessert hat sich im Laufe der Pandemie keinesfalls etwas. Damit teilte sich Deutschland und die Welt noch klarer in zwei Lager. Die einen lebten – fianziell gut abgesichert – weiter vor sich hin und mussten allenfalls durch Reiseverbote, Kontaktbeschrämkungen und Restaurantschließungen in ihrer Lebensqualität Abstriche machen. Für die anderen ist dies jedoch die geringere Sorge, vielmehr sind sie durch den Tod ihrer Angehörgen oder durch existenzielle Geldnöte und Zukunftsängste schwer betroffen.

Interessant ist dabei, dass die AfD als Oppositionspartei in ihrer Ablehnung der staatlichen Maßnahmen keine wachsende Anhängerzahl unter den schwer Getroffenen der Pandemie verzeichnen konnte. Dabei zeigt sich, dass die von der Pandemie Benachteiligten nicht im Geringsten eine Verharmlosung des Virus als Ziel haben, ihnen ist es lediglich wichtig, schnell und unkompliziert an Hilfe zu kommen, die vom Staat eigentlich immer lautstark versprochen wurde, aber in letzter Konsequenz häufig doch nicht so gut funktionierte. Anstatt Besseres anzubieten, konzentrieren sich zahlreiche AfD-Mitglieder jedoch scheinbar eher darauf, den Tod von Kindern in abartiger Art und Weise zu instrumentalisieren und Maßnahmen wie die Maskenpflicht dafür verantwortlich zu machen. – Yannick Rinne

 

Die Datenlage lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Die Maßnahmen können für wohlhabende und gebildete Menschen gelockert werden und für ärmere, ungebildete Bevölkerungsschichten müssen sie verschärft werden. – Bettina-Christin Lemke

 

Es ist oft verführerisch, aus einer Mischung von statistischen Zahlen und eigener Meinung neue „Wahrheiten“ zu produzieren. Ob die Empfänglichkeit für das Virus bei der Leiharbeiterin zum Beispiel höher ist als beim gleich alten Universitätsprofessor, ist hochspekulativ, wird dem Leser aber als Tatsache angeboten. Das ist nicht gut und nicht zielführend. Es gäbe noch viel zu sagen, aber insgesamt scheint Corona auch ein Fenster zum Innenleben der Autorin zu sein. – Christian Voll

 

EINHUNDERT PROZENT ÖKOLOGISCHE LANDWIRTSCHAFT PER GESETZ UND HERVORRAGENDE ERNÄHRUNG IN SCHULEN UND INSTITUTIONEN SCHAFFT GLEICHHEIT. Wenn endlich die Ernährung und damit sogar unser alle Lebensgrundlagen und Arbeitsbedingungen, der ganze Planet per Gesetz verbessert würde, dann gäbe es mehr Gesundheit in unserer Bevölkerung und mehr gleiche Lebens- und Aufstiegschancen. Pandemien wie Covid19 würden wesentlich milder verlaufen. Unterfüttert durch einen einjährigen Dienst mit achtzehn Jahren in Pflege (einschließlich Reinigungsarbeiten in Krankenhäusern), Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder THW als Voraussetzung zum Hochschulstudium, kämen endlich alle in die existentiell wichtige Demut vor sog. einfachen Arbeiten und damit wäre ALLEN gedient! – Dr. A. Weber

 

«Wen trifft das Virus und wen nicht?» Es ist nicht erstaunlich, dass neben dem Pflegepersonal und Ärzten vor allem, die Benachteiligten auf Grund der oft miserablen Wohnverhältnissen und der psychischen und physischen Belastung eher vom Virus angegriffen werden. Gerade in der Zeit von Corona erweisen sich gute Wohnverhältnisse als besonders wertvoll. Ähnliches gilt auch in normalen Zeiten. Die blosse Sicherung durch ein Dach überm Kopf, günstige Lebensmittel (dank der grossen Discount-Ketten) und Basisvorsorge durch Medizin und Schulen reichen oft nicht für ein Leben ohne grosse psychische und physische Belastung.

Was muss, was kann sich ändern? «Man muss die Gründe für die Gründe für die Gründe finden, warum Gesundheit ungleich verteil ist» sagt der Epidemiologe Michael Marmot. Dreimal das Wort Gründe, um diese zu unterscheiden, wird im Folgenden von Grund-1, Grund-2 und Grund-3 gesprochen. Grund-1 sind die schlechten Arbeits- und Wohnverhältnisse. Ein wichtiger Grund-2 für Grund-1 liegt darin, dass es auf dem Arbeitsmarkt beim Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage eine Schieflage gibt. Diese Schieflage könnte sich im Zuge der Massnahmen gegen den Klimawandel noch verstärken. Zum Beispiel: Mal angenommen, der Fleisch-Konsum würde soweit sinken, dass sein Beitrag zum Klimawandel auf ein tragbares Mass abnähme, dann ginge das Angebot an Arbeitsplätze in der Fleisch-Industrie massiv zurück und das genannte Verhältnis ginge noch mehr in Schieflage.

Aber es gibt noch andere eigentlich gute Massnahmen, die die Schieflage verstärken könnten. Mal angenommen, die «ungerechte Verteilung der Gesundheit» würde dadurch beseitigt, dass die tiefen Löhne soweit gesteigert würden, dass Wohnkomplexe wie das unter Quarantäne gestellte Hochhaus in Göttingen keine Mieter mehr fänden, dann würde die Nachfrage nach den gut bezahlten Arbeitsplätzen soweit steigen, dass auch von dort die Schieflage verstärkt würde. Das würde dazu führen, dass Beziehungen oder besondere Qualifikationen nötig für einen Job wären und gerade diejenigen, die am meisten auf Verdienst angewiesen wären, hätten die geringsten Chancen.

Das heisst schliesslich, dass Grund-3 für die Schieflage (Grund-2) das Überangebot an Arbeitskräften liegt. Wären nicht so viele Menschen aus armen Ländern bereit, zu solch schlechten Bedingungen zu arbeiten und zu leben, dann würde die Schieflage verringert und man könnte die genannten Wohnkomplexe abreissen. Das tiefere Problem ist wohl, dass der Fortschritt Arbeitsplätze vernichtet und das Wohlstandgefälle zwischen einzelnen Staaten zunimmt. Nötig wäre Leistungstransfer. um das Wohlstandgefälle zu verringern, aber auch, um den Arbeitsmarkt (lokal und weltweit) durch etwas Ähnliches wie «Bedingungsloses Einkommen» zu entlasten. Damit die Leistungen nicht auf ein Fass ohne Boden treffen, muss irgendwie Einfluss auf die Geburtenrate genommen werden. Natürlich sind diese Überlegungen für kurzfristige nötige Verbesserungen nicht sehr brauchbar. Langfristig sind sie aber wohl doch nötig. – Dr. tech. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Sie wollen ihn stürzen sehen“ von Omri Boehm

 

Dem Autor (bzw der ZEIT) ist für diesen Beitrag zu danken- trotz seiner akademischen Tiefe und Abstraktheit, die es dem „Normalverbraucher“ fast unmöglich macht, die philosophiegeschichtlichen Gedankengänge bis zu Ende mitzugehen. Was aber überdeutlich wird und schon längst geworden ist: die „Cancel Culture“ mit ihren Protagonisten und ihren „Erfolgen“ (z. B. mundtot gemachte Vertreter einer anderen Linie, eingeschüchterte und entlassene Professoren und Redakteure zuhauf), die im Artikel ja auszugsweise anklingen, offenbaren für einen noch denkenden Menschen eben dies: Es handelt sich historisch und kultur- bzw philosophiegeschichtlich nicht nur um Ignoranten, sozusagen „Barbaren“, sondern sie sind auch im Tiefsten ideologisch, ja totalitär- ihre Argumentationsweise offenbart nicht eine „Höherentwicklung“ des menschheitlichen Bewusstseins- sondern das genaue Gegenteil. Als (ich hoffe reflektierender) Angehöriger der Spezies Mensch im 21. Jahrhundert schäme ich mich für sie zutiefst! – Karl-Heinz Grau

 

Ist das auf der Seite liegende Standbild von Kant das, welches aufrecht an der großen Kirche (Dom ?) in Kaliningrad (ehem. Königsberg) steht ? Und das seinerzeit von Marion Gräfin Dönhoff gestiftet wurde ? – Hartmut Wagener

 

Kant in neuem Licht gesehen. Omri Boehm beruft sich auf Kant, um das universalistische Denken gegenüber der heute in Mode gekommenen Identitätspolitik zu retten. Der Artikel endet mit „unserer Pflicht, eine Gesellschaft aufzubauen, die ganz anders ist als unsere jetzige: eine, in der Frauen nicht sytematisch von Männern benutzt werden; eine, in der arbeitende Menschen nicht de facto von Unternehmen besessen werden können; eine, in der schwarze Leben zählen“, was nur „im Namen des wahren Universalismus, nicht im Namen der Identität geleistet werden kann.“

Ist es aber nicht genau das, was abstrakt denkende Universalisten und Identitätsbesorgte gemeinsam wollen, und was sich auch weitgehend als Konsens in der Realpolitik abzeichnet? Vielleicht nicht in der Diskursatmosphäre in den USA, wo Omri Boehm lehrt. Da werden die Defizite Kants, nämlich, dass er seinen eigenen Idealen nicht ganz gerecht geworden ist, „genutzt, um seinen Universalismus in eine rassistische Ideologie für privilegierte weiße Männer“ umzumünzen. Auf solche Leute kann ich nur mit blankem Entsetzen reagieren. Mir fehlen die Worte! Aber Boehm findet zum Glück die Worte, mit denen er Kant rehabilitieren kann.

Wenn mir auch Kants Pflichtethik in einer Hinsicht suspekt ist, die Heine gefallen hat, nämlich, dass die „Kritik der reinen Vernunft“ das Schwert war, mit dem Gott selbst hingerichtet wurde“, so sehe ich doch insgesamt in Boehms Herangehensweise eine Art neuen Habermas auftauchen, den wir auch dringend brauchen. – Lisa Klotz-Zengin

 

Kant in der Rassismus-Falle! Der letzte Sommer war ziemlich heiß und „groß“,wie Rilke dichtete.Über alles Mögliche wurde in diesen Wochen und Monaten diskutiert.Vielleicht auch,um nicht immer nur über Corona und die Folgen zu reden.So wurde in den höheren Etagen der Universitäten nach längerer Denkpause wieder einmal über die Frage gestritten, ob die Philosophen der Aufklärung Rassisten gewesen seien.Dabei ging es erneut und vor allem um Immanuel Kant(1724 – 1804) und um die Frage, ob nun auch dieser bedeutendste Philosoph der Aufklärung ähnlich wie ein ordinärer Sklavenhändler und Rassist der Ächtung und Verachtung anheimfallen müsse.

Vor ein paar Jahren hatten unbekannte Hitzköpfe in Kaliningrad,dem früheren Königsberg,diese Frage schon für sich beantwortet und die Statue des berühmtesten Bürger der Stadt mit rosa Farbe beschmiert. Sein Grab in unmittelbarer Nähe des Königsberger Doms, das seit längerer Zeit von der Bucerius-Stiftung und der Bundesrepublik finanziert wird, blieb ungeschoren. Philosophie,so hat es der Gießener Philosoph und Historiker Ernst von Aster formuliert,“setzt den Philosophen voraus, dessen Persönlichkeit seiner Philosophie das Gepräge gibt.“ Gemessen an dieser Prämisse kommt man an den Schattenseiten des Moralphilosophen kaum vorbei.Es finden sich in seinem Werk durchaus Ansichten, die vor dem Hintergrund seiner „Pflichtmoral“mehr als nur ein Stirnrunzeln provozieren.

So heißt es in seiner Vorlesung über „Physische Geographie“:“ Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen.Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent.“Schwarze Menschen seien noch „weit tiefer“ angesiedelt, „und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften“. Allerdings gibt es auch Forscher, die die Authentizität dieser Aussagen anzweifeln und die inkriminierten Textstellen auf studentische Mitschriften zurückführen. Unbestritten ist aber, daß Kant im „philosophischen Entwurf“ „Zum ewigen Frieden“ die Kolonialpolitik der Europäer kritisiert – und das ziemlich deutlich:

“…denn die Einwohner rechneten sie für nichts“. Anderseits vertritt er aber die These, daß alle Menschen von gemeinsamer Abstammung seien, sich aber als Folge verschiedener klimatischer Bedingungen unterschiedlich entwickelt hätten.Das betrifft äußerlich-körperliche Eigenschaften,aber auch Vernunftbegabung und kulturelle Befähigung. Das chinesische Reich war für Kant das „cultivirteste in der ganzen Welt“.Wie verträgt sich derlei Bewertung mit Kants Moralphilosophie,mit der geforderten Achtung vor dem Sittengesetz,der Achtung vor der „Person im andern“,vor der „Menschheit in mir und anderen:“Handle so, daß die Menschheit in dir und andern niemals bloßes Mittel, sondern jederzeit zugleich Zweck sei!“

Kants durchaus kritikwürdigen Ausfälle bei der „Physischen Geographie“, die mitunter durchaus anstössig sind,machen ihn freilich im Nachhinein noch nicht zu dem,was wir heutzutage unter einem Rassisten verstehen. Das 18. Und 19.Jarhundert kannte diesen Begriff überhaupt nicht. Die Vorurteile,die zu seiner Zeit herrschten,etwa die These von unterschiedlichen moralischen und intellektuellen Fähigkeiten,wurden von Kant später ohnehin nicht mehr beachtet ,sondern sogar verworfen.Seine Rechtsphilosophie,auch seine Geschichts-und Religionsphilosophie blieben jedenfalls davon unberührt.Aber ein Säulenheiliger ist Kant eben auch nicht. Deswegen sollte man ihn durchaus kritisieren,nicht als Bilderstürmer,wohl aber nach seiner Maxime:“Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ – Wolf Scheller

 

Nicht zuletzt die Analyse von Prof. Omri Boehm macht klar, dass Kant als Denker und Aufklärer „too big to fail“ ist, zumal im historischen Kontext betrachtet; wenn wir denn – und das sollten wir freilich allenthalben – wagen, weise zu sein. Es sollte uns also gelingen, mit dem kategorischen Imperativ das hiernach Wahrgenommene angemessen zu beurteilen.

So kann uns nicht entgehen, dass Kants Denkweite eine außerordentliche war, die er durchaus an seinen eigenen Erkenntnissen und Ansprüche ausgerichtet hat. Seine Auffassung, dass wir (Menschen) uns im Menschlichen erkennen, teile ich; halte ihre Aussagekraft dem obengenannten Prinzip des ethischen Handelns für absolut ebenbürtig. Denn so unterschiedlich die Kulturen, in denen wir aufwachsen, aus denen wir Erkenntnisse und Schlüsse ziehen, auch sein mögen; wir können Gefühle und Gedanken nachvollziehen, wenn wir offenen Blickes betrachten und konsistent bewerten. Kurzum: Kant unterstreicht mit seiner ​philosophischen ​Dialektik ​zuvorderst und eindeutig ​die Verbindlichkeit und Unantastbarkeit der ​Würde ​eines jeden Menschen.

In diesem Zusammenhang habe ich mit besonderem Interesse die Ausführungen Omri Boehms über die Verspottung der Anwendung von Moral auf Politik zur Kenntnis genommen. Weil ich den Weg zu Argumenten bzw. Urteilen ohne eine moralische (Mit-)Betrachtung nicht denken und führen will, weil ein für mich wesentlicher Aspekt zwischenmenschlicher Verständigung, und dazu gehört freilich die Gestaltung von Politik, hin zu (mehr) innerer und äußerer Befriedung erst nachhaltige, größtmögliche Freiheit möglich macht. Eine mit anderen Menschen einer Gesellschaft unmittelbar und mittelbar nicht abgestimmte Freiheit ist keine Freiheit. Es ist vielmehr eine Verfassung ohne Gewissen, die im schlimmsten Fall zur Ausbeutung und Beugung der Menschenwürde werden kann. Und da wären wir dann wieder; denn die Menschheitsgeschichte ist voll von liberalen Erzählungen und beinahe ebenso voll von „verunglückten Befreiungen“. – Matthias Bartsch

 

„Immanuel Kant wird als Rassist denunziert“.Der Rassismus schlägt wieder hohe Wellen, was bedauerlicherweise Nährboden für die verstärkte Verbreitung von Unwahrheiten ist.Da wegen der Unruhen in verschiedenen Ländern die Debatte weltweit neu entflammt ist, ist der Artikel vonOmri Boehm von hoher Aktualität und ernsthafter Wichtigkeit.„Dass Kant selbst nicht nur ein Universalist, sondern auch ein Kind seiner Zeit war“, ist unbestreitbar, schreibt der Autor. In der Tat wird gegenwärtig die Diskrepanz zwischen seiner Metaphysik und seinen Vorurteilen Frauen und anderer Rassen gegenüber von gewissen Intellektuellen aller Couleur, die offensichtlich die Werke Kants nicht gründlich gelesen haben, gnadenlos missbraucht. Ihr Ziel ist es, seine Philosophie des universalistischen Humanismus auf Rassismus zu reduzieren.

Wahrhaftiggeht es vielmehr darum, seine Defizite zu nutzen: Der Vorwurf lautet, “dass sein Universalismus in Wirklichkeit eine rassistische Ideologie für privilegierte weiße Männer ist“. Und tatsächlich steht damit „das Schicksal des universalistischen Denkens“ auf dem Spiel. An dieser Stelle ist es deshalb besonders wichtig zu erwähnen, dass der Universalismus Kants unmissverständlich mit jeder Form von Identitätspolitik unvereinbar ist, weil deren Aufstieg eine fortschreitende Fragmentierung der Gesellschaften mit sich bringen kann, insofern, dass Identitätspolitik das Ganze trennt. Solidaritätspolitik jedoch verbindet.

Aber wenn für den Autor der entscheidende Punkt freilich ist, dass „die Menschenwürde mit Abstraktion und Universalismus Hand in Hand geht“, entstehen für mich ausdieser Behauptung auch entscheidende Fragen: Hat die Freiheit eine Grenze? Wenn man der Freiheit Grenzen setzen will, gibt man nicht zu, dass das Projekt der Emanzipation gescheitert ist? Wäre dann der Universalismus in Verbindung mit dem bewährten Konzept des ethischen Kulturrelativismus nicht ein vernünftiger Ausweg aus dieser Sackgasse?

Zum Schluss schreibt der Autor Omri Boehm treffend: „Der kompromisslose Widerstand gegen den falschen Universalismus kann aber nur im Namen des wahren Universalismus geleistet werden. Nicht im Namen der Identität“. Wäre es nach dem heutigen Versagen des Neoliberalismus und der ökonomischen Globalisierung trotzdem nicht noch konsequenter, sich als moralische Verpflichtung für den Humanismus die Frage zu stellen: Ist die „kapitalistische Demokratie“ die „wahreDemokratie“? In einer wahren Demokratie hätte der Rassismus keine Chance. – Dr. Haensel Madueño

 


 

 

Leserbriefe zu „Schlag mich nicht!“ von Katrin Hörnlein et al.

 

Der Beitrag von ihren Autoren*rinnen überrascht mich sehr. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, daß das eher den Ausländern zuzutrauen ist – besonders von den islamischen Bürger. Diese Erfahrung habe ich vor vielen Jahren persönlich gemacht, als ich noch im Elternbeirat einer Schule in Düsseldorf war. Dort hatten wir einige türkische Schüler, die ständig von ihren Vätern geschlagen wurden. Das konnten wir leider nicht unterbinden. Darüber habe ich mich mit einigen Vätern unterhalten. Zwecklos! Die waren nicht zu belehren. Die haben das den Lehrerinnen stattdessen vorgeworfen, daß sie die Schüler zu „Weicheiern“ erziehen. Bei fast jeder Elternversammlung war das ein Thema. – Gunter Knauer

 

Schade, dass im „Bitte nicht schlagen!“ Artikel mal wieder nur die westdeutsche Historie beleuchtet wurde. Wie war denn die Gesetzeslage in der DDR? Natürlich berührt der Bericht nur kurz die Historie aber wäre es nicht denkbar für die Zeitredaktion, dass es Usus wird, in jeeeedem Thema, bei dem auf die letzen 71 Jahre geschaut wird, eben auch in die ostdeutsche/DDR Historie geschaut und recherchiert wird? … auch wenn es mal nicht um nur explizit ostdeutsche Themen geht? – Uli Cremer

 

Der Tenor des an sich gut recherchierten Artikels verkennt meines Erachtens die Realität des Lebens mit (kleinen) Kindern. Kinder sind geborene Egomanen. Das ist kein Spleen oder schlechter Charakter, sondern von der Natur eingerichteter Überlebensmechanismus. Wir Erwachsenen sind 20, 30 oder 40 Jahre darauf konditioniert und sozialisiert, unsere kindliche Egomanie in Schach zu halten, um als Mitglied einer Gesellschaft zu agieren und den Alltag mit seinen Strukturvorgaben und Anforderungen zu bewältigen.

(Deshalb schreien wir uns unter Arbeitskollegen auch selten an.) Kinder sind in dieser Hinsicht völlig unberührt. Hier prallen Welten aufeinander. Dass es dabei zu Konflikten kommt, ist unvermeidbar. Und Familie bedeutet heutzutage in Deutschland oft Mama, Papa, ein zwei oder drei Kinder. Während ein Elternteil arbeitet, ist es an dem anderen, sich alleine mit den Bedürfnissen der Kinder auseinanderzusetzen. Ablösung durch Verwandte oder nachbarschaftliche Unterstützung sind nicht selbstverständlich.

Unsere Kinder gewaltfrei zu erziehen ist ein Vorsatz aus Überzeugung. Er ist nicht vergleichbar mit einem im Rausch getroffenen Neujahrsvorsatz – den man mehr oder weniger leichtfertig wieder bricht. Das Verdikt, die Mütter „scheiterten und versagten immer wieder“ ist unfair, verletzend und aus der falschen Perspektive getroffen. Es verkennt die enorme Herausforderung, die das Leben mit Kindern Tag für Tag mit sich bringt. Und auf die wir im Leben vor den Kindern nicht vorbereitet werden. Schon ein einzelnes Kind zu betreuen, bedeutet, viele Freiheitsgrade des Erwachsenenlebens einzubüßen. Sind es dann zwei oder mehr Kinder, kommen die unterschiedlichen, oft entgegengesetzten Bedürfnisse der Kinder hinzu, deren Erfüllung sie allein bei der Mutter suchen. Während diese sich vor Liebe und Fürsorge verausgabt, greifen die Kinder zu allen ihren verfügbaren Mitteln, um die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu erreichen:

Sie schreien, sind körperlich und verbal aggressiv und destruktiv. Konsequent gewaltfrei zu reagieren, während die eigenen Bedürfnisse im Mangel sind, gelingt nicht aus reiner Liebe. Man muss es lernen und üben. Warum gibt der Artikel keine Hinweise darauf, dass das möglich ist – und nötig wäre! Stattdessen vom Scheitern und Versagen der Eltern zu sprechen, ENTmutigt diese erst recht, über ihre Herausforderungen im Umgang mit Kindern zu sprechen. Und wenn schon unbedingt von Scheitern und Versagen die Rede sein soll: Ist es nicht eher unsere Gesellschaft, die darin versagt, Eltern auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe vorzubereiten und sie darin zu unterstützen? – Dr. Ulrike Schneeweiß

 

Während eines fast dreijährigen Sorgerechtsstreits schlug und mißhandelte die Mutter meines Stiefsohnes ihren Jungen mehrfach. Der damals Sechsjährige malte die Marterwerkzeuge seiner Mutter dem Familienrichter sogar detailiert auf: Das Handyladekabel als Peitsche. Keinerlei Konsequenzen, nichtmal eine Ermahnung. Als die Mutter später den Jungen in meiner Nähe durch furioses Anbrüllen und widerliche Beschuldigungen binnen zweier Minuten von einem fröhlichen Kind in ein schluchzendes, zuckendes Häufchen Elend verwandelte, wurde das meiner Strafanzeige folgende Ermittlungsverfahren wegen Mißhandlung eines Schutzbefohlenen „mangels öffentlichem Interesse“ eingestellt. Zur selben Anzeige schrieb das Jugendamt der Landeshauptstadt München: „Wir raten von einer strafrechtlichen Verfolgung ab.“ – Dr. Michael Rohe

 

Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen und mich gefreut, dass diese Thematik etwas breiteren Raum erhält. Nach meinem Eindruck u. a. aus langjähriger Tätigkeit in einer psychotherapeutischen Praxis wird die Problematik von Generation zu Generation weiter gegeben: Kinder, die Gewalt erfahren, lernen, dass sie – jedenfalls in bestimmten Situationen – keinen Respekt verdienen und kein Recht auf die Äußerung und Einhaltung ihrer eigenen Grenzen im Sinne körperlicher oder seelischer Unversehrtheit, also ihrer Würde, haben. Daher können sie, wenn sie dann irgendwann selbst Eltern sind und mit ihren Kindern in unvermeidbare Stresssituationen geraten, ihre eigenen Grenzen nicht äußern.

Dadurch geraten sie in große Not, weil sie gleichzeitigihre Verantwortung für die Situation spüren. Dadurch entsteht weiterer Stress im Sinne von wachsendem Handlungsdruck. Da sie als Eltern die größere Macht besitzen, tun sie jetzt dasselbe wie ihre eigenen Eltern, sie missbrauchen diese Macht, um in der Not irgendwie zurecht zu kommen. Viele fühlen sich schlecht dabei, manche erleben es als kurzfristige Befreiung. Nach meiner Überzeugung bildet diese Dynamik darüber hinaus den wesentlichen Boden für die vielen unterschiedlichen Formen von Machtmissbrauch in unserer Welt (von sexualisierter Gewalt bis zu den Formen, die das bei manchen Staatsführern annimmt).

Insofern bin ich auch der Auffassung, dass die Frage, wie ein angemessener Umgang mit Macht aussehen kann, gleichzeitig mit dem Umgang von Grenzen thematisiert werden sollte und zwar vor allen Dingen dem Umgang mit deneigenenGrenzen. Kinder reagieren erstaunlich kooperativ, wenn man ihnen erlaubt, mitzubekommen, dass man gerade an die eigenen Grenzen stößt! Einen guten, angemessenen Umgang mit den eigenen Grenzen zu finden, ist kein Kinderspiel! Meines Erachtens sollte hier der Schwerpunkt in der Elternarbeit, aber auch in der pädagogischen Ausbildung und in der pädagogischen Arbeit in Gesellschaft und Kirchen überhaupt – liegen, was leider erst in geringer Weise geschieht.

Die Idee, die Kinder brauchten Grenzen ist immer noch weit verbreitet. Nein, jeder Mensch, ob klein oder groß, hatGrenzen. Und Eltern brauchen Unterstützung für eine Entwicklung dahin, dass sie sich ihrer Grenzen nicht schämen, sondern diese auch den Kindern gegenüber angemessen zum Ausdruck bringen können. Gute Bücher sind hier z. B. die von Jesper Juul (z. B. das kleine Büchlein „Grenzen, Nähe, Respekt“). Und dabei darf der Blick auf unsere überfordernde Lebensweise nicht vergessen werden, den sie dankenswerter Weise auch geworfen haben. – Dr. med. Sibylle Riffel

 


 

 

Leserbriefe zu „Gegen die Mauer des Schweigens“ von Udo Behrendes

 

Lange nicht mehr einen so wichtigen und fundierten Artikel zu einem drängenden Problem gelesen. Vielen Dank dafür! Als langjähriger Beobachter der deutschen Verhältnisse erinnere ich mich auch an „unangenehme“ Kontakte zur Polizei, also kann ich die immer wieder kritisierten Missstände und Verhaltensweisen nicht ausschließen.

Dass andererseits Polizisten zunehmend Zielscheibe der aggressiven Verhaltensauffälligkeiten verschiedenster Gruppen (von Demonstranten bis zu Hooligans) werden, ist auch mir klar. Wie schwierig es unter diesen Bedingungen – besonders für junge Bereitschaftspolizisten – sein kann, sich immer vorschriftsmäßig und angemessen, ja deeskalierend zu verhalten, dürfte jedem klar sein, wenn man Bilder und Videos allein der letzten Zeit verfolgt. Wenn jetzt der Artikel einerseits auf bereits seit Jahrzehnten vorliegende Ergebnisse verschiedener „Studien“ hinweist und andererseits das Fehlen wichtiger Konsequenzen kritisiert, wird doch klar, dass jetzt (endlich) Konsequenzen der Politik gefordert sind, um das Problem in den Griff zu bekommen. Es steht doch gerade eine Innenministerkonferenz an, nicht wahr?

Und da auch anderswo ähnliche Probleme bekannt sind und bereits erfolgreiche Schritte unternommen wurden (z.B. in Großbritannien das „Independent Office for Police Conduct“ siehe auch: https://www.policeconduct.gov.uk/), kann wohl kein Zweifel bestehen, dass es in Deutschland höchste Zeit ist, die „Mauer des Schweigens“ zu durchbrechen und das Thema so anzugehen, dass „Polizei – dein Freund und Helfer“ wieder den Platz im öffentlichen Bewusstsein einnehmen kann, der ihr zukommt. P.S. Der Artikel gehörte als Morgenlektüre auf den Tisch aller Innenminister. – Joerg L. Neumann

 

Danke für den klaren Artikel. Nur eine Anmerkung, sie schreiben… Coaching supervision… „wie bei vergleichbar belasteten Berufsgruppen im sozial-und pflegebereich“…. Das wäre ja sehr schön wenn des denn wahr wäre. Aus über 20 jahren Kinderklinik kann ich Ihnen sagen-gibt’s in der Regel nicht, zu teuer. Von keinem seniorenheim, von keiner behindertenwohngruppe…. Hab ich gehört, die regelmäßige supervision oder ähnliches erhielten, einzig aus dem Bereich familienhilfe/ Betreuers wohnen m psychiatrisierten… Etc kenne ich das als regelhaft verankertes Mittel der Personal – Entlastung, Weiterbildung, Qualitätssicherung. Dabei benötigen das doch fast alle, die Mit Menschen arbeiten…. – Dr. Med Petra Kaiser-Labusch

 

Der Verfasser weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei den in der Öffentlichkeit so titulierten rechtsextremen Einstellungen innerhalb der Polizei nicht um ein Problem der Rekrutierung von Polizeibeamtinnen und -beamten handelt; auch nicht um eine persönliche Entgleisung einzelner, mit deren Entfernung aus dem Dienst man wieder zur Tagesordnung übergehen könnte. Er richtet den Blick auf den Entstehungsort solcher Fehlentwicklungen und enthält sich in wohltuender Weise jeglicher Persönlichkeitszuschreibung wie „rechtsextrem“, „rechtsradikal“, „faschistisch“, „antisemitisch“ etc.

Zwar weiß auch jeder gescheite Zeitgenosse, dass gezeigtes Verhalten und Handeln nicht nur von unseren Einstellungen abhängen, sondern in hohem Maße auch von den äußeren Umständen, in denen es auftritt. Für eigenes Fehlverhalten wird dies übrigens immer als sehr viel wirkmächtiger eingeschätzt als unsere persönlichen Einstellungen und Wertemuster. Genau auf den Wach- und Wechseldienst und die Einsatzhundertschaften richtet der Praktiker aber den Fokus, weil er aus mehr als 40jähriger Polizeierfahrung genau weiß, welche Srukturschwächen es dort immer noch gibt. Er nennt das „Anpacker“, die ja nicht nur das Ziel haben, Strukturen zu verändern, sondern darüber auch Einstellungen. Nur hat noch niemand Einstellungen verändert oder Konflikte zwischen Konfliktparteien bewältigt, ohne mit allen Beteiligten zu reden. Suspendierungen wie z. B. in NRW sind da leider nicht der Anfang der Problemlösung, sondern leider schon das Ende einer zum Scheitern verurteilten Konfliktbearbeitung.

Diesen Raum zu schaffen, wäre Aufgabe von Politik und Polizeiführern. Und dass es funktioniert, ist ja da, wo man die Polizeiführung hat machen lassen, längst nachgewiesen. Die Verlagerung des Konflikts in immer mehr externe Bereiche mag zwar von wissenschaftlichem Interesse sein, erforderlich für ein effektives Gegensteuern ist sie aber nicht. „Anpacken“ ist und bleibt Führungsaufgabe. Wer das nicht will oder kann, den könnte man dann vielleicht ja suspendieren. – Adalbert Groß

 

Vor einigen Wochen hatten Sie Stellungnahmen zu rechtsextremem Gedankengut von Polizisten abgedruckt. Darauf hätte sich Herr Behrens beziehen sollen, um an die Wurzel zu gehen. Was glauben Sie wie frustrierend es ist, Polizist geworden zu sein, um für die Durchsetzung von Recht zu sorgen und zu erkennen, dass unsere Legislative und Judikative damit das Recht der Täter meint? (übrigens auf TicToc von Anwälten und ehem. Polizisten verbreitet)

Vergangene Woche wurde bei mir eingebrochen. Wir stellten den Täter und die Polizei war binnen 5 Minuten da, um ihn trotz mindestens dreier Straftaten wieder laufen zu lassen. Kommentar der Polizei: Das ist unsere Justiz. Vor einem halben Jahr wurden mir von -Dank Coronalisten bekannten potentiellem Täterkreis- 300 € entwendet. Die Polizei wartet noch heute auf die Freigabe durch die Staatsanwaltschaft. Zugleich werde ich wegen Nachstellung mehrfach verfolgt, weil eine Schuldnerin versucht auf diese Weise ihren finanziellen Verpflichtungen zu entgehen. Polizei: Wir müssen das machen und das kostet die Frau ja nichts. (mir wurden alternative Exekutiven empfohlen)

Können Sie sich den Sarkasmus eines Arbeitnehmers vorstellen, der so sinnentleert versucht zu nützlich zu sein? Die Chatgruppen und die öffentliche Kosmetik mit Wissenschaft und Lehre a la Behrendes sind nur die Spitze des Eisberges „zahnloser Tiger“. Mein Schwiegeropa war in den 70ern noch begeisterter Polizist; ich MP; einer meiner Söhne will einer werden. Ich lasse ihn an Allem teilhaben, was mir im vergangenen halben Jahr mit der Polizei widerfahren ist. – Dominik Peitsch

 

Ich lebe als österreichischer Staatsbürger seit 40 Jahren in Bayern und machte von Beginn an positive Erfahrungen mit der Polizei im Rahmen meiner Berufstätigkeit (Arbeit in der stationären Jugendhilfe). Positiv überrascht hat mich die soziale Kompetenz und Freundlichkeit der Beamten. Das war ich von meinem Heimatland nicht gewohnt. Mein positives Bild hat sich nicht geändert. Der Artikel von Herrn Behrendes zeigt sehr gut die Belastung denen die Beamten ausgesetzt sind. Seine Vorschläge zum Umgang mit Problemsituationen, aber auch seine Vorschläge zur Unterstützung der Polizisten, sollten sofort von den zuständigen Politikern, als auch von den verantwortlichen Führungspersonen innerhalb der Polizei aufgegriffen und umgesetzt werden. – Karl Hobl

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Großes Geschäft“ von Haika Hinze und Matthias Schütte (Infografik) und Mats Schönauer (Recherche)

 

Das Thema Toilettenpapier liegt Ihnen offensichtlich am Herzen. Schon die 2. Infografik dazu in diesem Jahr. Schön wären mal ein paar vertiefende Informationen zur Umweltbelastung durch verschiedene Sorten bzw. Materialqualitäten sowie Angaben wo man was bekommt. Ich sehe z. B. seit rund 20 Jahren genau eine Sorte Recycling-Krepppapier in den Läden. Und die ist so dünn, dass man sie schon beim Angucken zerreißt. Dabei soll das weiß gefärbte Recyclingpapier die Umwelt stärker belasten als aus neuem Papier hergestelltes Klopapier. Mich ärgert auch die hirnlose Umweltbelastung durch die immer weniger Blätter umfassenden Rollen bei gleichem Durchmesser. Bis zu drei mal so viele LKW müssen durch die Gegend fahren gegenüber den früher üblichen 400-Blatt-Rollen. – Iman Schwäbe

 

Klopapierverbrauch pro Kopf ist schräg. – Mona Rieder

 

Zur Infografik in Die Zeit No 49, Seite 42 zum Toilettenpapier. Dort findet sich die Information (Kasten rechts unten, America first), der Durchschnittsverbrauch „Pro Kopf“ (sic!) betrage in Deutschland 12,1 kg oder 134 Rollen á 90 g. Da Toilettenpapier bereits beim ersten Lockdown gehamstert wurde, hatten wir in der Zwischenzeit Muße, den Verbrauch einmal etwas bewusster in den Blick zu nehmen. Wir kommen zu zweit (mit einigen Besuchen von Kindern und Enkeln, die auch mal müssen) auf ziemlich genau 50 Rollen Recyclingpapier im Jahr, wären also 25 Rollen pro Person (und die vierzehn Tage Urlaub sind auch großzügig eingerechnet und nein, wir verwenden das Produkt nicht beidseitig).

Das erschien mir sehr wenig, also habe ich eine Rolle (ungebraucht, haha) gewogen, es sind ca. 135 g und nicht 90 g wie für die Tabelle angenommen (oder ist das nur der amerikanische Durchschnittswert?). Somit entspräche unser Verbrauch 37,5 Rollen pro Mensch und Jahr, was allerdings immer noch weit entfernt ist von den angegebenen 134 Rollen. Gibt es eine Erklärung für diese Diskrepanz? Wurden die Exportmengen dem heimischen Verbrauch zugerechnet oder einfach nur etwas oberflächlich recherchiert? Würde der von Ihnen genannte Wert stimmen, hieße das, jeder bräuchte alle drei Tage eine neue Rolle! Sicher gäbe es wichtigere Fragen zu lösen, aber trotzdem Danke für Ihre Bemühungen. – Peter Kleinknecht

 

Es erstaunt doch seher, dass eine Redaktion die so viel mit Papier zu tun hat, nicht in der Lage ist einige stimmige Sätze zur Papierherstellung zu verfassen. Deshalb hier nun die Kurzfassung eines Papiermachers: Papier wird (für die industrielle Fertigung) aus Holzstoff und/oder Zellstoff hergestellt. Das Holz wird zerfasert,aus Stammholz (Durchmesser ca. 10-20 cm) oder Sägewerksabfälle in Form von Hackschnitzel. Für Zellstoff werden Hackschnitzel mit Lauge oder Säure gekocht und ausgewaschen. Soll weißes Papier hergestellt werden, muss der Stoff (Holzstoff oder Zellstoff noch gebleicht werden.

Der entstandene Brei wird stark verdünnt, durch die „Papiermaschine“ mittels Siebe und Filzen entwässert (gepresst wird nur in der „Pressenpartie“ mit Filzen),dann auf dampfbeheizten Zylindern getrocknet und auf sogenannten Tambouren aufgerollt. In der „Ausrüstung“ werden dann die Tamboure in Rollen und/oder Bögen geschnitten. Als Rohstoff findet auch Altpapier Verwendung. Es wird aufgelöst und zur Entfernung der Druckfarbe „deinkt“. Ursprünglich besteht es natürlich auch aus Holzstoff oder Zellstoff. Zur Erreichung bestimmter Eigenschaften werdem dem Papierstoff noch Chemikalien oder Farbe zugegeben.

Das „Papierzeug“, besser Halbzeug oder Halbstoff, ist der Stoff vor der Verdünnung. Er wird weder auf Siebe gepresst noch geschöpft. Papierschöpfen ist ein Begriff aus dem vorindustriellen Zeitalter, als Papier noch aus der „Bütte handgeschöpft “ wurde. Dies wird heute praktisch nur noch für künstlerische Zwecke oder als Hobby gemacht. Ich hoffe hiermit etwas zur Aufklärung beigetragen zu haben. Bin jedoch recht skeptisch, da ich solche oder ähnliche Beschreibungen schon seit vielen Jahren höre oder lese. Mit Gunst von wegen´s Handwerk(der alte Gruß der Papiermacher) – Joachim Wiesse

 

Einerseits sehr interessant, die Grafik No 596, andererseits aber doch erklärungsbedürftig: selbst wenn unsere Rollen nicht 90g sondern 120 g wiegen, so dass pro Kopf nur ca. 100 Rollen pro Jahr verbraucht würden, dann bedeutet das immer noch in unserem 2-Personenhaushalt, dass wir pro Woche 4 Rollen benötigen würden. Das ist blanker Unsinn. Und ein Verweis auf den nicht privaten Verbraucher verfängt auch nicht, denn dort würden ja die gleichen 82 Mio. Deutsche zur Toilette gehen, die sonst zu Hause das stille Örtchen aufsuchen würden. Und Babys brauchen überhaupt kein Toilettenpapier. Gibt es denn noch ganz andere papieraufwändige Anwendungszwecke? Oder sind falsche Daten aus der Statistik entnommen worden? Eine Aufklärung von Herrn Schönauer (Recherche) wäre sehr gern gesehen. – Prof. Dr.-Ing. Arnd I. Urban

 


 

 

Leserbriefe zu „Von Vorlieben und Vorurteilen“ von Sarah Speck

 

Lassen Sie es mich so sagen: Ihre Argumentation tut weh. Nicht weil sie falsch ist, sondern weil Sie Prämissen in Fakten verwandelt. Das sind fake news auf hohem Niveau. Nur so viel : Gleichberechtigung bedeutet gleiche Chancen und Rechte, nicht ein identisches Ergebnis. Uns wollen Sie allen Ernstes behaupten, Männer und Frauen seien gleich? Mitnichten. An dieser Stelle will ich nicht von Hormonen und Limbischen System schreiben – Ich kann Ihnen aber als Arzt versichern, dass es da auf vielen Gebieten – gottseidank- gravierende Unterschiede gibt. Aber Frauen und Männer sind gleich viel wert, sollten gleicherweise gefördert werden, sind vor Gericht gleich zu behandeln usw. ( und hätten in meinem Weltbild gleiche Rechte und Pflichten).

Es sollte aber akzeptiert werden, dass am Ende durchaus unterschiedliche Ergebnisse bei den Lebenskonzepten heraus kommen können. Das work/life balance Konzept ist meines Wissens nicht von Männern erfunden worden. Die früher männerdominierte Medizin ist bereits weitgehend weiblich, als Ergebnis haben wir fast ausschliesslich (sehr hochqualifizierte und sehr gute) Teilzeitärztinnen – nicht wegen männlicher Unterdrückung, sondern weil die Kolleginnen durchschnittlich nicht bereit sind, mehr als 20 kostbare Wochenstunden dem Beruf zu opfern . Oder wie ein/e Journalist/-in (?) schon vor Jahren titelte: „Der Nachfolger des Hausarztes sind drei Hausärztinnen“. Das kann man wollen, dann muss man aber auch den gesellschaftlichen Konsens finden, dass die Allgemeinheit das dreifache an Ausbildungskosten für dieselbe Leistung investieren muss. Und das sind bei uns (bereits im Jahr 2016) rd. 186.000€ pro Medizinstudienplatz. – Dr. med. Mathias Bieberbach

 

Quotendiskriminierung! Dass eine Jahrhunderte währende Aufgaben- und Leistungsdifferenzierung zwischen Frau und Mann nicht in den paar Jahrzehnten der Gleichberechtigung eine Parallelität in praktischer Umsetzung zur Folge hat, ist sicher einsehbar. Es braucht halt etwas Geduld. Schließlich müssen Lebenseinstellungen und –Gewohnheiten herauseitern. Die Quotenregelung für Vorstände ist nun unter konservativen Schmerzen beschlossen. Ich bin fassungslos. Dabei bin ich durchaus der Meinung, dass zwischen Frauen, Männern und Diversen kein Befähigungs- Kriterium besteht. In Vielem mögen Frauen durch i.d.R. höhere emotionale Kompetenz sogar Vorteile haben.

Aber die Geschlechtlichkeit darf bei Besetzung von Funktionen, hier Führungsfunktionen, gar keine Rolle spielen. Entscheidend kann doch nur sein, ob der bisherige Wertegang die gewünschte Befähigung erwarten lässt und ob der Wille, sie nutzen zu wollen, dazu drängt. Dafür ist ein biologisches Kriterium keine Basis. Vielmehr ist die Quote eindeutig eine Herabminderung für alle, die eine solche Funktion als Frau wahrnehmen, auch wenn die Quote keine Rolle spielte. Wie weit sind Quotenbefürworter doch davon entfernt, einen Menschen einfach als einen Menschen zu sehen. – Wolfgang Clausmeyer

 

Ich frage mich, was ist eine „unsichtbare Struktur von Macht“ ? Wenn Macht mächtig ist und wirkt, ist sie sichtbar, das Phantom „unsichtbare Struktur“ dagegen erlaubt es, darin nach Belieben oder mit dem Gestus des „aber eigentlich weiß ich es als tiefschürfender Geist besser“ alles mögliche darin zu finden. – werner dreesen

 

Frau Speck beklagt, dass in „Vorstands- und Führungsebenen“ großer Unternehmen Frauen unterrepräsentiert seien. Sie beklagt nicht, dass Frauen z. B. im Straßenbau oder im Lokführerberuf unterrepräsentiert sind. Seien wir also ehrlich: Es geht nicht um Gerechtigkeit oder Gleichheit (was auch immer man darunter versteht), sondern um Macht und deren Verteilung – allerdings eine Verteilung, die staatlich verordnet wird. Das kann durchaus legitim sein. Aber kann dadurch Chancengleichheit hergestellt werden? Ich bezweifle es. Falls doch, dann müsste man die Quote auch auf andere, weniger mit Macht verknüpfte Berufe ausdehnen. – Dr. Bernhard Suermann

 

In der Regel muss eine Frau, sobald sie Kinder hat, ihre Erwerbstätigkeit für mehrere Jahre aufgeben. Danach hat sie zwar einen Anspruch auf Wiedereinstellung, aber nur auf die alte Vollzeitstelle. Und die kommt für sie nicht mehr infrage, wenn sie zu Hause Kinder zu versorgen hat. Sie kann auch nur arbeiten, solange die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind. Mit all diesen Einschränkungen landet sie dann vielleicht an einer Supermarktkasse oder irgendwo im Reinigungsdienst. Und damit büßt sie, wenn sie zuvor eine durchschnittlich bezahlte Stelle hatte, so viel ein, dass sie am Ende in ihrem gesamten Berufsleben nur 54 % des sonst möglichen Einkommens hat (BertelsmannStiftung 2020).

Auch Renten könnte es ohne sie und ihre Kinder nicht geben, und dennoch verliert sie durch die Kopplung an das Einkommen auch 54 % ihrer Rente. Wer nicht bereit ist, zwischen Müttern und kinderlosen Frauen zu unterscheiden, sollte sich nicht zu Benachteiligung der Frauen äußern. Die Chance, einen Vorstandsposten zu ergattern, das ist dagegen wirklich nur ein Elitenproblem. Die große Masse der Mütter aber wird durch das Rentenrecht in unglaublicher Weise betrogen. Das ist ein Problem für den Gesetzgeber. – Jürgen Schröder

 


 

 

Leserbriefe zu „Geht das nicht grüner?“ von Christiane Grefe und Fritz Habekuß

 

Landwirtschaft schafft Lebensmittel! Stimmt das eigentlich noch? Industrielle Landwirtschaft vernichtet Leben, indem Pestizide, Gülle und anderes so lange auf die Felder ausgebracht wird, bis wirklich alles tot ist – außer dem Mais. Der dann allerding nicht gegessen wird, sondern zu Bio-Energie vergoren wird. Industrielle Landwirtschaft produziert gemeinsam mit der Lebensmittel-Industrie Essens-Sachen (Lebensmittel empfinde ich hier als das falsche Wort), an denen Menschen adipös werden, während sie gleichzeitig an Mangelerscheinungen leiden.

Industrielle Landwirtschaft produziert inzwischen so viel, dass Milch (-pulver-) Seen nach Afrika und Hühnerflügel-Berge nach Asien exportiert werden – und dort Kleinbauern ihre Lebensgrundlage nehmen. Die können sich dann überlegen, ob sie wegen dem von uns gemachten Klimawandel oder wegen nicht mehr vorhandener beruflicher Perspektive flüchten. Zum Glück sind ja beides „nur“ wirtschaftliche Gründe und damit nicht Asyl-geeignet. Fragt sich – außer mir – noch jemand, ob es wirklich richtig sein kann, eine Industrie zu „pimpern“, die dabei ist, uns langfristig zu töten? – Michael Koehn

 

Zunächst muss man deutlich sagen, dass zum Beispiel Getreide heute billiger ist als 1950 in der Bundesrepublik. 1968 wurde das Preisniveau innerhalb der EWG angeglichen, dies hieß für die BRD: gesenkt. Nach massiven Bauernprotesten wurden die Preise ab 1971 dann jedes Jahr ein wenig angehoben und damit (von Ausnahmejahren abgesehen) immer weiter über das Weltmarktniveau hinaus. Zu halten war dieses Niveau durch Ausgleichszahlungen an der Außengrenze: Importe in die Gemeinschaft wurden durch eine „Abschöpfung“ verteuert, Exporte durch „Erstattungen“ verbilligt. Agrarexportländer (insbesondere die USA) kritisierten innerhalb der Welthandelsorganisation zunehmend dieses Verfahren.

Da gleichzeitig die Industrie eine Senkung der Zölle wollte, wurde um 1993 der Außenschutz abgebaut, der EU-Agrarmarkt wurde Teil des Weltmarktes. Als Ausgleich gab es für die Marktordnungsprodukte (zunächst Getreide, Raps) ein Hektarprämie, die je nach dem regionalen Ertragsniveau unterschiedlich hoch war und sich mit der Hektarzahl multiplizierte. In Folge der BSE-Krise setzte die grüne Agrarministerin, Renate Kynast, in der EU dann eine „Betriebsprämie“ durch, die, einmal festgesetzt, nicht mehr vom vom tatsächlichen Anbauumfang der genannten Früchte abhängig war; dies sollte eine Extensivierung bewirken, so die Idee von Kynast und der EU.

Aber auch die Betriebsprämie ist abhänging an der Größe des Betriebes, also der Hektarzahl. So erhält der Nebenerwerbsbetrieb mit zum Beispiel 5ha Fläche nur einen Bruchteil von einem 5.000ha-Großbetrieb. Aber die Betriebsprämie war von Beginn an an die Einhaltung etlicher „ökologischer“ Bedingungen abhängig. Überwacht wird dies durch ein neu geschaffenes Kontrollsystem. Insgesamt ist dies mit erheblicher Bürokratie verbunden. Schon vor Beginn dieser Prämiensysteme wurden Obergrenzen pro Betrieb oder Abschläge für große Betriebe diskutiert.

Was ein großer Betrieb ist, das wird schon innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich gesehen, erst recht gilt dies für die gesamte Gemeinschaft. Auch muss man sich darüber im Klaren sein, dass bei Obergrenzen eben größere Betriebe geteilt werden (dies ist bei anderen Regelungen schon vielfach praktiziert worden). Es ist verständlich, wenn der Geldgeber nach bald 30Jahren „Preisausgleich“ (etwa eine Generation) die Bewilligung der Mittel an noch strengere Kriterien knüpft. Aber man muß sich im Klaren sein, dass dann, wenn Landbewirtschaftung auch unter den neuen Bedingungen rentabel betrieben werden kann, weiterhin Betriebe mit mehr Fläche auch mehr Geld erhalten werden. Das Höfesterben wird bei den allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen weitergehen. – Adolf Ronnenberg

 

39: Graphik: Ausgelaugte Felder statt blühender Landschaften Immer wieder wird behauptet, moderne, sog. industrielle, Landwirtschaft führe zu völlig ausgelaugten Böden. Wie verträgt sich diese Behauptung mit den Tatsachen, dass noch nie so hohe Flächenerträge erzielt wurden, dass noch immer und teils zunehmend das Grundwasser durch Nitrate belastet wird und dass Flüsse und Seen von Eutrophierung bedroht sind. Völlig ausgelaugte Böden enthalten dem Wortsinn nach keine Nährstoffe, also können keine Pflanzen wachsen und keine Nährstoffe ausgetragen werden. So simpel kann man die Bodenprobleme moderner Landwirtschaft nicht beschreiben! – Dr. Artur Behr

 

Im ersten Teil beschreiben sie die Entwicklung und den Zustand der EU Landwirtschaft in Form einer Erzählung. Es werden neidträchtige Klischees bemüht: Das englische Königshaus, große Landbesitzer, Munich-Re und die Aldi Erben, die Subventionen bekommen. Das mag ärgerlich sein, lenkt die Leser vom Wesentlichen ab und spielt für das grundsätzliche Problem einer sinnvollen Landwirtschaftspolitik eine untergeordnete Rolle. Die industrielle Landwirtschaft erzielt hohe Erträge mit Dünger, Pestiziden und schweren Maschinen. Zu keiner Zeit waren die Landwirtschaftsbetriebe besser( industriell = effektiv) organisiert, wurden Pflanzenschutzmittel so genau und sparsam dosiert und verursachten die schweren Maschinen weniger Bodendruck als heute. Die Lösung sollen die sechs Forderungen für eine neue Agrarpolitik bringen, verfaßt von hoch renommierten Wissenschaftlern. Jeder Autor bringt wichtige Argumente und Wünsche ein.

Es fehlt bei allen Vorschlägen eine Folgenabschätzung!! Eine Gesamtlösung wirkt sich auf die Umwelt aus, auf die Sicherheit, die Qualität und den Preis der Ernährung, auf Existenz und die sozialen Verhältnisse des gesamten ländlichen Raumes (55% der EU Bürger). Eine Gesamtlösung benötigt politische Mehrheiten, die Akzeptanz der Betroffenen und der gesamten Bevölkerung. Meines Erachtens gibt es keine Patentlösung. Es gilt die Situation fair und vorurteilsfrei zu analysieren, das bestehende nicht zu verachten, klare politische Ziele zu formulieren und diese einer grünlichen Folgenabschätzung zu unterwerfen. – Rainer Heukamp

 

Neu kann man die für 2021 bis 2027 derzeit vorgeschlagene Agrarpolitik kaum nennen, denn das unheilvolle Prinzip der Zahlungen pro Hektar wird weitgehend beibehalten. Es ist beschämend und macht mich wütend, dass die deutsche Lanwirtschaftsministerin bei der Wende hin zu einer klimafreundlicheren und tierwohlgerechteren Landwirtschaft zu den Hauptbremsern gehört ! Die deutschen Landwirte brauchen sich nicht anzustrengen, um die scharf kritisierten Missstände zu beheben (extrem schmerzhafte Ferkelkastration, Kastenstand für hochträchtige Sauen u.a.), denn sie können sicher sein, dass unsere Agrarministerin ihnen rechtzeitig neue Übergangsfristen gewährt. Wann wird sich das endlich ändern ?? – Irene Steels-Wilsing

 


 

 

Leserbriefe zu „Vertrödelte Energiewende. Warum droht das Aus für Solardächer?“ von Petra Pinzler

 

Gemäß Zahlen der BNetzA erzeugten 2019 die PV-Anlagen 75 % ihres Stroms im Sommerhalbjahr April – Sept und 25 % davon im Winterhalbjahr (Jan – März + Okt – Dez). Im Winterhalbjahr liegt aber die nötige Stromerzeugung bei über 54 % der Jahreserzeugung (46 % im Sommerhabjahr). Diese Quote soll zukünftig politisch gewollt weiter steigen. Die dramatischen Engpässe in den nächsten 10 Jahren werden die abendlichen Winterspitzen zwischen 17 und 20:30 Uhr sein: Die „Dunkelflaute“ + Kälte über einige Stunden von 17 – 22 Uhr ist der natürliche Feind der erneuerbaren Stromerzeugung!

Jeder Euro für weitere PV-Anlagen ist sinnlos verpulvertes Geld, auch wenn man diese Kosten über die EEG-Umlage auf die Allgemeinheit abwälzen darf. Faktisch löst dieser Ausbau keines der realen Probleme der 2020er Jahre, insbesondere nicht der dank E-Mobilität + Wärmepumpen weiter steigenden Abendspitzenlasten (PV = NULL!) von bald über 90 GW im Winter. Zuerst großtechnische H2-Speicher für einige Mrd. kWh funktionsfähig entwickeln, dann erst schrittweiser weiterer Ausbau!

Zur INFO: Im Winter tritt schon immer neben der üblichen Mittagsspitze eine zweite stark ausgeprägte Abendspitze von etwa 17 – 20:30 Uhr mit (werktags) maximal et¬wa 75 – 82 GW auf. Da dann PV systematisch ausfällt und Wind manchmal bspw. für 20 (zusammenhängende) Stunden durchschnittlich < 2 GW (≈ < 3,4 % der Kapazitäten) verfügbar ist, droht abends im Winter die größte Black-Out-Gefahr. In 34 (zusammenhängenden) Stunden an 1 ½ Tagen Ende Januar 2019 trugen die gesamten Erneuerbaren 14,4 % zur nötigen Stromerzeugung bei; 85,6 % (fast das Sechsfache!) kam aus konventionellen Anlagen.

Dann sind selbst bei 120 GW Windkraftanlagen in 2030 bei Dunkelheit + Kälte + Flaute 2025 nur maximal 18 GW EE-Kapazitäten verfügbar, da ja genau in diesen Situationen PV immer = NULL ist. Diese abendliche Winterspitze wird absehbar pro Million E-Autos um ca. 2,2 GW ansteigen: Bei den angestrebten 9 Mill. E-Autos + zahlreiche Wärmepumpen für Heizung im Jahr 2030 also in Bereiche nahe 100 GW. Genau für diese höchst riskanten Situationen ab 17 Uhr kann Photovoltaik im Winterhalbjahr ohne riesige Wasserstoffspeicher und Wiederverstromungstechniken nichts beitragen: Erst riesige Speichertechniken verfügbar haben, dann weiterer PV-Ausbau! – Prof. Emeritus Dr. rer. pol. Wolfgang Ströbele

 

Es scheint mir verdienstvoll von Frau Pinzler zu sein, den Wirtschafts­minis­ter Peter Altmaier von der CDU wegen seiner vertrödelten Haltung in Sachen grüner Strom zu kritisieren. Seit kurzem allerdings lese ich alles, was zur Energiewende gesagt wird, mit ganz ande­ren Augen. Am 24. November hat ARTE um 21.15 Uhr unter dem TitelUmweltsünder E-Autoeinen Doku­men­tarfilm aus Frankreich gezeigt, der nachweist, dass nicht nur Elektroautos mit ihren Batterien das Klima stark belasten, sondern auch Windräder und Solardächer. Das dürfte den meisten Menschen nicht geläufig sein. Auch in Windrä­dern und Solarzellen stecken offenbar äußerst problematische Materia­lien, so dass der grüne Strom so grün überhaupt nicht ist! Es geht unter anderem um seltene Erden, um Kobalt und Lithium, um Kupfer und Graphit, was alles unter verheerenden Bedingungen abgebaut wird und zum Teil gar nicht ausreichend vorhanden ist. Ich möchte die ZEIT bitten, uns darüber aufzuklären. – Nithart Grützmacher

 

Vielen Dank für Ihren sehr guten und kritischen Beitrag rund um die vorsätzlich verschlafene Energiewende und das Versagen auf der ganzen Linie von Herrn Altmaier (Minister des BMWi) Ich lade Sie hiermit herzlich in das Photovoltaikforum ein, um dort weitere Eindrücke und Meinungen zum EEG2021 aufzufangen. https://www.photovoltaikforum.com/thread/147837-eeg-2021-gesetzesentwurf-der-bundesregierung/?pageNo=151Die Gruppe der EE Produzenten ist in DE leider stark unterrepräsentiert, es gibt praktisch keine Lobby und ohne Lobby funktioniert in der deutschen gesetzgebung leider nichts.

Es grenzt an Idiotie, dass inzwischen Entwürde und Forderungen kuriseren, wonach in der Übergangsphase die produktion von „grünem H2“ mit Braunkohlestrom gefördert wird und neben der Förderung für den eigentlichen Anlagenbau auch noch die komplette Entlastung von der EEG Umlage auf den eingesetzten Strom geplant ist. Hier wird Steinzeittechnologie mit Lebenserhaltenden Maßnahmen der Politik gefördert, obwohl jeder inzwischen weiß, dass man die Kohle so früh wwie möglich abschalten muss und Deutschland dazu auch in der Lage wäre, wenn die Energiewende nicht systematisch blockiert und verhindert werden würde.

Die Ergebnisse davon sieht man im geplanten EEG2021 und den Schriftstücken, die in dessen Dunstkreis aktuell als Entwürfe kreisen. Auf der einen Seite wird der Ausbau von EE von unserem EE Verhinderungsminister systematisch blockiert und mit Bürokratie überfrachtet. Hinzu kommen sollen jetzt neue Auflagen und Abgaben für intelligente Messsysteme, Regelungssysteme und Meldeverfahren (MaStR). In den vergangenen Jahren gab es keine einizge Veränderung in diesem Bereich, die den Bau einer PV Anlage einfacher, unbürokratischer oder für den EFH Besitzer reizvoll gemacht hätte. In diesem Zusammenhang als Ergänzung, wie es aktuell in NL aussieht. https://www.zdf.de/politik/frontal-21/eeg-reform-torpediert-klimaschutz-100.html1. Es ist einfach. 2. Es ist nahezu formlos möglich 3. einfache Abrfechnung 4. keine Steuerwirkung Eine EE förderndes und EE bejaendes EEG2021 sollte u.a. die folgendne Regelungen enthalten.

– Entfall der EEG Umlage auf DV bis 30KWp – Ausbauziele für PV und WKA deutlich anheben – Entfall der Ausschreibungen bis 750KWp oder 1000KWp, Nutzung auf EV bleibt möglich – Ü20 Anlagen bekommen festen Preis von 4 Cent pro KWh – EEG auf Einspeisevorrang und Verbrauchsvorrang umstellen, hier wurde 2009 durch die FDP der Grundstein für den Niedergang der EE gelegt – da wo WKA/PV entsteht müssen VNB zeitnah anschließen und für den Netzausbau sorgen – kein iMS bis 30KWp, nur freiwillige Möglichkeit wie bei aWATTar o.ä.

– komplette Steuerbefreiung für PV auf EFH bis 30KWp – PV Pflicht bei Neubau mit mind. 1KWp pro Quadratmeter Nutzfläche (Supermarkt, Büro, Industriehall, Sporthalle, usw.) – EEG Umlage komplett aus der Steuer finanzieren, Strompreis um 6 Cent senken, für alle – Uneingeschränktes Recht auf Repowering am gleichen Standort speziell bei WKA; ohne Wirkung von 10H, Abstandsregeln, Bürgerinitiativen und sonstigen „wir sind einfach mal gegen alles Volk“. – Tobias Richter

 

Die Frage muss nicht lauten, was Herr Altmaier an der Klimakrise nicht verstanden hat, sondern Sie an den Grundprinzipien des Strommarktes. Trotz politischem und journalistischem Wunschdenken fehlen nach wie vor Speichertechnologien. Es gilt immer noch das physikalische Prinzip, Stromangebot muss immer gleich der Stomnachfrage sein. Die von ihnen so gelobten und weiter zu fördernden Solardächer produzieren bei gutem wetter nur für wenige stunden am tag strom. An wolkigen tagen, nachts, morgens und abends so gut wie nichts. Meinen Sie damit ein Industrieland wie Deutschland verlässlich versorgen zu können? Fördermilliarden über das EEG hatten beim Solarstrom so gut wie keine Effekte auf den strommarktanteil. Ausser das schon reiche eigenheimbesitzer noch weitere zuschüsse bekommen. Aber träumen sie weiter von grünen Märchen; die Energiewende droht an fehlendem technischen Sachverstand zu scheitern. – Bernd Wermelskirchen

 


 

 

Leserbriefe zu „Neues Spiel“ von Kerstin Kohlenberg

 

Ich spreche inzwischen von einer Hysteriekultur, wenn die Medien nicht lediglich die Realität und die Positionen gesellschaftlicher Gruppen wiedergeben, sondern ständig eigene Annahmen kolportieren. Deshalb glaube ich, dass eine Rückkehr Trumps extrem aufgebauscht wird, weil auch die ZEIT inzwischen Zuspitzungen und Vereinfachungen als besser verkaufbar ansieht. Kohlenberg kommt am Schluss nicht zu Annahmen, sondern zu vereinfachten Feststellungen über die Zukunft von Biden, den Demokraten und Trump. Wie die meisten Journalisten heutzutage lebt auch sie eine Tendenz zur Übertreibung, zur Verzerrung, zum Negativismus. Mit der Hoffnung von Charlotte Parnack, das Patriachat wird auch allgemein dran glauben müssen, geht meine Sorge einher, die geneigte Leserschaft wird durch ein journalistisches Matriarchat neu kontaminiert. – Jürgen Dressler

 

Ernsthaft? Joe Biden soll die amerikanische Demokratie “retten”, indem er deren Institutionen (Senat) und Prozesse (Kompromissfindung) ignoriert. Und weil die Republikaner “unfair” spielten, solle er zum “Hardball”-Spieler werden. Dann könne er auch ohne den lästigen Senat seine Agenda verwirklichen und alles würde quasi gut werden. Gut gemeint ist nur leider oftmals das Gegenteil von gut.

Der Wettstreit der Ideen ist Kennzeichen des demokratischen Wettbewerbs. Mit besseren Argumenten konnte Joe Biden die Mehrheit der Wähler überzeugen. In der Tat geht es nun um das Erreichen politischer Ziele. Allerdings leistete er sich, seinen Anhängern und letztlich der amerikanischen Demokratie einen Bärendienst, würde er ihrem Ratschlag folgen. Vielmehr sollte er den Diskurs suchen und so mehrheitsfähige Lösungen finden. Das mag zwar der steinigere Weg sein. Aber lernen, wie Hardball funktioniert, ist der Holzweg. – Thomas Au

 

Den Artikel über den Machtwechsel in den USA von Frau Kohlenberg fand ich insofern lesenswert und außergewöhnlich, weil im Artikel nicht nur die Probleme dargestellt werden, mit denen der zukünftige Präsident es wahrscheinlich nach der Stichwahl über die beiden Senatoren in Georgia sowohl bei der Zustimmung zu seinem designierten Kabinett als auch bei der Durchsetzung seiner politischen Projekte zu tun haben wird. Bemerkenswert fand ich vor allem die konkreten Vorschläge, wie Biden unter Umgehung des Senats zum Beispiel eine kostenlose Behandlung für Corona-Kranke als Pilotprojekt durchsetzen könnte. Auch die weiteren Im Artikel genannten Vorschläge sind interessant.

Falls derartiges nicht ohnehin in den USA als Option diskutiert wird, würde ich es sehr begrüßen, wenn der neuen amerikanischen Administration dieser Artikel nicht mehr oder weniger zufällig bekannt würde, sondern er ganz gezielt – vielleicht sogar in Übersetzung – zur Kenntnis gebracht werden könnte. Ihre Redaktion oder Ihre Verlagsleitung sollte sich vielleicht darüber Gedanken machen, auf welche Weise oder über welche „Kanäle“ bzw. Verbindungen dies möglich wäre. Denn – auch hier stimme ich mit der Autorin überein – wenn Biden das alltägliche Leben einer Mehrheit der Amerikaner nicht spürbar verbessern kann, hätten weder Biden noch Kamala Harris eine zweite Chance. – Harald Wisselinck

 

Ist diese Feststellung korrekt: Trump hat seine Mauer an der Grenze zu Mexiko in großen Teilen gebaut…. Nichts hat er . schauen Sie sich bitte die offiziellen Zahlen an. Man könnte von einem Leitartikel mehr erwarten. – Friedrich Brandt

 

Sehr geehrter Mr. Joe Biden, es hat mich gefreut, dass Sie es nun geschafft haben und am 20. Januar 2021 zum 46. Präsidenten der USA ernannt werden, ungeachtet aller Störfeuer des 45. Die Wahl Ihrer Vizepräsidenten Kamala Harris und Ihres Mitarbeiterstabes lässt uns Deutsche, eigentlich ganz Europa, aufatmen und bald in eine Verlässliche Zukunft schauen. Ich hoffe, dass Sie es schaffen, dass was unter dem Präsidenten Barack Obama, auch schon mit Ihrer Hilfe, begonnnen wurde fortzusetzen und neue Ideen einzubringen sowie alten aufleben zu lassen. Für die vielen wichtigen Themen wünsche ich Ihnen Kraft und Durchsetzungsvermögen. Wie es geht wissen Sie ja besser als viele Andere. Führen Sie die USA in den nächsten 4 vielleicht gar 8 Jahren wieder dorthin wo es hingehört. Als Präsident für alle Amerikaner. Hierfür viel Glück und Gottes Segen Ihnen, der First Lady, der Vizepräsidentin und Ihrem ganzen Team. Herzlichst Ihr Felix Bicker aus Deutschland (Essen im Ruhrgebiet). – Felix Bicker

 


 

 

Leserbriefe zu „Lehrer brauchen Nachhilfe“ von Ekkehard Winter

 

Im Jahr 1978 wurde ich als Mathematik- und Geographielehrer in Niedersachsen eingestellt. Kurzfristig erlebte ich noch ein ausgewogenes Weiterbildungsprogramm für Lehrkräfte, das dann ganz schnell aufgelöst wurde durch eine Regionalisierung und rigorose Sparmaßnahmen. Ich kann ein Anekdotenbuch füllen mit meinen Weiterbildungserlebnissen während 35 Dienstjahren. Verantwortlich für die Weiterbildung seiner Arbeitnehmer ist vor allem der Arbeitgeber, sie liegt auch in seinem Interesse, wie Ekkehard Winter überzeugend darstellt.

Wenn die Lehrkräfte durch die Anforderungen der Schulbürokratie gnadenlos überfordert werden und sich in ihrer Freizeit ausschließlich selbst um ihre Weiterbildung bemühen müssen, ohne dazu in irgendeiner Form gezwungen oder belohnt zu werden, kann das nichts werden. Aus der Sicht meiner Fächer kann ich nur feststellen, dass die Schulmathematik bis heute weder auf Taschenrechner noch Computer angemessen reagiert hat und die Geographie das Angebot durch das Internet nicht angemessen nutzt; ein Verhalten, dass in der freien Wirtschaft schon längst in den Ruin geführt hätte. Entmachtet die Schulbürokratie, gebt der Schule Freiheiten und Anreize, damit können wir weiterkommen. – Axel Heinze

 

In seinem Beitrag über die Ausstattung der Schulen und die Kompetenzen der Lehrer stellte Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutschen Telekom Stiftung, fest, die Pädagogen seien nicht „nicht gut gerüstet für die vielen Herausforderungen“ und das ganze System sei schlichtweg „ineffizient“. Angesichts solch pauschaler Aussagen reibt man sich schon die Augen, wenn man liest, mit welcher Arroganz selbsternannte „Experten“ ihre Kritik von außen an die Schulen herantragen. Spätestens wenn dann die Arbeit der Lehrer mit der Arbeit von Chirurgen im OP und von KFZ-Mechanikern in der Werkstatt verglichen wird, offenbart sich die Substanzlosigkeit solch schräger Analogieschlüsse.

Arbeit in der Schule (und den Kitas) bedeutet in erster Linie Erziehung und Bildung. Das ist weit mehr als das Vermitteln technischer Fähigkeiten, auf das einzelne Vertreter der Wirtschaft die Schulen gerne reduziert sehen wollen. Es beinhaltet das Staunen, Erkennen und selbst Nach-Denken in der Begegnung von Mensch zu Mensch.Der Bonner Mathematikprofessor Peter Scholze hielt anlässlich der Verleihung der Fields-Medaille kürzlich fest, dass für einen kreativen Mathematikunterricht Tafel und Kreide vollkommen ausreichend seien. Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, alte Inhalte und neue Techniken gegeneinander auszuspielen. Beides wird sich in Zukunft sinnvoll miteinander ergänzen müssen. Aber die Inhalte werden der Maßstab guten Unterrichts sein und bleiben. Dass die unzutreffende Kritik an Schule und Unterricht ausgerechnet von einem Mitarbeiter der Telekom stammt, die, neben der Automobilindustrie, geradezu zum Sinnbild der verpassten und sogar verschleppten Weiterentwicklung in Deutschland wurde, mag besonders befremdlich klingen. – Dr. Ralph Erbar

 

Ja, da gebe ich dem Autor uneingeschränkt Recht. Können wir gut gebrauchen! Ich habe jedoch meine Zweifel, ob die Hochschulen und ihre Wissenschaftler als Fortbildner wirklich geeignet sind. Aus meiner Sicht sind sie zu weit weg vom Schulalltag. Und ich habe lange in einer Funktion gearbeitet, in der es meine Aufgabe war, den angesprochenen Wissenstransfer zu leisten. Wir bräuchten für eine gute Vernetzung von Forschung und Praxis so etwas wie „Universitätsschulen“, analog zu Universitätskliniken. Professoren/Professorinnen unterrichten dann in besonders herausfordernden Klassen und zeigen uns Lehrkräften, wie man gut und effizient unterrichtet und Probleme löst. Behandeln nicht auch die Universitätskliniken die besonders schwierigen Fälle?

Es ist für mich ein NO-GO, dass wir uns von Hochschulprofessoren/Hochschulprofessorinnen Nachhilfe holen sollen, die seit Jahren, wenn überhaupt eventuell nur einmal im Referendariat, vor einer Klasse gestanden haben und vielleicht deshalb in ihren Universitäts-Kokon geflüchtet sind, damit sie auch niemals mehr vor einer Klasse stehen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass die Kompetenzen einzelner Lehrerinnen und Lehrer in einzelnen Bereichen hervorragend sind. Es fehlen nur das Geld und die Zeit, diese Kompetenzen für viele Lehrkräfte nutzbar zu machen. – Jutta Berkenfeld

 


 

 

Leserbriefe zu „Im Goldrausch“ von Ingo Malcher und Marc Widmann

 

Was haben die sich eigentlich gedacht, damals in Schengen, als sie jedem Hausmeister erlaubt haben, Generalschlüssel für die ganze Stadt zu vergeben … ohne Mitsprache und Einwilligung der anderen? Wie an so vielen Stellen wurde offenbar auch hier der letzte Schritt vor dem ersten gemacht. – Hans List

 

Natürlich ist es ein Skandal, dass Zypern, Malta und andere Länder Pässe an fragwürdige Ausländer verkaufen. Aber ist es besser, wenn Deutschland einen großen Teil der libanesischen Clans deutsche Pässe gibt? – Hans Spichalsky

 

Goldene EU-Pässe! Das Geschäft mit Gefälligkeits-Pässen und -Visa für die EU, aber auch für Steuer-und Kapitalflüchtlinge in andere Regionen (etwa in der Karibik oder in der Südsee) läuft ja schon länger und relativ ungestört. Auch das Modell Doppel- bzw. Zweitpass (hierzulande ja Migranten als angeblicher Integrationsanreiz geradezu aufgedrängt) ist in diesem Kontext erfunden worden: denn wer würde seinen EU- oder US-Pass schon gegen einen Pass etwa der Solomonen eintauschen wollen.

Beliebt war auch die illegale Vergabe bzw. der Verkauf von EU-Pässen durch Portugal in den ersten Jahren nach dessen Beitritt zur EU (20xx) an dortige Immigranten aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien. Die konnten sich damit im Rahmen der EU-Freizügigkeit als frischgebackene portugiesische EU-Bürger im gesamten EU-Raum niederlassen oder Arbeit finden. Und in Bulgarien wurden -gegen Cash- nicht nur Interessenten aus den GUS-Ländern an EU-Pässe kommen, sondern -über verwandtschaftlich Beziehungen zur dort ansässigen türkischen Minderheit- auch Interessenten aus der Türkei.

Aber auch Deutschland war bzw. ist an dieser Masche beteiligt: Die erwähnte massenhafte Gewährung von deutschen (also EU-)Pässen vor allem an türkische Migranten wird nicht von allen EU-Ländern geschätzt, ebenso wenig Anfang der 00er Jahre das großzügige Ausstellen von goldenen Touristen-Visa an Ukrainerinnen (unter dem Außenminister Fischer): letztere wurde vor allem von Menschenhändlern für den Transfer von Prostituierten in die EU missbraucht, bis der Skandal europaweit aufflog.

Einen ganz besonderen Fall stellt eine Gruppe von etwa 60 Hong Kong-Bürgern dar: im Jahr der Rückgabe der Kronkolonie an China, das mit dem deutschen Wende-Jahr 1990 zusammenfiel, waren vom findigen letzten DDR-Außenminister Diestel (der später auch mit anderen kreativen Machenschaften auffiel) gegen Kredite von etwa 15 Milliarden DM (West) goldene DDR-Pässe an 52 Unternehmer aus Hong Kong vergeben worden, die sich damit -in weiser Voraussicht, wie sich nun zeigt- eine EU-Option sichern wollten. Mit dem Beitritt der DDR zur BRD wurden daraus ein paar Monate später deutsche EU-Pässe, und aus den Hong Kong-Chinesen deutsche Staatsbürger. Gegen diese damaligen DDR-Preise sind die derzeitigen Pässe von Malta und Zypern die reinsten Schnäppchen. – Prof. Bernd Leber

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Quote – diskriminierend oder notwendig?“ von Simone Bagel-Trah et al.

 

In #49 haben Sie in mehreren Artikeln zur Frauenquote Bezug genommen. Erstaunlich, dass so viel Aufhebens nötig ist. Ich wünsche mir auch von den Medien, dass der Begriff Quotenfrau nicht so negativ konnotiert wird! Ich bin gerne Quotenfrau: denn nur durch die Vorbildfunktion trauen sich junge Frauen mehr zu, werden Rollenklischees aufgebrochen. Es muss normaler werden, weibliche Führende und Fachleute zu sehen. Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung, Gehältergleichheit – all das ist schon recht weit gediehen oder lässt sich individuell erreichen. Was fehlt ist das Normale, Alltägliche: „eine Frau in der Leitung – nicht der Rede wert“ . Nur mit der Frauenquote wird sich der gewohnte Zustand ändern. Und frau braucht dann nur noch ein normales Level an Ehrgeiz und Machtstreben, um in der Hierarchie aufzusteigen. Nur mit der Frauenquote werden wir zukünftig keine Frauenquote mehr brauchen. – Ulrike Winterwerber

 

Der Zeitgeist verlangt Gleichheit, überall. Die Quote folgt diesem Gedanken. Die reale Welt sieht anders aus, es gibt Unterschiede. So haben Frauen andere Stärken und Interessen als Männer. Deshalb sind Frauen z.B. beim Schachspiel (es gibt kaum Großmeisterinnen, 2500 Elo-Punkte), in der Musikkomposition, Formel 1, Hochtechnologie/Silicon valley, Flugzeugpiloten total unterrepräsentiert. Natürlich treten im Sport selbstverständlich Frauen und Männer getrennt an. Nur im Top-Management und in der Politik ist das freie Spiel der Kräfte unerwünscht und muss deshalb ausgehebelt werden. Von einer Quote bei der Müllabfuhr ist bisher keine Rede. – Ernst Lothar Helwig

 

Heute schreibe ich Ihnen meinen ersten Leserbrief. Seit einem halben Jahr bin ich Abonnentin Ihrer Wochenzeitung, höre schon seit Jahren begeistert Ihre Podcasts und in unserer WG freuen wir uns jeden Donnerstag ungemein über das neueste Zeiträtsel. Nun aber zu meinem Anliegen: Auf den Beitrag zur Quote auf Seite 24 war ich sehr gespannt. Da ich noch Studentin bin, herrscht in meiner sogenannten ‚bubble‘ große Einigkeit, dass die Quote von großer Bedeutung ist und längst überfällig war. Umso mehr interessierte mich, wie also Frauen in hohen Positionen dazustehen. Da ich beim Durchlesen des Beitrags von Frau Ostermann über den Begriff „Familienunternehmerin“ stolperte, begann ich ein bisschen zu recherchieren. Schnell wurde deutlich, dass exakt diese vier Frauen, das Thema Quote als eher kritisch ansehen, die selber Töchter oder direkte Nachfahrinnen von Gründern sind. Hierbei hat mich zweierlei geärgert.

Erstens: Warum wird bei Frau Bagel-Trah nicht erwähnt, dass sie Ururenkelin des Gründers Fritz Henkel ist? Oder dass Frau Sarna Röser in dritter Generation das Unternehmen ihrer Familie leitet? Oder dass Frau Susanne Kunschert die Tochter des Pilz-Gründers ist? Solche Informationen sind essentiell, um eine faire Transparenz zu gewährleisten. Denn, das Zweite, das mich an der Haltung dieser Frauen ärgert, ist, dass sie nicht sehen, dass „Tochter sein“ ebenfalls eine Art Quote ist. Damit möchte ich nicht behaupten, dass sie deshalb nicht gut und erfolgreich in ihrer Position sind oder sein können. Aber weniger Selbstgefälligkeit, mehr Ehrlichkeit und die Einsicht, dass man im Prinzip auch eine „Quotenfrau“ ist, würde nicht schaden. – Charlotte Weimann

 


 

 

Leserbriefe zu „Was geht mit 78 Jahren?“ von Henning Sußebach und Özlem Topçu

 

Deutschland hat im Gegensatz zu asiatischen und afrikanischen Ländern keine gewachsene Akzeptanzkultur gegenüber der Schaffenskraft von Menschen im Alter und es wird auch in den Medien i.d.R. nicht zum Thema gemacht. Deshalb ist der Artikel in „Die Zeit“ auch erfreulich locker und begrüßenswert. Im Interview geht es u.a. Anderem um die Frage nach dem Nachlassen verschiedener Fähigkeiten durch den Alterungsprozess. Ohne Zweifel lassen mit zunehmendem Alter physische Fähigkeiten nach, v.a. die mit Geschwindigkeitsabläufen zu tun haben, aber: Die Urteilskraft ist die einzige Fähigkeit die mit dem Alter zunimmt.

Dazu kann man bei bei Kant, bei de Bevauvoir und bei Susan Neumann wohltuende und bestätigende Argumente nachlesen, z.B: de Bevauier, „Auf vielen Gebieten – Philosophie, Ideologie, Politik – ist der alte Mensch einer synthetischen Schau fähig, wie sie den Jungen versagt ist. Oder Susann Neumann „In der Regel führt Älterwerden zu einem besseren Urteilsvermögen, wie auch ein gutes Urteilsvermögen ein Zeichen von Erwachsensein ist. Wer also im Alter Geschwindigkeitsabläufe von sich aus zurücknimmt, kann andererseits gesteigerte Freude an sinnvollem Tun und Engagement und Urteilsvermögen gewinnen. – Willi Zimmermann

 

„Was geht mit 78 Jahren?“ Man kann z.B. Shopping Queen werden! Meine Schwiegertochter hatte mich vorgeschlagen als ihre Shopping-Begleitung. Bei den Casting-Aufnahmen bin ich dann gefragt worden, ob ich nicht auch antreten wollte. Ich kannte die Sendung überhaupt nicht und habe trotzdem – oder gerade deswegen – spontan ja gesagt. Und bin dann 2018 Shopping Queen geworden – mit 78 Jahren…. Hat total Spaß gemacht und ich habe eine neue Welt kennengelernt! Mein Motto: „Nie vernünftig werden…!“ – Antje Vogel-Steinrötter

 

Sympathisch nichtssagend, die fünf Herrschaften. Zufrieden, selbstzufrieden, angekommen! Hab mir dazu auch ’nen Whisky eingeschenkt, 18 Uhr! – Jochen Waibel

 


 

 

Leserbriefe zu „Der Sturz der Gerechten“ von Anna Mayr

 

Ich hoffe, Ihrem Kopf geht es wieder gut. Nein, Ihr Sturz und Ihre Beitrag darüber haben mir nicht geschadet. Im Gegenteil, Sie haben das geschrieben, was ich als Rad fahrender und zu Fuß gehender Verkehrsteilnehmer auch schon lange denke. Danke dafür. Dass die ‚Kannibalisierung‘ (guter Begriff dafür) von Rad- und Tramfahrern stattfindet, hängt, wie ich glaube, damit zusammen, dass diese Verkehrsteilnehmer wirtschaftlich betrachtet keinen großen Beitrag leisten. Im Gegensatz zu den Autofahrern, die ja die Autoindustrie und alles was damit zusammenhängt am Leben erhält. Und dieser Wirtschaftszweig ist wohl so wichtig, dass sogar ein grüner Ministerpräsident sich zum Handlanger desselben macht. Fällt uns in Deutschland denn nichts anderes mehr ein? Im Land der Tüftler? Bleiben Sie gesund und unfallfrei. – Uwe Endress

 

Ist es heutzutage nicht mehr möglich , einen Sturz mit dem Fahrrad darauf zurückzuführen, dass man selbst nicht aufgepasst hat und deshalb in die Tramschienen geraten ist? Nein – es müssen die parkenden Autos oder überhaupt die ungerechte und gnadenlose Gesellschaft daran schuld sein – einfach lächerlich! Die eigene Ungeschicklichkeit zu einem großangelegten Rundumschlag gegen alles und jeden aufzubauschen – einfallslos! Dass Anna Mayr dann noch eine halbe Stunde vor dem Textende sitzen muss ist, ist entlarvend. Wer da wohl wieder dran schuld war? – Bertram Gauß

 


 

 

Leserbriefe zu „Wo ist Anna?“ von Tanja Stelzer

 

Nein! Was tun Sie diesen armen Frauen an? Sie werden erneut missbraucht. Wer möchte die kaputte Seele dieses Mannes kennenlernen? Warum brauchen wir Einblicke ich die Fehler und Unterlassungen des Polizei- und Justizapparats? Warum strapazieren Sie uns mit solchen Abgründen und dann noch in einem wortreichen Dossier? Falsche Entscheidung. Verrat an Ihren Leserinnen und Lesern, die in diesen Zeiten einen kühlen Kopf brauchen und nicht aufgeputschte Gefühle durch einen so überflüssigen Artikel. Ein Absturz Ihrer redaktionellen Weisheit, finde ich. – Gabriele Heise

 

Seit Jahren bin ich Abonnentin der Zeit. Ich schätze die Zeit aufgrund der Berichte über interessante naturwissenschaftliche Forschung und gut recherchierte Reportagen über die Entwicklungen in Politik und Gesellschaft. Mein 10jähriger Sohn hat die Zeit seit Kurzem auch für sich entdeckt. Er macht die Schachrätsel im Zeitmagazin und liest einzelne Artikel. Ich sah bis jetzt keinen Grund, ihm das zu verbieten. Letzte Nacht konnte er nicht einschlafen. Es stellte sich heraus, dass er Ihren Artikel „Wo ist Anna?“ ( Zeit Nr. 49 vom 26.11.2020) gelesen hatte. Um zu verstehen, was ihn bewegt, las ich den Artikel ebenfalls komplett. Mir ist klar, dass die Zeit keine Kinderzeitung ist. Aber auch als Erwachsene muss ich sagen, dass die Beschreibung grauenhafter Gewalttaten mir keinen Mehrwert bringt.

Weder wird in dem Artikel konkret darauf hingewiesen, wie man solche Verbrechen konsequenter verfolgen kann, noch gibt es Anregungen, wie Frauen besser vor solchen Tätern geschützt werden können. Stattdessen detaillierte Beschreibung der Grausamkeiten des Täters und des Leids der Angehörigen. Crime and Sex sells. Das ist nicht das Niveau, das ich von der Zeit erwarte. Vor einiger Zeit gab es auch ein Zeitmagazin mit einer sehr langen Innenansicht der Familie eines Mörders. Auch dort wurden die Grenzen von Menschlichkeit und Respekt im meinen Augen mehrfach überschritten. Ich würde mir wünschen, dass die Zeit-Redaktion ihre Werte und die Ziele ihres Journalismus überdenkt und entsprechend berichtet, bzw. Themen und Berichte auswählt. – C. Müller

 


 

 

Leserbriefe zu „Kann doch jeder!“ von Lisa Frieda Cossham

 

Der Artikel über die Alpenüberquerung, 26.11., war ganz nett, aber wenn Sie schon so was bringen, hätte ich es ZEITGEMÄSSER gefunden, wenn Sie über Martl Jung berichtet hätten. Der ist BARFUSS über die Alpen gelaufen. Googeln Sie doch mal und noch besser: Berichten Sie darüber! – H. Baumann

 

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel in der Zeit -Ausgabe Nr. 49 vom 26.November 2020 gelesen. Nur Ihre Einschätzung der Tour als „das kann doch jeder“ möchte ich widersprechen. Anfang September 2019 bin ich mit einem Bekannten denselben Weg gegangen. Auch wir hatten alles Gepäck ( 9Kilo) für eine 10tägige ( so war es geplant ) Bergwanderung auf dem Rücken. Wir haben uns ein ½ Jahr sportlich auf die Anforderungen einer solchen Tour vorbereitet und waren dann aber doch überrascht von den körperlichen Anstrengungen zur Bewältigung der Aufstiege, besonders der langgezogene, steile Weg hinauf zur Blaubergalm.

Meiner Ansicht nach ist die angegebene Zeit von 3 ½ Std.für den Aufstieg und 2Std. für den Abstieg zur Bushaltestelle für Leute mit vollem Gepäck sehr knapp bemessen. Außerdem spielt bei diesem Teilstück der Alpenüberquerung auch die Zeit eine Rolle, da man ja den letzten Bus nach Achenkirch erreichen will. Und zur Bushaltestelle ist es nochmals 500m bergauf, wie auch Sie gemerkt haben. Wir haben auf diesem Weg viele Leute mit Tagesgepäck erlebt, die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit waren, die geflucht haben, ob der Beschreibung im Wanderführer. Da ist keiner „mal eben hinauf gegangen“ ! Die anderen Teilstrecken waren zwar leichter zu begehen, aber mit unserem Gepäck doch auch immer wieder herausfordernd.

Meiner Meinung nach sind und bleiben Bergwanderungen keine Spaziergänge mit Gepäck, also nichts für jedermann und schon gar nicht ohne entsprechende Vorbereitung ! Auch in der ZEIT sollte niemand dazu verführt werden, mal eben in die Berge zu gehen, es kann und sollte nicht Jeder ! In diesem Sinne ein Glückwunsch an Sie, dass Sie es geschafft haben, auch ich war glücklich nach den Anstrengungen Sterzing von oben zu sehen. – Hans-Adolf Meyer

 


 

 

Leserbriefe zu „»Herr Duesmann, wen jagen Sie mit Audi eigentlich?«»Erst mal jagen wir uns selbst. Und erst mal jagen wir den Stand der Technik«“. Interview mit Markus Duesmann geführt von Uwe Jean Heuser und Claas Tatje

 

Herr Duesmann, wen jagen Sie, wenn man für Audi arbeitet und “Benzin im Blut hat“, dann fällt es augenscheinlich schwer, Vorurteile zu überwinden. Aber Herr Duesmann entlarvt sich selbst, wenn er darlegt, dass er zu Hause mit 11kw lädt und das o.k. findet. Na klar, wenn ich nur 50 oder 100 km mit einem Audi e-tron fahren werde, dann reicht das… können die nicht mehr..? Ich lade meinen Tesla mit 22kw über Nacht und komme bei Vollast- Klimaanlage etc. – mindestens 350 km weit. Audi e-tron…? lachhaft. Es scheint, dass die Arroganz der arrivierten Hersteller und Manager es immer noch nicht verstanden haben. Die Zeiten haben sich geändert und Söhne kaufen schon lange nicht mehr das Fahrzeug, das die Väter noch gekauft haben und E- Ladesäulen gibt es “an jeder Ecke“ und an jeder Autobahn-Raststätte- man muß sich nur damit befassen.

Und ganz ehrlich.. nur Leute “ mit Benzin im Blut“ haben wahrscheinlich noch kein Smartphone, aber dann werden diese Manager auch weiterhin glauben, dass Audi in Europa mehr e-trons verkauft als Tesla von seinen Modellen.. autsch – über das Model 3 sprach er nicht! Ich denke, da gibt es noch viel Nachholbedarf. Wenn man aber über Jahre hindurch “schmutzige Diesel“ vermarktet hat, dann fällt es wohl schwer, umzusteuern. Ob das mit dieser Markt- und Produkteinschätzung gelingen wird, erscheint mir zweifelhaft. – Stephan Heinrichsmeyer

 

Auto und Freiheit. In der ZEIT vom 26.11.20 auf S. 22 sagt Herr Duesmann im Interview:“ Fahrzeuge sind Freiheit.“ Diese Aussage wird im weiteren Verlauf des Gesprächs von Seiten der ZEIT nicht weiter thematisiert. Aber sie ist falsch! Grundsätzlich und überhaupt! Subjektiv empfindet der Fahrer eines Fahrzeugs dies sicher als Freiheit: ich kann jeder Zeit losfahren und mein Ziel selber wählen. Aber dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: z.B. muss es ausreichend befahrbare Straßen zum Ziel geben, das Auto muss intakt und genügend Benzin im Tank sein. Für diese subjektive Freiheit sind also eine Menge Voraussetzungen gegeben, man kann daher eher von einer objektiven Abhängigkeit des Autofahrers sprechen. Außerdem muss ich auch erst einmal ein Fahrzeug haben. Dies ist bei uns in Deutschland das Problem einer Minderheit, aber in ganz Afrika gibt es weniger PKW als in unserem Land. Dort sind mehr als 1 Milliarde Menschen ohne eigen PKW.

Darüber hinaus schränken befahrene Straßen die Freiheit sehr vieler anderer Menschen stark ein. Welche Angst haben Eltern in Städten um ihre Kinder, wenn diese draußen spielen wollen! Welchen Lärm und welche Abgase müssen AnwohnerInnen an vielbefahrenen Straßen ertragen! Die Freiheit wegzuziehen haben sie nicht, hier sind die Mieten günstig. Weltweit werden etwa 1 Million Menschen im Straßenverkehr jedes Jahr getötet, 2 Millionen schwer verletzt. Sterben für die Freiheit? Der motorisierte Individualverkehr trägt seit Jahrzehnten unverändert stark zum Klimawandel bei und schränkt damit die Freiheiten zukünftiger Generationen immer weiter ein. Private Fahrzeuge sind ein überkommenes Privileg einer, weltweit gesehen, Minderheit von Menschen. – Horst Dallmann

 


 

 

Leserbriefe zu „ADVENTSKALENDER“ von Anna Haifisch (Illustration)

 

Vielen Dank für die Anleitung zum Adventskalender. Er war eine willkommene Bastelarbeit in Coronazeiten. Ihnen allen eine besinnliche Adventszeit ohne Coronablues und wenn, Tag für Tag ein Türchen öffnen! – Edith Burgert

 

Mit Freude habe ich den Adventkalender der letzten Ausgabe in meiner Whg aufgehängt. Da ich es nicht mehr geschafft habe, mir einen zu besorgen, kam mir der gerade Recht. Beim Vorauslesen (ich weiß, so ist es nicht gedacht) kam bei mir jedoch alles andere als Weihnachtsstimmung auf. Beginnt doch eine Tagesempfehlung mit der Frage – „Haben Sie auch manchmal Lust herumzuballern?“ – um mir dann folglich die Zubereitung von Popcorn ans Herz zu legen. Äh, ja Pandemie schafft Frust und steigert sicher auch das Aggressionspotenzial. Aber nein, ich hatte noch nie Lust herumzuballern, welche Bilder der Verfasser dabei auch immer im Kopf hatte. Und ich denke, ich kann meinen Humor doch auch noch über den 2. Lockdown retten.

Als Wienerin erinnert mich dies jedoch leider eher daran, dass vor gar nicht langer Zeit hier wirklich jemand „Lust gehabt hat herumzuballern“ (wie alle wissen, kamen mehrere Menschen dabei ums Leben). Somit finde ich diese Formulierung, Pandemie-Stress und Spaß hin oder her, leider mehr als unpassend gewählt und alles andere als Adventstimmung verbreitend. Zumindest bei mir. Sorry. – Christina

 


 

 

Leserbriefe zu „60 ZEILEN … LIEBE“ von Peter Dausend

 

Leider wiederholt Herr Dausend ein liebgewonnenes Klischee über den früheren Umweltminister Jürgen Trittin: das vom „Erfinder des Dosenpfandes“ – was er aber nie war! Erfunden wurde es bereits 1991 vom damaligen Umweltminister Klaus Töpfer (CDU), präziser gesagt von seiner Ministerialbürokratie. In der damaligen Verpackungsverordnung wurde festgeschrieben, dass ein Dosenpfand eingeführt werden muss, sollte die Mehrwegquote unter 72 % sinken. Als genau das geschah, hielt sich Trittin als zuständiger Minister also einfach an Recht und Gesetz! Übrigens wurde die entsprechende Verordnung 1998 kurz vor den Wahlen auf Druck der Getränkeindustrie verschlimmbessert mit z.T. absurden Ausnahmen und Sonderregelungen. Übrigens unter der Ägide der damaligen Umweltministerin Angela Merkel! Ehre wem Ehre gebührt. – W. Mebs

 

Natürlich ist mir klar, dass sich Ihr Herr Dausend – die Vorgabe Sechzig (extrem kurze!) Zeilen drohend vor seinem inneren Auge – eine Beschränkung der Anzahl der in seinem Text möglichen Zeichen auferlegen muss. Aber bitte: Reden Sie mit Ihrem Layouter und geben Sie Herrn Dausend bei Bedarf einfach eine Zeile mehr, bevor er statt Videokonferenz, -schaltung oder -besprechung „Videoschalte“schreiben muss – um Platz zu sparen! Solch eine Formulierung (die der Leser zwar schon vom Hören in diversen Radioprogrammen der ARD kennt, in der ZEIT gedruckt zu finden aber als Zumutung erachtet) ist unterstes Sprach- und insbesondere Schreibniveau. – Michael Heinrich

 


 

 

Leserbriefe zu „Der große Scheißegale“ von Peter Kümmel

 

Karl Dall hatte ganz offensichtlich das, was gerade uns Deutschen ziemlich schwer abgeht, eben diese Leichtigkeit des Seins. Er konnte – und durfte – wie kein anderer reinsten Blödsinn und frotzelndste Kritik geradezu indiskret und dabei doch herzlich und unaufgeregt „ausschenken“. Gewiss nicht zuletzt deswegen, weil wir als Zuschauer und –Hörer geahnt haben, dass Karl Dall wirklich ein feiner Kerl und angenehmer Zeitgenosse war. Die, die ihn persönlich kannten, haben es wohl ohnehin gewusst. – Matthias Bartsch

 

Es ist nicht leicht, Karl Dall in einem Nachruf bestehenden Kategorien zuzuordnen, und wie Sie auch schreiben, sprengte er alles bis daher Dagewesene. Und es gelingt Ihnen sehr gut, eine Melange aus Erstaunen, Kritik aber auch Anerkennung zu bilden. Einspruch möchte ich aber deutlich erheben, wenn Sie behaupten, Hannes Wader und Reinhard Mey seien abgebogen ins seriöse Fach der deutschen Chansonniers und hätten mit der Brutstätte des Nonsens neben Dall auch Roski und Schobert & Black hinter sich gelassen. Schobert & Blacks Repertoire umfasste Nonsens-und Polit-Lieder, ihr Sprachwitz fand Niederschlag in Kabarett-Programmen, Schobert produzierte Hanns-Dieter Hüsch und erhielt 1975 den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson! Auch Ulrich Roski war auf Kabarettbühnen unterwegs, vertonte Dichter und produzierte ca. 20 Platten und CDs. Ich denke, dadurch wird eher klar, wer sich aus der Berliner Bewegung zum „Scheißegalen“entwickelte. – Sabine Henke

 


 

 

Leserbriefe zu „Vom Wahnsinn getrieben“ von Matthias Geis

 

Matthias Geis führt in dem sonst nicht zu beanstandenden Artikel aus, der AfD Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland bemühe im Deutschen Bundestag „den NS-nahen“ Staatsrechtler Carl Schmitt als Kronzeugen für die aktuelle Regierungspolitik im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Carl Schmitt war bekanntlich einer der glühendsten Anhänger des Nationalsozialismus unter den Rechts- und Staatswissenschaftlern im sog. Dritten Reich.

Der damalige Professor versuchte das Führertum des NS-Staates juristisch zu rechtfertigen („Der Wille des Führers ist Gesetz.“) und rühmte die antisemitische Politik des NS-Regimes. Nachdem Hitler im Zusammenhang mit dem sog. „Röhm-Putsch“ mindestens 90 potenzielle Gegner hatte ermorden lassen, schrieb Schmitt in der Deutschen Juristen-Zeitung „Der wahre Führer ist immer auch Richter. …“ Schmitt verlor seine Staatsanstellung und Versorgung; er erhielt nach 1945 nie wieder eine Professur. Zu seiner Rolle und der eines Kollegen siehe https://www.deutschlandfunkkultur.de/carl-schmitt-und-ernst-rudolf-huber-ns-juristen-und-ihre.976.de.html?dram:article_id=343758.

Carl Schmitt heute als „NS-nahe“ zu bezeichnen verharmlost die in seinen Beiträgen zum Ausdruck gebrachte Gesinnung. Das belegen schon die wenigen oben genannten Beispiele; viele mehr wären anzuführen, denn Schmitt war fleißig und ambitioniert. Zeitgenossen bezeichnten ihn neben anderen als Hitlers „Kronjuristen“. Diese Aspekte kommen in Geis‘ Artikel zu kurz. Denn sie erlauben auch Rückschlüsse auf die politische Haltung des Fraktionsvorsitzenden Gauland, wenn er Schmitt als „Kronzeugen“ bei der Einordnung der aktuellen Politik der Regierung Merkel bemüht. – Klaus-Jochen Stein

 

Todgesagte leben länger! Der Artikel suggeriert, dass die AfD als parteipolitisches Konstrukt auf dem besten Wege sei, in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Es wäre einerseits wünschenswert, denn eine Partei, die in Gänze nicht bestrebt ist, an einer parlamentarischen Arbeit teilzunehmen, hat in den Parlamenten Deutschlands auch nichts zu suchen. Andererseits darf man nicht vergessen, dass die AfD immer noch ein hohes Wählerpotential genießt und in Umfragen oftmals zweistellige Prozentzahlen erreicht – mehr als ehemals etablierte Parteien wie die SPD oder FDP. – Daniel Zeilinger

 


 

 

Leserbriefe zu „Negativ“ von Antonia Baum

 

Ei da ist Sie ja wieder. Die ehemals so jungfräulich freche Keiferin aus dem schönen Odenwald. Aufgetaucht wie ein Nichts aus diesem diffusen, versifften Großstadtnebel. In dem Sie unterzugehen schien (oder nur ihre 3 Kinder versorgte?). Und, aber, Sie kann es noch! Der alte, scharfe Biss ist noch da. Und das sogar in Bezug auf das eigene Milieu. Großartig, köstlich. Hurra, hurra. Alleine das war die Ausgabe wert. Wo ich doch so lange darauf gewartet habe…. Und dann auch noch mit Karl Dall und Elvis Costello auf einer Seite. Mehr geht wirklich nicht…. In „alter Verehrung“ der ebenso stille wie treue Liebhaber von der sanften Saar. – Theo P. Pitzer

 

Ihre Kolumne lese ich immer äußerst gerne, auch dieses mal konnte ich wieder herzlich lachen. – Marc Hindel

 


 

 

Leserbriefe zu „Mit Mathematik und Bauchgefühl“ von Kolja Rudzio

 

es ist interessant, dass bei der Konjunktur-Prognose immer noch das Bauchgefühl eine wichtige Rolle spielt. Wurde doch schon Anfang der 1970er Jahre zum Beispiel in der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ diskutiert, ob Konjunktur-Politik nicht regelgebunden erfolgen sollte: wenn die und die Indikatoren den und den Wert erreichen, dann werden folgende administrativen Massnahmen erlassen… Da die Politik nur mit Verzögerung reagiere, müssten die Massnahmen von der Verwaltung – ohne Einfluß der Politik – ergriffen werden. Wie ein Regler bei einer Maschine oder (um Ihr Bild aufzugreifen) einem Auto, das immer mit dem selben Tempo fahren soll.

Der vom damaligen CDU-Vorsitzenden Rainer Barzel vorgesehene Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers, Karl Heinz Narjes, machte 1972 sogar die regelgebundene (!) Konjunkturpolitik zu seinem Wahlkampfthema. Barzel, die CDU, Narjes…verloren die Wahl (gegen Brandt, die Ostpolitik…) und der „Wahlkampfschlager“ versank in der Versenkung, offenbar für immer. Kein Jahr nach der Bundestagswahl von 1972 geschah etwas, was die Regeln von Herrn Narjes nicht vorsahen (vorhersahen):

Die OPEC erhöhte den Rohölpreis beträchtlich und kündigte eine Drosselung der Produktion an. Ob die Politik darauf richtig reagiert hat, sei dahingestellt. Aber die Regeln von Narjes hätten es wohl kaum besser hingekriegt. Viele Krisen, tausend Forchungsarbeiten später tauchen immer noch neue Unwägbarkeiten auf, die schon die Prognose erschweren und erst recht einen Automatismus bei den Massnahmen verbieten. Irgendwie erinnert dies auch an die Seuchenbekämpfung: Bei dem und dem Wert erfolgt die und die Massnahme… aber leider ist die Windschutzscheibe nicht durchsichtig. – Adolf Ronnenberg

 

Die Bildüberschrift hätte besser „Die Männer von der Ifo-Konjunkturforschung“ gelautet. „Menschen“ weckt bei mir ein Erwartungssignal , dass ich in diesem Bild nicht realisiert sehe. – Dodie Volkersen

 


 

 

Leserbrief zu „Das schmeckt ihnen nicht“ von Ann-Kathrin Nezik

 

Ich verstehe nicht, was die Kunden davon haben einen Makler zwischen zu schalten, der die Kosten wachsen lässt? Wenn ich etwas bestelle, egal ob Herd, Kleidung oder Pizza, wende ich ich immer direkt an das Unternehmen, dessen Ware ich haben möchte. Und es hat immer funktioniert. – Iman Schwäbe

 


 

 

Leserbrief zu „Held oder Denunziant?“ Gespräch mit Malte Spitz geführt von Heinrich Wefing

 

In meinem beruflichen Leben als Chef eines Baudezernats bin ich zigfach auf rechtlich bedeutsames Fehlverhalten von Beamtinnen und Beamten durch Dritte hingewiesen worden. Dieses stets sehr ernst genommen und auch sofort mit einem entsprechenden Aufklärungswillen verknüpft ergänzte ich aber auch stets mit dem Verweis auf staatsanwaltliche Ermittlungsfolgen für den Fall, dass es sich um eine Verleumdung handeln sollte. Dieses führte zu einer Akzeptanz in der Kollegenschaft und bei den Whistleblowern und gleichzeitig zu einem überraschend hohen Anteil von sofortiger Gegenstandslosigkeit des Vorwurfs.

Aufdeckung von Skandalen muss eine vom Staat rechtlich geschützte Bürgerpflicht uneingeschränkt werden. Denunziantentum von diesem Schutz lediglich auszunehmen ist nicht ausreichend, es muss politisch klargestellt als Verleumdungstatbestand konsequent strafrechtlich verfolgt und geahndet werden. – Jürgen Dressler

 


 

 

Leserbrief zu „Kartons mit Pfand“ von Cristina Plett

 

Memo hat nach dem Ende der Postbox das Verfahren mit unternehmenseigenen Plastikkisten fortgeführt. Ich kenne es nur aus Kundensicht und bin davon angetan. Es wundert mich, dass die Erfahrungen von Memo nicht in den Beitrag eingeflossen sind. – Iman Schwäbe

 


 

 

Leserbrief zu „Die neue Maschinensprache“ von Jens Jessen

 

Die Welt ist alles, was der Fall ist? Sie ist eine Simulation für parametrisierte Großexperimente, z.B. die Umstellung auf E-Mobilität. Folgerichtig, wenn inzwischen das Modell der Wirklichkeit voraus und nicht länger ihre Nachbildung ist. Längst haben wir mit Raum und Zeit die Koordinaten verloren, die Anschaulichkeit ermöglichten. Die Zeiten, als es Funktionen gab, denen die Form folgen konnte, sind vorbei. Hauptsache die Benutzeroberfläche bietet im Zusammenspiel mit den maschinensprachlich erzeugten Informationen über ein Display einen intuitiven selbsterklärenden Zugang. The system is coming down.Ein alternatives Faktum, das uns Orientierung in der Welt bietet. – Reinhard Koine

 


 

 

Leserbrief zu „Eine Frau unter Vermummten“ von Anne Hähnig

 

Wow, was für einen Einstieg in den Artikel: Klandestines Leben! Verschleierter Zahlungsverkehr! Mehrere Handys – ohne einen Vertrag auf den eigenen Namen! Hohe Bargeldsummen transportiert! Geringverdienerin! Studentin! Aktivistin! Ein wandelndes Geheimnis! Anführerin einer linksextremen kriminellen Vereinigung (10 Personen)! Gewaltbereit! Bewegt sich im Grenzbereich zum Terrorismus! Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedensbruch, räuberischer Diebstahl. Danach geht der Artikel in die Details, die Gruppe zog mit Schlagstöcken los, mit Hämmern mit Pefferspray. In der Tat keine Gegenstände mit denen man Bekanntschaft machen möchte.

In den Gerätschaften und in der Vorgehensweise lässt sich natürlich leicht eine direkte Linie zur vor Jahren tätigen links-terroristischen RAF ziehen. Die zogen auch mit Pfefferspray in ihrer Anfangszeit um die Blöcke, ganz sicher! Und die Rechtsextremen, die werfen ja mit Wattebäuschen um sich, dass dabei so mancher zu Schaden kommt, liegt an der wahrscheinlich schlechten Ernährung des Gegenübers. Und der Gebrauch von Schusswaffen dient hier dann auch nur dem Eigenschutz, der Tradition und des Brauchtums und ist auch kein Landfriedensbruch. Bemüht euch um eine ordentliche Berichterstattung und haltet mal eine Minute ein zum Nachdenken und zur Verhältnismäßigkeit. Und jetzt noch eine Fleißaufgabe: haltet mal die Protokolle der NSU dagegen. Ja jedes Opfer ist bedauernswert.

Keine Aufrechnung! Aber alles gehört an seinen rechten (!seufzt) Platz, mit der ihm gebührenden Bedeutung. Wie viele Betroffenheitstage benötigen wir im Jahr für rechtsextreme Übergriffe? Das ganze Jahr, müssen wir mehrmals am Tag innehalten? Ihr Journalist seit der Demokratie verpflichtet und damit habt ihr die Verantwortung die Geschehnisse in ihrer Tragweite korrekt zu verorten. Und das ist nicht der einzige Punkt, der mich an diesem Artikel stört, doch das würde zu weit führen. – Ch.Martinoli

 


 

 

Leserbrief zu „»Persönliches über Putin ist tabu«“. Gespräch mit Roman Badanin geführt von Alice Bota und Julia Smirnova

 

Nein, die russischen Medien sind nicht gleichgeschaltet. Sein Projekt sei nicht daseinzige investigative Medium in Russland, behauptet Roman Badanin. Und wie funktioniert der Journalismus bei uns in dieser Corona-Krise? Wurden und werden wir in dieser Krise tatsächlich hochwertig informiert? Hat sich die Medienwelt bei uns nicht selber gleichgeschaltet? Sind nicht die vielfältige Recherche, die kritische Distanz und der kontroverse Diskurs auf der Strecke geblieben? Erleben wir im Augenblick nicht immer die gleiche Einheitssoße, eine Echowelt, die einem vorgegebenen Mainstream folgt. Wurden in Deutschland nicht die Aufhebung grundlegender Freiheitsrechte in journalistischen Kommentaren größtenteils gefeiert oder sogar noch mehr davon gefordert?

Was die Bevölkerung über dieses Virus, seine Gefährlichkeit und die Wirkungen und Nebenfolgen der behördlichen Maßnahmen weiß, weiß sie fast ausschließlich über die sogenannten Qualitätsmedien. Wie durch ein Brennglas wird jetzt deutlich, wie die durch Journalismus konstruierte Medienrealität die demokratische Gesellschaft und das Leben im Alltag beeinflusst. Es wäre gerade jetzt wichtig, dass der Journalismus die Krise kritisch begleitet und für eine breite Kontroverse in den Medien sorgt. Es gibt viele renommierte Experten, die von den Medien nicht eingeladen werden, weil sie den Coronamaßnahmen absolut kritisch gegenüberstehen. „Journalisten wollen die Besten in ihrem Beruf sein… Das ist die größte Antriebskraft“, sagt Roman Badanin. Sie sollten vor allen Dingen investigativ sein und keine Hofberichterstatter und Panikverbreiter. – Herbert Freyaldenhoven

 


 

 

Leserbrief zu „Die digitale Notenrevolution“ von Hannah Schmidt

 

Noten statt von Papier vom Bildschirm ablesen? Für mich als Berufsmusker eine schreckliche Vorstellung. Ich bin konservativ und stehe dazu. Ich möchte keinen Strom und andere Ressourcen verbrauchen, wenn es Papier auch tut. Dass das Markieren von Einzelstimmen „ungelogen Tage dauern kann“, halte ich nicht nur für leicht übertrieben. Ich brauche auch nicht „vom lebenslangen Schleppen schwerer Notenkoffer“ entlastet zu werden. Das generalisierte und schnelle Markieren von Vortragsbezeichnungen halte ich sogar für schädlich für das Lernen eines Musikstückes. Zum Aneignen der Musik gehört das genaue Durchlesen und ggf. manuelle Hervorheben dazu. Wer Texte liest und dabei einzelne Sätze oder Schlagwörter einfärbt, weiß, dass einem diese Arbeit kein Programm abnehmen kann. – Jan Knobbe

 


 

 

Leserbrief zu „Waren Sie eine einsame Studentin, Frau Süssmuth? »Die Universität war eine Männerwelt«“. Gespräch mit Rita Süssmuth geführt von Parvin Sadigh und Arnfrid Schenk

 

Mit großem Interesse habe ich das Interview mit Frau Süssmuth gelesen, einer Politikerin, die viel zu sagen hat und der man aufmerksam zuhört. Nach etlichen Jahren im Parlament hat sie einiges bewirkt, ganz nach ihrem Motto, die Dinge direkt anzupacken. Ihre Art, ein Seminar in ihrer Bochumer Zeit als Pädagogik-Professorin zu leiten, eine offene, sachlich geführte Diskussion in Gang zu setzen, war beeindruckend. Ich belegte in den 70ern eine Veranstaltung von ihr über freie Schulen und bekam direkt mit, wie souverän sie mit den studentischen Beiträgen umzugehen wusste. Dabei machten sich zahlreiche Standpunkte linker Studenten und Studentinnen bemerkbar. Gerade bei ihnen war sie äußerst beliebt. Die

Süssmuth-Seminare standen bei allen hoch im Kurs. Ich denke, dass gerade ihre offene Art des Zuhörens, des Ausreden-Lassens und letztlich Argumentierens eine selten zu beobachtende Qualität in heutigen politischen Diskursen darstellt. Wir brauchen mehr Menschen wie sie, um uns klar zu machen, wie wir vernünftig miteinander umgehen und gesellschaftliche Vorgänge engagiert diskutieren können. Wenn politische Rede weniger mit parteipolitischen Zwängen und Floskeln vorgetragen wird , dann fördert das die Glaubwürdigkeit der von uns gewählten Menschen. Hier ist Frau Süssmuth ein großes Vorbild. – Hartmut Sperl

 


 

 

Leserbrief zu „Tränen helfen nicht“ von Ingeborg Harms

 

Hier meldet sich ein Familienvater in Coronazeiten, die sich so endlos anfühlen. Wann wird es wieder normal ins Kino zu gehen, zu reisen. Wann wird es wieder für die Kinder normale Schulsituationen geben. Ich mache mir Sorgen um meine 90jährige Mutter. Wenn ich in diesem Kontext Ihren Artikel „Ich hasse die Männer „ lese, frage ich mich, lebt diese Autorin in einer anderen Zeit. Gibt es im Moment keine anderen Themen wie in diesem Artikel. So etwas nennt man Realitäsverlust und ich frage mich wie sie als Zeitung so etwas Raum geben können. – Martin Sautter

 


 

 

Leserbrief zu „Der Zweite von links“ von Christian Staas

 

Engels wird nachhaltig gewürdigt. Lexikonwissen, aktuell bestätigt mit Google: # ENGELS , Stadt an der unteren Wolga, gegenüber von Saratow, Industiestadt ca. 210.000 Einwohner Namensgeburg 1931 Hauptstadt der autonomen Wolgadeutschen Republik von 1923 > 1941 # Pik ENGELS, Berg, 6510 m hoch im Pamir-Gebirge in der seit 1990 unabhängigen Republik Tadschikistan, in der Nähe gibt es auch den Pik MARX. # Wuppertal (eigene Anschauung

Selbstverständlich, daß die Stadt ihren großen Sohn in vieler Hinsicht auch öffentlich würdigt. In einer kleinen Grünanlage vor dem ehemaligen Geburtshaus von Engels eine Kolossal-Statue von ENGELS, gestiftet von der KPChina. Meine Meinung zu diesem Denkmal: Wie ein Mao-Denkmal nur mit dem Kopf von Engels. Wird seiner Person nicht gerecht. Ein weiße Marmorplastik in der gleichen Anlage, von Alfred Hrdlicka, „Gesprengte Ketten“, das die Forderungen von Friedrich Engels genauer darstellt. – Hartmut Wagener

 


 

 

Leserbrief zu „Die Kälteschmuggler“ von Cristina Plett

 

Sie schreiben am Ende des og. Artikels, das R134a in Autoklimaanlagen durch R744 ergo CO2 ersetzt werden könne. Das ist falsch. Eine für R134a ausgelegte Klimaanlage kann und darf nur mit R134a betrieben werden. Ein Betrieb mit CO2 ist physikalisch überhaupt nicht möglich, da eine komplett andere Dimensionierung erforderlich wäre. Ein Betrieb mit anderen Kältemitteln, die R134a in den thermodynamischen Eigenschaften ähneln, ist in der Regel ebenfalls weder möglich noch zulässig, da die Anlagenbauteile und die zusätzlich in Klimakreislauf vorhandenen Schmiermittel nur für R134a ausgelegt und getestet sind. – Christoph Reder

 


 

 

Leserbriefe zu „256 Tage und Nächte mit Corona“ von Jörg Burger et al. im ZEIT Magazin

 

Ein hervorragender Artikel! Die Verfasser zeigen, dass in der ZEIT auch kritische, informative Beiträge erscheinen können. Dies ist leider nicht immer der Fall: Oftmals sind die Ausführungen in der ZEIT zu weitschweifig und enthalten wenig Neues. – Prof. Dr. Thomas Cirsovius

 

I have a (corona) dream! In meinem Traum melden sich alle die Ärzte und Ärztinnen, die die Corona-Maßnahmen der Regierungen für maßlos überzogen halten, freiwillig in den Corona-Abteilungen der Krankenhäuser, um ihren dortigen Kollegen und Kolleginnen tatkräftig und kompetent unter die Arme zu greifen. Das sollen in Deutschland mindestens 2000 Ärzte und Ärztinnen sein und wenn jeder/jede nur eine Woche Dienst tun würde, wäre das eine großartige kollegiale Hilfe. Diese Kolleginnen und Kollegen hätten auch den großen Vorteil, dass sie keine Schutzkleidung bräuchten, denn es besteht ja keine Gefahr. Sie bräuchten dann nicht auf Corona-Demos den Mitmenschen klar machen, dass Covid-19 eine harmlose Erkältung ist, sondern könnten überzeugend unter Beweis stellen, dass sie echte Querdenker sind und nur die Gesundheit und das Wohlergehen von uns allen im Sinn haben! – Dr. Peter-J. Kramer

 

Seit Jahrzehnten lese ich die ZEIT. Schade, dass Sie sich nun mit dem aktuellen ZEIT-Magazin einreihen in die Gruppe von Medien, die den Menschen in der Zeit der Corona-Pandemie vor allem Angst macht. Ich bin selbst Ärztin, Intensivmedizinerin, Infektiologin. Keineswegs möchte ich verharmlosen, dass es bei einer COVID-Infektion sehr schwere, z. T. tödliche Krankheitsverläufe gibt. Keinesfalls gehöre ich zu den sogenannten „Corona-Leugnern“. Die Berichterstattung seit Beginn der Pandemie erscheint mir jedoch eindeutig zu einseitig.

Ich würde mir wünschen, dass auch folgende Aspekte adressiert werden: – die grundlegende Gesundheitsversorgung in den besonders betroffenen Ländern (z. B. Zugang zum Gesundheitssstem, z. B. Angebot und Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen, allgemeiner Umgang mit sogenannten Wohlstandserkrankungen, Verfügbarkeit von Antibiotika usw.) – die tatsächliche Belegung von Intensivbetten mit COVID-Patienten/-innen, nachvollziehbar im DIVI-Intensivregister, das sogar nach Landkreisen aufschlüsselt – die Zahl aller Todesfälle bei jungen Menschen auf Intensivstationen, verursacht durch andere Erkrankungen als COVID-Infektionen (z. B. Hepatitis mit Todesfolge bei Schwangeren, Lungenembolien, Herzinfarkte, Sepsis usw.) – die Prognoseverschlechterung, die unabhängig von der Erkrankung grundsätzlich bei invasiver Beatmung vorliegt – die Todesfälle der Influenzasaison 2017/18 uns 2018/19 in Deutschland, siehe jeweiliger „Bericht zur Epidmiologie der Influenza in Deutschland“ des RKI – warum wurde damals angesichts der hohen Zahlen nicht über Hygienemaßnahmen gesprochen? Es würde mich freuen, wenn die Recherche vor der Berichterstattung umfassender erfolgt. – J. Albrecht

 

Danke für diesen persönlichen Einblick. Ich wohne in Bochum, komme auf meiner täglichen Walkingrunde in Coronazeiten stets am St.Josefshospital vorbei und lese nun, wie zur gleichen Zeit auf der dortigen Intensivstation ein Arzt und die vielen anderen medizinischen Mitarbeiter bis zur Erschöpfung unablässig um das Leben schwerkranker Covidpatienten ringen und an deren Schicksal teilnehmen. Das ist sehr berührend. Danke dafür. – Konstanze Burger

 

Wieder ein Fall saftiger angstschürender Artikel der Medien. Als altgediente Krankenschwester (auch wenn diese Berufsbezeichnung am Aussterben ist) kenne ich die Situation in den Krankenhäusern. Und Intensivstationen waren schon immer ein Ort an dem gestorben wird. Und oft viel zu früh. Und jedesmal ist es eine Art Niederlage für die behandelnden Ärzte. Warum schreiben Sie nicht über all die Lungenversagen aufgrund COPD, resultierend aus langjährigem Tabakkonsum? Oder vielleicht über all die Herz-Kreislaufversagen an denen über die Hälfte aller Deutschen stirbt. Das Personal dort arbeitet oft hart an der Grenze und manchmal darüber hinaus, auch vor Corona. Ich bin weiß Gott kein Leugner dieser Pandemie, aber die Kolateralschäden des Lockdown werden einfach verschwiegen.

Tausende von Existenzen sind vernichtet, Generationen nach uns werden an den Schulden dieses Jahres bezahlen. Schreiben Sie doch über all das Leid hervorgerufen durch hinausgeschobene Operationen, durch Einsamkeit und Isolation. Durch den Verlust der Grundrechte und die Kluft die sich durch unsere Gesellschaft zieht. All das stellt die Verhältnismässigkeit der Mittel in Frage. Je unlogischer die Verbote und Vorschriften werden desto mehr Menschen unterlaufen sie. Und niemand ist da der es laut auszusprechen wagt. Denn wenn einer es tut wird er mit den Aluhutträgern, Rechtsradikalen und anderen Idioten in einen Topf geworfen. Dieses Risiko gehe ich halt ein. – Sabine Hahn

 

Pflichtlektüre für alle Coronaleugner! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 


 

 

Leserbrief zu „Über Musik für Kinder und Erwachsene und einen merkwürdigen Schutzmechanismus bei YouTube“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Ok Boomer. Seit wann hat Kinder- und Jugendschutz mit Cancel Culture zu tun? Sie wissen, dass auf YouTube Kommentare verfasst und gelesen werden können, oder? Meinen Sie nicht, dass es sinnvoll sein könnte, Kinder vor den Kommentaren mancher Erwachsener zu schützen? Anstatt Ihren Freund Dirk in seinem Beleidigtsein zu bekräftigen, könnten Sie ihn mal fragen, warum er sich das Musikstück nicht kauft, wenn er es so gerne hört. Ich dachte, Wertschätzung von Musik und Künstlern hätten Sie Boomer uns voraus. Im Allgemeinen mache ich mir Sorgen über Ihre neuerdings entwickelte Engstirnigkeit. – Merlin Halbach

 


 

 

Leserbrief zu „Die Gärten der anderen (37). ZITRONEN AUS SÜDDEUTSCHLAND“ von Anne Schwalbe im ZEIT Magazin

 

Im letzten Zeitmagazin sehe ich das Foto der Fotografin Anne Schwalbe und denke, dieses Foto ist bestimmt von einem Hobbygärtner geknipst worden – leider nein, es war eine Fotografin. Liebe Kreativabteilung der Zeit, ich bin erschüttert über das schlechte fotografische Niveau das bei euch durchgewunken wird? – Eckhard Adler

 


 

 

Leserbrief zu „Da draußen. Winterzeit ist Vogelfütterzeit. Aber was, wenn sich kein Vogel blicken lässt?“ von Heike Faller im ZEIT Magazin

 

Mir fehlt der Hinweis, dass man lieber keine Netze aufhängen sollte, weil sich Vögel darin verfangen und sterben können. – Hajnalka Kovac

 


 

 

Leserbriefezur Deutschlandkarte „BRIEFWAHLSTIMMEN“ von Matthias Stolz im ZEIT Magazin

 

Ihre launige Interpretation des vergleichsweise hohen Briefwahlanteils in Münster hat zwar einen gewissen Charme, doch ist es aus meiner Sicht nicht der bettlägerige Student, der dafür verantwortlich ist. Die Stadt Münster öffnet vor jeder Wahl in absolut zentraler Lage ein Wahlbüro, das man schon Wochen vor dem Wahltermin aufsuchen kann – die Stimmen werden dann aber als Briefwahl gewertet. Dieses Angebot hat sich herumgesprochen und wird in erheblichem Ausmaß angenommen. So ist wohl nicht der müde akademische Nachwuchs, sondern das flanierfreudige Bürgertum, das einen Einkaufsbummel mit dem vorgezogenen Wahlakt verbindet, für den hohen Briefwahlanteil zuständig . Lassen Sie mich mit dem Hinweis schließen, dass die Deutschlandkarte neben der Martenstein-Kolumne das Erste ist, was ich im Zeit Magazin lese. – Prof. Dr. Rainer Pöppinghege