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29. Mai 2024 – Ausgabe Nr. 24

 

Leserbriefe zu „Was heißt hier Fortschritt?“ von Andreas Reckwitz

Herr Reckwitz zeigt das Bewahrenswerte am Fortschrittserbe auf. Richtig, liberale Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind bewahrenswert und in Gefahr. Mir scheint aber, dass hier auch eine Wurzel für den Populismus liegt. Der Aushandlungsprozess in der Demokratie wird immer umfassender, oft auch intransparenter und führt dann im besten Fall in den allerkleinsten gemeinsamen Nenner oder gar in den Stillstand. Da sich bei jeder Lösung auch immer irgendeine verletzte Gruppe findet, führt das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in den Stillstand. Da werden Klagewege beschritten und Revisionen eingelegt, bis alles stoppt. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verlieren so bei vielen Menschen ihre Akzeptanz, weil sie genau dadurch keinen Fortschritt erkennen können. Daraus folgt dann der Wunsch nach Klarheit und auch Einfachheit der Lösungen, die so mancher Politiker oder manches Medium kraftmeierisch verspricht. Hier muss ein Weg gefunden werden, Bewahrenswerten wieder Akzeptanz zu verschaffen!
Bernhard Seilz

Der Autor macht aus scheiternder linker Gesellschaftspolitik einen „Fortschritt“, der unter allen Umständen und „Verlusten“ zu bewahren ist. Aber die Welt wird fortschreiten und die maßlos überdehnte Politisierung der Gesellschaft abstreifen, wie eine Schlange ihre Haut. Was ist Fortschritt? Freiheit zuallererst! Und ein Staat, der seine Kernaufgaben erledigt und einen guten Rahmen setzt, statt in das Leben der Menschen und der Wirtschaft hineinzupfuschen. Fortschritt ist Verantwortung auf allen Ebenen und radikal nach dem Subsidiaritätsprinzip. Ein echter Sozialstaat ist Fortschritt. Verkommener Sozialismus ist das nicht. Und dann das ewige Gerede von der „Gesellschaft“! Wer soll das sein? Alle? Hat „Alle“ eine Telefonnummer? Das Demokratieprinzip ist Fortschritt und nicht wenn Demagogen meinen, sie wären für die „richtige“ Demokratie und die anderen für die falsche. Wenn jeder das tut, was seine Aufgabe ist und dafür geradesteht und sich nicht anmaßt alles besser zu wissen und besser zu sein, als die anderen – das ist Fortschritt. Wenn sich scheiternde Gesellschaftspolitik einmauert und durch Durchhalteparolen Zeit gewinnen will, dann ist das Rückschritt. Und es ist dafür höchste Zeit.
Fred Klemm

Die Fortschrittsidee war schon immer Ideologie: Ein System von Glaubenssätzen, das den Menschen in Erwartung von künftigen Verbesserungen die Akzeptanz der gegenwärtigen Verhältnisse ermöglichte. Die Ideologiehaftigkeit der Fortschrittsidee wird spätestens jetzt offenkundig, wo die Verbesserungen ausbleiben und sich die Fortschrittsversprechen als nicht mehr einlösbar erweisen. Eher bedarf es zusätzlicher Anstrengungen in der Gegenwart, um das Ausmaß der künftig zu erwartenden Verschlechterungen (z.B. Wohlstandseinbußen oder Freiheitseinschränkungen) einzudämmen und abzumildern. Wir erleben die Vertreibung aus dem Fortschrittsparadies und landen in einer Wirklichkeit, in der wir ausbleibende Verschlechterungen als Verbesserungen erleben werden. Für die gleichwohl zunehmende Entwicklungsdynamik (u.a. Klimawandel, Globalisierung, Migration, Digitalisierung, Artensterben, Kriege) bietet der Begriff „Fortschritt“ nur die Illusion einer Richtung. Es ist aber Kernaufgabe der Politik, dieser Dynamik eine Richtung zu geben. Wo auch bei Andreas Reckwitz Fortschritt zu Bewahren mutiert, sollten wir uns von der Fortschrittsidee verabschieden und uns der Frage zuwenden, wie wir in dieser Welt, in der es um das Überleben der Menschheit geht, leben wollen. Das wäre ein Fortschritt.
Reinhard Koine

Nach allgemeiner Logik zu allem Lebenden ist mit menschlicher Vermehrung bei gleichzeitigem Beutemachen um jeden Preis der Kollaps unausweichlich. Was am Fortschritt ist positiv, authentisch, inszeniert, in manipulativ kindlich-naiver Eigennutz-Scharade respektlosen Manipulations-Zynismus, wenn Traditionelles, und sei es nur Rücksichtnahme und Toleranz wie Staub von den Füssen geschüttelt wird? Neigt doch jede noch so glücksverheißende Errungenschaft und entdeckungseifernder Fortschritt als meist „blaues Wunder“ zu missbräuchlichem Ungemach. Die Macht des trendigen Unverstands-Glaubenwollens, bar jeder Selbstachtung meist in Korral-Freiheit vorherrschendem: Irgendwer wird’s schon richten; dabei hausgemacht aufkommender Katerstimmung neue Zuversicht suggerierend, verläuft ganz im Sinne etablierter Mächte des: „Unsere Last ist leicht!“-tragender Gläubigkeit gegenüber traditioneller, weltlich-geistlicher Gewaltenteilung. Dass dabei unrecht Gut aus Diffamierungsblasen gedeiht, in denen überzeugend animierende Wendehalstäter des Wortes ihre Gefolgschaften rekrutieren, durch deren Indoktrination sich erst ermöglicht, verwerfliches Tun gesellschaftsfähig zu machen, wäscht kein Persilschein rein. (Da auch im Dritten Reich niemand der Nomenklatura als Führer vorwegmarschiert ist, das „Führer, wir folgen Dir!“-Volk blindlings Befehlen aus vorsehungsideologischen-Phantastereien, erteilt in machtmissbrauchsberauschtem Herrsch- und Vernichtungswahn folgte, verwundert es sehr, wie heutzutage ähnliche Kreidefresser-Dialektik fröhliche Verführungs-Urständ feiert.
Wirtschaft und Gesellschaft (gemäß ursprungs-familiärem Gemeinwesen) funktioniert trotz, nicht wegen politischer Hasardeure, zu denen jene als selbstermächtigt-immune Täter im weißen Kragen gehören, die Folgewilligen Himmelfahrtskommandos aufnötigen und bei Misslingen in voller Verantwortung ihren Hut nehmen. Der Wähler bekommt, seine Souveränität geringschätzend, was er verdient – und sei es mittels geifernden, kreuzzugsideologischen Wahns, babylonische Sprachverwirrung in freiheitsvergewaltigender, selbstbeweihräuchernder Mogelpackung inbegriffen – ganz nach der Wacht am Rhein-Devise: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein…“. Wenn bei angeblichem Ringen um den Königsweg Beharren auf eigenen Positionen und Zuhör-Verweigerung selbsterhöhende Missachtung des Gegenübers hoffähig macht, regelmäßig zu legitimer, über Auskotz-Streit gefundener Rechtsbeugung entartet (Was ich hab, das hab ich!-rechthaber-nationalem Dünkel, stets in Verbindung mit Verlustängsten), zeigen unsere Demokratien lediglich eine, sich auf differenzierterem Übel verständigende, verschlimmbessernde Vexier-Fratze patriotisch-kultureller Hochblüte einer feudal-diktatorischen Vergangenheit, deren Bauernopfer (Du und ich als Willige, die um Nichts in der Welt innerhalb der Herde aus der Rolle fallen wollen), typisch siegermental, Randnotizen der Historie sind. Auch ohne Massenhysterie wurden und werden bis heute Mahner und Warner als Spielverderber, gar als Gemeinsinns-Schädiger verunglimpft schon dann, wenn sie zum Nachdenken auffordern, weil sie dem mitreißenden Strom misstrauen. (Doktrin und Räson als rechtstaatliche Instrumente für Sicherheit, Recht und Ordnung, natürlich stets auf dem Boden des Grundgesetzes münden gewiss wieder in Pflichten, die sich wie Domestiken-Untertanenzwang verselbständigen…)
Offenbar lernt tatsächlich Hans nimmermehr, oder schlägt in den Wind, was ihm nicht von Klein auf (u.a. „Nie wieder Krieg!“-Feuerteufel-Warnung, weil grundsätzlich ein Verbrechen wider die Menschlichkeit) mitgegeben wurde. Anders wäre auch die derzeitige Kriegsbejahung und Akzeptanz derer, die sich an Streit bereichern, durch oktroyierte Freund/Feind-Bilder Karriere machen, die zu einer Vergewaltigung unseres Wehrhaftigkeits-Verständnisses der Friedenswahrung führen, schlechterdings unmöglich!
Andreas Weng

Vielen Dank für Ihren Artikel „Was heißt hier Fortschritt“, den ich mit großem Interesse gelesen habe und Ihnen in sehr vielen Punkten zustimme. Für mich stellt sich allerdings die Frage, ob der Ausgangspunkt des Artikels „Fortschritt“ schon diskussionswürdig ist. Vom Wortstamm her ist meines Erachtens das „Fortschreiten“ weder positiv noch negativ besetzt. Ein Versprechen, dass alles immer besser wird, kann ich aus dem Begriff nicht ableiten. Im Gegenteil nehme ich an, dass auch Kolonialzeit, Atombombe oder Nationalsozialismus zu einem gewissen Zeitpunkt und von bestimmten Leuten als Fortschritt bezeichnet wurden, aber wohl überwiegend Konsens ist, dass dies keine Fortschritte zum positiven waren. Wenn man weiter zurückgeht, könnte man diese auch zum Thema Religion in Frage stellen. Ich denke auch, dass man die derzeitigen bzw. sich abzeichnenden Fortschritte mit Verlust verknüpft, ist eine populistische, gefährliche Herangehensweise, die ich stark in Frage stellen würde. Dies ist wohl immer eine subjektive und leider vielmals angst-getriebene Auslegung, die in der Gesellschaft meines Erachtens kontraproduktiv ist. Ich glaube nicht, dass das Bestehende zu schützen möglich und sinnvoll ist. Es weiterzuentwickeln ist da schon eine vielversprechendere Strategie. Wieso wird Verlust zum Beispiel negativ besetzt? Wäre es nicht erstrebenswert, viele derzeitig uns verwöhnende, luxuriöse Angebote und Gewohnheiten aufzugeben mit dem Ziel einer besseren Lebensqualität und Zukunft für uns selbst, aber vor allem für den Rest der Welt?
Sven Wind

„Das unser Fortschrittsmodell „bröckelt“ ist eine gute Nachricht: Dieses Fortschrittsdenken, zumeist als technischer Fortschritt verstanden, hat uns, wie schon der Club of Rome mit seinen „Grenzen des Wachstums“ 1972 feststellte, in die Sackgasse gebracht, in der wir heute stecken: Klimawandel, Artensterben, etc. Demokratien scheinen strukturell nicht in der Lage zu sein, ihre Basis, Wachstum und Fortschrittsglaube, infrage zu stellen. Die Partei „Die Grünen“ sollte sich neu erfinden, ihrer Quellen gedenken: ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei. Das sich daraus formende alternative Fortschrittsmodell ist heute mehr gefragt denn je.“
Otto Ulrich

Fortschritt ist eng verbunden mit dem Versprechen einer besseren Zukunft. Klassisch kommt dieses Versprechen aus der Domäne der Religion und ist auf ein Jenseits gewandt. Darauf folgte das Modell „Unsere Kinder werden es besser haben“. Das von Ihnen vorgetragene Modell des bewahrenden Fortschritts bietet keine Verbesserung der Lebensumstände. Weder für die aktuelle noch für zukünftige Generation. Viel schlimmer ist jedoch, dass die Welt als nicht verständlich und nicht beeinflussbar wahrgenommen wird. Die hohe Komplexität der Ordnungssysteme und hohe Regulierungsdichte lässt den Menschen behütet, aber ohnmächtig zurück. Wenn nun zusätzlich die Behütung nicht mehr funktioniert, schwindet jede Perspektive. Genau hier ist der Ansatzpunkt zu möglichem Fortschritt. In vielen Bereichen ist es meine Beobachtung, dass neues dort entsteht, wo die Regulierung noch nicht vorhanden ist. Ich beobachte dies seit langem in vielen technischen Bereichen, zuletzt im Feld der künstlichen Intelligenz. Dann tritt der Staat als Regulierer aufs Feld und die Saat des Fortschritts ist leider verdorrt. Eine mehr oder weniger dichte Regulierung erlaubt keinen Fortschritt, sondern gibt eine Art Planwirtschaft vor. Ohne eine Perspektive verfällt jedoch alles in Lethargie. Ein starker Sozialstaat befördert die Lethargie zusätzlich. Diese Lethargie als Bewahrung zu glorifizieren, hilft nicht weiter. Da sich alles bewegt ist kein Fortschritt immer, zumindest im Empfinden der Menschen, ein Rückschritt. Ich kann nicht erkennen wie ein System, welches keine Perspektive für eine bessere Zukunft verheißt und in der Gegenwart auf Grund seiner Komplexität nicht zu verstehen ist demokratisch getragen werden soll. Die ersten Erfolge der bisher noch schlecht organisierten Populisten geben mir bereits recht. Meine Konsequenz daraus ist, dass sich der Staat aus allem, was nicht absolut unverzichtbar ist raushalten oder in vielen Fällen zurückziehen muss. Nur Abwesenheit von Regulierung erlaubt Fortschritt. Fortschritt ist die Quelle der Motivation.
Michael Horbaschk

Der Ansatz von Andreas Reckwitz krankt daran, dass er den Begriff des Fortschritts nicht klar definiert. Bestand das Versprechen der westlichen Gesellschaften wirklich im Fortschritt oder eher im Wohlstand im Gefolge des Wirtschaftswachstums? Ist es nicht gerade die Gleichsetzung des materiellen Zuwachses mit Fortschritt, der abhängig gemacht hat vom Konsum auf Kosten andere Länder und der Natur? Ist es nicht diese Fixierung auf den Warenfetisch, der soziale und gesellschaftliche Fortschritte verhindert hat? Etwas von den alten Errungenschaften zu retten, wird nur gelingen, wenn wir radikal umdenken, nicht indem wir ein wenig Resilienz in ein grundfalsches System einbauen.
Dieter Schöneborn

Dank, Applaus und Respekt: mit dem Artikel haben sie mir zu 99% aus der Seele geschrieben. Vielleicht ist es gar noch schlimmer als in der Nebenüberschrift formuliert: Die „westliche Moderne“ lebte nicht nur von dem „Versprechen“, dass alles immer besser wird, sondern tut es vielfach immer noch, und nochmal schlimmer: Wenn nicht, glauben viele anscheinend, sie könnte es oder muss es sogar, das Nichteintreten dieses „Versprechens“ sei nicht etwa einem Missverständnis geschuldet, dass man ein Ziel oder Forderung oder eine Chance mit einem „Versprechen“ verwechselt hat, oder der Beweis für das Illusionäre oder unverantwortliche dieser „Vision“, sondern nur der Beweis für die Bösartigkeit oder das Versagen der „Wortbrecher“, und es brauche nun eine ganz neue Regierung oder gar ein ganz neues System, durch z.B. eine Partei, die bisher noch nicht „versagt“ hat weil noch nicht an der Regierung gewesen. Das wird noch durch die „Einschätzung“ gefördert, „schlimmer als jetzt kann es ja gar nicht mehr werden, also geben wir ganz neuen Kräften eine Chance.“ Da ist es allzu verführerisch für ausgebliebene versprochene oder auch ohne Versprechen verlangte „wunderbare Verbesserungen“ oder für deren Nebenwirkungen irgendeinen Sündenbock auszumachen, um nicht selbst als nur ernüchterter Traumtänzer oder durch neue Realitäten gescheiterter oder bescheidener gewordener dazustehen.
Dabei hat fast alles mindestens zwei Seiten und meist Kehrseiten, Risiken und Nebenwirkungen, und ein Großteil der bisherigen vermeintlichen Fortschritte wurden teuer erkauft bis zur Unverantwortbarkeit: Nur als Beispiele: Seit Jahrzehnten wurde der relativ mühelose und billige Wohlstands- und Mobilitätsgewinn erreicht durch fossile THG- oder sonstig schädliche Emissionen und Vernichtung von Wäldern und Biodiversität, „Fortschritte“ des Lebensstandards und schneller und leichter Genüsse wurden auch mit der Versuchung zu Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung bezahlt, und die bequeme Bezahlung von teuren Ausgaben oder „Konjunktur-Verbesserungen“ mit Schulden, die entgegen Keynes‘ Vorstellungen aber fast nie getilgt wurden. Umgekehrt wurde der relativ verzichts- und anstrengungsfreie Fortschritt zur Schuldenbremse und sogar schwarzen Null mit der Vernachlässigung von Zukunftsinvestitionen und sogar Erhaltungs-Investitionen für die Infrastruktur. Lohn und Gewinnsteigerungen bei abnehmenden Arbeitszeiten wurden mit zunehmenden Abhängigkeiten erkauft von billigen fossilen Importen und billigen, weil auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruhenden Lieferketten und Importen. Auch die relativ billigen Inklusionsbeschlüsse wurden mit der Überlastung der Lehrkräfte und Chaos in den Klassen u.a. wegen Mangel an nötigem zusätzlichem Personal erkauft. Und manche Wohlstands-Entwicklungen wie bei dem Dotcom-Börsen-Hype und vor der großen Finanzkrise 2008 erwiesen sich als Blasen oder Schneeballsysteme, und bei denen, die das wussten als massenhafter Betrug, der aber u.a. deshalb kaum zur Anzeige und Verurteilung kam, weil das Vorsätzliche daran so schwer beweisbar war und ansonsten die Gerichte und Staatsanwaltschaften heillos von der schieren Zahl überlastet oder überfordert waren. Ich habe sogar den Verdacht, dass auch die weiter zunehmenden Schulden der Staaten spätestens dann ein Schneeballsystem sind, wenn die Tilgungen ganz überwiegend nur aus immer neuen Schulden bezahlt werden.
Viel zu oft und zu viel wurden auch alle bisherigen Fortschritte als für immer gegeben oder endgültig angesehen und übersehen oder vergessen, dass sie immer weiter und wieder erarbeitet und/oder bezahlt werden müssen, und nicht nur „erkämpft“, als kommen die Gefahren und Rückschritte nur von bösen Gegnern und nicht auch von den Fortschrittsgenießern selbst durch Denkfehler, Illusionen, „Ausruhen auf den Lorbeeren“ oder dem vermeintlichen Anspruch auf immer weitere „Fortschritte“, die eine „gute“ Regierung quasi selbstverständlich zu liefern habe, ohne dafür irgendeinen Preis zu fordern oder brauchen an Zahlungen, Anstrengungen oder verzichten auf andres von den Wählern und Bürgern. Dass „vor den Preis die Götter den Schweiß“ gesetzt haben, war nur noch altmodisch, zwanghaft oder spießig oder „mutlos“. So wird auch die dringend nötige Zukunftsfestigkeit und Zukunftsabsicherung des Wohlstandes gefordert oder versprochen ohne Anstrengung oder mehr Steuern oder Mehrarbeiten oder Herunterschrauben von einem Teil der bisherigen Bequemlichkeiten oder Genüsse, sondern allein durch „kluge“ oder „bessere“ Politik oder Systeme, während in der Politik niemand wagt bei Mehrheiten oder normalen Bürgern, mal wenigsten bei der eigenen Klientel die Korrektur irgendwelcher Denk- oder Verhaltensfehler anzumahnen. Dazu kommen noch die hohen Vergütungen und Rentenansprüche und bei einigen der Nebenverdienste, die zu rechtfertigen ja auch zumindest zum Schein ungeheure Leistungen bis hin zu Zauberei für die Wähler erfordern.
Die Sicherung der Zukunft schien dagegen immer weniger wichtig als „Fortschritte“ für die Gegenwart, solange bis die Zukunft und ihre Schädigung, mindestens Gefährdung so nahe ist, dass sie nicht mehr ganz übersehen und verdrängt werden kann. Die Resilienz gegen solche folgen wird aber wiederum als alleinige Bringschuld der Regierung und „des Systems“ gesehen und nicht als Aufgabe und Verantwortung der gesamten Gesellschaft, auch wenn ihre Wahrnehmung anstrengend, arbeitsreich und teuer werden sollte. Dieser Preis gilt als unakzeptabel, egal ob bei rechtzeitiger Akzeptanz noch viel mehr an Gutem übrigbleiben würde als vor einigen Jahrzehnten vorstellbar war. Sie haben völlig Recht: Die Resilienz gegen Zukunftsgefahren ist auch ein Fortschritt, nur einer von anderer Art als das bisher gewohnte. Damit könnten auch eine größeres Realitätsbewusstsein und besseres Gewissen gegenüber unseren Kindern und Enkeln ein großer Fortschritt sein. Aber wie sollen Menschen die Erreichung von etwas als Fortschritt sehen, dass sie bisher als selbstverständlich oder gar nicht – als gefährdet – wahrgenommen haben?
Auch damit haben Sie Recht: Vieles an erreichten Fortschritten ist wertvoll und bewahrenswert und zugleich zerbrechlich und in Gefahr, und das auch, aber nicht nur durch den Aufstieg von Rechtsextremen, sondern auch durch zu große Illusionen und Ansprüche: Eine — gute — Zukunft bekommen wir nicht geschenkt, auch nicht durch die Demokratie oder die beste vorstellbare Regierung, sondern sie muss — immer wieder — erarbeitet und bezahlt werden, sei es nur durch die Akzeptanz von Windrädern in Sichtweite oder durch höhere Konsumkosten, wenn wir denn kommenden Generationen nicht ein vielfaches an Belastungen zumuten wollen. Einige glauben allerdings, die „geniale“ Lösung gefunden zu haben, indem sie alles nötige mit Schulden bezahlen statt mit mehr Steuern oder längeren Wochen- oder Lebensarbeitszeiten oder Verzichten; nur leider bedeutet das, den kommenden Generationen die Rechnungen für alles zu vererben, was eigentlich ihr selbstverständliches Recht ist, wie es in einem bekannten Satz heißt, der von mir wie folgt gereimt formuliert wurde (Als Teil meines Gedichtes „Eltern, Großeltern und Freunde des Planeten, vereinigt Euch!“):
“ . . . . wir droh‘ndem Einhalt bieten und vorsorgen, selbst dem nach unsrer Zeit, denn borgen konnten wir nur diese Welt, um sie am Ende zurückzugeben in der Kinder, Enkel Hände. Für sie lasst uns bewahren diese Welt, von der ein jeder ein Stück in den Händen hält, selbst wenn’s mehr Mühe macht als schien in Träumen selbst wenn wir für sie, ihre Zukunft was versäumen, denn wer nur sich allein lebt, versäumt mehr, … „
Peter Selmke

Das Progressive, das Moderne, Fortschritt in seiner allgemeinen Bedeutung scheinen mir positiv konnotierte Begriffe zu sein. Deshalb werden auch die begrifflichen Gegenpole, die da heißen mögen reaktionär, rückwärtsgewandt oder veraltet, eher negativ gesehen. Unbestreitbar ist der positive Charakter des Fortschritts, wird man spezifischer, so wie Herr Reckwitz es in seinem Artikel tut, der von „medizinischem Fortschritt“ oder „technologischen Innovationen“ schreibt. Während im Folgenden von ihm die Frage verhandelt wird, ob die westliche Fortschrittserzählung an ein Ende gekommen ist, bleibt die Grundsatzbetrachtung unerledigt, dass Fortschritt auch in seinen Unterformen typischerweise nicht ohne Nebenwirkungen zu haben ist. Nehmen wir uns die beiden obengenannten Beispiele: Der medizinische Fortschritt und der technische. Ohne ersteren bzw. seine Diffusion in die entlegensten Winkel des Planeten, wäre das Wachstum der Weltbevölkerung nicht so, wie es war und ist. Und ohne den technischen Fortschritt, der uns Zentralheizungen, Automobile, Flugzeuge und Zementfabriken beschert hat, gäbe es nicht jenen untragbaren CO2 Ausstoß, der bereits jetzt zu spürbaren Klimaveränderungen geführt hat. Was wir dem Planeten aktuell antun, resultiert aus einem viel zu großen Produkt Menschenzahl * Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch. Man muss kein Mathematiker sein, um zu verstehen, dass wir aus der Nummer nicht herauskommen, wenn beide Multiplikanden stetig größer werden.
Die Menschheit nimmt Kurs auf jenen Prellbock, der da heißt: ökologischer Zusammenbruch. Dabei sehe ich nicht, wie Herr Reckwitz argumentiert, dass uns der Fortschrittsoptimismus verloren gegangen sei, im Gegenteil. Nach dem Motto „Irgendwann, irgendwo wird einer was erfinden“ ist der Fortschritt der einzige verbleibende Strohhalm, nach dem wir greifen, wenn es darum geht, sich einbilden zu können, wir könnten die drohende Katastrophe verhindern. In pathologischer Form ist uns der Fortschrittsglaube also durchaus erhalten geblieben. Den Kern der Misere drückt der Untertitel des Artikels aus: „Die westliche Moderne lebte von dem Versprechen, dass immer alles besser wird. Diese Zeiten sind nun vorbei.“ Ja, so ist das. Nur kann da der Fortschritt nichts dafür. Aber wir, die die Wahl hätten: Wirtschaftsweise, Ernährung, Wohnen und Mobilität radikal umgestalten und als Menschheit mehr oder weniger kontrolliert zu überleben, oder gegen die Wand fahren und nachsehen, wer alles den Crash überlebt hat. Zu kapieren, dass wir uns entscheiden müssen, das wäre fortschrittlich. Widerspricht aber der Naturgesetzlichkeit, bestenfalls aus eigenen Fehlern zu lernen. Und Naturgesetze sind bis zum Kollaps des Universums ewig gültig. Und eben nicht dem Fortschritt unterworfen.
Maximilian Trattenbach

Das verstehe ich nicht; natürlich ist noch ein Riesen-Fortschritt in der Bundesrepublik Deutschland ad hoc zu erzielen. Wir müssen nur an die Deutsche Bahn denken. Was wäre es für ein Fortschritt, wenn alle Züge der Deutschen Bahn tatsächlich laut Fahrplan und mit richtiger Wagenreihungsfolge und funktionierenden Toiletten pünktlich fahren würden. Der Fortschrittsgedanke der westliche Moderne wäre gerettet.
Volker v. Moers

Die Forderung von Andreas Reckwitz nach einem revidiertem, nüchternem Fortschrittsverständnis ist die klare Forderung nach einer friedlichen Revolution 2.0 in unserem Land. Denn die 4 zentralen Aspekte bedeuten in ihrer Konsequenz den Umbau der gesamten Gesellschaft ohne eine revolutionäre Zerstörung der staatlichen Grundstruktur. Diesen komplexen Prozess der Bewahrung des erreichten hohen Niveaus unserer Gesellschaft bei Aufgabe des Glaubens an eine vermeintlich automatische Entwicklung zum Besseren, die Forderungen nach Resilienz in der Ökologie, der nationalen Sicherheit, der Wirtschaft und der Politik so zu gestalten, dass ist eine Mammutaufgabe. Sie kommt der Quadratur des Kreises nahe. Den Mythos der Verlust- und Schmerzfreiheit der westlichen Moderne zu beerdigen, dass bedeutet Wohlstandsverluste langfristig gesellschaftspolitisch zu organisieren, zu kommunizieren und auch zu realisieren. In diesem Prozess eine funktionierende Demokratie als historisches Fortschrittserbe zu bewahren, die Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu erhalten und dabei die pluralistische Öffentlichkeit und die Medien einzubinden, dass kann zu einer Zerreißprobe für die Gesellschaft werden. Es erfordert ein Umdenken aller Bürger, eine Neutarierung der Schwerpunkte in der Politik und im Staatshaushalt. Die Umverteilungen in einem größeren Ausmaß werden notwendig und auch schmerzliche Verluste an Privilegien werden unvermeidlich sein. Hoffentlich finden die Gedanken von Andreas Reckwitz Aufnahme bei einer gestalterischen politischen Elite in den Parteien und die Akzeptanz und das notwendige Verständnis bei den Bürgern. Denn je mehr Fortschritte in der modernen Gesellschaft erreicht worden sind, desto mehr können auch verloren gehen. Hoffentlich gelingt es uns als Gesellschaft das Fortschrittserbe zu schützen, zu erhalten und weiter zu entwickeln. Denn sich international abzeichnende Alternativen sind nicht erstrebenswert.
Klaus-Dieter Busche

Vielen Dank für Ihren interessanten und lehrreichen Artikel zu Fortschritt. Er hat mich begeistert. Dass wir Fortschritt, Wachstum und Zukunftsperspektive neu überdenken müssen ist unausweichlich. Besonders überzeugt hat mich Ihr Resümee, dass wir in erster Linie das erreichte hohe Niveau bewahren müssen. Wir müssen lernen dankbar zu sein für das Erreichte. Wir haben Zufriedenheit verlernt. Als Mediziner sehe ich zunehmend Menschen, die an falschen, überzogenen Ansprüchen scheitern. Ihre Einschätzung, das Erbe zu schützen und weiterentwickeln teile ich. Vielen Dank für diesen ehrlichen Artikel. Chapeau!
Peter Buckenmaier

Der Autor stellt ein zeitgemäßes Verständnis von Fortschritt für die westlichen Gesellschaften vor. Er integriert sowohl die ganz großen Themen (Klima, Krieg, Kolonialismus) als auch die kleineren (Sozialpartnerschaft, Kultureinrichtungen, Kliniken u.v.a.m.). Nur ein Thema (der rosa Elefant) wird nicht erwähnt – Migration. Soziologie vom Feinsten.
Ralf-Stefan Gärtner

„Die westliche Moderne lebte von dem Versprechen, dass alles immer besser wird. Aber diese Zeiten sind vorbei.“ Dass diese Zeiten vorbei sind, hat einen einfachen Grund: Exponentielles Wachsen muss irgendwann zu Ende gehen. Und wie es scheint, haben wir noch kein Rezept für den sanften Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum gefunden. Der technische Fortschritt kann da nicht groß helfen. Dazu folgende Überlegung aus dem Buch «Die Technik reicht nicht» (Bod 2016): „Mal angenommen, die Erde wäre zehnmal kleiner, wäre dann die Menschheit längst untergegangen? Oder umgekehrt, wäre ihr eine gute Zukunft gesichert, wenn unser Planet zehnmal grösser, zehnmal reicher wäre? Geht man diesen Fragen nach, wird man finden, dass Größe und Reichtum der Erde nicht entscheidend sind für die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Daraus ergibt sich aber auch, dass der technische Fortschritt nicht reicht, diese Überlebensfähigkeit zu sichern. Denn die übliche Leistung der Technik besteht darin, immer mehr Nötiges und Unnötiges verfügbar zu machen und dadurch gleichsam die Erde grösser zu machen, was – wie gesagt – nicht entscheidend ist. Vermutlich wäre eine kleinere, übersichtlichere Erde sogar günstiger für die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Was für den technischen Fortschritt gilt, gilt leider auch für die sich dank dem technischen Fortschritt ergebenden Möglichkeiten wie Entwicklungshilfe, soziale Netze, Reagieren auf die Klimaerwärmung, etc. Auch diese Dinge können die Erde zwar gleichsam grösser machen, aber das reicht nicht, der Menschheit ein langfristiges, gutes Fortbestehen zu sichern.
Die Technik kann allerdings Zeit gewinnen, um zusätzliche Kreativitäts-Potentiale zu nutzen für die wichtigste Aufgabe der Menschheit, nämlich sich selbst Grenzen zu setzen.“ Dass die Zeiten des Fortschrittsglaubens vorbei sind, hat einen einfachen Grund. Exponentielles Wachsen muss irgendwann zu Ende gehen. Und wie es scheint, haben wir noch kein Rezept für den sanften Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum gefunden. Reckwitz schreibt: „Für ein revidiertes, nüchterne Fortschrittsverständnis sind vier Aspekte zentral.» Man kann diese vier ganz kurz so betiteln: Fortschrittsglauben anpassen, Resilienz auch durch Zusammenarbeit, Einkalkulieren von Verlusten, Blick in die Vergangenheit. Alle vier Aspekte müssen auch unter dem Aspekt «Verteilen der Verantwortung» gesehen werden. Und da sind es die demographischen und ökologischen Gräben innerhalb der Menschheit, die einer erfolgreichen Zusammenarbeit bei der Problemlösung erschweren. Zum ersten Punkt ist zu sagen, dass der globale Westen nicht wie bisher mit seinen technischen Fähigkeiten die Grundlange für weiteres exponentielles Wachsen liefern kann. Zum zweiten Punkt ist zu sagen, dass das Akzeptieren dieser Tatsache auch durch den globalen Süden eine wichtige Grundlage für Relienz ist. Zum dritten Punkt ist zu sagen, dass Verzicht nötig ist. Es müssen Perspektiven gesucht werden, die nicht mit dem exponentiellen Wachstum von Konsum und Kopfzahl verbunden sind.
Zum vierten Punkt (Blick in der Vergangenheit) Folgendes: In er Zeit vor den Auswirkungen des Fortschritts war es nötig, gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um mit den begrenzten Ressourcen auszukommen. Diese Maßnahmen verlangten schwerwiegende Einschränkungen, für die es damals kaum Alternativen gibt. So war es in Europa üblich, dass ein Kind den Hof erbte und seine Geschwister oftmals ein Leben als Dienstboten oder in einem geistlichen Beruf (z.B. Kloster) verbrachten. Denn Arme und Dienstboten konnten nicht heiraten. Heute gibt es fairere Alternativen und sie werden auch in Europa – sogar eher zu umfangreich – genutzt. Diese historische Erfahrung gibt uns das Recht und die Pflicht die nötigen Einschränkungen zu fordern, um weltweit das Bevölkerungswachstum der Begrenztheit unseres Planeten anzupassen. Der technische Fortschritt reicht nicht.
Gernot Gwehenberger

Das bloße Bewahren des an Freiheit in der Lebensführung, an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie an Freiheit von materieller Not Erreichten ist meines Erachtens kein Fortschritt im üblichen Sinne eines Voranschreitens zum Besseren, aber natürlich besser als Rückschritte zwecks „Restauration“ einer angeblich „guten alten Zeit“, die es in Wahrheit so nie gab. Eine Wurzel der gegenwärtigen Übel ist meines Erachtens das Versprechen eines immerwährenden materiellen Fortschritts ohne Rücksicht auf andere Menschen und auf die Natur, wie er von „der Wirtschaft“, den meisten Politiker*innen und einem Großteil der Bevölkerung trotz Klimakrise und Artensterben immer noch angestrebt wird, nämlich als ständige Mehrung von Wohlstand/Reichtum und Konsum weit über das lebensnotwendige Maß hinaus. Wäre der Wohlstand in Deutschland gleichmäßiger verteilt und würden sich die Menschen in Deutschland materiell bescheiden, wären die Probleme, die durch die Bedrohung Europas durch die diktatorischen Regime in Russland und China, durch die Klimakrise, das Artensterben und durch die demografische Entwicklung in Deutschland entstehen, deutlich leichter zu bewältigen. Das wäre dann ein Fortschritt auch in ethischer Hinsicht. Fortschritt in technologischer und medizinischer, in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht könnte es nach wie vor geben. Vielleicht kann der technologische Fortschritt sogar tatsächlich irgendwann einmal Klimakrise und Artensterben beenden – aber bislang ist die Menschheit von einem vollständigen Verstehen oder gar Beherrschen des Ökosystems Erde weit entfernt. So bleibt derzeit meiner Meinung nach nur Selbstbescheidung.
Ulrich Willmes

Andreas Reckwitz sieht in einem gemeinsamen Buch mit Hartmut Rosa die Gesellschaftstheorie als „intellektuelle Impulsgeberin auch außerhalb des wissenschaftlichen Feldes.“ (1) So ist wohl sein Essay zu verstehen. Aber warum das Pferd von hinten aufzäumen? Sollte man die vier Vorschläge von Reckwitz nicht in umgekehrter Reihenfolge lesen. Als erstes käme die Erkenntnis, dass vieles nicht so glorreich war, wie wir uns das vorgestellt und vorgegaukelt haben. Es täte gut, den Blick vom Idealbild unserer Errungenschaften abzuwenden und lieber die Wirklichkeit zu betrachten. Das würde – zweitens – den Verlustschmerz vermeiden, zumindest lindern. Wenn wir uns schon gewaltig überschätzt haben, wäre es gut, den Fehler kein weiteres Mal zu machen. Drittens würde der gewonnene Realismus helfen, den Schaden entspannt zu begutachten und zu prüfen, wie wir unsere Wünsche an die begrenzten Mittel anpassen. Bescheidenheit schafft Resilienz. Zu guter Letzt würde damit die Illusion eines mühelosen Fortschritts einer handfesten Nüchternheit weichen. Nur sie gibt Kraft zum Handeln. Vermutlich käme man mit dieser Reihenfolge schneller zu Resultaten als mit der Reckwitzfolge des Weltschmerzes. Die Zeit drängt. Deshalb die Frage: Hat das Selbstverständnis, mit der wir an unser Problem herangehen, nicht sogar den entscheidenden Einfluss auf den Schwung unserer Verhaltensänderung? Hartmut Rosa im genannten Buch (S. 161): „Wer beziehungsweise was wir als Individuen und als Gesellschaft sind und in welcher Welt wir leben, hängt (auch) von unseren Sinnhorizonten oder Selbstdeutungen ab. Das bedeutet auch: Wer es vermag, die Grundbegriffe der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung und Selbstdeutung zu verändern, verändert die gesellschaftliche Wirklichkeit selbst.“ 1) Andreas Reckwitz, Hartmut Rosa, „Spätmoderne in der Krise – Was leistet die Gesellschaftstheorie?“, Suhrkamp 2021
Hermann Pütter

Ich verstehe Ihren Beitrag als Versuch einer umfassenden Analyse der gegenwärtigen Situation und sehe viele kluge Gedanken. Umso mehr erstaunt mich, dass Sie die Thematik der Migration völlig ausgeklammert haben. Ein zu heißes Eisen?
Horst Winkler

Fortschritt ist aus meiner Sicht kein Selbstzweck. Er soll die Lebensbedingungen aller In demokratischen Gesellschaften verbessern und ist nachhaltig ohne Demokratie nicht vorstellbar.  Voraussetzung für den Fortschritt war und bleibt die Epoche der Aufklärung und die auf dieser Grundlage Schritt für Schritt entwickelten Grundsätze der Demokratie. Das aufklärerische Denken und Handeln wurden leider zunehmend dem Liberalismus geopfert. Physische und psychische Gewalt, Diffamierung und Diskreditierung sind Alltag. Die aufklärerischen Debatten über sämtliche für jedermann wahrnehmbare Tatsachen und deren Abwägung, ohne Sieger und Verlierer, behindern den Fortschritt im Dienste des Menschen.
R. Reiger

Für die Zeit heißt Fortschritt: Mehr Konsum, reisen und noch mehr Konsum. bitte sehen Sie die vielen Anzeigen und werbenden Beiträge dafür, z.B. im ZEIT-Magazin die Rubrik „Heiter bis glücklich“ oder die ZEIT-Leserreisen mit Kreuzfahrten über den ganzen Planeten. Hauptsache mehr! Früher versprachen alle Medienkanäle „Rauchen macht glücklich“, heute versprechen sie: „Konsum macht glücklich!“ Dabei weiß jedes Kind, je mehr Raum unsere Autos, Wohnungen und Urlaube einnehmen, desto weniger bleibt von der Erde übrig und desto kleiner wird sowohl der reale als auch der gefühlte „Lebensraum“. Medien verschärfen durch unausgesetzte (Schleich-) Werbung für bedenkenlosen Konsum diesen Konflikt und damit zugleich den politischen Diskurs darüber! Die AfD sagt Danke und zieht immer mehr Konsum-Kund*innen auf ihre politische Seite. So wie Medien früher Kinder mit Werbung und positiver Darstellung zur Nikotinsucht verführten, so heizen sie heute mit Werbung und positiver Darstellung die fossile Spaß-Konsum-Gesellschaft an. Früher waren die Gelder der Tabakindustrie nötig, um guten Journalismus zu machen, heute sind es die Werbeeinnahmen, die Klickzahlen und Nebenverdienste der „Gib Gas ich will Spaß-Gesellschaft“. So, wie die früheren Kinder auf den gesundheitlichen Folgeschäden ihrer Nikotinsucht sitzen bleiben, so bleiben den heutigen Kindern die immensen finanziellen und gesundheitlichen Folgen der heute verursachten Klimaschäden. Das stete Wasser der medialen „Bedürfnismaschine“ höhlt den Stein der menschlichen Moral und ähnlich wie bei der Tabakwerbung früher profitieren die Medien heute vom „fossilen“ Geschäft.
Sie lieben Ihren Urlaub, die Medien lieben es Werbung dafür zu machen, ja bietet selbst solche Reisen als „Verlagsangebot – ACHTUNG exklusiv für SIE-ZEIT REISEN Schiff 2024-2026“ an. Wenn Sie dann ins Ausland fliegen und anschließend eine Kreuzfahrt machen, entfällt die komplette Mehrwertsteuer auf die gesamte Reise! Flug und Kreuzfahrt sind sogar ganz ohne CO2- und Energiesteuer, wenn es in ein Nicht-EU-Land geht!  Sie lieben die Internet-Schnäppchen, damit sich auch Ärmere was Schickes leisten können? Dank des direkten Versandes per Flugzeug aus China entfallen CO2-, Energie- und Mehrwertsteuer. Die Medien lieben es auch dafür Werbung zu machen! Sämtliche Waren, die arten-, umwelt-, und klimafreundlich innerhalb der EU hergestellt und transportiert werden, zahlen all diese Steuern aber schon!  Egal ob die Erde verbrennt, die fossile Spaßgesellschaft sitzt mit am „aufgeklärten und neutralen“ Redaktionstisch und verkündet: „Luxus, SUV, Fliegen, Kreuzfahrten, schau wie toll das ist, da geht noch was!“ Viele redaktionelle Stücke verherrlichen den bedenkenlosen Konsum aber verschweigen ihren Leser*innen den wahren Arten-, Umwelt- und Klima-Preis des ewigen Wachstums! (*) Das verhärtet die Fronten innerhalb der Gesellschaft. (*) Zeit Magazin 16.5.2024 „Ärger im Paradies“ von Leander Haußmann. Kant zeigte uns mit seinem kategorischen Imperativ den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Ist unser heutiges Verhalten so viel zu konsumieren, dass es  N I E M A L S  zur allgemeinen Maxime werden darf, nicht eine ebenso große Gefahr für unsere Mündigkeit, unsere Freiheit und das Leben unserer Kinder wie unsere Unmündigkeit vor der Aufklärung oder die unserer Vorfahren 1933? Die mediale Unmündigkeit trägt erheblich zur gefühlten Machtlosigkeit, Frustration und Hass bei, denn trotz zunehmender Hitze, Dürren, Fluten, etc. bleibt in den Medien „mehr konsumieren“, der vorherrschende Appell an die Leser*innen.
In DIE ZEIT ist „Luxus konsumieren, reisen und noch mehr konsumieren“, der vorherrschende Appell an die Leser*innen. Sie feiern 75 Jahre BRD und Grundgesetz mit einer Sonderausgabe aber zur größten von Menschen gemachten Katastrophe, der Klimakatastrophe, bringen Sie nichts Ähnliches zustande? Das ist eine Schande! Denn heute ist der Kampf gegen den immer tödlicheren Konsum, was früher der Kampf gegen die Alt-Nazis war! Bitte machen Sie endlich eine ZEIT-Sonderausgabe für einen wirksamen Klimaschutz. Andernfalls verschwindet jegliche politische Moral und solidarische Motivation und fahren wir mit immer größeren, zahlreicheren und überdimensionierten Konsumwünschen nach Autos, Flugreisen, Kreuzfahrten und anderem Luxus unseren Planeten samt Demokratie in den Abgrund.
Klaus Siersch

Ich stimme dem Autor weitgehend zu, sehe aber zwei weitere Aspekte, die das Gesamtbild meines Erachtens verändern. Erstens sehe ich ein Wahrnehmungsdefizit. Die Zeit seit etwa 1950 erscheint nur aus Sicht des westdeutschen Wohlstandsbürgers so glorreich und kontinuierlich fortschrittlich. Die Ostdeutschen mussten noch 40 Jahre mit einer Diktatur und einem nur langsam wachsenden Lebensstandard zurechtkommen. Außerhalb Westdeutschlands und speziell außerhalb Europas gab es das oft besungene Wirtschaftswunder mit Freiheit und Demokratie ebenfalls nicht. Eine gesamteuropäische Sicherheits- und Friedensordnung wurde auch nach 1990 nicht geschaffen. Was es aber wohl definitiv gab, war: eine westliche Hegemonie der Werte, eine militärisch-politische Vormachtstellung, eine wirtschaftliche Dominanz und eine rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt. All dies hat dabei geholfen, viele Menschen im Westen sehr reich und leider auch gesellschaftspolitisch anspruchslos und oft auch selbstgerecht zu machen. Unweigerlich nivelliert sich nun das ungeheuer große Gefälle zwischen dem Westen und dem Rest der Welt, und die Ausbeutung zum Beispiel der Natur stößt an ihre Grenzen. In der Folge gerät unser (unrealistischer) Fortschrittsanspruch in die Krise. Leider haben wir zweitens kaum ein Fortschrittsmodell jenseits dieses Weiter-so entwickelt. Genau das beklagt der Autor, und er beschreibt vier Aspekte eines modernen Fortschrittsverständnisses. Aber wir haben auch ein Strategiedefizit! Was wollen wir erreichen? Statt aktiv Lösungen zu suchen, beklagen wir, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie gerne hätten, nämlich gerade, stetig und einfach. Und dann kommen auch noch die Populisten mit einfachen Formeln, die bei vielen verfangen, weil wir nur wenige Ideen in Sachen Fortschritt zu bieten haben. Was wollen wir als der Westen denn selbst und aus eigener Kraft erreichen? (Die anderen sollen… zählt hier nicht.) Wenn wir nicht aufpassen, könnte dieses Fehlen an Ideen zum Fehlen an Fortschritt führen.
Eberhard von Faber

Kurze Ergänzung: Fortschritt sollte auch definiert werden aus dem (Fern-) Ziel für die Menschen. Die Zielvorgabe vermittelt uns anschaulich die Natur: ungestörte, ausgewogene Ökosysteme. Ein globales Erdsystem muss wahrhaft soziale Verhältnisse unter den Menschen schaffen – und dieses im Einklang mit dem Geschehen in der Natur. Das bedeutet Klima- und Artenschutz sowie Wohlbefinden der Menschen.
Hjalmar Thiel

 


 

Leserbriefe zu „Was bringt uns endlich auf neue Gedanken?“ von Maximilian Probst

Ihrem Autor kann geholfen werden bei seiner Suche nach Erzählprofis zum Nahost-Konflikt! Es mag Abhilfe schaffen die Begriffe Israel und Juden dediziert zu unterscheiden: (1) „Israel“ ist ein demokratischer Staat, in dem neben 6.9 Mio. Juden auch 2 Mio. Araber leben, (2) „Juden“ sind Anhänger einer Glaubensrichtung, die während der sog. Shoah 6 Mio. Opfer im Rahmen des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte – dem Holocaust – zu beklagen hatte. Ein Staat ist keine Glaubensrichtung und eine Glaubensrichtung kein Staat – so wie ein Hase im Sinne von Wittgenstein keine Ente – und auch nicht umgekehrt – ist. Der Begriff „Antisemitismus“ bezieht sich ausschließlich auf den Begriff „Juden“. Kritik an der Politik Israels und den im Namen Israels Handelnden (Netanjahu) sind in freien Gesellschaften notwendig, ja sogar erwünscht. Generalvollmachten – wie z. Bsp. die angebliche deutsche Staatsräson im Hinblick auf Israel/ die Juden – müssen schon präzisieren, ob sie sich auf den Begriff „Israel“ oder auf „Juden“ oder auf beides beziehen wollen. Hier können für das demokratische Deutschland offenbar nur die „Juden“, nicht aber Weiteres (z. Bsp. der Staat Israel) gemeint sein, denn Deutschland darf Israel niemals einen Freibrief für sämtliche politische Entscheidungen und Handlungen ausstellen. Den Haag und New York haben sich hierzu kürzlich eingelassen, was offenbar angemessen ist. Die Juden waren die Opfer des Holocausts, nicht der Staat Israel, den es erst seit 1948 gibt. Mit dieser Begriffsunterscheidung ließen sich die Erzählprofis, die der Autor im letzten Absatz herbeisehnt, mit Sicherheit deutlich einfacher finden.
Jörg Mirbach

So viele Worte, die sich um sich selber drehen und wichtiger nehmen als den Gegenstand selber. Ich würde gern eine Lanze brechen für die Wirklichkeit. Wie oft in der Geschichte wurden ähnlich vertrackte Konflikte durch Ideen und Diplomatie oder gar Sprachphilosophie gelöst? In der Regel gibt es zwei bzw. drei Möglichkeiten. Der Krieg wird gewonnen oder verloren. Und drittens: Beide Seiten sind gleichermaßen erschöpft. Die Weisheitsliteratur der Bibel nennt das „Zeit des Krieges“. Man ist nicht klug oder ethisch, wenn man die Wirklichkeit der Welt und das Wesen des Menschen wunschdenkerisch ignoriert. Jeder hätte gern sofort Frieden oder wenigstens Waffenstillstand. Doch das gibt die Lage nicht her. Der Krieg ist da und hat seine eigene Logik. Und aus dieser Misere kann sich auch kein Journalist noch so wortreich befreien. Wie Kriege enden, hab ich gesagt. Ob es danach mehr als einen Waffenstillstand geben kann, ob eine „Zeit des Friedens“ möglich wird, ist ein neues Thema. Ich hoffe auf eine Zeit des Friedens, wo es Israel noch gibt. Und darum geht es jetzt – dass Israel nicht verloren geht.
Fred Klemm

Großes Kompliment für Maximilian Probsts zwingenden sprachphilosophischen Versuch über Wittgenstein, die Morde der Hamas, die Reaktionen Israels, den Krieg in Gaza – und unser aller Fassungs-, Rat- und Sprachlosigkeit. Vielleicht noch ein passender Merksatz der Philosophin (!) Ingeborg Bachmann dazu: „Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht.“ Wohl wahr.
Hubert Klöpfer

Glänzend ist der Boden vorbereitet, bevor Maximilian Probst seine Nahost-Frage stellt, was uns endlich auf neue Gedanken bringen könnte, um dem ewigen Konflikt in Palästina wirksam zu begegnen. Ludwig Wittgensteins Theorie vom Handeln durch Sprache auf die weithin bekannte Kippfigur von Hase oder Ente zu konzentrieren, ist vorbildliche Gärtnerarbeit. Das „Entweder-Oder“ hilft nicht weiter, wenn entweder deutsche Staatsräson wegen des Holocaust gelten soll oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuprangern sind. Beides gleichzeitig zu sehen, kann einem um den Verstand bringen, ist immer daneben, scheint unmöglich, jedenfalls nicht hilfreich. Auch als ich Jahre in Amman verbrachte, war Verzweiflung nahe. Wenn Probst Wittgensteins Diktum vom Schweigen der Philosophen aufgreift und zukunftsweisende Erzählungen fordert, so möchte ich an einen Vorschlag aus Israel selbst (Joshua Solo in „Die Zeit“ Nr. 12, 14.03.24) erinnern, der Gründung und Wachsen der EU in Notzeiten als Vorbild für eine Freihandelszone (mit Zukunftspotential) in Nahost sieht. Die Ölstaaten sehen das Ende des Karbon-Zeitalters, suchen Alternativen und könnten sie im Technologie-Israel finden. Kapital ist da, Arbeitskräfte gibt es, Friedenssehnsucht wächst. Nur müssten die beiden extremen Kipppunkte entfallen – Hamas wie Netanyahu sind von der Geschichte zu überholen.
Norbert Heinze

Ob Eva Menasse wortreich in der letzten Ausgabe oder Maximilian Probst – das große Geschütz der Wittgensteinschen Sprachskepsis auffahrend – in der jüngsten Ausgabe: Beide versuchen neutralen Boden auszumachen, tappen dabei aber in die klassische Falle des Bothsidesism und der Äquidistanz. Neutral bleiben zu wollen ist die falsche journalistischen Antwort. Es gibt gerechtfertigte Gewalt (z.B. zur Terrorbekämpfung) und es gibt ungerechtfertigter Gewalt (z.B. bei Terroranschlägen). Als Christ bete ich für die Menschen in Nahost: für Übeltäter, die aus Hass und Ideologie töten, ebenso wie für Soldaten, die aus Selbstverteidigung und zum Schutz ihres Landes töten. Ich unterscheide aber auch hier das eine vom anderen deutlich. Ich bete auch für Opfer – für die Opfer des Terrors ebenso wie für die Opfer des Krieges, für unschuldige Opfer und für schuldige Opfer. Aber auch hier hüte ich mich davor, sie alle in einem Wort zusammenzufassen.
Marcel Haldenwang

Erzählprofis für den Nahostkonflikt? So etwas läuft auf einen Basar hinaus, auf dem darum gestritten wird, wer was wie tatsächlich erlebt hat, wer dramatisiert und wer hinzu erfunden hat. Die Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit ist ja die wirkliche Tatsache. Da die Bedeutung einer Tatsache sich aber oft nur bedingt in der Absicht eines Erzählers entschleiern lässt, weil man sein sittliches Potential ehrlich nicht wahrnehmen kann, selbst wenn er es vorgeben sollte, dass er ethisch motiviert erzählen will, wird die Aspektblindheit sich auch weiterhin in doppelten Standards übersetzen lassen. Erzählung bringt uns so nicht auf neue Gedanken, sie verwaltet nur wirkliche, vermeintliche, fiktive oder dramatisierte Tatsachen.
Hans Hartmut Karg

Ihrem klugen und ausgewogenen Artikel kann ich in weiten Teilen zustimmen. Mit zwei Ausnahmen, bei denen Sie, so will mir scheinen, das neue Denken zu weit treiben, indem Sie historische Erfahrungen komplett ausblenden. Zum einen erklären Sie den antisemitischen Hass aus den (unterdrückerischen, autodestruktiven, wie auch immer) Handlungen der Juden heraus. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass die Antisemiten niemals einen Grund für ihren Hass brauchten. Und auch die mörderischen Überfälle auf Israel haben sich immer dann gesteigert, wenn sich Verständigung und Ausgleich anbahnten. Der 7. Oktober hat gerade die Friedensbereiten in den linken Kibbuzim am härtesten getroffen. Zweitens argumentieren Sie, es bräuchte zu viel Phantasie, sich vorzustellen, dass ein binationaler Staat zur Auslöschung der jüdischen Selbstbestimmung in Israel führen würde. Dies erinnert mich an ein Gespräch vor einigen Jahren mit einem Bekannten, der keine Angst vor einer iranischen Atombombe hatte: „Warten wir doch erstmal ab. Ich glaube nicht, dass der Iran sie gegen Israel einsetzen wird.“ Mit Verlaub, eine solch optimistische Haltung steht Ihnen frei, da Sie weit ab vom Geschehen leben. Bitte verstehen Sie, dass die Israelis zu diesem Experiment nicht bereit sind. Umso mehr nach ihrem vollständigen und bedingungslosen Abzug aus Gaza im Jahr 2005 – mit den bekannten Folgen.
Kai Seyffarth

Die Debatte ist beendet, die internationalen Gerichtshöfe haben gesprochen. Der Internationale Strafgerichtshof wird Haftbefehle gegen Netanjahu und seinen Verteidigungsminister sowie diverse Führer der Hamas erlassen, der Internationale Gerichtshof hat die Anklage wegen Völkermordes gegen Israel zugelassen und per Eilbeschluss das weitere Vorgehen der israelischen Armee in Rafah untersagt. Es ist zwar sehr ärgerlich, dass Juristen erneut das Versagen der Politik wie im Klimaschutz regeln müssen; aber da es nun geschehen ist, ist die Debatte beendet.
Volker v. Moers

Dass Sie hier Wittgenstein aufgegriffen und dazu das Beispiel des Vexierbildes verwendet haben, finde ich ganz wunderbar. Die „Verhexung“ unseres Verstandes durch unsere Sprache ist ja auch eine ganz konkrete Erläuterung zum „Problem von Sprache und Denken“, wie es Gottfried Seebaß bearbeitet hat. Weil ich Ihre Gedanken, ja Klar- und Richtigstellungen zum Nahostkonflikt und dessen Rezeption für sehr notwendig halte, möchte ich eine Kritik bzw. Anregung anbringen, die zugleich zeigt, dass inhaltlich (!) Ihren Darlegungen überhaupt nichts hinzuzufügen ist. Ich hatte große Mühe, mir den Text zu erschließen, obwohl ich nicht ungebildet oder ungeübt bin. Angesichts der Bedeutung des Themas und der „Verwöhntheit“ heutiger Leser, meine Person eingeschlossen, würde ich z.B. Zwischenüberschriften bzw. Kurzfassungen wichtiger Aussagen im Verlauf des Textes gut finden. „Verschnaufpausen“ unterwegs durch (kleinere) Bilder statt des einen riesigen Portraits, würden ebenfalls zur besseren Lesbarkeit beitragen. Das geht wahrscheinlich mehr an die Lektorin oder den Redakteur der ZEIT und klingt auch banal. Ich weiß auch nicht, ob Sie als Autor Einfluss darauf haben. Ich wollte auch in erster Linie meine Freude und Dankbarkeit für die mir gebotene Lektüre zum Ausdruck bringen!
Kilian Rinne

Ich habe den Hinweis auf Wittgensteins Überlegungen zum Umgang mit Sprache und ihren Wirkungen sehr geschätzt. Ich teile die Ansicht des Autors, dass es entscheidend ist, unsere „Aspektblindheit“, in anderen Worten unsere doppelten Standards, zu überwinden: Das wir “ nicht ‚ein eng umschriebenes Gebiet‘ für ‚das Ganze‘ halten, sondern klarstellen, wie groß das Ganze“ bzw. sein Kontext, ist, um überhaupt miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Schlussfolgerung, dass Wittgensteins Rat „alle Erklärung muss fort und nur Beschreibung an ihre Stelle treten“ darauf hinauslaufe dass Erzählprofis wie Literatinnen, Historiker, Juristinnen und Reporter für den Nahostkonflikt gebraucht werden, halte ich jedoch für eine irreführende Illusion. Leider ist das Problem des „aspektblinden“, Erzählens bei uns ein allgemeines Problem und mitnichten auf die Sparte der Philosophen beschränkt. Im Gegenteil, die öffentlichen Medien sind voll davon. Erzählender Stil ist populär. Er macht das Durchschauen des darin jeweils enthaltenen doppelten Standards vielleicht noch viel schwerer. Ich möchte dazu aufrufen, dass die Erkenntnisse der Psychologie, die sich auch unter „Rorschachtest“ zusammenfassen lassen, sowie Wittgensteins Folgerungen daraus zum Umgang mit Sprache und deren Wirkung zum Pflichtfach in der Ausbildung von Journalisten gehören sollten. Vielleicht sind sie es schon und es liegt weniger an mangelnder Erkenntnis als am Druck Verkaufszahlen zu steigern, dass die aspektblinden, einfachen Texte so viel zahlreicher sind.
Nina Zhao-Seiler

Die Konsequenz, die man meines Erachtens aus den brillanten Überlegungen von Maximilian Probst ziehen sollte, ist, endlich die seinerzeit von Angela Merkel verkündete vermeintliche deutsche Staatsräson Israel gegenüber dorthin zu verfrachten, wo sie als rechtlich völlig irrelevante „Kippfigur“ im Wittgensteinschen Sinne gehört: auf den Müllhaufen der Geschichte!
Björn Luley

«Aus den erbitterten Debatten um den Krieg in Gaza könnte uns ausgerechnet Ludwig Wittgensteins Sprachphilosophie befreien.» Die Debatte ist deswegen erbittert, weil die am Konflikt Beteiligten, jeweils nur einen «Teilaspekt der Geschichte» gelten lassen. Aber das ist eigentlich ein uraltes Thema. Schon die alten Römer forderten «Audiatur et altera pars». Maximilian Probst empfiehlt diesbezüglich: «wir sollten weniger Theorie und mehr Erzählungen wagen, um so genau wie möglich hinzuschauen und vom Leid und von den Hoffnungen aller Seiten zu berichten. Dies im Geiste einer Mahnung Wittgensteins: «Wir dürfen keinerlei Theorie aufstellen. Alle Erklärung muss fort und nur die Beschreibung an ihre Stelle treten.» Probst beendet denn auch den Artikel mit der Empfehlung, «dass Erzählprofis für den Nahostkonflikt gebraucht werden, Literatinnen, Historiker, Juristinnen und Reporter…» Ich gehöre zu keiner der genannten Gruppen, sondern bin ein technik-kritischer Techniker. Und Technik kommt nicht ohne Theorien aus, die auf die tieferen Ursachen eingehen. Der tiefere Grund für den Gaza-Krieg liegt in den beiden verknüpften Bereichen der Demographie und der Ökonomie. Und das ist – nicht ganz zufällig – auch der Grund fürs Schlamassel der Menschheit. Gefragt ist also vor allem auch die Sprache der Naturwissenschaftler und der Ökonomie. Da wäre etwa die Formulierung «was ist notwendig und hinreichend» oder das Formulieren von Gesetzen, die den Gesetzen in der Physik entsprechen. Die Vergleichbarkeit der beiden Problemfelder (Gaza und Menschheit) wäre demnach auch ein Schlüssel für Lösungen in beiden Problembereichen. Und damit eine Grundlage für weniger Emotionen. Der Grund fürs Schlamassel ist das bisherige exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum, aus dem wir noch keinen befriedigenden Ausstieg gefunden haben.
Ein Grund sind die demographischen und ökonomischen Gräben innerhalb der Menschheit. Bei diesen gibt es offensichtliche Muster, die fast an die Grundgesetzte in der Physik erinnern: Überall wo Muslime in der Minderheit sind, wächst ihr Anteil an der Bevölkerung. Und überall, wo Muslime in der Mehrheit sind, schrumpft der Anteil der Minderheiten. Es gibt anscheinend noch ein weiteres Grundgesetzt: Überall wo die Bevölkerung auf Unterstützung von außen angewiesen ist, sind die Geburtenraten besonders hoch. So beträgt die Geburtenrate im Gazastreifen 3.5 und im Iran 1.68. Das schafft zwei verschiedene problematische Entwicklungen. Einerseits haben sich muslimische Länder wegen des hohen Bevölkerungswachstums von Paradiesen in Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit verwandelt. Dies gilt für Afghanistan aber auch für die Länder vom Irak bis Marokko. Andererseits ist zu hohes Bevölkerungswachstum nicht vereinbar mit dem aktuell wichtigsten Ziel der Menschheit, nämlich das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum zu beenden. Wenn dieses Ziel verfehlt wird, sind Katastrophen zu erwarten zum Nachteil aller Menschen einschließlich der Muslime. Auch weil es nicht nur ums Klima geht, sondern auch um die politische Instabilität. Notwendig wäre, dass weltweit sich das Verhalten an folgender Sichtweise orientiert: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und haben daher aus Dankbarkeit für dieses Privileg die Aufgabe, ihn in gutem Zustand auch den kommenden Generationen zu hinterlassen. Das betrifft Konsum und Kopfzahl. Die Situation vor den möglichen Kipp-Punkten kann man zwar unterschiedlich sehen, ähnlich wie das von Wittgenstein vorgestellte Enten-Hasen-Kippbild. Wenn jedoch das Kippen bei einem oder mehreren Punkten Realität wird, werden die Folgen eindeutig sein. Eine Mahnung nicht nur das militärische und ökonomische, sondern auch das demographische Wettrüsten zu beenden.
Gernot Gwehenberger

Bin kein profunder Kenner von Wittgenstein, insofern hat mein Lob vielleicht nur eingeschränkten Wert: ich finde in Ihrem Artikel den Wittgenstein, dessen Bezug auf die aktuellen Dilemmata und die weitgehende Ignorierung dieser Situation in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen gut dargestellt.
Hans-Georg von Bechtolsheim

Ein Artikel auf Vatikan-News vom 28. Mai 2024 erschien unter dem Titel „Palästina/Israel: Tod und Zerstörung in Gaza beispiellos“. Im Artikel werden nicht nur die Zahlen der getöteten und verletzten Menschen durch das militärische Vorgehen Israels gegen die Hamas und aber auch gegen die palästinensische Bevölkerung genannt, sondern auch diese: Drei Viertel der Bevölkerung (1,7 Millionen Menschen) sind demnach Binnenvertriebene, darunter 17.000 unbegleitete Kinder, mutmaßliche Kriegswaisen. 60 Prozent aller Wohneinheiten sowie 80 Prozent der kommerziellen Einrichtungen seien beschädigt worden. Man muss also davon ausgehen, dass wenn sie auch physisch am noch Leben sind, die materiellen und ideellen Existenzen von etwa einer Millionen Erwachsener und Kinder ausgelöscht wurden. Dass Israels Armee hier ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht – mit dem so nicht zu erreichenden Ziel, die Hamas zu zerstören – ist meines Erachtens eine Tatsache, die niemand leugnen kann. Und auch die Befürchtung, dass Israels Regierung und Israels Armee hier einen Völkermord begehen, bestätigt sich mit jedem Tag an dem Benjamin Netanyahu dem Tod und der Zerstörung in Gaza nicht Einhalt gebietet.
Sebastian Koerner

 


 

Leserbriefe zu „Soll Deutschland Palästina anerkennen?“ Streit von Michael Wolffsohn und Jan van Aken

Gerade weil die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, muss Deutschland Palästina als Staat anerkennen. Denn nur wenn die Bevölkerung Palästinas, die Palästinenser, die Chance auf eine menschenwürdige Zukunft haben, kann der Terrorismus gegen die Israelis beendet werden. Der Staat Israel hat ohne Wenn und Aber das Recht und ist sogar dazu verpflichtet, seine Bürger vor Angriffen von Terroristen zu schützen. Damit ist Israel am 7. Oktober 2023 gescheitert, als Hamas-Terroristen auf bestialische Weise 1300 israelische Bürger töteten. Israels Armee ist bei der Verteidigung des Terroranschlags unter anderem deshalb gescheitert, weil sie zum Schutz radikaler jüdischer Siedler abkommandiert war, die das Leben von Palästinensern im Westjordanland bedroht und ihr Land und ihr Eigentum geraubt haben. Seitdem führt Israel einen militärischen Gegenschlag mit dem Ziel nicht etwa alle Hamas-Kämpfer zu fangen und vor ein Gericht zu stellen, sondern sie alle zu töten. Bei diesem fälschlicherweise als „Krieg“ bezeichneten Aktion wurden/werden pro exekutiertem Hamas-Terroristen etwa 10 Zivilisten getötet – etwa 30.000 Kinder, Frauen und Männer bis heute. Tausende, zehntausende, hunderttausende palästinensische Kinder werden systematisch ihrer Grundrechte auf Nahrung, auf physische wie psychische Unversehrtheit und auf Bildung beraubt. Und alle Welt weiß, dass pro getötete palästinensische Mutter mehrere neue anti-israelische Terroristen entstehen. Der Weg zum Frieden führt in Nahost einzig und allein über die Zwei-Staatenlösung. Indem er diese Lösung nachhaltig torpediert, ist Benjamin Netanyahu einer der größten Antisemiten weltweit. Netanyahu würde – ebenso wie Wladimir Putin – sicher Michael Wolffsohns abschließende Worte im Streitgespräch mit Jan van Aken unterschreiben: „Nationale Interessen sind im Zweifel gewichtiger als völkerrechtliche Entscheidungen“. Ganz sicher würden mehr Juden weltweit persönlich bedroht, wenn Netanyahu sich der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofes nicht unterwerfen würde, als wenn er dessen Urteil – wenn es zu einem kommt – akzeptieren würde. Ganz, ganz schlimm, Herr Wolffsohn. Alle Menschen sind gleich.
Sebastian Koerner

Die Zweistaatenlösung steht im Westen hoch im Kurs. Auch in Deutschland, wobei die deutsche Schuld den Groll dämpft über das, was in Israel passiert. Die skandalöse Siedlungspolitik ist jedoch die schwärende Wunde, die die Palästinenser nicht zur Ruhe kommen lässt. Was sich in Jahrzehnten an Hass aufgestaut hat, würde auch durch eine Zweistaatenlösung nicht erledigt. Israel wäre von Todfeinden umzingelt, eine Horrorvision. So bleibt der Nahe Osten, was der Balkan vor dem 1. Weltkrieg gewesen ist.
Christoph Schönberger

Die Hamas kann gar nicht belohnt werden, ihr Ziel ist nicht die Anerkennung Palästinas, sondern die Vernichtung Israels. Lange Zeit habe ich mich über das Verhalten der Regierung Netanjahu und der Hamas gewundert. Eine lose-lose Situation. (Zu erwarten ist bei 2 Gegenspielern ein win-win-Verhalten). Tatsächlich gibt es aber 4 Beteiligte. Zwei als Spieler und zwei Völker als Einsatz. Die Gegenüber Netanjahu als Förderer der Siedlerbewegung und die Hamas als Muslimbrüder mit dem Ziel, Herrschaft über die Palästinenser auszuüben. Es fing alles damit an, dass die Zweistaatenlösung Rabins verhindert werden sollte. Netanjahu rief im Sinne der Siedler zu Widerstand auf, ein Siedler brachte Rabin um. Diese Annäherung an eine Verständigung sollte es für Netanjahu nie wieder geben. So passte es, dass die Hamas mit ihren Raketen eine Dauerbedrohung aufbauten. Israel befand sich in ständiger Verteidigungsbereitschaft gegen „die Palästinenser“. Sie flogen Vergeltungsangriffe mit immer wieder völlig unbeteiligten Opfern, damit stärkten sie die Hamas. So entstand eine win-win-Situation. Netanjahu wurde gewählt zur Verteidigung Israels. Hamas bekam Unterstützung im eigenen Volk und durch muslimische Geldgeber, um Vergeltung zu üben. Deshalb der Vernichtungshass Netanjahus gegenüber der Hamas, die haben sich nicht mehr an die Regeln gehalten. Hamas wiederum führte den Überfall am 7. Oktober durch, weil Netanjahu ihnen mit der Annäherung an arabische Staaten die Hoffnung auf einen Vernichtungsfeldzug gegen Israel nahm.
Wolfgang Zeyns

Mit sehr großer Neugier habe ich das Streitgespräch über die Frage, ob Deutschland Palästina anerkennen soll, gelesen. Die Argumente zu dieser Frage haben mich von keiner Seite aus restlos überzeugt. Wesentlich interessanter fand ich hingegen die Einschätzung der Urteile des Internationalen Strafgerichtshofes sowie des Internationalen Gerichtshofes. Herr Wolffsohn argumentiert, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht begründet ist, da es in Israel ein Rechtssystem gibt, das solchen Vorwürfen auch nachgeht. Allerdings ist ja gerade dies nicht der Fall. Mit Netanjahu ist ein Ministerpräsident an der Macht, der, um seiner Verurteilung in einem anderen Fall zu entgehen, eine äußerst fragwürdige Koalition mit einer rechtsextremistischen sowie einer Partei der radikalen Siedlerbewegung gebildet hat. Deren Minister wiederum ebenfalls nicht frei von Vorwürfen sind. Desweiteren versucht er gerade das Rechtssystem umzubauen, um so einer Verurteilung zu entgehen. Gerade hier ist also mit einer nationalen Rechtsprechung gerade nicht zu rechnen. Und in der Frage um das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vergleicht Herr Wolfssohn schließlich den Angriff Israels auf Palästina mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und stellt diesen auf eine Stufe mit dem „Gegenangriff Israels“. Alleine dieser Vergleich ist schon haarsträubend und endet dann schließlich in der Aussage, dass „Nationale Interessen im Zweifel gewichtiger sind als völkerrechtliche Entscheidungen“. Das musste ich tatsächlich mehrmals lesen, so fassungslos war ich. Offensichtlich sind hier ausschließlich israelische nationale Interessen gemeint und befreit Israel von jeglicher Verantwortung.
Dies alles hat nichts damit zu tun, dass es sich hier um einen jüdischen Staat handelt. Alleine das Vorgehen Israels ist absolut verwerflich. Und wenn dies dann mit solchen einseitigen Argumenten, abseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit begründet wird, dann befördert dies den Antisemitismus wesentlich mehr als die Urteile an sich, wie Herr Wolffsohn ja selber befürchtet. Israel sollte endlich erwachsen und selbständig werden, sich seiner Opferrolle entledigen und auf sich dieselben Maßstäbe anlegen wie an andere Rechtsstaaten. Man stelle sich doch einmal dieses – ich gebe zu völlig hypothetische – Szenario vor: Nach dem Angriff der Hamas auf Israel sagt die israelische Führung: Wie sehen, dass es unmöglich ist, die Hamas militärisch zu vernichten. Dies führt lediglich zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung und treibt der Hamas weitere Sympathisanten in die Arme. Wir versuchen nun stattdessen, die Bevölkerung zu ermächtigen, sich von der Terrororganisation Hamas, die sich an die Macht geputscht hat, zu befreien indem wir die Lebensbedingungen in allen Formen dort verbessern, die Blockaden aufheben, …! So etwas wäre eines Rechtsstaats würdig und die Reaktionen sicherlich hochinteressant.
Claudia Plötner

Eine deutsche Bundesregierung hat niemals das moralische Recht sich in die inneren Angelegenheiten des Staates Israel einzumischen. Die deutsche Staatsräson gebietet eine bedingungslose Akzeptanz jeder demokratisch gewählten Regierung in Israel. Zur Demokratie gehört auch die Anerkennung der Mehrheitsverhältnisse – die Regierung in Israel wurde von der Mehrheit der Israelis gewählt.
Roderich Buhlheller

Die in diesem Gespräch von Prof. Wolffsohn vorgebrachten Argumente gegen eine Anerkennung Palästinas als Staat sind allesamt Scheinargumente, die durch ständige Wiederholung in diversen Talkshows und Interviews – vornehmlich in der pro-israelischen Springerpresse – nicht fundierter und überzeugender werden. Wolffsohn ist Zionist und vertritt immer rechtere Positionen. Dass er mit seiner doppelten Staatsbürgerschaft und als Reservist der israelischen Armee überhaupt Professor an der Bundeswehr-Universität hat werden können, ist mir heute noch ein Rätsel. Jan van Akens Argumente sind stichhaltig und überzeugend. So jemanden hätte man gern an leitender Stelle im Außenministerium…
Björn Luley

Nicht wenige Studenten feierten – auch in der Bundesrepublik Deutschland – den Terror der Hamas. Einige stellen den Staat Israel in die Tradition des deutschen Nationalsozialismus. In Kenntnis dieser bewussten – bizarren – Verdrehung durch einflussreiche Aktivisten teilen wir die von Michael Wolffsohn dargelegte Auffassung – „Irgendwann ja, aber nicht jetzt“.
Katrinka Delattre, Markus Erich-Delattre

50 % der israelischen Wähler, die die israelische Regierung nicht gewählt haben und die Israelis und die gläubigen Juden, die in der Diaspora auf der ganzen Welt leben, verdienen weltweit und insbesondere auch unsere uneingeschränkte Solidarität. Die israelischen Politiker, die mit ihrer völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik das Ansehen ihres Landes geschädigt und den Hass der Palästinenser und der Hamas gefördert haben, verdienen nicht unsere Solidarität. Israel ist eine Demokratie, aber die gewählten Parteien und ihre Politiker zeigten bisher und zeigen derzeit weder eine demokratische noch eine menschenwürdige Regierungsfähigkeit. Das vermutliche vorherige Wissen von dem geplanten Überfall der Hamas am 07.10.2023 und das vielleicht sogar damals berechnende Nichtstun des israelischen Militärs sollte auf jeden Fall von israelischen Gerichten untersucht und ggf. verurteilt werden. Wenn das nicht geschieht, wäre der IGH zuständig. Europa und die USA haben die Siedlungspolitik zwar nicht unterstützt. Aber die Nichtbeachtung des Völkerrechts durch Israel hat die EU zu keinerlei Maßnahmen veranlasst; weder durch wirtschaftliche Sanktionen noch durch ein Verbot von Kriegswaffenlieferungen.
Wenn ganz oder teilweise die Anschuldigungen gegen das israelische Militär während des Kriegs gegen die Palästinenser bzw. der Hamas nachweisbar und/oder plausibel darstellbar sind, dann sind diese Verbrechen vermutlich durch die israelische Regierung geduldet, unterstützt oder angeordnet worden, sodass mangels Mitwirkung israelischer Gerichte wirklich nur ein Haftbefehl durch den IGH gegen den Premierminister und seinem zuständigen Minister die Folge sein durfte. Der palästinensische Staat sollte auch gegen den Willen der israelischen Regierung aufgebaut, anerkannt und abgesichert werden. Die Zweistaatenregelung und der Demokratieaufbau könnten durch die UNO geschehen, die die USA dann auffordern, vorübergehend und auch mit Unterstützung von Europa, in den Siedlungsgebieten eine Regierung für den Palästinenser Staat aufzubauen. Ein Vorbild wäre die militärische Besatzung in West Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Den Siedlern in den unrechtsmäßig aufgebauten Siedlungen sollte es überlassen bleiben, ob sie sich in Palästina der USA bzw. deren europäischen Helfern unterordnen oder ob sie nach Israel in den Grenzen von 1966 übersiedeln.
Helmut Kähler

Ganz großartig, was Ihr da zum Thema Nahost zusammengetragen habt. Besonders erhellend ist in meinen Augen der Beitrag von Maximilian Probst, der Wittgensteins Sprachphilosophie auf die Nahost-Diskussionen anwendet. Das sollte jeder gelesen haben und beherzigen, der sich an den dringend notwendigen Gesprächen zum Thema Nahost beteiligen will. Am aller interessantesten fand ich jedoch die Antwort van Akens auf die Frage der Zeit: Wie könnte eine Zwei-Staaten-Lösung in der Praxis überhaupt aussehen? Seine Antwort (auf Seite 11): „In Israel und Palästina wurde das Modell „two states – one homeland“ entwickelt …“ hat mich völlig überrascht. Diese Information war für mich absolut neu, obwohl ich dachte, mit der Nahost-Problematik gut vertraut zu sein. Von diesem Modell erfuhr ich hier zum ersten Mal. Warum wird es in der Öffentlichkeit nicht viel mehr ins Licht gerückt? Bei allem, was man sonst zu 2-Staaten-Lösung hört, ist offenbar immer an 2 gegeneinander abgegrenzte Staaten gedacht. Nach dem erwähnten Modell – mehr als van Aken hier verrät, weiß ich leider nicht (ZEIT, bitte berichte darüber) – ist vorstellbar, dass das gleiche Territorium für Israelis das heiß ersehnte Groß-Israel und für dfe Palästinenser das ungefähr ebenso heiß ersehnte Groß-Palästina wird. Jeweils: „from the sea to the river“! Eine Win-Win-Situation für beide Seiten! Unmöglich? Nein, wenn es genug Menschen beider Völker wollen, ist es auch möglich. So etwas hat zumindest der Zionismus bewiesen. Genau dafür müsste natürlich in beiden Völkern und weltweit intensiv geworben werden. Ein Beispiel nehmen könnte man sich etwa am Sonderdistrikt Brcko im ehemaligen Jugoslawien. Da fanden sogar drei Völker zu friedlichem Miteinander zusammen, nach langer Feindschaft mit erbitterten Kriegen und allen erdenklichen Arten gegenseitiger Kriegsverbrechen und trotz sehr unterschiedlicher Religion und Kultur. Es geht! Aber das Rückkehrecht für Palästinenser würde den jüdischen Charakter Israels auslöschen? Das ist Angstmacherei von Traditionalisten, die der eigenen Tradition nichts zutrauen. Hat denn das Rückkehrrecht der Juden den arabischen Charakter der Palästinenser gefährdet? Mir scheint, es hat ihn gestärkt. Das Gleiche dürften auch die Israelis erfahren. Rückkehr der Palästinenser wäre ja Rückkehr nach Groß-Palästina. nicht nach Israel.  D.h.: Palästinas Regierung müsste sich um Unterbringung, Arbeitsplätze, Sozialfürsorge usw. der Einwanderer kümmern. Schon das würde die Zuwanderung in ähnlichen Grenzen halten, wie es heute die Zuwanderung der Juden nach Israel ist.
Helmut Steiner

Ich bin entsetzt, dass der Herr Wolffsohn solche kolonialistische Meinung vertritt. Bereits im 18. Jahrhundert wurde mit dem Argument „Sie sind noch nicht dafür reif, einen eigenen Staat zu haben“ und „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt“ argumentiert, um Interessen der Kolonialisten durchzusetzen. Vielleich sollt Herr Wolffsohn mal das Buch des israelischen Historikers Ilan Pappe lesen. In diesem Buch wird sehr detailliert beschrieben, dass die Führungsspitzen der Zionisten bereits vor Gründung des Staates Israel beschlossen hatten, eine ethnische Säuberung Palästinas durchzuführen. Im März 1948 wurde dazu unter Führung von David Ben Gurion der sogenannte Plan „D“ beschlossen. Dieser sah vor die ethnische Säuberung mit folgenden Mitteln durchzusetzen: Zwangsräumung, Einschüchterung, Belagerung, Beschuss von Dörfern und Wohngebieten, Vergiftungen, Vergewaltigungen, Niederbrennen der Häuser mit allem Hab und Gut, Vertreibung, Verminung der Trümmer, um eine Rückkehr zu verhindern. Führende Militärs der Hagana haben diesen Plan umgesetzt: Yigael Yadin, Moshe Dayan, Yigal Allon, Yitzhak Sadeh, Moshe Carmel, Moshe Kalman, Shimon Avidan, Rehavam Zeevi, Yitzhak Pundak, Yitzhak Rabin und noch viele andere. Diese Politik wird von der heutigen Regierung Israels konsequent weitergeführt. Diese Aktionen haben nicht das Geringste mit einer Vergeltung des Hamas-Terrors zu tun und ist auch keine Verteidigung, wie es gebetsmühlenartig immer wiederholt wird. Das ist Völkermord und verstößt gegen die Prinzipien des Völkerrechts. Ich schäme mich in einem Staat zu wohnen der das mit Worten, Geld und Waffen unterstützt. Zu Recht steht der deutsche Staat dafür vor Gericht. Mein der Herr Wolffsohn mit seiner Aussage, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für die Anerkennung eines Staates der Palästinenser, wir sollen noch warten, bis Israel die Vertreibung erfolgreich beendet hat, denn dann brauchen wir ja keinen Palästinensischen Staat mehr.
Rolf Geyer

Warum sprechen die Herren nicht über die wahren Ursachen des seit 1948 andauernden Konflikts? Wer eine Lösung befürwortet, muss zunächst alle für jedermann wahrnehmbare Tatsachen in die Debatte einbeziehen und abwägen. Palästinenser trauern nicht um ihre im Kampf gegen Israel gefallenen Söhne, sie freuen sich, dass diese nun im Paradies sind. Hier zeigen sich die wahren Ursachen des Konflikts. Das Ziel der Vernichtung Israels und seiner Bewohner   ist das Selbstverständnis der Palästinenser quasi Staatsräson. Bereits vor Beginn des Schulbesuchs wird kleinen Kindern im Religionsunterricht in Koranschulen dieses Dogma eingetrichtert.  Ist es nicht Aufgabe von Journalisten, auf diese Tatsachen hinzuweisen?
R. Reiger

Der nach meinem Empfinden zumeist mit einem Habitus der Überlegenheit in Fernsehinterviews auftretende Michael Wolffsohn scheint in Jan van Aken seinen Meister gefunden zu haben. Unaufgeregt und mühelos zerpflückt dieser die zum Teil hilflose Argumentation Wolffsohns. Oft ausweichend, wechselt dieser das Feld. Aber es nützt nichts. Herr van Aken ist stets präsent und pulverisiert wiederholt die unbeholfen wirkenden Argumente seines Kontrahenten und argumentiert seinerseits bestechend und nachvollziehbar. Die Sicherheit Israels ist eng verknüpft mit der Sicherstellung humaner Lebensbedingungen für die Palästinenser. Die Zwei-Staaten-Lösung scheint somit ein gangbarer Ausweg aus der Gewaltspirale zu sein. Das wäre keine Belohnung des Terrors, sondern die Grundlage für den ernsthaften Versuch einer friedlichen Koexistenz. Die Anerkennung Palästinas durch Deutschland wäre geeignet diesen Prozess zu beschleunigen. Warum also noch abwarten?
Reiner Gorning

 


 

Leserbriefe zu „In der Warteschleife“ von Wolfgang Bauer

Die Quintessenz der Reportage: die bisherige Migrationspolitik ist grandios gescheitert. Nicht, weil der Gastgeber sich nicht bemüht hätte. Im Gegenteil. Anfängliche Integrationsbereitschaft wird offenbar durch übermächtige Fehlanreize überlagert und gedämpft. Im Ergebnis ist der Zustrom für die Gesellschaft kein Gewinn, sondern ein Verlustgeschäft. Eine Diskussion darüber wird im öffentlichen Diskurs gemieden, um nicht in der rechten Ecke zu landen. Ergiebiger Nährboden für Rechtsaußen.
Christoph Schönberger

Hoffentlich lesen ihn auch die Unterstützer von „Pro Asyl“ und die vielen ZEIT-Leser, die die schrankenlose Einwanderung befürworten. Denn natürlich stehen die Probleme der beschriebenen afghanischen Familien nur exemplarisch für die, denen fast alle Einwanderer aus Afghanistan (und weiteren Ländern mit entsprechender Kultur) begegnen. Und das sind auch die Probleme der „Mehrheitsgesellschaft“. Sicher zu bewältigen bei einigen Tausend. Aber wenn Hunderttausende ankämen?
Friedrich Schweikert

Der Artikel bringt es auf den Punkt, warum die Integration der afghanischen Gruppe (und zukünftiger Kinder) nicht gelingen wird. Beide Welten berühren sich nicht. Ich zitiere: “ Die einen arbeiten. Die anderen bekommen das Geld vom Jobcenter.“. Ich wurde vor 4 Jahren mit 62 Jahren arbeitslos. Die Agentur für Arbeit „versorgte“ mich sofort mit Stellenangeboten, auf die ich mich zwingend und unter Androhung von Sanktionen bewerben musste. Absoluter Tiefpunkt: eine Stelle als Nachtwächterin für Parkraumbewirtschaftung, natürlich zum Mindestlohn. Zum Glück fand ich ohne die Agentur eine andere Stelle. Jetzt bin ich Rentnerin und arbeite weiterhin in einem Minijob im Handel. Weil ich gern arbeite, gern mit Menschen in Kontakt bin und das Geld gut brauchen kann. Für Kultur, Bücher, mein Die Zeit-Abo und sonstige Wünsche, die man/frau bezahlen muss. Ein Antrag auf Wohngeld wurde abgelehnt. Da bleibe ich nach dem Bericht über die afghanischen Menschen ratlos und irritiert zurück.
Katrin Weidel

Warum verpflanzt der ZEIT-Redakteur Wolfgang Bauer die geretteten Afghanen bzw. Paschtunen nach Reutlingen und nicht nach Rawalpindi, wo sie besser ihre Paschtunen-Kultur leben könnten, die Sprache beherrschten und ihre Gepflogenheiten weiterführen könnten? Herr Masoud war Übersetzer von Herrn Bauer in Afghanistan, aber wohl nicht für Deutsch, sondern Englisch, da er lange für US-Truppen gearbeitet hatte. Dann wäre ein Land mit englischer Sprache für ihn eine gute Lösung. Herr Ezatullah und Herr Waheed wollen hier nicht arbeiten, aber träumen vom Edelsteinhandel hier ohne Spracherwerb, der wohl in Pakistan näher an der Edelsteinquelle seiner Brüder realisierbarer wäre. Warum zwingt man diesen Menschen einen Lebensort auf, an dem sie sich nicht integrieren wollen und sich ihre Frauen unwohl fühlen. Gesundheitsversorgung und Bürgergeld für die Familien von mehreren Tausend Euro (wie Herr Bauer schreibt) macht zusammen mit der kulturellen Abkapselung offenbar nicht glücklich. Die Brücke in ein neues Leben ist gegeben, aber man muss auch erwarten dürfen, dass man sie begeht.
Alois Lienhard

Was für ein Glück, dass sehr wahrscheinlich nur ein Bruchteil der AfD-Wähler die ZEIT lesen, denn wenn es anders wäre, würden Sie das, was Wolfgang Bauer über seine Erfahrungen mit den von ihm aus Afghanistan nach Deutschland „Geretteten“ berichtet, politisch ausschlachten, dass es nur so kracht. So bleibt mir, der ich Afghanistan kenne (schon von Reisen in den 1970er Jahren) und während meines Berufslebens viele Jahre im asiatischen Ausland gelebt habe, nur zu fragen: hat sich Herr Bauer nur selbst einen Gefallen getan, um sein schlechtes Gewissen zu erleichtern, oder wollte er seinen afghanischen Kollegen wirklich helfen? Eine Hilfe war das Verpflanzen dieser Menschen in eine gänzlich andere Welt jedenfalls nicht. Weder für die Menschen noch für Deutschland. Im Gegenteil. Da tickt eine Zeitbombe allergrößter Sprengkraft.
Björn Luley

Die Prägungen seiner Herkunft zu verlassen, ist natürlich nicht einfach, wenn man, dazu noch aus Gründen der Existenzsicherung, in einen ganz anderen Erdteil zieht, es kann sogar gefährlich werden, wenn man von fundamentalistischen Traditionalisten aus der Sippe ausgeschlossen werden soll. Im Fall von Afghanistan – aber nicht nur da – kommt hinzu, dass dort von Taliban und anderen eine verdeckt mentale Passivität vorgegeben wird, die Menschen daran hindern soll, eigene Entwicklungs- und Entscheidungsfreiheiten zu entdecken. Diese Passivität zu überwinden ist oft sicher ein längerer Prozess, die Einsicht in diese Möglichkeit sollte aber von allen angestrebt werden. Stagnation ist eben kein gültiger Lebenswert. Gut, dass dieser ZEIT-Artikel in der Kategorie ENTDECKEN platziert ist.
Christoph Müller-Luckwald

Wolfgang Bauer berichtet von seinen befremdlichen Erfahrungen mit Afghanen, die im Zuge der „Machtübernahme der Taliban“ vor ca. 2.5 Jahren nach Deutschland gekommen waren. Er beginnt mit einer Captatio Benevolentiae in Beschreibung der für diese Menschengruppe widrigen Umstände, auf die sie in Deutschland treffen. Danach reiht sich Entschuldigung auf Begründung, warum diese Menschen sich in hohem Anteil nicht in unser Land integriert haben. Interessant ist auch, dass ihre Steinzeitverhaltensweisen inklusive ferngesteuerter Eheanbahnung aus der Heimat locker über die Bühne gehen. Schön ist auch zu lesen: „Er erhält mit seinen 6 Kindern vom Jobcenter jeden Monat mehrere Tausend Euro.  Jeden Monat überweist er seinen Brüdern in Afghanistan Geld für den Aufbau eines kleinen Handwerksunternehmens.“ Eine neue, innovative Form der Entwicklungshilfe. Andere träumen (mit deutschem Geld) vom Aufbau eines Edelsteinhandels. Es ist nur konsequent, dass afghanische Mütter zur Meidung der Integration zum Unterricht einer pakistanischen Koranlehrerin schicken. Man erinnere sich daran, dass soeben Pakistan Hundertausende von Afghanen gegen Zahlung einer Geldsumme des Landes verwiesen hat – warum wohl? Glaubt Herr Bäumer, dass Deutschland über uneingeschränkte Ressourcen verfügt, um diesen Menschen, die sich als Dank in unserem Land unwohl fühlen, horrende Summen zukommen lassen kann (Die Beschriebenen Familien sind wahrlich keine Einzelfälle). Die Kriminalstatistik weist für diese Bevölkerungsgruppe (zumeist, aber nicht nur, Paschtunen) eine überproportionale Kriminalität auf. Auch dieses ist ein Hinweis für mangelnde Integration. Statt diese Menschen heilig zu sprechen, wie Herr Bäumer es zum Teil macht, sind klare integrative Leistungsanforderungen zu stellen, deren Nichterfüllung mit Rückweisung der Betroffenen unmittelbar zu erfolgen hat. Schluss mit der deutschen Goldeselei. Zu beachten ist, dass im Falle von Ausweisungen die afghanische Verfassung den unfreiwilligen Verlust der Afghan. Staatsbürgerschaft verbietet!
Michael Bohlmann

Der Artikel beschreibt sicherlich treffend ein Problem mit wahrscheinlich vielen Migranten und schön reden hilft hier sicherlich nichts und spielt nur den Populisten in die Hände. Aber warum müssen die Personen namentlich und mit Foto genannt werden? Doxing in der ZEIT?
Helmut Raichle

Vielen Dank für Ihren ausführlichen Bericht. Ich habe ihn aufmerksam gelesen. Leider bin ich zu dem Schluss gekommen, dass all diese Tatsachen, die Sie beschrieben haben, in den Büchern des viel gescholtenen und geschmähten Thilo Sarrazin schon analysiert worden sind. Die Überschrift „In der Warteschleife“ lässt natürlich auch den Schluss zu, dass wieder einmal die (deutsche) Gesellschaft schuld an dieser Situation sei. Unter den sogenannten Fachkräften verstehe ich nicht einen Edelsteinhändler bzw. einen Spezialisten für paschtunische Dialekte…Ich kann wiederholt nur feststellen, dass die praktizierte Flüchtlingspolitik mehr als gescheitert ist.
Jürgen Lungwitz

33 Migranten von Millionen, die den Steuerzahler Abermilliarden kosten: Sowohl in der Kranken- als auch in der Pflegeversicherung. Und da sind die Ukrainer noch gar nicht mit reingerechnet. Da ist es kein Wunder, dass die Beiträge ständig steigen. Ein Großteil dieser zu uns migrierten Menschen wird jemals weder in die Sozialkassen ein- noch Steuern zahlen. Zudem verdienen sich Miethaie und Spekulanten durch die ’soziale‘ Vermietung von Wohnraum an Migranten eine goldene Nase. Der Staat, vulgo der Steuerzahler, zahlt ja alles. Sehr viele haben nur rudimentäre Schulkenntnisse, wenn überhaupt, und werden uns ein Leben lang auf der Tasche liegen. Und Fachkräfte sind/werden die Wenigsten. Tun sich schon Menschen schwer, Deutsch zu lernen, die mit der lateinischen Schrift aufgewachsen sind, aber jene die mit Arabisch oder Kyrillisch aufgewachsen sind, das ist eine andere Baustelle. Da lobe ich mir die Chinesen, die ziehen das durch, aber die sind aus anderen Gründen höchst motiviert. Das muss man mal ganz nüchtern so sagen (dürfen?). Eine kenianische Freundin von mir, bestens integriert und seit 2008 in Deutschland, stört das genauso. Und eine gute Bekannte aus Kroatien sagte einmal: Ihr Deutschen seid ganz schön blöd, dass ihr euch so ausnutzen lasst. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Joseph Zenz

Der lesenswerte Beitrag wirft ein erhellendes, wenngleich nicht unbedingt gutes Licht auf die hierzulande praktizierte Zuwanderungspolitik, jedenfalls fällt die Bilanz im hier geschilderten Fall doch eher ernüchternd aus. Ein gesamtwirtschaftlich nennenswert produktiver Beitrag der Zugewanderten ist nach 3-jährigem Aufenthalt nicht feststellbar und wohl auch dauerhaft nicht zu erwarten, stattdessen eine auf Dauer gestellte sozialstaatliche Alimentierung, die sich bereits bis jetzt auf eine mittlere bis hohe 6-stellige Summe belaufen dürfte. Jeder mag selbst ausrechnen, wie viele Einkommenssteuerzahler es allein zu deren Finanzierung braucht, nicht eingerechnet das Vorhalten der erforderlichen bürokratischen Strukturen und Apparate. Ebenso wenig erkennbar ist eine kulturelle Bereicherung; hierzu bedürfte es auf Offenheit und Neugierde gründender Interaktion, an der nicht nur kein Interesse besteht, sondern die innerlich sogar abgelehnt wird. Den wesentlichen Bezugspunkt des Ziellandes bildet das Jobcenter bzw. dessen in Statuszuwachs im Herkunftsland transformierbare Zahlungen, indem patriarchale Strukturen gestärkt und die dortige Clanwirtschaft befeuert werden. Bleibt – immerhin – das Leuchten in den Augen der Frauen. Gewiss, eine Zuwanderungspolitik, die nur den Preis von allem, aber von nichts den Wert kennt, ist zynisch, aber zumindest fiskalisch tragfähig, eine Politik hingegen, die nur den Wert von allem und von nichts den Preis kennt, einfach nur idiotisch.
Andreas Mund

Vielen Dank für Ihren Artikel in der Zeit. Besser kann man das Ankommen von 33 Männern und Frauen, Kinder, aller Altersklassen nicht beschreiben, wobei es fast egal ist, ob diese Großfamilien aus Afghanistan, Syrien, oder dem Sudan kommen. Die Verlaufsunterschiede dürften gering abweichend sein, wo ihre „Gruppe“ durch Sie noch bestens in Deutschland begleitet wird. Das Fazit ist ernüchternd, fast trostlos. Von Integration kann einfach keine Rede sein. Die Gründe haben Sie aufgezeichnet. Jetzt kommt nach meiner Einschätzung die Phase der familiären Abkapslung, angetrieben von einer Islampredigerin. Die Frauen werden tief verschleiert sein und ihre Töchter anhalten, die Wohnungen nur zur Schule zu verlassen und sich ebenfalls zu verschleiern. Zuhause wird grundsätzlich in der Muttersprache geredet und verlangt, sich strengstens an die Koranvorschriften. Daraus wird bei dem einen oder anderen der unbedingte Wille entstehen, sich dem IS oder einer ähnlichen Organisation anzuschließen. Sie werden sich mit ihren Helfern/innen schuldig fühlen, weil Sie diese Abkapslung nicht verhindern konnten. Und irgendwann werden Sie aus der Gruppe heraus versteckte Hinweise aufnehmen, dass das Leben unter der Taliban doch gar nicht so schlecht gewesen ist, was durch die permanente Abkapslung, verbunden mit einem Islamunterricht, erklärbar ist. Wir haben einmal den Koran gelesen. Ca 100-mal wird von Mord oder Töten von Andersgläubigen geredet. Da fällt Integration verdammt schwer. Ich drücke ihnen weiterhin die Daumen für Ihre Mühen und hoffe, dass meine pessimistischen Aussagen in Ihrem Fall nicht zur Realität werden.
Gert Lahnstein

 


 

Leserbriefe zu „Ein riesiges Experiment“ von Lisa Hegemann

Der sehr interessanten Artikel über die Psychologin Amy Orbin und ihr Ringen mit der Rolle der Wissenschaft als Leitlinie für Entwicklung und Regelung der Gesellschaft (erinnerte mich sehr an die Corona-Krise) kommt zu dem – wie so häufig – allgemeinen Fazit „das Problem ist nicht die Sache selbst, sondern deren unreflektierte Nutzung“ (Mobilität, Soziale Medien, TV, Ernährung…) und endet mit der Metapher des Schwimmens im Ozean mit einem guten Lösungsvorschlag. Allerdings fehlen im Bereich digitale Medien aus meiner Sicht zwei wichtige Fragen. Erstens, wie gut sind eigentlich wir Erwachsene im Umgang mit digitalen Geräten? Nutzen wir die Technik als Werkzeug oder als Spielzeug und lassen uns permanent ablenken mit Irrelevanten und zum Dauerkonsum verleiten? Wenn wir den Kindern das sichere Verhalten an und im Ozean beibringen wollen, sollten wir es selbst beherrschen. Zweitens, was verpassen wir und die Kinder durch das ständige Beschäftigen mit der digitalen Welt? Fehlen für Kinder (und Erwachsene) viele Entwicklungsimpulse wie Bewegung und vielleicht auch die Zeit sich mit sich selbst oder anderen realen Menschen beschäftigen zu müssen? Fehlt dem Gehirn die dringenden Pausen der Informationsaufnahme („Day-Dreaming“)? Vielen Dank für Ihre tolle Arbeit.
Sebastian Martin

Den Umgang mit technischen Medien kann man sehr gut mit dem Konsum von Süßigkeiten vergleichen. Es geht um die Dosis. Wenn sich Kinder den ganzen Tag ausschließlich mit Süßigkeiten und kalorienreichen Getränken ernähren, werden sie mit Übergewicht, Gastritis, Verstopfung und Mangel an Eiweiß, Eisen, Elektrolyten und Vitaminen definitiv krank. Dafür braucht es keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Kindern im anderen Extrem gar keine Süßigkeiten zu geben, ist auch nicht angemessen. Bei Süßigkeiten und beim Medienkonsum kommt es auf eine gesunde Mischung, auf die richtige Dosis an. Dies gilt nicht nur für Kinder. Kinder, die für die Schule ausreichend lernen, Sport treiben, aktiv Hobbies (Basteln, Musik, Kunst, Tanz, Theater) nachgehen, vielleicht auch mal ein Buch lesen, erleiden keine negativen Nebenwirkungen des Medienkonsums. Im Gegensatz zu denen, die sich den ganzen Tag stundenlang und ausschließlich mit ihrem Smartphone und ihren Computerspielen beschäftigen. Damit es nicht in der Pubertät zu erbitterten Kämpfen um die jugendlichen Medienzeiten (und -inhalte !!) kommt, muss schon sehr früh eine engagierte Erziehung stattfinden: Säuglinge sollten immer noch eine Rassel, und kein Smartphone in die Hände bekommen…!
Hendrik Crasemann

„Schaden Smartphones unseren Kindern?“ Ja! Die jungen Menschen machen kaum noch Sinneserfahrung, ihre Gedanken kreisen um Dinge, die sie sehen aus einer nicht realen Welt. Es schadet ihnen, da ihre Empathie nicht entwickelt werden kann. Sie sind „Beherrscher“ der Smartphonewelt. Klick, und weg bist du, mit dem ich mich nicht beschäftigen möchte. Keine Möglichkeit Konflikte zu lösen. Menschen in der realen Welt können schwierig sein, es bedarf einer Begegnung und eines Erlernens. Die Konzentrationsspanne der Kinder und Jugendlichen ist inzwischen merklich herabgesetzt. Etwas einzuüben (Instrument, Vokabeln etc.) ist für manche kaum möglich. Forschungen, wie diese von Frau Orben, liegen Fragen zugrunde, die einer guten Selbsteinschätzung der Befragten bedürfen. Dies darf bei vielen Kindern und Jugendlichen in Bezug auf Smartphonenutzung bezweifelt werden. Schauen Sie einfach unvoreingenommen in die Welt, an den Bushaltestellen, auf den Bürgersteigen, auf Spielplätzen etc. sehen Sie Groß und Klein mit gebeugtem Nacken auf eine Scheibe starren. Sogar etliche Autofahrer schauen runter hoch runter hoch, wohin? Sehen Sie spielende Kinder? Kaum. Das Smartphone ist auch ein gutes Mittel seine Kinder ruhig zu stellen. Das sehe ich in Restaurants und bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum. Wie so etwas zu Hause aussieht mag ich mir gar nicht vorstellen. Eltern sind berufstätig, die Kinder und Jugendlichen sich selbst überlassen mit Welten, die sie kaum verstehen oder einordnen können. Sehr viele Menschen sind nicht mehr anwesend, sie sind bei ich-weiß-nicht-wo. Aber nicht im Hier und Jetzt. Das soll zur Entfaltung einer Persönlichkeit beitragen? Meine Wahrnehmungen und meine Beobachtungen sind ganz bestimmt die, dass Smartphones die Kinder und Jugendlichen beherrschen und nicht umgekehrt.
Marion Dingeldey

Es wird darüber geforscht und gestritten, ob und wie Smartphonenutzung Kindern schadet. Ich glaube, die Forschungsfragen könnten falsch gestellt sein: Man müsste untersuchen, wie sehr sich der intensive Smartphonekonsum der ELTERN auf die Kinder auswirkt! Wie oft beobachte ich Kinder, die verzweifelt versuchen, die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu erhaschen. Die hängen aber am Handy und können gerade nicht gucken. Was lernt das Kind mit der Zeit? „Ich bin nicht so wichtig wie das Handy.“ Logisch, dass sie auch eines haben wollen und den Eltern nacheifern. Auch im gegenseitigen Ignorieren. Das nennt sich Lernen am Modell.
Ina Bürkel

Vielen Dank an Frau Hegemann für den Artikel zu einem Thema, das auch mich als Vater zweier Söhne seit Langem umtreibt. Was ich anzumerken habe, ist der Autorin vermutlich bekannt, habe ich aber in ihrem Artikel vermisst. Der Vergleich zwischen Ozean und digitaler Welt hinkt: sind die Gefahren des Meeres ganz unmittelbar wirksam und jedem Erwachsenen offensichtlich, führt die Mitteilbarkeit der Netz-Gefahren gepaart mit Unkenntnis und Hilflosigkeit gegenüber dem Digitalen bei Eltern wie Politik zu allgemeiner Verharmlosung. Am Dilemma der Amy Orben zeigt sich die aktuelle Krise der Wissenschaft, die sich durch ihre Ausdifferenzierung immer weiter von der Lebensrealität entfernt hat und für kurzfristig notwendige politische Entscheidungen keine Basis mehr liefern kann. Vielfach braucht es aber auch gar keine langwierigen Forschungsprogramme, es genügt der – durch rechte Inanspruchnahme zu Unrecht diskreditierte – gesunde Menschenverstand. Jeder, der z. B. längere Zeit Babys getragen hat, spürt ganz intuitiv, dass eine Tragehilfe, die das Kind dauerhaft mit Blickrichtung nach vorne fixiert, Unsinn ist. Wenn solche Produkte dann aber angeboten und beworben werden, macht dies viele unsicher, ob sie ihrem Kind nicht vielleicht einen ungestörten Blick auf die Welt vorenthalten. Genauso verhält es sich mit Smartphones. Die Ozean-Metapher erscheint mir auch deshalb ungeeignet, weil ein Hauptproblem des Smartphone-Konsums unter Kindern darin nicht adressiert wird: selbst wenn man um die Gefahren weiß, kann man als Eltern nicht mehr selbst bestimmen, wann mein Kind „ins Meer“ geführt wird – und in welche Wassertiefe! „Bademeister“ werden überhaupt keine ausgebildet, das übernehmen die Klassenkameraden. Und wenn früher in Grundschulen die dicksten und stärksten Jungs den Ton angaben, so sind es heute die mit Smartphone und unbegrenzter Screentime.
Pornographie ist dabei keineswegs „ein paar Klicks“ entfernt, sie ist bereits ohne eigenes Zutun präsent: ein Mitschüler meines Sohnes hatte in der 3. Klasse am Schulrechner vor den Klassenkameraden eine Pornoseite aufgerufen – die „Bademeisterin“ hatte den Raum verlassen. So viel zum Thema Digitalisierung an Grundschulen. Überdies wird der für präpubertäre Jungen gefährlichste Inhalt im Artikel (und der Forschung von Amy Orben?) mit keinem Wort erwähnt: Spiele! Diese zielen durch in-App-Käufe vor allem auf das Taschengeld der Kinder (oder die Kreditkarte der konfliktscheuen Eltern) und setzen dafür auf Suchtmechanismen. Längst hat die Spieleindustrie die Filmindustrie an Produktionsgröße eingeholt. Wie viel Geld man auch für Forschung ausgeben wird, die Unterhaltungsbranche bietet talentierten Absolventen die höher dotierten Stellen, um die Ansprache des Belohnungszentrums unseres Gehirns durch ihre Produkte zu optimieren. Teilweise wird in den schnell weggeklickten AGBs zwar ein Mindestalter (oft 14!) und das Einverständnis der Eltern verlangt – effektiv durchgesetzt wird dies nicht. An Schulen, die eine Handynutzung auf dem Schulgelände verbieten, wird halt in den Toiletten „gezockt“; während der Unterrichtszeit ist die Gefahr, hierbei erwischt zu werden, besonders gering.
Ich bin für klare Verbote und Sanktionen ggü. der Industrie, denn für alles, was nicht explizit verboten ist, findet sich ein skrupelloser Geschäftemacher – und eine passende Studie. Und es sind nach meiner Wahrnehmung vielfach die besonders vulnerablen Kinder aus prekären Verhältnissen, die, statt den Schutz des Staates zu erhalten, schon im Kinderwagen mit einem in spezieller Halterung angebrachten Tablet mit immer hektischeren Clips ruhiggestellt werden und denen ein konsumierender Lebensweg vorgezeichnet wird. Dass dann jenseits des Bildschirms keine nennenswerte Aufmerksamkeitsspanne und Frustrationstoleranz möglich ist, dafür brauche ich keinen wissenschaftlichen Nachweis, das ist schlicht logisch – und kann bei jeder Straßenbahnfahrt beobachtet werden. In 15 Jahren werden wir die Folgen der ausbleibenden Regulierung schmerzlich spüren – ebenso wie wir heute das Ende der Wartungs-Vorhaltung bei der deutschen Bahn unter Hartmut Mehdorn spüren (oder, aktuell wieder in der Presse, Verkauf und Rückmietung der hessischen Landesimmobilien unter Roland Koch). Auch das war seinerzeit bereits klar absehbar, wurde aber als Schwarzmalerei abgetan. Die gesellschaftlichen Folgen werden dieses Mal allerdings wesentlich gravierender sein.
Manuel Mauder

Vorab, was heißt, sie wolle auf keiner Seite stehen? Gab es je eine unpolitische Wissenschaft? Trägt nicht jeder Wissenschaftler Verantwortung für das, was er tut bzw. für das, was man mit seinen Ergebnissen macht (s. Dürrenmatt Die Physiker)? Es geht um die Jahrgänge 1995 bis 2012, die vor einer psychischen Krise ständen. Es geht um die Zunahme von Angst, Depression und Suizidalität, um die Abnahme der Konzentration und der Aufmerksamkeitsspanne und darum, ob die Smartphonenutzung dabei eine Rolle spielt. Dazu: Schon vor 1920 beklagten Lehrer die Abnahme der Konzentration ihrer Schüler, wobei sie dies auf die „Reizüberflutung“ durch die Großstädte (Reklame etc.) zurückführten. Also, kein absolut neues Phänomen. Zweifellos dürfte die Reizmenge aber durch die Smartphones zugenommen haben. Soweit mir bekannt, werden in Schweden die entsprechenden Jahrgänge bei der Musterung sehr gründlich untersucht (sehr große Kohorten) und es finden auch follow-ups statt. Da könnte man ja mal den Jahrgang 1990 (ohne Smartphone) und z. B. 2005 (mit Smartphone) bzgl. psychische Auffälligkeiten vergleichen. Ein Aspekt taucht zumindest in dem Artikel nicht auf und der ist „Bedürfnisaufschub“. Kann es sein, dass dieses alles, sofort und gleich zur Verfügung haben, ein Teil des Problems ist oder sogar das Problem? Haben ältere Semester noch gelernt, sich zu langweilen oder Geduld zu haben?
Gerd-Rüdiger Erdmann

Danke Amy Orben für die Ozeanmetapher! Ich erlebe so viele Eltern, die auf das Handy und „das Internet“ schimpfen. Dabei die einen, die ihre Kinder tracken, Onlinezeiten überwachen und darüber täglich Streite mit den Kindern austragen. Die anderen, die selbst ständig am Handy hängen. Wenn ich Eltern mit Kinderwagen oder Kleinkindern an der einen Hand und dem Smartphone in der anderen mit darauf geheftetem Blick sehe, versetzt es mir jedes Mal einen Stich ins Herz. Wie schön waren die Zeiten, als ich die Welt wieder mit den Augen meiner Kinder sehen durfte. Dieses Sehen setzt sich die ganze Kindheit bis zum Erwachsen werden der Kinder fort. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist die Welt des Internets, der sozialen Medien, des eigenen Smartphones, die Welt, die sie entdecken und an der sie teilhaben wollen. Also gilt es für Eltern auch hier, beim Laufen lernen zu helfen, Möglichkeiten ebenso wie Gefahren aufzuzeigen. Meine Kinder sind jetzt 17 und 14. Sie bekamen in der Grundschule ihr erstes Handy für Kontakt und Sicherheit für sich und uns Eltern auf dem Schulweg. Als sie mit 12 ein Smartphone wollten, um mit Freunden über WhatsApp schreiben zu können und auf Instagram Themen mitzubekommen, habe ich mich auch bei Instagram angemeldet und wir haben das und die WhatsApp-Chats anfänglich gemeinsam gemacht. Sollte man Teenager stattdessen alleine in diese Welt gehen lassen? Ich denke nein. Man sollte sie begleiten, wenn sie so weit sind und solange sie noch Ratschläge annehmen. Nach langer Zeit des Verbots wird das mit 16 nicht mehr der Fall sein. „Erziehung ist Liebe und Vorbild, sonst nichts“ (Fröbel). Das gilt für kleine Kinder wie große Kinder. Ich sehe also an erster Stelle die Eltern in der Verantwortung.
Peggy Franke

Die Schwierigkeit, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen erhobenen Daten und beobachteten psycho- und soziologischen Entwicklungen herzustellen, ist ein systemisches Problem in den Sozialwissenschaften. Wenn Amy Orben die nicht nachgewiesene Kausalität zwischen inflationärer Digitalnutzung und deutlich zunehmenden mentalen Krisen der jungen Generation benennt, ist dies bestenfalls ein fadenscheiniges Argument, schlimmstenfalls eiskalte Berechnung und Lobbyismus für Digitalkonzerne. Solange wir keinen tragfähigen wissenschaftlichen Konsens haben, sollte Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sein: Schützt die Kinder vor der Diktatur der Bildschirme und begleitet sie! Niemand wird um Lebenschancen betrogen, wenn sein Konsum von TikTok-Schwachsinn begrenzt wird. Diese Vorsicht hat nichts mit der irrationalen Angst bei der Erfindung der Dampfloks zu tun. Die Unterdrückung der Bedenken dagegen erinnert an den Umgang mit frühen Forschungsergebnissen zum Einsatz von Asbest, zum Tabakkonsum, zum Medikament Contergan etc.
Andreas Goletz-de Ruffray

Es fiel mir sehr schwer, diesen Artikel zu Ende zu lesen, so sehr hat er mich emotional aufgewühlt und deprimiert. Als Ergotherapeut, Kinder- und Familien Liebhaber arbeite ich seit 36 Jahren mit Kindern und habe vier eigene, inzwischen erwachsene Kinder und (bisher) fünf Enkel. Stark geprägt haben mich meine beruflichen Anfänge im Institut für Kindesentwicklung, Dr. Inge Flehmig, Hamburg. In unserer dortigen Arbeit war für uns die sensorische Integrationstherapie nach Dr. Jean Ayres sehr wichtig. Sie betont die fundamentale Wichtigkeit der Stimulation der Körpernahsinne (Gleichgewicht, Oberflächensensibilität der Haut, Körpertiefensensibilität) für die Hirnentwicklung. Seitdem weiß ich und finde es in meiner täglichen Arbeit, in meiner Erfahrung mit meinen eigenen Kindern und Enkeln, in der Beratung der vielen, vielen Eltern, Kitas und Grundschulen immer wieder bestätigt, dass eine stark „Körperspiel“ orientierte Kindheit die beste Voraussetzung für eine gesunde, förderliche, die individuellen Potenziale bestmöglich unterstützende Kindheit ist. Solch eine Kindheit ist gekennzeichnet durch eine Art und Weise des kindlichen Spielens, die sich durch eine reichhaltige und vielfältige Stimulation der oben genannten Körpernahsinne auszeichnet. Durch eine leibhaftige, körperliche Auseinandersetzung mit der materiellen und belebten, mit der physischen und sozialen Umwelt. Stimulation der Körperfernsinne (Hören und Sehen) findet hier nur in Kombination mit den Nahsinnen statt.
Nach meiner Erfahrung „nährt“ die Stimulation der Nahsinne das Gehirn, ähnlich wie Schlaf und ergänzend zu diesem. Stimulation über Augen und Ohren, mit sehr vielen Reizen und losgelöst von Körperreizen, wie es bei allen Bildschirmedien, unabhängig von deren Inhalten, im Extrem der Fall ist, „frisst“ genau diese Energie. Jeder, der eigene Kinder hat oder mit Kindern arbeitet, weiß aus Erfahrung, dass man jedes Kind zu einem „Kotzbrocken“ machen kann, wenn man es entweder Schlafmangel aussetzt oder es über längere Zeit, möglichst noch ohne „gehirnenergiereiche“ Draußenspielpausen, vor einen Bildschirm setzt. „Kotzbrockenverhalten“ resultiert aus Energiemangel im Gehirn. Das Gehirn ist nicht mehr in der Lage, Wünsche, Bedürfnisse, Emotionen oder Frustrationen angemessen zu regulieren. Man könnte folgern, dass ein übermäßiges Reizbombardement der Körperfernsinne Auge und Ohr das Gehirn auf ähnliche Weise belastet bzw. schädigt wie Schlafmangel. So öffnet sich nun die Schere, welche eine gesunde, förderliche Kindheit verunmöglicht, verhängnisvoll in zwei Richtungen:
1) Jegliche Zeit, die ich als Kind vor einem Bildschirm verbringe, fehlt mir in der aktiven Auseinandersetzung meines Körpers und meines Geistes in und mit der wirklichen Welt. Damit fehlt meinem Gehirn die Energie, die dadurch generiert wird und die (wie gesunder Schlaf) wichtiger Bestandteil der Hirnentwicklung ist. Gleichzeitig
2) raubt das Bombardement der Körperfernsinne Auge und Ohr meinem Gehirn Restbestände dieser Energie, von der sowieso ein dauerhafter Mangel herrscht.
Das Smartphone ist nun der erste, permanent verfügbare „Bildschirm to go“ und kann aus den oben genannten Gründen, völlig unabhängig vom Inhalt des Gesehenen und Gehörten, nur Schaden anrichten. Die zweifelhaften Inhalte tun dann das Ihre noch hinzu. In den 36 Jahren kindlicher Entwicklung, die ich in meiner Praxistätigkeit überblicken kann, kann ich jedenfalls nur eine dramatische Verschlechterung der kindlichen Fähigkeiten wahrnehmen. Diese Verschlechterung verläuft nicht linear, sondern eher in Form einer steiler werdenden Kurve. Nicht gerade exponentiell, aber deutlich steiler werdend. Seit Smartphones in den Familien und bei den Kindern angekommen sind, habe ich das Gefühl, das kindliche Entwicklung nicht mehr nur nicht ausreichend gefördert, sondern geradezu systematisch zerstört wird. Wir Menschen besiedeln die unterschiedlichsten Klimazonen und Ökosysteme auf dieser Erde, können uns scheinbar schadlos an die unterschiedlichsten Kulturen, Lebensformen, Geographien und dergleichen anpassen. All dies verdanken wir der Leistungsfähigkeit unserer Gehirne. Aber was benötigt unser neuronales System, um diese Leistungsfähigkeit zu erreichen? Der Mensch ist ein absoluter Spätzünder, unsere Kindheit/Entwicklungszeit dauert sehr lange. Dies ist sicherlich kein Zufall, sondern muss genau so sein.
All die bisherigen Erziehungs- und Lebensformen, kulturellen, geografischen und klimatischen Unterschiede waren zum Glück nie in der Lage, den innersten Kern, die Essenz dessen, worauf kindliche Entwicklung basiert, nachhaltig zu zerstören. Die Fantasie und Kreativität der Kinder (der Drang, sich das zu holen, was das System braucht, um zu funktionieren?) hat noch in größter Armut, auf der dreckigsten Müllhalde und in den kargsten Hinterhöfen dafür gesorgt, dass Kinder sich in die Lage versetzt haben, körperorientiert zu spielen. Dies hat sich mit der Digitalisierung (der Entkörperlichung) der Kindheit verändert. Ein letzter Aspekt. Meines Erachtens, gibt es unterschiedliche Formen des Wissens. Zum einen „schafft“ Wissen“schaft“ Wissen. Zum anderen gibt es eine Form der Weisheit, des intuitiv erfassenden, schwer beschreibbaren Wissens, wie sie beispielsweise Künstlern gegeben ist. So kann ein guter Schriftsteller Gegebenheiten, für die er kein Fachmann ist, auf eine Art und Weise beschreiben, die „Wahrheit“ ist. Mit dieser Art des Wissens „weiß“ ich, dass Smartphones und digitale Medien unseren Kindern schaden. Es ist tatsächlich „Ein riesiges Experiment“, ein furchtbares!
Andreas Piorr

Im Artikel blieb m. E. ein wichtiger Punkt voll außen vor: Die schlechte Vorbildfunktion von Eltern/Betreuern. Kinder beobachten und orientieren sich idR an dem, was Eltern/Betreuer, sonstige Menschen um sie herum tun. Ob auf dem Geh-/Radweg, in der U-Bahn, beim Bäcker/Supermarkt, zum Relaxen im Café, 80% sind stets am Handy abrufbereit“, da wird geklickt und gewischt was die überreichen Apps und (A)sozialen Medien hergeben, so manche(r) hat das Ding nachts neben dem Kopfkissen liegen, könnte ja was gaanz Wichtiges versäumen. Beobachtung: In der Fußgängerzone/ auf dem Spielplatz rennt das Kleinkind begeistert einer Taube hinterher, während die Mutter mal schnell? einen wichtigen Anruf erledigen muss. Oh Schreck, wenn Kiddy aus dem Blickfeld verschwindet …? also ne Smartwatch (bei Hunden sog. Tracker, subkutanen Chip gibt es ab Entwöhnung von der Mutter) und die KI entwickelt sich rasant Kein Wunder, dass Kinder dieses „permanent available“ Sozialkontakt-/Bild-/Infokästchen auch haben wollen! In guten Familien wurde früher wohl mind. 1x/Tag gemeinsam gegessen und, ganz wichtig!, kommuniziert – heute heimlich unter dem Tisch herumgedaddelt oder vorschnell der Esstisch verlassen, da was Wichtiges zu tun ist …
RS Keller

Ich fand in ihrem Artikel kein Wort zu den altersabhängigen Entwicklungsphasen des Gehirns von Kindern und Jugendlichen, geschweige denn über den Stellenwert von Erziehung und Pädagogik! Frau Orben und der Artikelautorin Lisa Hegemann musste doch bewusst sein, dass der altersunbeschränkte Internet-Zugang zur sittenfreien Weltöffentlichkeit von Pornographie, Brutalität und Fake-Bildern schon mit der PC-Verfügbarkeit begann, Jahre vor der Einführung des Smartphones. Befragen sie doch bitte mal Lehrer und Erzieher generationsübergreifend zur Entwicklung von Kindern und Schülern in den letzten 25 Jahren! Ebenso kein Wort zur selbstkritischen Reflexion von Internet- und Spielsoftwareentwicklern, Molekularbiologen (Hirnforschern) sowie Ärzten und Psychiatern oder Richtern! Wohin unsere Bildungspolitik führte und über die forcierte digitale Aufrüstung von Schulen und Kindergärten führt, begleitet mich mit größter Sorge. Zu fordern wäre auch die gesetzliche Pflicht aller Erziehungsberechtigten zu einer kindgerechten Erziehung ohne frühen Konsum elektronischer Medien!
Manfred Feyk

 


 

Leserbriefe zu „Es reicht“ von Marcus Rohwetter

Ho, hooo, alle Achtung, Marcus Rohwetter bringt die alte großbürgerliche Tante Zeit so richtig auf klassenkämpferischen Trab und liest den wahren Nieten, denen in Nadelstreifen / coolen Rollkragenpullis die verdienten Leviten.
H. Giller

Ich habe mit wachsendem Vergnügen Ihren Beitrag gelesen. Vielen Dank dafür. Sie sprechen mir aus der Seele, weil sich Ihre Beobachtungen mit meiner Erfahrung decken. Jede der drei Plagen, die Sie benennen, verdient einen eigenen Artikel. Warum scheitert die Politik, die Raumplanung, die Industrie seit Jahrzehnten an der Aufgabe den ländlichen Raum mit ausreichend Arbeitsplätzen zu versorgen? Warum siedeln sich Unternehmen in Ballungsräumen an, die eh schon überlastet und teuer sind? Gleichzeitig finden Neuansiedlungen nicht dort statt, wo vorher industrielle Arbeitsplätze weggefallen sind. Warum befinden sich die Hidden Champions größtenteils in eher ländlichen Regionen? Hängt das eventuell mit der Fantasielosigkeit des Führungspersonals von Aktiengesellschaften zusammen? Muss erst ein Heimatminister Söder auf die Idee kommen, dass Behörden nicht unbedingt in der Landeshauptstadt ansässig sein müssen? Und dann gibt es noch die Kosten für die nötigen Verkehrswege und -mittel, um die Pendler zu und von Ihrer Arbeitsstelle zu transportieren. Das sind, wie so oft, externalisierte Kosten, auf denen die Allgemeinheit sitzen bleibt. Von dem Naturverbrauch ganz zu schweigen. Zum Thema Homeoffice soll es jetzt schon Untersuchungen geben, dass die Produktivität dort nachlässt. Würde mich interessieren wer solche Studien finanziert, und ob es da auch gegenteilige Ergebnisse gibt. Ich persönlich habe die Zeit im Homeoffice währen der Corona-Pandemie genossen. Nach 25 Jahren Pendeln mit der S-Bahn musste ich zuletzt auf das Auto umsteigen, weil die Unzuverlässigkeit des Fahrplanes nicht mehr erträglich war. Der tägliche Stau war aber auch keine wirkliche Alternative, zumal ich selbst fahren musste.
Besprechungen sind nötig für den direkten Austausch, sind aber grundsätzlich zu lang und werden von den Selbstdarstellern und Labertaschen dominiert. Versuche das zu ändern sind kläglich gescheitert. Ein Grund dafür ist das Berichtswesen, das von allen Hierarchieebenen gefordert wird. Anstatt die Berichte vor der Besprechung zu lesen, und dann während der Besprechung nur Fragen und strittige Themen zu behandeln, werden die Berichte vorgetragen. Für die strittigen und dringenden Themen bleibt am Ende keine Zeit (oder es fehlt der Wille sie anzupacken). Das Berichtswesen selbst ist eine Plage für sich. Es fällt nicht auf wenn man jede Woche den gleichen Bericht abgibt. Was sagt das über dessen Notwendigkeit? Die zunehmende Korrespondenz per E-Mail ist einerseits die Folge eines Vertrauensverlustes, andererseits die Folge von Verantwortungslosigkeit. Mündliche Absprachen werden nicht eingehalten, also legt man seine Aussagen schriftlich fest. Wer viele Leute auf den Verteiler setzt, der erwartet die Übernahme der Verantwortung für das Geschriebene durch alle, die nicht widersprechen. Bei Ihrer Recherche werden Sie sicherlich weitere Gründe für die E-mail-Flut finden.
Sie haben eine große Wahrheit bereits angesprochen, die Arbeitsorganisation ist Sache des Arbeitgebers. Und das führt zu der vierten Plage: Die Führungskräfte kennen die internen Abläufe im Unternehmen nicht mehr. Aus Desinteresse, weil sie, kaum auf einer Position, schon wieder auf dem Sprung auf die nächste sind. Diejenigen, die die internen Abläufe kennen, werden bei Entscheidungen bewusst nicht einbezogen. In der Folge fällt die Produktivität und diejenigen mit Ahnung werden entlassen, um Kosten zu sparen. Die eingesparten Kosten rechtfertigen den weiteren Aufstieg der verantwortlichen Führungskraft. In Kriegszeiten würde man von einer Taktik der verbrannten Erde reden. In Friedenszeiten nennt sich das Management. Eine weitere Plage sind betriebliche Umorganisationen. Disruptive Veränderungen sollen die Organisation aufmischen. Nur tritt der gewünschte Effekt nicht ein, eher das Gegenteil. Viele betriebliche Strukturen befördern eine organisierte Verantwortungslosigkeit. Die Strukturen sind so komplex, dass für ein Defizit kein einzelner Verantwortlicher mehr gefunden werden kann. Dahinter steckt Methode, wie sonst könnte die Beförderung von Unfähigen gerechtfertigt werden (siehe oben).
Bernd Roos

Zu dem gut geschriebenen Artikel ist lediglich kritisch anzumerken, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), auf das sich der Autor beruft, eher bei linksgerichteten Kreisen „sehr anerkannt“ ist. Ihr Protagonist, der Präsident Fratzscher des DIW, fällt immer wieder mit zweckgerichteten Aussagen auf, die irreführend sind und auch vom zitierenden Autor des Artikels missverstanden wurden. Das Zitat, es sei noch nie so viel gearbeitet worden wie im Jahr 2023, ist in der absoluten Zahl der Arbeitsstunden richtig, sagt aber nichts über Fleiß oder „Faulheit“ aus, weil es noch nie so viele Einwohner gab wie 2023. Stellt man richtigerweise auf die Arbeitszeit der Beschäftigten ab, so liegt Deutschland in der EU sowohl bei der durchschnittlichen Arbeitszeit aller Erwerbstätigen als auch bei einem Vergleich nur der Vollzeitbeschäftigten unter dem Durchschnitt.
Diethelm Schroeder

Die faulen Deutschen ruinieren die Wirtschaft? – Ein dringend notwendiger Artikel gegen diese perfide Stimmungsmache angeblicher Mehrleister. Ich vermisse die Hinweise auf die faulen geldgeilen Mehrleister in Wirtschaft und Politik, die wirklich an der Wirtschaftsmisere schuld sind und deren Mehrleistung nie sichtbar wird. Ist nicht derjenige dumm, z. B. im Sozial- oder Gesundheitswesen der sich noch für diese Pfeifen reinhängt, die nie Konsequenzen fürchten müssen? Aber die „faulen Deutschen“ machen das offensichtlich noch mit.
Dieter-Josef Walter

HERVORRAGEND! Vielen Dank!
Ch. Martinoli

Wer hat‘s erfunden? Nein, nicht die Schweizer, aber auch nicht die USA, sondern Jesus. Er spricht in Matthäus 5,41 von der „Extrameile“, die man freiwillig noch der abgenötigten ersten Meile hinzufügen soll.
Gerd Mankel

Einerseits haben Sie Recht, dass es ungerecht wäre „die Deutschen“ alle pauschal alle über einen Kamm zu scheren und für faul zu erklären. Und es ist auch nicht fair oder realistisch von „allen“ zu verlangen, „wieder mehr“ anzupacken, wie es der Geschäftsführer der hessischen Unternehmen tut. Auch ist es vom Chef ausgerechnet der Deutschen Bank sehr scheinheilig eine bessere „Haltung zur Arbeit“, den „unbedingten Willen zu arbeiten“ zu fordern, wo dort doch nicht wirkliche und Wertschaffende Arbeit, sondern unverantwortliche Risiken und teils sogar Betrug an Kunden und Geschäftspartnern am höchsten vergütet wurden. Andererseits haben ja auch gar nicht alle so pauschal oder polemisch argumentiert: Dass wir derzeit mehr und nicht weniger Arbeit brauchen, wie Herr Dulger sagt, ist angesichts Demographie und Fachkräftemangel und zusätzlich noch anderer neuer oder zugespitzter Krisen fast eine Binsenweisheit, und selbst gute arbeitswillige neue Migranten brauchen erstmal sehr viel Arbeit für sie, ehe sie uns netto Arbeit abnehmen können. Die ganzen bisherigen Vernachlässigungen von Klima, Bildung, Infrastrukturen, Abhängigkeiten, Sicherheit und nur durch Ausbeutung von Klima, Umwelt und Menschen andernorts billigen Lieferketten fordern heute ihren Preis, der eher noch höher ist als wenn Politik, Medien und Wähler sich rechtzeitig ausreichend drum gekümmert hätten.
Die ganzen Negativ- und versäumnis-Beispiele, die Sie nennen, kenne ich auch eigener Erfahrung: Auch ich habe lange viel Mehrarbeit und das oft unbezahlt gemacht, teils aus Existenzangst und teils, um noch gute Ergebnisse abliefern zu können trotz aller Mangelausstattung oder Verschwendung von Arbeitszeit. Ich habe aber auch viele andere erlebt, die lieber Patienten oder Kollegen leiden ließen als unpünktlich nach Haus zu kommen oder auch nur auf verlängerte oder selbstgenehmigte Pausen zu verzichten. Und ich kenne etliche Dokusendungen, nicht von Facebook oder sonstigen verdächtigen Quellen, sondern aus Qualitätsmedien wie ÖRR, wo über die wachsenden Ansprüche auch an Freizeit und Ansehen und sauberen Händen von nicht allen aber Teilen der jungen Nachwuchskräfte oder Schulabgänger berichtet wurde. Und andere, die Mehrarbeit durch angeordnete nötige Maßnahmen nicht wollten, haben mich teils unter Druck gesetzt, lieber selbst fachliche Risiken einzugehen. Es gibt eben eine große Spannbreite zwischen den Engeln und den Selbstverliebten mit vielen Schattierungen, es gibt fleißige und faule und mittel-motivierte Mitarbeiter, aber es gibt auch gute und schlechte und mittelprächtige Chefs und Vorgesetzte und auch Politiker*innen. Aber auch die besten unter ihnen haben nicht alles selbst in der Hand und sind zu vielem wie der berüchtigten Bürokratie gezwungen, können nicht zaubern und mit immer weniger Arbeitszeit und immer weniger Anteil der Berufsarbeitszeit am Leben immer mehr Wohlstand und Einkommen und gleichzeitig immer mehr Klimaschutz und internationale Humanität erwirtschaften, denn bis auf wenige Fortschritte und Glücksfälle hat immer noch alles seinen Preis.
Und natürlich braucht es mehr Kitaplätze, finanziert letztlich von anderen als den dortigen Mitarbeitern und nicht allein von „der Politik“, und bessere Arbeitsorganisation, aber wie und wie finanziert, liegt oft im subjektiven Auge des Betrachters. Und ja, Konferenzen leiden oft an Geschwätzigkeit, Selbstdarstellungen und mangelnden Zeit-Managements und Priorisierungen. Aber vieles fordern auch die modernen Mitgestaltungs- und Motivierungs- und Demokratie-Vorstellungen. Und es ist nicht leicht festzulegen und für jeden zu erkennen, was nun eine wichtige oder unentbehrliche Kommunikation und Information für die anderen ist und was nicht. da sind manche schnell beleidigt, wenn sie nicht „ausreichend“ zu Wort kommen und fühlen sich minderbewertet. Und die Bürokratie ist natürlich ein Zeitfresser sondergleichen, aber jede einzelne Vorschrift findet schnell Befürworter, die die diese nun für ganz essentiell für die Demokratie, das Bürgerwohl, den Tierschutz, den Denkmalschutz, die Umwelt oder sonstiges halten. Und jeder, dessen Vorstellung nicht umgesetzt wird, droht dann andere Parteien oder gar Protestparteien zu wählen. Geld kann man drucken oder heute „digital erschaffen“. Aber letztlich ist das Geld, was Menschen immer mehr für ihre Arbeit verlangen, nur soviel wert, wie sie dafür auch an Arbeit von anderen zurückerhalten können. Wenn alle also immer mehr Früchte ihrer Arbeit genießen wollen, die von anderen erarbeitet werden müssen, und diese anderen genauso, wie soll das dann noch funktionieren? Bisher haben Digitalisierungen und Roboter noch lange nicht ausgereicht, um unsere Fachkräftemängel auszugleichen, schon gar nicht die der Zukunft. Ich glaube auch nicht, dass jeder Arbeitgeber oder Vorgesetzte seine Beurteilung der Mitarbeiter allein daran festmacht, wie lange die am Schreibtisch sitzen, oder wie lange Reden die schwingen. Dass ist ein allzu populistisches verallgemeinertes und über einem Kamm scherendes Urteil über Vorgesetze und Chefs.
Peter Selmke

Danke, Herrn Rohwetter, für diese geistreiche Kolumne! Auch wenn mich das alles selbst nicht mehr betrifft und ich tatsächlich als Rentnerin dem Faulsein frönen kann, so musste ich doch mehrfach herzlich lachen!
Agnès Siémon

Für den Artikel „Es reicht!“ (Die Zeit, Seite 28 in Nr. 24 aus 2024); allerdings sollten Sie vielleicht Ihre Erkenntnisse nicht nur den Arbeitgeberverbänden, sondern auch einigen Mitgliedern Ihrer Redaktion zur Kenntnis bringen – insbesondere in der „Politik“ und in „Wissen“ (dort z.B. Herrn Stefan Schmitt) – wo immer noch die Ansicht vertreten wird, dass die Pendlerpauschale eine Subvention und keine Verwaltungsvereinfachung sei(!) – wie Herrn Schmitt mir vor kurzem (Email vom 16.5.2024) noch mitteilte, entsprechend einer „wissenschaftlichen Definition“(!), für deren Erfüllung er sich allerdings den argumentativen Nachweis ersparte. Da sind einige in Ihrer Redaktion entgegen Ihren Ausführungen wohl immer noch der Ansicht, dass Pendler mit Vergnügen, um nicht zu sagen geradezu vergnügungssteuerpflichtig, zur Arbeit fahren und dabei wegen der Pendlerpauschale auch noch immer weiter von der Arbeitsstelle entfernt losfahren, nur damit das Pendeln möglichst weit geht und möglichst lange dauert.
Volker Thomaszik

 


 

Leserbriefe zu „Die Freude an der Unvernunft“ von Hanno Rauterberg

Das Volk als Masse hat nichts zu seiner unverbildeten Verteidigung vorzutragen – die gebildete Minderheit verliert grundsätzlich in einer sogenannten Demokratie ihr wahres Menschsein zur massenhaften Unvernunft der unvorhandenen Vernunft. Cogito – ergo Sum-salabim! Welche Konstellationen variieren zwischen Sinn und Unsinn sowie Vernunft und Unvernunft und dem Bedürfnis zur Unbedarftheit oder des Blödsinns hin zur Verblödung… Man sollte meinen, dass durch die bundesweite Verbreitung der Medien, der Vielheit dieser besonders auch elektronischen „Heimsuchungen“: dieses doch manipulative bundesdeutsche Volk sich eine vielleicht erwähltere Auswahl aus diesen zumeist geistlosen Unterhaltungsprogrammen für sich herausfinden wollte – aber genau: das ist nicht die Wirklichkeit der Glotze-Realität! Für die Verdummung haben sich die TV-Sender dennoch eine Menge an Schwachsinn einfallen lassen und nennen das in ihrer ausstrahlenden Hemmungslosigkeit: Wir wollen Euch unterhalten! Doch für wie blöd halten diese Programmgestalter in diesen Bereichen ihr zeitverbrauchendes glotzendes Publikum – genau so verblödet wie es die Fernsehmacher es ihnen (also der Masse des Volkes) zutrauen und vor allem auch dementsprechend zumuten! Hanno Rauterberg schreibt in seinem ZEIT-Büro oder unterwegs in seinen kulturellen Revieren dann die ganz anderen kultivierten Impressionen auf, hat seine Feuilleton-Lesegemeinschaft in den ZEIT-Lesenden und kann davon ausgehen (müssen, nein: hierbei zu wissen), dass seine Texte verstanden und wohl auch verinnerlicht werden mit den sicherlich auch klugen Mitbeteiligungen der jeweiligen Kritik oder zumeist wohl auch des solidarischen Einverständnisses…
Mit diesem Vernunfthintergrund wird selbst ein freigeistiger Hanno Rauterberg seine Kritiken und Auffindungen zur Kunst nicht mit Unvernunft beschreiben wollen – selbst, wenn ein „Kunstwerk“ noch so scheinbar hingeschleudert wurde: und es gibt hierbei die gefährliche Freude an der Unvernunft, sich manches unterjubeln zu lassen, wenn man als Kritiker darauf hereinfällt bzw. sich von diesem Artefakt hirnficken lässt (und man könnte den Begriff Artefakt auch ins Medizinische als Metapher hineininterpretieren)… Fakt aber bleibt in der Vielseitigkeit der Kunst: in der Literatur ist ein Antäuschen, Vortäuschen oder Täuschen nicht möglich – und selbst ein Ernst Jandl (1925 – 2000) verjandlelte sich nach einigen Gedichten in dieser seiner Art von Poesie-Pose in die Verüblichung dieser dichterischen Lautmalereien… Mit anderen Worten – überall in der Kunst kann „betrogen“ werden, gilt nirgendwo mehr die Bewahrung der kunsthandwerklichen Künste, der zu erlernenden Meisterlichkeit: nur noch ausschließliche entfesselte Kreativität, wildeste Phantasie, wirre und verwirrende Wahnhaftigkeit und hemmungslose Energie spielen auf dem Kunstmarkt das zeitmoderne Tourette-Syndrom der Kunst(vor)täuschungen als unvernünftige Tauschobjekte gegen die kunstgequälte Vergangenheit der besichtigbaren Vernunft (was auch die Harmonien der Musikkompositionen betraf). Aber der Leipziger Maler und Kunstprofessor Neo Rauch versucht dennoch es malerisch mit der neuen, neuesten Sachlichkeit: will das Erkennbare aus allen Blickwinkeln zu den Motiv(ationen) mit Pinsel und Farbe wieder zur Geltung bringen!
Hanno Rauterberg täuscht sich wohl (selbsthinterfragend), wenn er aufschreibt: „Heute misstrauen viele den Allesmessern, Allesplanern, den Allmachtsfantasien. Selbst den Vernünftigen wird die Vernunft suspekt. Denn seltsam, der Mensch hat die unglaublichsten Techniken der Welt- und Selbstbeherrschung entwickelt, die Lage aber wird immer verworrener. Das liegt vor allem daran, dass sich die alte Fortschrittsidee als zerstörerisch erwiesen hat, in ihrem Namen wurde die Natur geplündert, der globale Süden unterworfen, mit gewaltigen Nach- und Nebenfolgen…“ Warum diese Selbsttäuschung einer scheinbaren Vernünftigkeit des Vernunftvollen? Wann hätte denn den Erfindern brutaler Einhalt geboten werden müssen – z.B. den Entwicklern der Atombombe vor dem Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki… Warum wurden diese „Erfinder“ nicht sofort liquidiert – bevor sie der Menschheit diesen Wahnsinn (indirekt) dadurch erst antun konnten. Warum nicht den Automobil-Erfinder (des Automobilmotors) sofort dann zu exekutieren, um damit verhindert zu haben: dass mehr Menschen weltweit an Verkehrsunfällen automobiltechnisch ermordet wurden als in allen Kriegen dieser Menschenwelt seither – von den Hunderten Millionen Schwerverletzten und Verletzen auf den Straßen ganz zu schweigen… Wo blieb da bei dieser Unvernunft die Vernunft derjenigen Menschen, die das hätten verhindern können… Das war doch alles vorhersehbar oder zumindest vorstellbar in den Köpfen derjenigen: die solche Massenmordbomben und mörderischen Automobilanfänge zu verantworten hatten! Dadurch vor allem aber auch sehr vernunftvoll in den Kausalitäten: Freie Fahrt für freie Bürger…
Der RvM-Leserbriefschreiber erkennt für sich selbst, dass diese liquidierende Vorgehensweise zwar geradezu geisteskrank unvernünftig daherkommt, gleichwohl wären der Menschheit all diese so furchtbar auswirkenden Folgedramen und Folgetragiken erspart geblieben… – aber: vielleicht könnte man dann auch die „Erfindung des Rades“ gleich mit an die Wand gestellt haben – denn dieses Räderwerk hat ja erst andere Erfindungen (wie z.B. das Automobil) erst möglich gemacht! Deutlich ist Jahrzehntausende zurück zu vermerken: Seit Alexander bis hin zu Napoleon: waren die Entfernungen der Kriegsschauplätze ähnlich zeitgleich weit entfernt für die Soldatenarmeen und kriegerischen Expansionen – zu Fuß und mit Pferden! Napoleon führte keine modernen Kriege, sondern auch nur Abschlachtungen von Menschen und Tieren in seinem Zeitabschnitt und unter den Bedingungen seiner diktatorischen Energien, eigentlich Alexander von Makedonien letztlich doch nur ans Ende der Welt kommen wollte … Waren beide vernünftig in ihren Strategien oder doch eher unvernünftig in ihrem Größenwahn, nurmehr an ihren Stern zu glauben – wobei dieser Alexander sich auch noch als den Sohn des Gottes Zeus/Ammon sah und Napoleon durch die schmerzhaft quälenden Hämorrhoiden am kaiserlichen Arsch im morgendlichen Feldbett verblieb, somit nicht als Feldherr anwesend war, so dass er dadurch die entscheidende Schlacht am 18. Juni 1815 bei Waterloo verloren hat… Könnte man es zudem so vernunftvoll hinterrücks benennen: Hämorrhoiden, die unsere europäische Geschichte entscheidend mitprägten?
Und dann komme doch Hanno Rauterberg nicht mit der sich „mit den Geistern im guten Sinne freidrehenden“ Anarchie als mögliche Unvernunft“ – wenn denn die Vernunft einer Rebellion bis hin zur Revolution (voilà: die Französische von 1789) als die vielleicht Vernunftvollste gegenübergestellt werden könnte… Wenn der Autor so sehr elegisch sich ZEIT-intern fortschreibt: „Ganz anders sieht es aus, sobald es anarchisch wird, die Geister in einem guten Sinne freidrehen, sich träumend dem Vernunftregime entwinden, bis der höhere Unernst eine lösende Kraft gewinnt, die Zwangs- und Zweckgefühle zurücktreten und im besten Fall ein heilsamer Abstand zum Üblichen entsteht. Denn es braucht diesen Abstand, braucht die Freude an der Unvernunft, damit die Gegenwart nicht an sich selbst erstickt.“ Warum glaubt Hanno Rauterberg, dass das Gegenbild von Vernunft die Unvernunft sei – das sind doch nur unverdeutlichende Bebilderungen eines Unzustandes, genauso wie die Vernunft kein wirkliches Konzept einer konsequenten Einstellung „Apres nous le dèluge“ darstellen kann: obwohl doch diese Hineinfindung in die Wahrhaftigkeit des (persönlichen Todes) letztlich diese Be/Deutung des „Nach mir die Sintflut“ kurz vor dem eigenen Ableben wesentlich erweitert: Leckt mich doch mal alle am Arsch auf diesem Planeten! Hat es denn mit Vernunft zu tun, das Menschendasein zu Milliarden nach dem eigenen Tod dann als Zukunft auf die nächsten tausend Jahre abzuwägen oder aber gar in noch weiteren Zeitdimensionen zu be/denken. Vielleicht ist es unvernünftig daran zu denken: Ohne das Verrecken der Dinosaurier wäre die Entwicklung des Menschen nicht möglich gewesen – also könnte uns die abwägbare Unvernunft sagen: das alles hat doch unser lieber Gott geplant oder aber als erzählerische Vernunft: Da hat „damals“ ein Meteoriteneinschlag auf unserem Planeten dieses Dinosaurier-Aussterben verursacht und all diese riesenhaften Ungetüme abserviert. Was aber bleibt uns in Bezug auf unser Wissen (mit oder ohne Gewissen?) von und zu einem persönlichen Nachprüfen? Alles doch nur allgemein nachgeplappert – ob vernünftig oder/sowohl auch unvernünftig geistes-an/abwesend eingebläut und wiedergekäut… Persönlich unnachprüfbar! Geistesvermüllte Gülle in Hülle und Fülle?!? Doch das Universum werden wir Menschen uns nie erklären können – vernünftig oder unvernünftig! Alles andere dagegen ist doch relativ sinnentleert, wenn wir hier nicht endlich mal den Durchblick erreichen – das wäre ja in etwa so: wie wenn wir einen Regenbogen für immer einfärben wollten…
Und dann wollen wir uns verstecken in unserer vernunftlosen Unvernunft zur Fassade dieser manipulierten Unselbstständigkeit des Wohlverhaltens allüberall ohne Anarchie und Rebellion zur besungenen Revolution (von den einst arrivierten Beatles in ihrem Rolls-Royce) – und vermeinen dann evtl. in der nur oberflächlich besichtigbaren Kunst der entrückten oder verrückten Kunstverwilderten: ein anderes Spiegelbild dieser Menschenwelt zu besichtigen, wenn wir überhaupt solche Metamorphosen und Metaphern an uns heranlassen in den Funktionen zu unseren Gefangenheiten… Hierzu weiß Hanno Rauterberg seinen zeitbezogen entgeisterten ZEIT-Kommentar zu geben: „Lange war die Kunst dafür der bevorzugte Ort: Exzessiv und wahnhaft ging es gegen das Unausweichliche, öffneten sich die Türen ins Ungeregelte, in ein Reich fern der Vernünfteleien, nicht ausrechenbar und garantiert ziellos. Jedoch wird nun selbst hier, in den Museen, an den Theatern, in der Literatur, die Idee des absichtslosen Herumspinnens nicht mehr gern gesehen. Ohne Verhaltenskodex, brav unterzeichnet, geht bald gar nichts mehr. Denn auch die Kunst wird verzweckt, soll vernünftig und also zuträglich sein: damit es gerechter zugeht auf der Welt, klima- und karmafreundlich und in jeglicher Hinsicht und Ausgleich bemüht. Für die gute alte Kunstfreiheit wird´s eng, der Diskurs mag keine Fantasie.“ Klar doch, dass der Autor dieser „Ode an die Freude der Unvernunft“ sich in das politische Umfeld begibt und deklariert: „Was es hingegen nicht braucht, sind wüste Verschwörungsfantasien, die das demokratische Gemeinwesen eine Diktatur umdichten und zu tätiger Unvernunft aufrufen, zu Terror und Umsturz. Auch hier, in solchen Auswüchsen, zeigt sich das Gefühl von Unausweichlichkeit und ein daraus resultierendes Bedürfnis nach Souveränität…“ Erstaunlich, dass der Autor dieses Textes die Souveränität der Vernunft darin zu erkennen scheint, dass in dieser kapitalistischen „Demokratie“ es durchaus positiv unvernünftig zu sein habe, dass Milliardäre und Millionäre sich am Volk bereichern und das Volk in der Masse dennoch sich dankbar bei dieser Nomenklatura dafür devot zeigen sollte… Verstehe mir einer diese Art von scheinheiliger Demokratie – als zu übersetzende: Herrschaft des Volkes (lt. jener attischen Definition in Athen der griechischen Antike). Aber springen wir zeitlich hinüber in die oligarchisch-demokratische USA – wo jeder vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann, und auch das Künstlertum mit Durchsetzungsvermögen zu Vermögen kommen täte…. Vernunft hin -Unvernunft her! Keine/r zwingt irgendjemanden zu irgendetwas: Hire and Fire! Und ab in die Pappkartons auf die Straße der Ungeborgenheit!
Beachten wir hierbei Jean-Michel Basquiat (an einer Überdosis Heroin am 12. August 1988 gestorben), der auf einem seiner Selbstportraits mit Pistole am Kopf – Picasso dort auf seinem Gemälde in und mit folgenden Buchstaben zitierte: „You can really only ever work against something. Even against oneself. That is very important. Most Painters get out their little Cake-Tins and then they start making Cakes. The same Cakes, again and again. And they are very happy with them. A Painter should never do what People expect of him. Style is the worst Element of the Painter. Art does not find its Style until they are dead. It is always Stranger.“ Was war unvernünftig an dessen Leben, dass nur 28 Jahre währte und sich in der verwilderten Vernunft als Maler doch einverbrachte in den Rhythmus des kapitalistischen Systems des Kunstmarktes, ein Rebell zwar mit Verachtung gegen das (weiße-kapitalistische) System: dessen Basquiat-Marktwert auf dem manipulierten Kunstmarkt aber bei einem seiner letzthin versteigerten Bilder in New York: auf 110,5 Millionen Dollar hochgepuscht wurde… Wo aber bleibt da die Vernunft bei solchen Marktpreisen für Kunstwerke aus dem Nichts, aus der Retorte einer belebbaren Illusion – ist das die Unvernunft an die auch Hanno Rauterberg denken müsste, wenn manche Kunstwerke zu solchen Preisen für kein Museum der Welt mehr einkaufbar sind und im Privatbesitz landen, jenseits von aller Öffentlichkeit sich diese immens reichen Kunstsammler sich vielleicht einen runterholen vor solch wahnsinnig teuer ersteigertem Privatbesitz… Wie beendet nahezu fatalistisch korrekt Hanno Rauterberg seine textliche Masturbation als „Eine kleine Verteidigung an DIE FREUDE DER UNVERNUNFT“ – und behauptet selbstberührt unseriös als ein fast verbeamteter Redakteur von DIE ZEIT: „Denn ohne sie (die Unvernunft) ist der Mensch kein Mensch.“
Da kann der RvM-Briefschreiber nurmehr einen Bekannten als Mensch (und Mann) zitieren, der in einem Stuttgarter Bordell eine dortige Hure herausgeheiratet hatte, die seit über 25 Jahren permanent in diesem Business arbeitete, er sich in sie verliebt hatte als frequenTIERender Freier… Und er erklärte mir sein (für mich) eigentlich doch eigenartiges Verhalten: „Ich habe einen kleinen Schwanz – und wenn ich bei ihr im Bordell war, hat sie mich dieserhalb nie ausgelacht, wie dies andere Frauen taten, wenn ich mit ihnen im Bett war… Also fing ich an sie zu lieben – auf meine verworrene Art! Und ich machte ihr dann spontan einen Heiratsantrag in ihrem Bordellzimmer! Und sie antwortete mir konkret zu ihrem Ja-Wort: „Ich habe so viele Schwänze in meinem Hurenleben beruflich miterlebt: doch Du warst der einzige Mann, bei dem ich jemals zum Orgasmus gekommen bin! Und somit hat mir meine Vernunft also gesagt: bei diesem Mann bleibst Du nach all den unterschiedlichsten Schwänzen in meiner Bordellzeit. Ein Orgasmus ist eine Hochzeit wert!“ Da hat der RvM seine Schnauze gehalten, als ihm dieser Mann als Mensch das scheinbar offenkundige „Unvernünftige“ (?) erzählte: und ganz schnell vorab schon das parat anwesende Wort Unvernunft in sich heruntergeschluckte! Sowieso in der sogenannten (körperlichen) LIEBE: ist jede Art von Vernunft so unvernünftig – wie wenn man darüber nachdenken wollte, was zuerst da war: das Huhn oder das Ei (und wo bleibt bei dieser Hinterfragung eigentlich: der Hahn…). Und wahrlich ich sage Euch (den kunstbesessenen Hanno Rauterberg himself gerne unbedenklich zitierend) in dem hierbei klug auf Hochglanz fabulierten, genauest ausschnitthaft zu erwähnenden Text-Zusammenhang: „Ohne die Unvernunft ist der Mensch kein Mensch!“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Der Aufruf Hanno Rauterbergs zur Unvernunft hätte mit einem weiteren Satz abgerundet werden sollen: Unvernünftig handeln – allein das ist jetzt vernünftig.
Axel Mittelstaedt

Eine Frau, die sich saure Gurken zwischen die Zehen steckt, hat vielleicht ein neues, rein pflanzliches Heilmittel gegen Interdigitalmykose entdeckt? Oder es ist einfach der unvernünftige, individuelle Ausdruck ihrer Leichtigkeit des Seins? Lieber in der Gurken- als der Stahlhelmtruppe! Von einem Politiker (m,w,d) jedoch erwarte ich Weitblick und Vernunft bei seinen Entscheidungen, die oft weit in die Zukunft hinein reichen; keine gelegentlichen Abstecher in die Unvernunft, keine Parteiideologie, auch wenn sie hochmoralisch scheint! Sein Handeln sollte immer dem alten Leitsatz folgen: quidquid agis, prudenter agas, et respice finem!
Ulrich Pietsch

Was für brillante Essays, differenziert und profund! Es war eine einzige Freude (von journalistischen Qualitätsmerkmalen hergesehen), Ihre Beiträge zu lesen! DANKE! DANKE! DANKE! Es tut gut, noch einige verantwortungsbewusste, kluge Köpfe in der durchwachsenen Journalismuskommunity zu wissen!!
Berta Walter-Hamza

Was Sie als Unvernunft bezeichnen scheint mir manchmal kindisches Trotzverhalten zu sein, manchmal auch Egoismus. Und die „Freude“ ist eigentlich nicht direkt der Unvernunft geschuldet, sondern eher eine Lust an Wut, Trotz oder eine Haltung von „Ego voran“ oder „Gegenwart und ihr Lustgewinn oder Bequemlichkeit hat Vorrang“ über längerfristige Interessen und Leidensvermeidung. Wenn ich selbst mich zu oft so verhalten hätte, wäre ich als im Kindesalter erkrankter Diabetiker schon viele Jahre tot, statt 71 Jahre und hätte die im Rückblick besten Jahre meines Lebens gar nicht mehr erlebt. Weiter gedacht: Es kann sehr wohl sein, dass viele unserer Kinder und Enkel die längerfristige Zukunft gar nicht mehr erleben oder in ihr nur noch ein armseliges Leben fristen, wenn wir kollektiv und zu oft und zu sehr unvernünftig sind, vor allem im Kantschen Sinne. Und das bei vielen wohl, obwohl sie ihre Kinder und Enkel eigentlich lieben. Aber mit etlichem haben Sie auch Recht: Das Argument der Vernunft ist allzu oft auch missbraucht oder missverstanden worden, und es ist für sie viel zu viel versprochen worden, und oft nicht im Sinne einer Chancenverbesserung für Gutes oder nur Leidensvermeidung, sondern als sei vernünftiges Verhalten eine Garantie für alles gewünschte Gute. Und natürlich kann eine zu absolute und pausenlose Vernunft auch Stress, Überlastung oder Überforderung verursachen, weshalb schon immer auch sozusagen Pausen, Ausnahmen oder Freizeit von Vernunft und manchen Regeln genommen wurden, etwa im Rahmen des Karnevals oder Faschings, wo alle sozial akzeptiert mal über die Stränge schlagen durften.
Aber wie bei so vielem kann sowohl die Vernunft als auch ihr Gegenteil maßlos übertrieben werden mit entsprechenden Folgen für die unvernünftigen selbst oder andere völlig unschuldige. Und auch die Gefühle von oder Bewertungen als „Zwang“ können übertrieben oder missbraucht werden, z.B. als Ausrede für Bequemlichkeit oder unfair egoistisches Verhalten, nicht nur gegen Regeln der Gewohnheit oder des Geschmacks, sondern gegen Gesundheit, Eigentum oder gar Leben von anderen, sei es in der Gegenwart oder — besonders gern übersehen/ignoriert — in der ferneren Zukunft. „Das tut man nicht“ klingt für manche nach Fremdbestimmung, Pedanterie, Spießbürgertum oder „Zwang“, kann aber den schlichten Grund der Fairness und Rücksichtnahme haben, nicht für nur moderaten, flüchtigen oder geringen eigenen Lustgewinn andere schwer schädigen zu dürfen. Gefährlich und heikel ist auch, wie verschiedenes alle Menschen unter „Vernunft“ verstehen oder meinen, und wie viel da über einen Kamm geschoren wird. Es gibt wohl tatsächlich auch verschiedene Ebenen, Zeithorizonte und Hierarchie-Stufen von Vernunft: Es gibt eine Art Kurzfrist-Vernunft, für die langfristige Rücksichtnahmen eher „unvernünftig“ erscheinen, was z.B. vielfach bei der Klimakrise zu beobachten ist. Dann gibt es eine „Vernunft“, die davon ausgeht, dass die meisten anderen sich sowieso unvernünftig oder egoistisch verhalten. Wenn diese anderen das genauso tun, ist das eine Art Self-fulfilling Prophecy. Man könnte auch von einer — nicht gerade Kant gemäßen — „Vernunft“ der Egoisten oder einer Vernunft der Altruisten sprechen. Ich meinerseits denke es gibt auch eine Art „fair egoistische“ oder balancierte Vernunft, die ein gewisses Maß an Ego-Befriedigung zugesteht, das aber nicht überschritten, eben nicht maßlos werden sollte. Die Grenzen sind schwierig zu bestimmen und fließend, aber eine „Maßlose Unvernunft“ ist sicher keine „vernünftige Unvernunft“ mehr.
Bekanntlich ist Freiheit nicht alles tun zu dürfen, worauf man gerade Lust oder Impulse hat, denn jemand könnte in einem Wut-Impuls ja auch Lust haben, jemand anderes umzubringen oder auch weniger drastisch zu schädigen. Solche Leute sind eben keine Freiheitshelden, sondern schlicht kriminelle oder maßlose Egoisten. In der scheinheiligen Selbstdarstellung haben aber auch solche Leute nur ihre „Freiheiten“, ihre „Ehre“, Ihr „Recht“ oder sonstige akzeptable Ziele ausgelebt, und andere sind eben nur „feige oder schwächer“. Die Täter-Opfer-Umkehr ist ja bei Angeklagten und Kriminellen beliebt. Steuerhinterzieher rechtfertigen sich gern damit es gehe ja sowieso beim Staat alles in Verschwendung, Korruption, Rüstung etc. So stilisieren sich auch die größten Egoisten gern als eine Art Korruptionsbekämpfer, Friedens- oder Freiheits-Helden oder Kämpfer gegen Verschwendung oder ungerecht hohe Beamten- oder Abgeordneten- Gehälter. Andererseits ist die oft sehr nötigen „Einsicht in die Notwendigkeit“ natürlich auch vielfach missbraucht und scheinheilig gefordert oder erzwungen worden. Bei der Kunst bevorzuge ich auch gute Zwecke, aber sicher ist auch zweckfreie Kunst berechtigt oder gar ein Wert, für den man aber nicht unbedingt große Belohnung gen oder Bewunderung vom Rest der Gesellschaft verlangen kann, wie es Narzissten gern tun, die immer meinen etwas Besseres zu sein oder besseres zu verdienen als andere, die aus ihrer Sicht nur primitives oder einfaches machen.
In Grenzen und Maß hat jeder wohl das Recht auch auf Unvernunft, aber nicht darauf, dass andere dann unbeschränkt die Folgen oder Kosten davon tragen. Einerseits sind die anderen nach Selbstschädigung und Selbst-Verarmung trotzdem ethisch verpflichtet den unvernünftigen nicht verhungern oder wie nach Impfverweigerung oder mutwillig oder leichtfertig erlittenen Infektionen an noch heilbaren, wenn auch teuren Krankheiten sterben zu lassen; sie werden sich aber irgendwo irgendwann verweigern, wenn jemand dann trotzdem auf deren Kosten den gleichen Lebensstandard wie alle anderen verlangt, die sich die Zukunft hart erarbeitet oder mit Verzichten oder vom Munde abgespart haben. So ist es fraglich, für wie hohe Renten und Beamtenpensionen und Tilgung von Staatsschulden die immer kleiner werdende noch arbeitsfähige Generation mit schlechten geerbten Infrastrukturen und kaputtem Klima künftig verpflichtet sein soll, besonders wenn die begünstigten sich trotz noch vorhandener Arbeitsfähigkeit weigern, länger als bisher vor der Rente oder Pension zu arbeiten; vielleicht nimmt die Erwerbsalter-Generation sich dann auch ohnehin ein Beispiel und handelt genauso egoistisch oder unvernünftig wie Teile der jetzigen Generation, die sich auf die positive Lebensleistung anderer Teile ihrer Generation berufen um maximale Ansprüche zu stellen. Frei nach Kant haben sie dann die Maximen und das (frühere) Verhaltensvorbild dieser Älteren zu einem allgemeinen Gesetz gemacht.
Peter Selmke

Früh übt sich, wer verantwortlich und vertrauenswürdig sein will. Als Zeitvertreib bleiben ihm frohe Feste und abends Gäste. Die anderen wollen nie erwachsen werden und führen ein aufopferndes Dasein auf Kosten der Gemeinschaft. Sie begeben sich vom Hotel Mama zur nächsten Umwelt-Demo, verwandeln die Innenstadt in eine Müllkippe, feiern ab und sinken, völlig verausgabt, ob ihrer guten Werke ins Bett, wenn ihre Finanziers zur Arbeit gehen. Notfalls steht ihnen immer die Politiker-Karriere offen, im Gefühl inneren Vorbeimarschs leidenschaftlich Leiden zu schaffen. Aus solchem Holz sind die geschnitzt, die Wind säen aus purem Spaß an der Freude der Unvernunft. Die überreizen in Überheblichkeit, missionierend Werte beugen, Rücksichtlosigkeit exerzieren – und jemals weder Drangsal noch Not erfahren haben. Einige schaffen es tatsächlich zu faustischem Mühen, immer wieder mephistophelischen Ablenkungen ausgeliefert, bis das verzweifelte Gretchen ausruft: „Hanno – pardon: Heinrich, mir graut´s vor dir!“ Was die Liebesgrüße aus Moskau betrifft, die komischerweise die Mehrheit der (blockfreien) Staaten völlig anders sieht: Sie sind eine Retourkutsche auf westliche Überheblichkeit im Ausschluss- und Vereinnahmungsverfahren. Nenne mir jemand einen stichhaltigen Grund, als gehorsamst-untertänigster Bürger eines Staates meine Existenz aufs Spiel zu setzen (Es sei denn, zum Schutz der mir Anbefohlenen). Sollte dieser Grund belastbar sein, bin ich unter der Maßgabe, die Rechthaber als Kameraden unmittelbar Seit an Seit zu spüren, Front zu machen gegen falsche Freunde. Alle anderen Varianten riechen nach manipulativem Besoffen machen, um sich hernach als Vollrausch-Idiot auf russisches Roulette einzulassen.
Andreas Weng

Ein guter Artikel. Die abstrakte Freude an der Unvernunft ist ein wenig dürr. Die Freude am Leben ist glaube ich umfassender. Diese knüpft glaube ich an die lebendige Freude in der Kindheit auch an den unmittelbaren Kontakt zu Menschen.
W. Linsenhoff

Eine kleine Resonanz sendet Ihnen
Februar: O wär im Februar doch auch, Wie’s andrer Orten ist der Brauch,
Bei uns die Narrheit zünftig! Denn wer, so lang das Jahr sich mißt,
Nicht einmal herzlich närrisch ist, Wie wäre der zu andrer Frist
Wohl jemals ganz vernünftig. (Theodor Storm)
Christian Naundorf

 


 

Leserbriefe zu „Ein Grab für Uncle Nathan“ von Tanja Stelzer

Eine wunderbare einfühlsame Recherche. Ich musste an die hinterlassene Korrespondenz meines Großvaters denken, der nach dem Krieg verzweifelt nach dem Verbleib von zweien seiner drei Söhne – meine Onkel – forschte, die als vermisst galten, und deren Schicksal leider nie geklärt werden konnte. Solche Berichte sollten Heranwachsenden in den Schulen zur Pflichtlektüre gemacht werden, damit sie nach vertiefender Weiterbearbeitung wenigsten mit einigen grundlegenden Informationen über die Nazizeit aber auch über den Umgang der US-Amerikaner mit ihren heimgekehrten Helden aller Hautfarben und Religionszugehörigkeiten in ihr „selbstbestimmtes“ Leben entlassen werden. Vielleicht liegt in solch pädagogischem Vorgehen die Chance zu etwas toleranterem Diskurs über das Israel-Palästinaproblem und zur Beurteilungsfähigkeit der amerikanischen und europäischen Nahostpolitik. Die Hoffnung bleibt…
Friedrich Funk

Bei dem Artikel frage ich mich, wie groß eigentlich der räumliche Abstand zwischen Toten verschiedener Religionen sein muss, damit der gemeinsame Gott der Moslems, Juden und Christen beim Vorsortieren am Eingang in das ewige Leben nicht seine Schäfchen durcheinander bringt.
Thomas Groß

Ein sehr bewegender Artikel von Frau Stelzer, in dem sie vor allem auch aufzeigt, welch äußerst verdienstvolle und unterstützenswerte Arbeit seit Jahrzehnten namentlich der – im Nachkriegsjahr 1919 gegründete – Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. leistet. Alle „einfachen Soldaten“ jedweder Nationalität und auch Religionszugehörigkeit, die im 2. (wie 1.) Weltkrieg gefallen sind, waren Opfer eines verbrecherischen und menschenverachtenden Systems, sie zu bergen, auch aus Massengräbern umzubetten und würdig zu bestatten, ist absolute Christen- und wahre Menschenpflicht – Dank wie zugleich Hochachtung vor all denjenigen, die durch ihre großartige Arbeit und unermüdlichen Einsatz Angehörigen der Opfer des Nationalsozialismus zu einem späten Ort des Gedenkens und der Trauer um ihre Toten verhelfen!
Thomas P. Stähler

Ich verstehe und respektiere die religiösen Gefühle, die Angehörige dazu bewegen, auch nach 80 Jahren noch für eine rituell „korrekte“ Bestattung zu sorgen. Aber ich frage mich auch: Macht uns der Tod nicht alle gleich? Nicht mehr Christ oder Jude, nur noch Mensch? Hat nicht der Gedanke etwas Tröstliches, dass Gegner im Leben im Tod vereint sind? In dem Grab waren eben nicht mehr deutsche Judenhasser, nur noch leider tote Menschen.
Klaus-Dieter Beims

Fast drei riesige Seiten für eine Frau, die die körperlichen Überreste ihres Onkels (!) also einen entfernteren Verwandten ausgraben und überführen lasen will (bezahlt das etwa auch der Volksbund…). Ich will gar nicht über die Frau und ihre Beweggründe richten, das steht mir nicht zu – natürlich bleibt es ihr überlassen nach ihren Vorfahren zu forschen, das tun sehr viele Menschen (das habe ich als Historikerin auch getan – mein Vater war GI im Zweiten WK) – aber so weit zu gehen, die Überreste des Vorfahren exhumieren und überführen zu lassen geht vielleicht etwas zu weit, ist aber ihre persönliche Entscheidung. Dass sie damit auch seine „ewige Ruhe“ stört, stört sie offensichtlich nicht, wenn sie schon so ein Aufheben macht. Es handelt sich nur um die körperliche Hülle und nicht einmal mehr das. Der Mensch ist nicht mehr. Worum es mir geht, ist, liebe Frau Stelzer und vor allem liebe Chefredaktion, die ja darüber entscheidet, was haben Sie sich dabei gedacht, eine solche Geschichte auf drei (!) Seiten in der ZEIT zu veröffentlichen. Wen soll das interessieren? Meine Güte, was für eine gequirlte… wenn Frau Baskind sagt:“ … er muss sich alleine gefühlt haben, vielleicht war ihm kalt…“ – ja natürlich war es und ist es leider immer (noch und schon wieder), dass Soldaten leiden und sterben, aber ein Riesenartikel über einen einzigen Soldaten… 80 Jahre D-Day – wenn schon muss man über ALLE Soldaten schreiben.
Christina R. Hirschochs Villanueva

Die Geschichte des 1944 in der Normandie gefallenen US-Soldaten und der Anstrengungen seiner Enkelin Samantha Baskind, ihn aus dem Massengrab, wo er mit deutschen Soldaten seine letzte Ruhe gefunden hatte, mit allen erdenklichen Mitteln „rauszuholen“, fand ich sehr verstörend und ehrlich gesagt ärgerlich. Man sollte Frau Baskind, die ihr „Jüdisch-sein“ offenbar für etwas ganz Außerordentliches hält, mal den Text des Soldatenliedes von Wolfgang Biermann geben, der 1965 schrieb: „Soldat, Soldat in grauer Norm, Soldat, Soldat in Uniform, Soldat, Soldat, ihr seid so viel Soldat, Soldat, das ist kein Spiel, Soldat, Soldat, ich finde nicht, Soldat, Soldat, dein Angesicht. Soldaten sind sich alle gleich, Lebendig und als Leich.“ Zu meinen, ein jüdischer US-amerikanischer Soldat dürfe nicht im gleichen Grab wie deutsche Soldaten liegen, ist sowas von abwegig, das mir die Worte fehlen.
Björn Luley

Auf der Hauptseite zu den drei Textseiten im DIE ZEIT-Dossier Nr. 24 – wird Samantha Baskind in ihrem Haus in Cleveland/USA abgebildet: in der rechten Hand zeigt sie ein Photo ihres jüdischen Großonkels Nathan Baskind (am 1. Juni 1916 in Pittsburgh, Pennsylvania geboren – im Krieg dann 1. Lieutenant des 899. Tank Destroyer Battalion) in der Uniform der US-Armee, ebenfalls in DIE ZEIT eingefügte anteilige Fotografien von US-Truppen zu den Stränden der Normandie in einem Anlandungsboot, sowie im Waten von Soldaten durch das Meerwasser an einen der Strandabschnitte, auch ein altes Flakgeschütz der Wehrmacht, sowie Gräberkreuze vom Krieg ermordeter amerikanischer Soldaten und im Fotovordergrund der weißen Grabkreuze eine einzelne Todeskennzeichnung mit einem Judenstern… „Shalom Lamm von der Organisation „Operation Benjamin“ hat sich auch Nathan Baskinds Umbettung zu seiner Mission gemacht“ – genauer erklärt: der Organisator Lamm sieht seine Lebensaufgabe darin, jüdische Soldaten der US-Army, die während des Zweiten Weltkriegs falsch bestattet worden seien, also „christlich“, die Erkennung des Grabes mit Kreuz versehen worden sind“: nunmehr entweder umzubetten oder aber diese Erkennbarkeit eines jüdischen Toten mit einem Davidstern zu versehen. Der von deutschen Soldaten angeschossene und dann in einem deutschen Luftwaffen-Krankenhaus hinter der Front eingelieferte Nathan Baskind: verstarb dort wohl an seinen Verwundungen und wurde mit deutschen Soldaten in einem Massengrab (aufgrund der hohen Verluste und dem Vordringen der Alliierten – schnellstens mit zusammen 52 Toten dort bei Marigny in der Normandie) in die Erde verbracht – wenn man dieses gestapelte Massenverscharren nun so euphemistisch beschrieben, derart verdrängen wollte…
Tanja Stelzer beschreibt in ihrem dreiseitigen Artikel in DIE ZEIT sehr genau recherchierend, was während der Anlandung, der wohl schweren Verletzung und dem Tod des Nathan Baskind und dann nach fast 80 Jahren als Rückerinnerung zur Umbettung mit Davidstern und möglichst in allen soldatischen Ehren auch seitens des Heimatlandes, der USA: sich ereignet hat… Samantha Baskind (z.Zt. 52 Jahre irdisch anwesend) lebt intensiv mit ihrem Judentum, ist Kunsthistorikerin für jüdische Kunst, recherchiert über die Geschehnisse im „Warschauer Ghetto“ und forscht besonders über den Holocaust. Sie berichtet in DIE ZEIT: „Viele Baskinds seien in Auschwitz gestorben, sie hat ihre Namen in den langen Listen in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gefunden. Und dann habe sie auch erfahren, dass ihr Großonkel mit Deutschen in einem Grab liegt. Und sie wusste sofort, was sie wollte: dass er da rauskommt.“ Shalom Lamm hatte eines Tages Samantha Baskind spontan angerufen und ihr von dem Massengrab ihres dort begrabenen Großonkels berichtet – Lamm sieht seine Lebensaufgabe darin: möglichst viele jüdische Soldaten, die im Krieg gegen die Nazis ums Leben kamen und „religiös falsch bzw. in oder zu deutscher Totenumgebung“ in Gräbern liegen: in ihrem Glauben und mit ihrer jüdischen Würde und Identität: entweder umzubetten oder zumindest diese Stelle mit einem Davidstern zu kennzeichnen…
Man kann in der Kürze dieses RvM-Leserbriefes nicht in diese Details sich hineinschreiben – letztlich ist damit eine religiöse-rituelle-authentische Einheitlichkeit zu verstehen und zu begreifen! Shalom Lamm berichtet, dass seither (besonders auch nach der Invasion in der Normandie) von der Organisation „Operation Benjamin“: 23 jüdische US-Soldaten, auf ihren Gräbern einen Davidstern angebracht bekommen haben. Es gebe aber noch Hunderte weitere, die falsch begraben wurden… Ein Grund mit: „Viele US-Soldaten, die nach Europa übersetzten, um den Kontinent von Hitler zu befreien, hatten Angst, als Juden erkennbar zu sein. Was, wenn sie Deutschen in den Händen fielen?“ Und somit haben diese vielen jüdischen US-Soldaten auf ihre Erkennungsmarken (benannt: „dog tag“) kein „H“ (für „hebrew“) eingravieren lassen, sondern eher ein „P“ für „Protestant“, oder gar keinen Buchstaben abverlangt. Shalom Lamm war in seinem Beruf Immobilienentwickler, hat diesen für seine wahre Lebenserkenntnis aber aufgegeben, „…und sorgt nun dafür: dass zudem an unterschiedlichsten Orten in der Welt – in Luxemburg, Belgien, Frankreich, auf den Philippinen – christliche Kreuze dort, wo sie nicht hingehören, in einer feierlichen Zeremonie durch Davidsterne ersetzt werden.“ Die Nummer der Erkennungsmarke, der „dog tag“ von Nathan Baskind. lautet:-1 821 810. Ob sie auch ein „H“ für „hebrew“ enthielt, lässt sich nicht mehr klären. In den meisten Dokumenten der US-Army ist Nathans Religionszugehörigkeit vermerkt. Bekannt ist wiederum vage nur, dass der Jeep – in dem Nathan Baskind als Lieutenant fuhr – von deutschen Soldaten beschossen wurde, mehr war in der Kladde-(Akte) der US-Army nicht aufgeschrieben. Somit galt Nathan Baskind als verschollen. Samantha Baskind, die ihren Großonkel nur von Fotografien her besichtigt, weiß nun, dass „Uncle Nate“, also Nathan ziemlich klein war, 5 Feet, 5,5 Inches (166 Zentimeter) und 68 Kilogramm wog, dass er blaue Augen hatte, braune Haare und breite Füße.
Für diesen Nathan Baskind – sicherlich auch als Vision/Version des ewigen Gedenkens an so viele andere jüdische tote Soldaten: wurde ein enormer Aufwand an Fachkräften, Menschen, Material und finanziellem Einsatz aufgeboten. „An einem Dezembermorgen kurz vor Weihnachten 2023 treffen sich auf dem Friedhof von Marigny insgesamt 18 Männer und Frauen: Umbetter, Gärtner, und Freiwillige des Volksbunds, Anthropologen des französischen Kriegsgräberdienstes sowie Shalom Lamm. Aus den USA sind unter anderem ein Anthropologe und ein forensischer Zahnspezialist angereist. Das Team hat einen Bagger dabei, Schaufeln, Zahnarztbesteck. Eine Andacht am Grab. Am Rand sind zwei Schwarz-Weiß-Fotos aufgestellt. „Zum Gedenken Karl Aschauer“, „In Memoriam Nathan B. Baskind. Ein Holzkreuz steckt in der Erde, ein Davidstern. Der Leiter des Volksbund-Teams und Shalom Lamm bitten die Toten um Verzeihung für die Störung der Ruhe. Das alles wird per Video und in einem Grabungsbericht festgelegt.“ Sehr wenig „Material“ an Restsubstanz an Knochen wurde gefunden, 52 fast restlos verweste Menschen in der französischen Erde – da und dort noch Zähne im Boden, 13 Knochenreste: die zur Verwertung für das DNA-Labor zur Verfügung gestellt werden mussten, um evtl. Ergebnisse verifizierbar machen zu können zur gesuchten Person…
Das freudige Ergebnis kam dann vier Monate später aus dem amerikanischen Labor: Zwei Knochenproben zu den daraus destillierten DNA-Liquids konnten dem Toten eindeutig zugeordnet werden. Die Überreste werden nach Niesetal zur Büro-Organisation des „Volksbunds für Kriegsgräberfürsorge“ transportiert und später nach Frankreich, damit die Überreste dort bestattet werden können. Vom Volksbund werden immer noch jedes Jahr etwa 10.000 deutsche Kriegs-Tote möglichst identifiziert, umgebettet bzw. in große deutsche Soldatenfriedhöfe der jeweiligen Länder (in denen die Wehrmacht einst Krieg führte) eingebettet… Kriege hören nie mit den Toten auf – sind ewige Erinnerungen an den Wahnsinn jener Zeiten: in denen Menschen in den Tod befohlen wurden, bei Verweigerungen oft das Erschießen die brutale Regel war. Und heute in der Bundesrepublik die sogenannten Deserteure scheinbar auch in der inneren Übereinstimmung, hoffentlich rehabilitiert sind… Doch wie würde die Bundeswehr in Kriegsfalle diese Desertionen handhaben? Zwischenzeitlich und zuvor hatten auch die politischen (höheren-hohen) Kanäle zwischen Deutschland, den USA und Frankreich und Israel: ihre Bewirkungen aufgezeigt… – und nunmehr begab sich Samantha Baskind auf die Reise nach Frankreich zur „richtigen“ Bestattung ihres Großonkels Nathan Baskind. Am Tag vor dem Abflug: – „…war eine Kapitänin der US Army bei ihr und hat ihr Replikate aller Medaillen übergeben, mit denen Nathan Baskind damals ausgezeichnet wurde. In das Purple Heart, das Verwundetenabzeichen, ist sein Name eingraviert.“ – „Das Datum zur Übersicht – der 8. Mai: Am Rand von Gräberblock C führt der Superintendent des Friedhofs seinen Gast Shalom Lamm zu einer neongrünen Markierung auf dem Rasen. Hier wird Nathan Baskinds Grab ausgehoben werden. Der Superintendent erklärt den Ablauf der Zeremonie, die nun doch nicht am Jahrestag der Invasion, sondern später im Juni stattfinden soll: das Spalier der Soldaten, der Sarg, der mit einer amerikanischen Flagge bedeckt sein wird. Die Flagge, die von den Soldaten gefaltet und Samantha Baskind überreicht werden wird. Die 21 Salutschüsse. Dann wird der Sarg in die Erde gelassen.“
Auf der Titelseite im „ZEIT-Dossier“ ist der Österreicher Karl Aschauer abgebildet (der in Cherbourg im Krieg zu Tode kam – und in den letzten Tagen des Kampfes um die Stadt: dann mit 50 toten Soldaten im Massengrab auch mit Nathan Baskin beerdigt wurde…) – Peter Aschauer, der Sohn von Karl Aschauer ist jetzt 85 Jahre alt. An seinen Vater kann er sich kaum erinnern. Ein Bild hat er im Kopf, nicht vom Vater selbst, sondern von der Uniformmütze, die er abgenommen hatte und die am Fenster lag. Der letzte Heimatbesuch. Das Söhnchen Peter war damals vier Jahre jung. In einem Ordner hat Peter Aschauer das Soldbuch seines Vaters aufgehoben. Das eingeheftete Passfoto zeigt einen Mann mit zerfurchter Stirn und skeptischem Blick. In der Sterbeurkunde ist als Todesort das „Festungslazarett Cherbourg“ vermerkt. (In diesem Zusammenhang war daraufhin zu schließen, dass Nathan Baskind ebenfalls im Lazarett Cherbourg mit seinen Verwundungen eingeliefert worden war und dort dann verstarb – da Karl Aschauer und Nathan Baskind beide in das Grab mit weiteren 50 toten Soldaten dorthinein verbracht wurden…) – so die mögliche Vorstellung zu dieser versuchten Recherche als denkbare Wirklichkeit… Und man muss sich das nur mal vorstellen, dass deutschen toten Soldaten: die Uniformen und Stiefel ausgezogen wurden, bevor sie ins Grab oder Massengrab kamen – da die neu eingezogenen Soldaten der Wehrmacht wiederum Uniformen und Stiefel benötigten, die Fabrikationen und Fertigungen aber durch die vielen Gefallenen (an manchen Tagen und Nächten verreckten im Krieg gegen die Sowjetunion: über 10.000 deutsche Soldaten-Menschen) nicht neu die Kontingente nachbeliefern konnten…
Auch einen Brief gibt es, vom Vater Karl an das „Peterle“: Der Vater ermahnt den Sohn, artig zu sein. „Eigentlich hätte Karl Aschauer gar nicht in den Krieg gemusst. Er war im Jahr 1900 geboren und hatte schon im Ersten Weltkrieg gekämpft. Aber ein junger Kollege beim Finanzamt war gerade Vater geworden, für den sei er eingesprungen. Werde ja sicher nicht mehr lange gehen, der Krieg.“ Nathan Baskind aber hatte für sein Judentum gekämpft, gegen den Diktator und Menschenfeind Adolf Hitler und gegen dessen Wehrmacht: um sich wohl auch zu rächen im Namen seiner/der jüdischen Verfolgten und Ermordeten… In den USA (der Politiker und Wissenden) war längst bekannt geworden, welche furchtbaren Vernichtungen in Auschwitz und den anderen Konzentrationslagern durch die Nazis dort sich bestialisierten… Man wollte es aber nicht wahrhaben, konnte diese Bestialitäten nicht wirklich sich vorstellen – und das Grauen erst dann real wahrnehmen: als die Konzentrationslager befreit wurden… Jetztzeit: Leider – teilten die Deutschen den Amerikanern mit, seien die Überreste der Toten aus dem Massengrab in Cherbourg miteinander vermengt. Es sei nicht gelungen, sie voneinander zu trennen. Deshalb habe man sie alle gemeinsam in Marigny bestattet. Nochmals zur Rückschau: Mitarbeiter des Volksbundes haben beim Ausheben eines Grabes in Cherbourg, in dem mehrere identifizierte und nicht identifizierte Tote liegen, eine amerikanische Erkennungsmarke gefunden. Die Nummer: O – 1 821 810. Auch Reste einer amerikanischen Uniform mit dem Rangabzeichen eines Lieutenants haben sie ausgegraben, dazu einen Aufnäher der Tank Destroyer. Bekannt ist, dass zur Anlandung der Amerikaner an einem Strandabschnitt in der Normandie am 6. Juni 1944: ein deutscher 20-jähriger MG-42-Schütze als Gefreiter (Heinrich Severloh) persönlich über 1.000 Soldaten (aus dem Meerwasser an den Strand watend) erschossen hat…
Solche tragischen Lebensgeschichten enden nicht mit der Ermordung durch den Krieg im Krieg an welchen Fronten auch immer – und es sind Menschen aus allen Lebensbereichen: die da und dort sich gegenseitig erschießen und abschlachten, niedermetzeln, zerbomben und vernichten. Warum aber lassen sich diese Massen an Männern, jeder Einzelne ein Mensch mit Verstand und Vernunft und Individualität: egal von welcher Machtinstitution dahingehend befohlen: dass sie bereit sind, andere Menschen zu ermorden mit welchen Waffen auch immer… Warum verweigern nicht alle Soldaten und Soldatinnen dieser Menschenwelt den Aufruf bzw. den Befehl: somit in den Krieg kommandiert zu werden… Wir kennen doch den Spruch: „Es ist Krieg – und keiner geht hin!“ Doch unterschiedliche Kulturen, Nationen, Länder, Religionen, Mentalitäten: werden bei den Menschen dazu manipuliert – sich für den Krieg einfangen zu lassen! Der RvM-Leserbriefschreiber war Wehrdienstverweigerer, dies wurde ihm aber nicht anerkannt: weil er auf die Frage: Wenn seine Familie, Vater, Mutter, Geschwister angegriffen würden, er sie dann etwa nicht verteidigen wollte… Und der 18jährige RvM sofort daraufhin mit: „Selbstverständlich: verteidige ich meine Familie!“ – zur Bundeswehr eingezogen worden ist. Daraufhin hat er in der Grundausbildung so lange sich wie der „Eulenspiegel“ verhalten, so dass ihn die Bundeswehr unehrenhaft nach 14 Tagen entlassen hat. Der Kommandeur Prinz von Waldeck zu Pyrmont aber sagte mir leise bei der Abmeldung: „Bleiben Sie der Rebell, der sie sind! Ich würde von meiner Grundeinstellung her gerne mit ihnen tauschen! Leider aber muss für den Frieden berücksichtigt werden: Si vis pacem para bellum!“ Späterhin habe ich verstanden, was der Kommandeur damit meinte – vor allem heute: wo eine Großmacht sich einen anderen Staat vereinnahmen will und dadurch diesen Krieg begann. Es ist wahr, wir müssen für den Frieden gerüstet sein! – um Aggressoren vorzuwarnen bzw. ihnen ihre Grenzen aufzuzeigen… Und der RvM muss auch Korea, Vietnam und zudem andere Stellvertreterkriege im Namen der Ideologien: hierbei aus den eigenen lebzeitlichen Vergangenheiten, mitbenennen!
Apropos: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde der Leichnam des Atheisten Friedrich Schiller am 12. Mai 1805 in eine Massengrabgruft in einer Kiste auf dem Jakobsfriedhof in Weimar an Seilen zwischen die Verwesten und Verwesenden hinabversenkt – und späterhin im März 1826 hat sein Intimus, der „Leichenfledderer(?)“, Freund und Atheist Goethe: den vermeintlichen Schillerschen Schädel dorther zwischen all den Vergammelten und Vermoderten heraussortieren lassen, um ihn unter einer Glasglocke in seinem Schreibzimmer immer vor Augen zu haben… Memento mori!? Oder doch nur eine Vermessenheit Goethes, der auch im Tode noch seine Macht über den Konkurrenten sich vergegenwärtigen wollte…? Sigmund Freud analysierte Goethe: „Keiner der Dichter und Schriftsteller hatte eine solche Angst vor dem Tode als Goethe… Er ging zu keinem Begräbnis, nicht zu dem seiner Frau, nicht zu Schillers letztem Gang, nicht zu des Herzogs Fortgang… Und Goethe soll gesagt haben: „Ich lasse mich zu meiner eigenen Beerdigung nicht sehen!“ Auch die letzten Worte Goethes waren nicht: „Mehr Licht“ – sondern, er rief zu seinem Diener hin: „Gebe er mir den Pot de Chambre“ (den Nachttopf!).
Axel Manfred Rvmpf

 


 

Leserbriefe zu „Rechts spielt jetzt die Musik“ von Jens Jessen

Eine bedauernswerte Jugend verschafft sich Gehör. Die jungen Leute von heute sind polyglott, sie bereisen die Welt und sind wohl kaum rassistisch. Aber eine völlig verfehlte Politik, die unkontrollierte Zuwanderung in das Sozialsystem unter dem Deckmantel Asyl durch Missachtung geltender Gesetze einfach geschehen lässt, stiehlt den ihnen ihre Zukunft. Diese Generation wird die Kosten für eine rasant steigende Zahl von zumeist illegalen und leider auch zu oft gewalttätigen Migranten stemmen müssen. Sie wird zudem rein rechnerisch in wenigen Jahrzehnten in der Minderheit sein. „Deutschland den Deutschen“ zu rufen oder „Alles für Deutschland“ zu fordern ist im „besten Deutschland, das wir je hatten“ bedauerlicherweise ebenso naiv wie strafbar. Plakate mit der Aufschrift „Das Kalifat ist die Lösung“ bleiben zwar juristisch ohne Folgen, aber gesellschaftlich werden die Auswirkungen einer rein ideologisch geprägten Politik das Land bis zur Unkenntlichkeit verändern. Die Jugend hat leider für ihren Unmut kein anderes Ventil, als ich diese düsteren Aussichten schön zu saufen…
Eva Maria Griese

Die Dummheit dieser Goldlöffelkinder lässt sich nicht verbieten. Wenn wir nicht Einhalt gebieten, werden sich diese „Eliten “ wie ihre altvorderen im Bücherverbrennen üben.
Gerhart Herzig

Es sind die sozialen Medien, Stupid. Offenbar wächst über TikTok eine rechtsextrem geprägte Jugendkultur als Popkultur heran. Jens Jessen schlägt zu Recht Alarm. Eine rechtsextreme Popkultur kann die notwendige Regeneration und Weiterentwicklung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft gefährden. Wo die junge Generation stets eine eigene Identität entwickeln möchte und sich gegen die Integration in die bestehende Gesellschaft sträubt, macht die AfD über TikTok „Angebote“ für deren Protestimpulse und lenkt diese auf die eigenen Mühlen. Eine popkulturelle Strömung in der Gesellschaft bietet den alten Nazis und den jüngeren Faschisten die Möglichkeit, aus der rechten Nische herauszutreten, Teil der Strömung zu sein und so auch Anschluss an die Gesellschaft zu finden. Das Problem: Eine demokratiefeindliche Partei kann ggf. ausgegrenzt werden, die Jugend nicht. Nachahmung der AfD-TikTok-Taktik hilft da genauso wenig wie Entrüstung. Was hilft? Aufklärung (z.B. Medienkompetenz). Hinschauen (veröffentlichen, aber nicht, um an den Pranger zu stellen). Benennen (rechtsextrem, auch was so infantil daherkommt). Und ahnden, was strafrechtlich relevant ist.
Reinhard Koine

Die immer häufiger werdenden Vorfälle, mit Nazi-Parolen skandierenden Menschen in Deutschland machen mich beschämt, traurig und wütend. Es ist mir fast unmöglich, passende Worte dafür zu finden. Goethe und Kästner mögen mir meine Anleihen in dem von mir geschriebenen Text verzeihen.
Kennst Du das Land
Kennst Du das Land, wo sie Parolen grölen
Du kennst es nicht?, Du wirst es kennenlernen
Dort werden Menschen, die vor Kriegen flüchten,
gehetzt, gehasst, bespuckt, verhöhnt,
von Menschen, die im Frieden leben,
die reich sind, aber arm an Hirn
Kennst Du das Land, wo Du durch Zufall lebst,
dieselbe Sprache sprichst, dazugehörst ?
Es ist kein Land der Dichter, der Denker sowieso nicht.
Es ist das Land, wo der als Held gilt,
der mit dem größten Maul spricht
Es ist kein Land, in dem Zitronen blühen
Doch bald, so fürchte ich, Kanonen glühen
Brigitte Barner

Ich glaube Sie irren sich. Es sind nicht die medienplattformen Tiktok & Co, welche den erkennbaren Rechtsruck deutlich machen – oder gar verstärken, sondern es ist schlicht und ergreifend die Ohnmacht und die Provokation als protestform. Das galt schon mit dem DAF‘ hit‚ Mussolini’. Ursächlich ist schlechte, weltfremde Politik auf vielen Gebieten und nicht das Medium.
P. Roetzel

Ich habe diesen angeblichen Partyhit „L´amour toujours“ von Gigi d´Agostino bis dato noch nicht selbst gehört! Vielleicht kommt das auch daher, dass ich keine Partygängerin bin. Das mit dieser sogenannten Party im Pony-Club auf Sylt, das kenne ich nur aus den Medien! In Mannheim, da gab es jetzt auf offener Straße einen Angriff mit Messer, bei dem einige Menschen lebensgefährlich verletzt worden sind. Das ist für mich pure Gewalt extra pur, das empfinde ich als abstoßend, ekelerregend und sehr, sehr traurig.
Riggi Schwarz

Wenn die Majorität eines Volkes von der regierenden Politik (der jetzigen „Ampel-Regierung“) absolut überfordert wird, sich diese anteilige Politik gegen das eigene Volk richtet – und überall in Deutschland zu besichtigen ist: wie verfremdet sich diese derzeitige Bundesrepublik für uns Deutsche vorzeigt, dann wird es auch zu verbalen Ausbrüchen kommen, vor allem aber wenn viel Alkohol getrunken wurde und dementsprechend Jugendliche und junge Leute nach einem Song von Gigi d`Agostino „L´amour toujours“ sich diese Melodie herausschnappten und spontan (weil wohl Einzelne dies textlich anstimmten): „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen, nein: gegrölt haben… Jens Jessen zu seiner Textüberschrift des Artikels „Rechts spielt jetzt die Musik“, schreibt im Untertitel sehr hinzudeutend: „Was ist wirklich schlimm am Sylter Gegröle?“ – und relativiert das selbige übertriebene erschröckliche „Unfassbare“ (auch für sich?) hinein in die Öffentlichkeit von zu sehr dramatisierenden hohen Damen und Herren der Politik, gleichbedeutend übertragbar fast: als ob Deutschland nun endgültig ins tiefste Rechtsabseits abgedriftet sei… In dem Text von Jens Jessen wird wohl auch entwarnender mitverdeutlicht, wie solch ein besoffenes Party-Gegröle besonders im glitzerreichlichen Kampen-Portrait auf Sylt sich („im Mechanismus des Zeitgeistes“) omnipräsent in den Medien widerspiegelt – zudem vor dem elitären Pony-Club (Roten Kliff) in turbokapitalistischer Champagner-Laune der jugendlichen Nachkommenschaft… Dann sogar vom Bundeskanzler, vom Bundespräsidenten, von weiteren hoheitlichen Politikern bis in die Fernsehsender hinein: diese eitle-sufflaunische Gruppengrölerei extrem hochgespielt wird, summa summarum nun hierbei exemplarisch dieses Deutschland durch und durch rassistisch und fremdenfeindlich in der überhitzten Beschau stand… Und doch war es eigentlich nur eine Jugendpöbelei – wenngleich im Hintergrund auch diese Wirklichkeit zu den Verfremdungen und Entfremdungen in Deutschland nicht wegzudiskutieren sind! Man muss das beim Namen nennen!
Aber hat das politische Deutschland nicht über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass dieses Land friedlich, ja devot sich wegduckt und überall dort den Bevölkerungen der Länder geholfen hat wo Kriege wüten; sind nicht für über 1,4 Millionen Menschen aus der Ukraine hier in Deutschland die Grenzen zu ihrem Schutz als Flüchtlinge geöffnet worden und werden diese UkrainerInnen in jeder Weise hier in Deutschland versorgt und finanziell unterstützt. Warum wird darüber nicht wahrnehmbar positiv berichtet – warum hebt dies nicht der Bundeskanzler, der Bundespräsident bundesweit hervor und bedankt sich bei der deutschen Bevölkerung für ihre insgesamte Unterstützung zu diesen Millionen Migranten in unserem Land… Letztlich werden von den Steuergeldern der BürgerInnen und Bürger all diese vielen Milliarden an Kosten fast geräuschlos finanziert – sind die umstrittenen Waffenlieferungen an die Ukraine ebenfalls mit Steuergeldern bezahlt und bewirken leider mit: dass viele Menschenleben dadurch auf beiden Seiten durch diesen Krieg (mit deutschen Waffen) ermordet werden… Hat doch die deutsche Politik vielen hunderttausenden arabischen Flüchtlingen aus dem Irak, aus den Krisengebieten: in Deutschland Zuflucht gewährt – wiederum ebenfalls nicht die deutsche Bevölkerung weder befragt noch sie über diese unterschiedlichsten Ausmaße (für die Zukunft der Anwesenheit) informiert… Man hat das deutsche Volk jeweils ad hoc mit diesen Problemen und Situationen konfrontiert – gleichwohl wissend, dass mit den Konsequenz einer unmöglichen Integration zu den zwangsläufigen Folgeerscheinungen, nurmehr dies bedeuten konnte und musste: Seht zu wie ihr damit klarkommt… Gebührt da nicht der deutschen Bevölkerung gegenüber eine umfassende Dankbarkeit besonders seitens der zu Gast hier lebenden Migranten – eben auch: obwohl die Politik das deutsche Volk nicht dieserhalb befragt hat, sondern diese vielen fremden Menschen hierhergekommen wurden und letztlich die Deutschen ihren jeweiligen Umgebungen selber mit diesen Verfremdungen sich zurechtfinden soll(t)en – immer mehr an Migrationsüberforderungen und unvorstellbarer Integrationseinforderungen dem deutschen Volk abverlangt werden… Was eigentlich sollen die Deutschen noch alles tun, um ein noch netteres Völkchen sein zu müssen, sich nicht nun allmählich ausgebeutet zu fühlen, benutzt zu empfinden von diesen (ungewollten) Vereinnahmungen… Auch das muss beim Namen genannt werden – denn, welches Land würde Millionen deutscher Flüchtlinge aufnehmen wollen, die mit einer geradezu erkennbaren Selbstverständlichkeit: von dem jeweiligen Land alle Versorgungen einforderten, ausgestattet mit Bürgergeld, freier Krankenversorgung, kostenloser Wohnung, Einrichtungsgegenständen und zudem das entsprechende Kindergeld… Nein: der Staat bzw. die PolitikerInnen zahlen nicht diese Milliardengelder aus eigener Tasche – dass deutsche Volk, die deutschen SteuerzahlerInnen werden hier zur Kasse gebeten, wird dies eingefordert!
Aber bleiben wir im Brennpunkt dieser insularen Erregbarkeit! Jens Jessen beschreibt aus dieser „Sylter Entgleisung“ zur alkoholisierten Partystimmung dies sehr nachdenklich-bedenklich abtastend wie folgt: „Aber die öffentliche Entrüstung über die geschmacklose Szene, zuletzt sogar vom Bundeskanzler und Bundespräsident vorgetragen, schlägt einen Alarm, als wäre die Partyentgleisung schlimmer als die ausländerfeindliche Hetzjagd in Chemnitz. Symbolische Handlungen genauso scharf oder schärfer zu verurteilen als Gewalttaten, ist immer fatal. Hier verrät es darüber hinaus eine geradezu kuriose Weltfremdheit. Zu dem Partyhit „L´amour toujours“ von Gigi d`Agostino die zitierte Parole zu grölen, ist ein Trend, der auf TikTok seit Monaten umläuft und bereits mehrmals auf die reale Welt übergegriffen hat, bei Festen in der niedersächsischen und bayerischen Provinz, zuletzt ebenfalls in dem Sylter Club Rotes Kliff.“ Gleichwohl verkennt Jens Jessen dieses „Sylter Kampen-Gegröle“ der jungen Leute dort in deren abzählbaren Anwesenheit, -wenn er dies als eine Art von „Nazidroge“ definiert und gleichzeitig in der Überdehnung dessen mit feststellt: „Der Schaden für die Gesellschaft besteht gar nicht in dem kalkulierten, aber unsicheren Sekundäreffekt – der Wiederfreisetzung der Nazidroge. Der Schaden liegt schon in der primären popkulturellen Anverwandlung des Inhumanen.“ Greift hier nicht die überdehnbare Warnung als Vorwarnung „zur Nazidroge“ (?) zu sehr gegen eine deutsche Jugend gerichtet – die doch in den letzten Jahren durch die Corona-Verordnungen: quasi irgendwie“ staatstreu“ das jugendliche (aber kaum aufrührerische) Maul gehalten hat, und all die dadurch verursachten Ausgrenzungen und Gefangenheiten über sich ohne Rebellion ergehen ließ… Wo noch gibt es denn solch eine in Disziplin gehaltene Jugend ohne dass sie rebellisch geworden wäre – hat sich die Politik dieser BRD darüber mal Gedanken gemacht ob dieses aufgezwungenen Jugend-Kotaus und dieser (eigentlich unfassbaren) Subordination der jungen Menschen in Deutschland? Auflehnungen: null! Krawalle: null! Öffentliche Aggressionen: null! Aufstände: null! Rebellion: null! Revolution: null! Um nochmals schnell diese Situation in Kampen auf Sylt zu reflektieren… Jens Jessen beschreibt zu diesem verbal unflätigen Auftritt dort sehr genau empfindend: „Es handelt sich um Angeber aus einem Milieu, in dem hohes Einkommen mit schlechter Erziehung einhergeht, nicht untypisch auf Sylt.“ Hinzu kommt aber eine Verdeutlichung: Diese Jugendlichen dort sind das Abziehbild ihrer Eltern, sind so erzogen worden in der Überheblichkeit einer kapitalistischen geldreichen Elite – deren Eltern und nun ebenso deren Jugendlichen, vermeinen: sich alles herauserlauben zu können: Geld regiert die Welt – und man kann sich ja damit alles kaufen, vor allem die Menschen! Was sonst hat denn dieses System an Idealen, Sinnfindungen und Ethischem zu bieten…
„Alles kann Pop werden“ (meint Jens Jessen in seiner Kolumne) – doch schauen wir mal nach Italien: da können sie den Mussolini-Kult in verschiedenster Form feststellen, da wird bei vielen Jugendlichen „Viva il Duce“ gegrölt und nicht nur im Suff. Mitten in Rom vor dem Olympia-Stadion beginnt dieser steinerne Mussolini-Triumph – Obelisken mit der Aufschrift „MUSSOLINI DUX. Das Erbe des italienischen Faschismus ist allerorten besichtigbar, und die Menschen gehen damit zumeist eher auch „geschichtlich“ locker um: haben nicht ihren früheren Faschismus und alles erkennbar Mussolinische im grotesken Ernst verinnerlicht – nicht wie hierzu die gesetzliche Strenge dort in Germania zum nationalsozialistischen Gestrigen: optisch diese Vergangenheit radikal entsorgt, und sich die Deutschen damit oder dadurch auch gleichzeitig von der deutschen Schuldfrage mit entledigen wollen. Nein: so funktioniert das nicht in Italien im Blick zurück – nurmehr in Deutschland mit der neurotischen Perfektion des hypnotischen Pragmatismus gegen die Aufarbeitung ihrer kollektiven Mittäterschaft. Und wie nannten es Margarete und Alexander Mitscherlich dazu psychoanalytisch überdeutlich in diesem Zusammenhang zur vorhandenen Oberflächlichkeit über diese Deutschen und zu deren kollektivem Verhalten: „Die Unfähigkeit zu trauern!“
Man kann die Menschen zwar manipulieren, ihnen ihre zeitanteilige Verirrung erklären, sie aber nicht bis in die verbotene Unvergänglichkeit hinein: hirnentleert und mundtot machen… In Italien funktioniert das nicht – und in Deutschland hat das einen politischen Fanatismus als Pseudogegenwehr seitens der Politik angenommen, dass sogar in Antiquitätengeschäften und auf Flohmärkten „historische Gegenstände“ aus jener Zeit (gekennzeichnet durch das Naziemblem) jeweils „oberflächlich“ überklebt werden müssen… Kein neugeborener Sohn wird mehr Adolf benannt, jedes irgendwo hinzeigende Armausstrecken wird sofort als ein Hitlergruß gedeutet – dem RvM-Leserbriefschreiber ist dies auf der Frankfurter Buchmesse so geschehen: als plötzlich mehrere Polizisten ihn umzingelt haben, er mit auf die dortige Polizeiwache musste und dann doch festgestellt wurde durch die Video-Aufnahme: dass dies ein Hinzeigen für seine Begleitung zu einem Verlagsstand war… Die Staatsanwaltschaft hat dann sehr bürokratisch schriftlich noch zudem die Einstellung dieserhalb bestätigt – Entschuldigungen aber gab es nicht: obwohl zwischen den Messebesuchern der RvM per Abführung mittendurch die dortige Menge in der Literaturhalle polizeilich eingekreist und herausgeholt wurde… Zuvor aber muss wohl der RvM noch längere Zeit unter Beobachtung gestanden haben – bis dann „endlich“ aufgrund dieser scheinbaren Tat dann zum polizeilichen Vollzug eingeschritten wurde…
In Mannheim wird die kürzliche Messerattacke, das Messerattentat auf mehrere Menschen, die lebensgefährliche Verletzung eines Polizisten – erst einmal verhalten kommentiert, scheint dieser fanatische Islamist (?) vorerst genauer nach seinen Motiven befragt zu werden… Und wiederum kann es passieren, dass hierbei eine Unzurechnungsfähigkeit attestiert wird… Nein – diese Attentäter sind nicht geisteskrank im Sinne eines defekten Hirnzustandes, sondern mental religiös in jenen Zustand manipuliert, zu dem sie dann morden, andere Menschen und sich selbst dabei zerbomben… Das ist ein konkretes Prinzip eines antrainierten Selbstmord-Attentäters des fundamentalistischen, radikalen Islamismus – denn, die Welt kann nicht per militärischer Macht islamisiert werden, sondern soll durch Migration und Einwanderung in die sogenannten christlichen Länder: allmählich dann islamistisch übernommen werden. So dies eine Definition des religiösen Zukunftsbildes einer gesamtislamischen Welt. Der deutsche Staat aber beschützt nicht die deutschen Menschen – ganz im Gegenteil wird es so verlautbart, als ob wir Deutschen nunmehr in Deutschland uns immer mehr als Antisemiten darstellen: dabei sind es die jüdischen Gegnerschaften vieler hinzugekommener Islamisten bzw. von arabischen Muslimen: die sich mit den Palästinensern, ihren arabischen „Brüdern und Schwersten“ gegen Israel und den Zionismus oder überhaupt gegen die Juden, solidarisieren…
Das alles wird auf deutschen Boden so gefährlich verursacht – und in der Verkennung der Tatsachen allzu oft dies den Deutschen in schlimmste Anrechnung gestellt! Dennoch kann es nicht heißen: dass die Deutschen die israelische Politik grundsätzlich gutzuheißen haben – auch wenn die regierungsdeutschen PolitikerInnen im vorauseilenden Gehorsam einer alten Schuld: Israels jeweilige Gegenwarts-Sicherheit zu einer deutschen Staatsräson in die Welt hinaus verkündet wird… Bedeutet dies bei einem Krieg gegen Israel: dass dann deutsches Militär den Staat Israel mitverteidigen würde? Hier muss endlich eine genaue Definition dem deutschen Volk in dieser Causa „Israel plus deutscher Staaträson“ verdeutlicht werden!
Aber kommen wir zurück auf das junge Leute Gegröle dieser Sylter Begebenheit vor dem Pony-Club/Rotes Kliff in Kampen… Wer dieses Kampen kennt, weiß: wie ausgelassen alkoholisiert dort teurer Urlaub nach Lust und Laune zelebriert wird… Hallo – was kostet die Welt! Und dabei gibt es nicht nur die kapitalistischen Hochglanz-Auswirkungen, wenn man dort in einem Container tausende (?) von geleerten Champagner-Flaschen protzig „dokumentiert“ ausgesoffen, ansieht… Jawoll: dieses kapitalistische System ist absolut ungleichgültig ungerecht, werden Töchter und Söhne reicher Eltern genau diesen Lebensstil mit bereichern und Abziehbilder ihrer Eltern, deren Umgebung und des Systems sein… Und dann kommt es eben auch aus relativer Gelangweiltheit und anschwellendem Übermut zu diesem Sylt-Kampen-Gegröle, genau in dieser Video-Besichtigung ebenfalls überheblich erkennbar… Daraus aber einen Staatsakt zu machen, sich als Bundeskanzler und Bundespräsident derart in der bundesweiten Öffentlichkeit aufzuplustern und fast schon den Staat im Wanken zu sehen – gleicht doch eher einem Theaterdonner und hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit einer tragischen Warnung vor dem Abstürzen in den Pseudofaschismus zu tun. Wir sollten uns das abschminken – und endlich aber die wirklichen Bestürzungen in der deutschen Bevölkerung politisch wahrnehmen: das entfremdete deutsche Volk in seiner Überforderung!
Jens Jessen erwähnt bewusst nur intellektuell peripher observierend, dass Rechts die Musik spielen könnte bzw. lt. Artikelüberschrift: „Recht spiel jetzt die Musik“ – dennoch: in den Netzen der Unterhaltungen, ob in TikTok – dann angebliche Partei-Strategen darauf hoffen, ihre zu Pop verwandelten Ideen nach einer gewissen Zeit der Gewöhnung wieder zurück in harte Politik übersetzen können… Das bezweifelt der RvM-Leserbriefschreiber doch sehr – denn: keine insgesamte Jugendkultur-Agitation wird heute noch mit der alten Masche zu den Nazi-Vergangenheiten jugendliche Mehrheiten einfangen können… Das sind Minderheiten, denen letztlich erkennbar sein sollte – bei all den verblödeten Massenaufmärschen damals, dass der heutige individuelle Mensch niemals sich in solche massenhaften Verdummungen mit hineinzerren lassen würde… außerdem trugen auf dem NS-Parteitagsgelände in Nürnberg: die stundenlang strammstehenden Männer jeweils Windeln, damit sie nicht aus der Reihe tanzten, um aufs Klo zu gehen, wenn sie scheißen oder pissen mussten… Das ist auch eine der Wirklichkeiten, in Reih und Glied zu stehen zwischen hunderttausend Männern und wie verblödet vor sich hinstarren zu müssen mit einem Spaten in der Hand und zu warten und zu erwarten bis dieser Führer Adolf Hitler dann seine monotonen, ewig gleichen Parolen aus dem Bärtchenmund unter der fleischigen Nase, hervorbellt… Und dann noch ein total zerstörtes Deutschland zu hinterlassen, 60 Millionen Tote, Millionen an vom Krieg ermordeten Soldaten-Menschen auf allen Seiten der Fronten, Flucht, Vertreibung, ein Drittel Deutschland als Verlust zudem… Ja, haben diese (jungen) Menschen nicht kapiert: dass solch ein Nazi-Wahnsinn immer nur in den Untergang führen wird… Doch auch der Kapitalismus lässt die jungen Menschen (zudem zumeist ohne Aussicht auf geldreiche Teilhabe) massenhaft durchhängen, werden sie als Masse ausgesondert, sind letztlich nichts als manipulierte Funktionierende ohne Sinn und Besinnung, auch für die Zukunft. LEIDER! Somit hat auch dieses System keine wirkliche Nähe zu den Menschen, werden sie benutzt und ausgebeutet von dieser kapitalistischen Oligarchie und der Nomenklatura… Die Politik zumeist redet das alles schön, tarnt sich in ihrem Elfenbeinturm, verschanzt sich hinter der Bannmeile, lebt abseits vom Volk in einem selbstverfänglichen Eigennutz bis hin zur pseudodemokratischen Ausnutzung des Volkes… Auch das muss beim Namen genannt werden!
Jens Jessen hätte das in seinem leider zu knappen Artikel mit beschreiben sollen, und sich nicht auf das kulturale Vernetzungswarnsignal beschränken sollen, wenn er da noch zum Abschluss beschreibt: „Alles kann Pop werden, das ist die politisch weithin unterschätzte Gefahr. Pop ist weltanschaulich neutral und besteht nur in der Kunst, beliebige Inhalte populär zu machen. Ein Mittel dazu ist die Provokation, vorzugsweise der Autoritäten. Diese Kunst haben schon die faschistischen Bewegungen des vorigen Jahrhunderts beherrscht. Darum ist es so hilflos und töricht, die jungen Leute, die sich heute verführen lassen, über ein pädagogisches Maß hinaus dafür zu tadeln. Post ist Massenverführungskunst, und das Einzige, was sie braucht, ist ein Massenmedium. An den Medien muss der Kampf gegen den Rechtsextremismus ansetzen, und diese Medien sind die sozialen Plattformen im Internet.“ Werter Jens Jessen – mit keinem einzigen Wort haben Sie die manipulierenden Religionen der verschiedenen Konfessionen mit ins verführungskunstvolle Spiel gebracht! Von dorther kommen gefährlichst die Gefahren auch besonders für die Jugend aller religiöser Ausrichtungen seitens der „großen“ Weltreligionen… Wie nannte dies Sigmund Freud: „Religion ist eine universelle Zwangsneurose. Religion ist die Geisteskrankheit der Menschheit!“ Ach ja doch – Jens Jessen hat das Schlusswort: „Vor allem ist nicht gesagt, ob die jungen Leute auf Sylt und anderswo überhaupt ahnen, dass sie als Trägermaterial dienen, oder ob bei ihnen das Gift jemals den Kopf erreicht. Dummheit und Unbildung können eine wirksame Blut-Hirn-Schranke bilden…“ Das trifft wahrhaft dem Nagel auf den Kopf – in allem, was da so manipulativ auf UNS Jung und Alt einwirken will. Wehret also nicht nur den ewig gestrigen Anfängen, sondern den darin veralteten Verfänglichkeiten im gegenwärtigen Hier und Jetzt und in der Zukunft. Und bedenkt doch das Memento mori! Das ist doch das Endziel – zwischen und bei all dem ansonstigen Geschrei zu der Menschenfängerei! Ob nüchtern oder besoffen – wir alle sind davon betroffen! HEUREKA?
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 


 

Leserbriefe zu „Wir erschweren vielen Menschen den Alltag“. Gespräch mit Richard Lutz geführt von Max Hägler und Jonas Schulze Pals

Allein – mir fehlt der Glaube! Mit vielen guten Absichten, die ich Herrn Lutz unterstelle, lässt sich eine durch politischen Willen – oder Unwillen – ruinierte Infrastruktur nicht wieder herstellen. Die Bahn ist jetzt ein (!) spürbarer Indikator, wie teuer uns unsere Wohlfühl- und Wohlstandsdemenz der letzten 20 Jahre nun zu stehen kommt. Herr Lutz wird dieses Problem nicht lösen können, weil es keine politischen Weichenstellungen gibt, die eine verkehrspolitische Zukunft ermöglichen. Es lebe der Individualverkehr auf maroden und verstopften Straßen.
Wolfgang Siedler

Die Bahn sollte ihre Mitarbeiter mit teils überzogenen „Beamtenallüren“ zur Lehre in die Schweiz oder nach Österreich schicken. Dort scheint Dienst am Kunden und deren Zufriedenheit betriebliches Ziel zu sein. Der Informationszugang des Personals in Bahnen und Bussen scheint auch besser organisiert zu sein.
H. Giller

Eigentlich, so dachte ich, ist es Aufgabe der Deutschen Bahn, Menschen und Waren verlässlich, erschwinglich und umweltfreundlich zu befördern. Stattdessen, so durfte ich lernen, geht es darum, Apps zu optimieren und Menschen, die ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben, von der Beförderung auszuschließen. Dabei hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn in seiner nunmehr 7jährigen Einarbeitungszeit durchaus weitere Verbesserungsbedarfe erkannt und scheint gerne bereit, die „Politik“ zu deren Lösung zu motivieren. Vielen Dank an Max Hägler und Jonas Schulze Pals für ihre klaren Fragen. Vielleicht, so hoffe ich, liest der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG dieses Interview und erinnert sich an seine Verantwortung gegenüber dem Eigentümer dieses Unternehmens.
Gabriele Rössler

Das Interview mit Bahnchef Richard Lutz zeigte zwar auf, welch schwierigen Aufgaben die Bahn bewältigen muss, die auch von früher vernachlässigten Investitionen herrühren. Die Grafik zum Interview mit dem Titel „Zu voll“ versprach mir aber einen anderen Aspekt, der nicht angesprochen wurde. Die Grafik zeigt, wie die Gesamtlänge der Strecken mit festgestellter Überlastung unaufhaltsam steigt, von 187 km im Jahr 2008 bis 1’169 km dieses Jahr. Es Zahl der Passagiere steigt ständig. Das Bahnnetz hat physische Kapazitätsgrenzen. Wie soll die Bahn dieser Entwicklung gerecht werden können? Brauchen wir nicht in unserer Gesellschaft eine Wende hin zu weniger Mobilität mit weniger Pendeln zum Arbeitsplatz?
Herrat Schedler

Es ist leider traurige Realität und derart manifestiert in der öffentlichen Meinung sowie Medienwelt, dass ich es auch hier wenig überrascht zur Kenntnis nehme (dadurch wird es aber nicht richtiger): der Herr Lutz ist also gelernter Controller, blubbert daher auch die üblichen Sprüche auf die Frage nach der Schuldenbremse. „…mehr Geld ausgeben kann, als er einnimmt“. Noch einmal langsam, auch in der Hoffnung, dass der Wirtschaftsjournalist (!) der dies hoffentlich liest, es registriert: das ist völlig veraltete Sachlage in den Wirtschaftswissenschaften und vielleicht auch ein Mitgrund, warum Volkswirtschaftslehre unter Wissenschaftlern als Schwurbler gelten. Richtig ist: ein Staatshaushalt funktioniert nicht wie der Haushalt einer schwäbischen Hausfrau, und er darf nicht nach entsprechend normierten Regeln geführt werden. Die Geldgenese ist viel komplexer als „Staatsinvestitionen können nur so weit erfolgen, wie vorher Steuereinnahmen getätigt wurden“. Das war zu Schäubles Zeiten fatal und falsch, das war zu Genosse-der-Bosse-, aka Scholz-Zeiten falsch, das ist zu Lindners Zeiten falsch (sic). Mikroökonomie ungleich Makroökonomie! Die Bundesbank gibt Anleihen aus und erzeugt sich soviel Geld wie sie will. Und in die Bevölkerung gebrauchtes Geld wechselwirkt mit der Gesamtwirtschaft, Stichwort Nachfrageimpulse. Warum kapieren das so wenige? Ist bei der Mindestlohndebatte genauso fatal wie bei der seit Mitte der 90er stillstehenden Nettoinvestitionsquote von Deutschland.
Stefan Sczuka

Im Gespräch mit Ihnen konstatiert Richard Lutz „Wir erschweren vielen Menschen den Alltag“. Was er verschweigt, ist, dass die Bahn einen hervorragenden Abenteuerurlaub anbietet. Zum Beispiel schon für eine Woche von Köln nach Büsum an der Nordsee: Die Hinfahrt beginnt mit dem ersatzlosen Ausfall des IC von Köln nach Westerland. Aufgrund Verspätung wird in Hamburg-Altona der Anschluss nach Norden verpasst: Ankunft in Büsum nur mit zwei Stunden Verspätung. Für die Rückfahrt wird eine Streckensperrung über den Nord-Ostsee-Kanal geboten, die noch am Vorabend nicht angekündigt ist, also quasi über Nacht vom Himmel fällt. Nach Schienenersatzverkehr (Bus) und mehreren Umstiegen wird ein ICE in Hamburg mit Schließung der Türen erreicht. Zwischen Hamburg und Bremen kommt es zum Höhepunkt der Reise: Feueralarm im Zug, der sich zum Glück als Fehlalarm erweist. Das Zugpersonal schafft es aber nicht, den Fehlalarm zu beseitigen, so dass aus Sicherheitsgründen eine Weiterfahrt des Zuges nicht möglich ist. Zur Evakuierung der Reisenden wird ein Ersatzzug bereitgestellt, mit dem nach etwas mehr als 3 Stunden Aufenthalt die Fahrt nach Köln fortgesetzt werden kann. Das Ziel wird gegen 21: 15 Uhr erreicht. Die Rückfahrt hat damit zwölf Stunden gedauert, ziemlich genau das Doppelte der geplanten Fahrzeit von sechs Stunden. Der Urlaub fand vom 6. bis 13. Mai dieses Jahres statt. Teilnehmer waren meine Frau, meine Tochter, unser dreijähriger Enkel und ich. Übrigens: Auf Antrag erstattet die Bahn die Hälfte des Fahrpreises, gerne auch als Gutschein, der Grundstock für den nächsten Abenteuerurlaub. Die Bahn findet sicher für jedes dieser Ereignisse plausible und detaillierte Erklärungen. Allein die Häufung und Wuchtizität macht mich sprachlos. Ich kann nur Paracelsus zitieren: Die Dosis macht das Gift.
Hans-Peter Schürmann

Herr Lutz sei einmal ein Blick nach Japan empfohlen. Seit den 60er Jahren fahren dort die Superexpresszüge („Shinkansen“) mit höchstpräzisem Fahrplan. Die Züge verkehren die 500 KM zwischen Tokyo und Osaka im zehnminütigen Takt nahezu störungsfrei. Ich selbst fahre seit ca. 40 Jahren regelmäßig in das Land und kann mich in der ganzen Zeit an höchstens 30 Minuten Verspätung erinnern. Es gibt für Technik und organisatorische Effizienz bei der Bahn für Herrn Lutz noch jede Menge zu lernen.
Heinz Takamura-Küssel

 


 

Leserbriefe zu „Pass aus dem Süden“ von Oliver Fritsch

Noch nie habe ich einen Leserbrief geschrieben, schon gar nicht an die Zeit – als zeitweise Wahl-Hamburgerin und selbst Zeitungsmacherin fühle ich mich dem Blatt seit langem äußerst verbunden. Nun geht es um Fußball, das emotionale Thema der Deutschen. Oh ha, jetzt haben Sie mich. Ich bin durch meinen fußballspielenden Sohn erst seit einigen Jahren zur Fußball-Begeisterten geworden. Und ich gebe Ihnen völlig Recht – was für ein Fußballjahr! Ich freue mich auf den EM-Sommer. Ich gehöre zu denen, für die „die Krise des Seriensiegers“ tatsächlich eine schöne Nachricht ist. Und natürlich freue ich mich für St. Pauli, keine Frage. Mein Herz allerdings schlägt für Holstein Kiel, für die Underdogs aus meiner spröden Geburtsstadt, die Jungs sind herrlich unkapriziös, so sind wir hier oben im Norden. Und jetzt spielen ‚wir‘ eine solche Saison! Steigen auf. Und Sie schreiben, der deutsche Fußball verursache „Platzstürme von der Elbe bis zum Neckar“??? Lugt da etwa eine gewisse Arroganz durch, die man den Hamburgern gegenüber der kleinen Schwester im Norden nachsagt? Das möchte ich Ihnen nicht unterstellen. Vermutlich haben sie nur Elbe und Eider verwechselt, das kann ja mal passieren.
Tanja Maus

Fußball die schönste Nebensache der Welt? Wer das glaubt, schwärmt auch vom Videoschiedsrichter und den vielen Varianten des verbotenen Handspiels. Der derzeitige Hype erinnert an das dekadente Rom: Brot und Spiele. Ablenkung von wirtschaftlichen und/oder politischen Realitäten, Zielen oder Problemen (vom Alltag mit Kinder -und Altersarmut und so weiter). Da hilft eine EM im eigenen Land. Sie lässt die grauen, schwierigen Lebensumstände im rosaroten Licht des erhofften Erfolges erscheinen. Statt Gladiatoren im Kolosseum nunmehr Millionäre in kurzen Hosen in Fußball-Arenen mit überteuerten Sitzplätzen. Was den deutschen Fußball wirklich langfristig retten könnte wäre die massive Förderung des Kinder -und Jugendfußballs für den Profisport; aber vor allem für den Breitensport. Aber auch hier ist es so, dass Geld den „Sport“ im Breiten -und Profibereich regiert. Das Gespür der Zuschauer ist, dem Fußball sei Dank, noch intakt. Das ist abzulesen an den Zahlen der Zuschauer in der ersten und zweiten Bundesliga. Die spannendere Zweite Bundesliga (mit immer mehr Traditionsvereinen, die jeweils eine große Fangemeinde haben) hat Zuschauerrekorde gebrochen. In der Ersten Bundesliga hatte der „Durchmarsch“ von Bayer Leverkusen den gleichen Effekt wie die „ewige Vorherrschaft“ von Bayern München. „Langeweile“ oben in der Tabelle und ein wenig Abstiegskampf. „Chapeau“ Bayer Leverkusen. Einmalig und beeindruckend. Die Wichtigste Erkenntnis war, dass die „Gewöhnlichkeit“ des Rekordmeisters Bayern München vorgeführt wurde. „Mia san mia“ ist nur noch eine abgedroschene Floskel. Einen schönen Gruß an den Tegernsee oder Jeder Uli hat seine Zeit. Übrigens mit Lässigkeit gewinnt man keine Spiele. Wohl aber mit Siegeswillen, Disziplin, körperlicher und mentaler Vorbereitung sowie einer Portion „Spiel“-Glück.
Felix Bicker

Es ist schon wahr, ein herrliches Fußballjahr! Alonso, Leverkusen, Dortmund, Krise bei Bayern, Eleganz und Lässigkeit – alles richtig und toll. Am Ende des nationalen Fußballkalenderjahres stand wie immer die Relegation für den Drittletzten der 1. und den Dritten der 2.Liga. Der VfL Bochum hatte zu Hause 0:3 gegen Fortuna Düsseldorf verloren. Die Sache war also durch. Wer einen Verbleib des VfL in der 1.Liga prophezeit hätte, der wäre für verrückt erklärt worden. Doch es kam anders. Am Ende der regulären Spielzeit stand es 3:0 für den VfL, danach Verlängerung, kein Tor, dann Elfmeterschießen: 6:5 für die Auswärtsmannschaft Bochum! Nicht mit Eleganz und Lässigkeit, sondern mit Kampfgeist und totaler Hingabe bis zur Erschöpfung wurde dieses Wunder vollbracht. Die graue Maus aus dem Ruhrgebiet hat ein Jahrhundertspiel geboten. Es hätte Herrn Fritsch gut angestanden, dieses Highlight zum Ende der Bundesligasaison zumindest zu erwähnen.
Wolfgang Illner

Da steht die Welt in Flammen, und Deutschlands Infrastruktur gleicht allmählich der eines failed state, und der ZEIT fällt nichts Besseres ein, als (wieder einmal) einen Leitartikel zum Thema Fußball auf die erste Seite zu platzieren. Das allein würde ja schon reichen, aber dieses Geschwätz ist zudem an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Die tiefschürfenden Erkenntnisse erinnern eher an das Fußballmagazin ‚kicker‘ als an das qualitätsvolle Leitmedium, als das die ZEIT gemeinhin gilt. Wie wäre es, das fragwürdige und obszöne Finanzgebaren des kommerziellen Fußballs an prominenter Stelle offenzulegen? Der BVB böte da ein aktuelles Beispiel. Oder soll einfach nur Werbung für die EM im eigenen Land gemacht werden?
Willi Goldstein

Sie verwechseln offensichtlich den deutschen Fußball mit dem Fußball in Deutschland, der, wie Sie zurecht beschreiben, technisch besser und kompetitiver geworden ist. Fußball lebt jedoch hauptsächlich von Emotionen, sonst könnte ich mir im Internet immer die besten Spiele ansehen. Warum sollte ich mir die Spiele von Mannschaften ansehen, deren Spieler je nach Tabellenstand und Strategie des Trainers gekauft und verkauft werden, bevor ich ihre Namen aussprechen kann. Die Auswirkungen dieses kommerziellen und (un-)sozialen Umfeldes auf unsere Jugend sehen wir leider bei unseren Enkeln.
Egon Kutz

Mit großer Freude lese ich die Kritiken zum jeweils vergangenen Fußballwochenende von Oliver Fritsch. Zur letzten Ausgabe mit dem Titel „Raus aus dem Süden“ beginnt der letzte Absatz mit: Als Franz Beckenbauer im vergangenen Jahr starb…Franz Beckenbauer starb am 7. Januar 2024. Dies als Randbemerkung zu dem ansonsten wie immer frisch und intelligent geschriebenen Artikel von Oliver Fritsch.
Andrea Maier-Sall

 


 

Leserbriefe zu „Rechtsdraußen“ von Mariam Lau

Die vielen Sympathisanten der AFD sollten wir nicht verteufeln, sondern ihnen empfehlen, das Wahlprogramm der AFD zu lesen, ihren Protagonisten zuzuhören und sich dann einige Fragen zu stellen: Wollen Sie, dass die EU abgeschafft wird? Dann wählen Sie die AFD. Wollen Sie, dass Abgeordnete in Brüssel und Berlin die Interessen von Russland und China vertreten und dafür bezahlt werden? Dann wählen Sie die AfD. Wollen Sie Steuererleichterungen für Vermögende? Wollen Sie Kündigungsschutz, Mitbestimmung und Mindestlohn abschaffen? Dann wählen Sie die AFD. Glauben Sie nicht an den menschengemachten Klimawandel? Wollen Sie, dass Ausländer, also jeder fünfte Arzt/Ärztin und jede dritte Pflegekraft an deutschen Krankenhäusern, Deutschland verlassen müssen? Dann wählen Sie AFD. Denn es gilt noch immer das Wort von Bert Brecht: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.“
Gerd Konrad

Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Die AfD hat sich zwar mit ihren Affären diskreditiert. Doch Lebensader und Alleinstellungsmerkmal für sie bleibt die ungelöste Flüchtlingsmisere. Sie will wie die Mehrheit einen nicht nur kosmetischen Stopp der ungesteuerten Zuwanderung. Drittstaatenlösungen sollen besänftigen, funktionieren aber nur auf dem Papier. Als ob im afrikanischen Busch die Rechtsweggarantie möglich wäre. Die CDU ist noch nicht zu radikalen Lösungen bereit. Doch erst das wäre die Eintrittskarte für einen parlamentarischen Durchmarsch in der Einsicht, dass humanitäre Konzepte der Nachkriegszeit in die Sackgasse führen. Die Niederlande sind da weiter.
Christoph Schönberger

Ob sie es glauben oder nicht: den meisten (mir bekannten) AfD-Wählern ist Herr Höcke peinlich; auch haben die meisten AFD-Wähler mit alten rechten‘ (Nazis) nichts am Hut. Es ist ein Unterschied, ob man – m.E. Zu Recht – mit der gegenwärtigen & jünger zurückliegenden Politik nicht einverstanden ist oder ob man gesinnungsmäßig rechts liegt. Diese Differenzierung wird weder von den Politikern (honi soit qui mal y pense!) noch von den Medien gemacht! Dem Tourette-Syndrom naheliegender (& weitaus gefährlicher) ist die machtbezogene Häutung von frau le Pen & Co! Es wäre langsam an der Zeit, sich mit den Fehlern unserer Politik(er) auseinanderzusetzen als immer wieder ein Bashing derjenigen zu betreiben, die mit einem ‚weiter so‘ nicht einverstanden sind. Auch in Europa!
P. Roetzel

Wenn man die Taktik der EVP als Strategie gegen die extreme Rechte auslegt, verharmlost man die Gefahr, die von Frau Meloni und Gleichgesinnten ausgeht. Der unentschlossene Wähler liest daraus eine Akzeptanz der rechten Mitte für die politischen Aussagen der extremen Rechten. Also sind diese für ihn wählbar. Ein perfides Spiel um die Erhaltung der Präsidentschaft in der EU-Kommission.
Herbert Büttner

Grundsätzlich und faktisch habe ich weder Einwände, noch möchte ich die politischen Aussagen des genannten Artikels bewerten. Allerdings verstörend unsensibel empfinde ich den Terminus „Tourette-Syndrom“ – trotz des vorgeschalteten Adjektivs „politisch“. Ein vom Tourette-Syndrom betroffener Mensch hat einen mehr oder weniger großen Leidensdruck, je nach Ausprägung und psychischer Anforderung, und meiner Meinung nach sollten sich medizinisch-therapeutische Einordnungen lediglich in medizinischen Befunden wiederfinden.
Gisela Kurz-Emmerich

Vielleicht habe ich ja den Text „Rechtsdraußen“ von Mariam Lau völlig falsch verstanden, aber auch nach dem zweiten Lesen komme ich zur Meinung, dass Frau Lau der CDU und den europäischen Konservativen nichts anderes empfiehlt, als mit den „Neuen Rechten“ Meloni und Le Pen zusammenzuarbeiten, insbesondere um Frau von der Leyen eine zweite Amtszeit zu gönnen. Habe ich das wirklich richtig verstanden? Herrje, es scheint sich nicht nur politisch etwas verrückt zu haben, sondern auch bei Ihnen. Wird in dem Text die „Neue Rechte“ wirklich zwischen der üblichen Konservativen und der „extremen Rechten alten Schlages“ verortet? Und dass die dann auch nur halb so schlimm sind, weil ja „pro EU, pro Ukraine, pro Rechtsstaat“ sind und deswegen „könne man mit denen ins Geschäft kommen“, wie es die Kommissionspräsidentin signalisiert hat. Und wird dieses Verhalten von Frau Lau ernsthaft als „smart mit Blick auf wacklige Wiederwahl“ bezeichnet, während sie sich doch recht offensichtlich über Sozialdemokraten und Grüne mokiert, für die der Unterschied zwischen neuen und alten Rechten nicht der Rede wert sei, „alles gleich braun“?
Nochmals, vielleicht verstehe ich Frau Lau falsch, aber falls doch nicht: Hat Frau Lau nicht aufgepasst, was in Italien gerade passiert, wo Frau Meloni die ersten Schritte einer „Orbanisierung“ einführt? Und was glaubt Frau Lau, was in Frankreich passieren würde, wenn Marine Le Pen Präsidentin würde? Schonmal was vom Wölf bzw. hier Wölfin im Schafspelz gehört? In beiden Ländern kann der Rechtsstaat ruckzuck den Bach runtergehen, so wie in Ungarn. Hat Frau Lau denn das Dossier über Giorgia Meloni gelesen, ist ja immerhin in der ZEIT erschienen? Auf mich macht Giorgia Meloni den Eindruck, dass sie Zeit und Geduld hat, eine klare Machtstrategie hat und dreimal cleverer ist als jeder Gesamtvorstand einer europäischen konservativen Partei, ganz besonders der deutschen CDU und CSU. Allein wie sie die Alphatiere Berlusconi und Salvini, die nach der Wahl in Italien beide noch lachend vor die Kameras getreten sind und Frau Meloni abgekanzelt hatten, allein wie sie die beiden abserviert hat, ist höchste machpolitische Kunst. Ich gebe zu, das schreibe ich mit größtem Respekt und bedauere gleichzeitig, dass Frau Meloni sehr weit rechts steht. Egal ob alt oder neu, die gleiche braune Soße, dort wo sie auch herkam. Schon einmal dachten deutsche Konservative, dass man einen Rechten durch Umarmen einhegen und dabei die eigene Macht bewahren kann. Leider ist das gründlich in die Hose gegangen, aber sowas von. Während Sozialdemokraten geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten, hat das Zentrum den Nazis die absolute Macht in die Hand gelegt. Und ja, das ist die Nazi-Keule und ein Hitler-Vergleich. Wieso auch nicht? Ist in den letzten 10 Jahren nicht genug passiert, was wir uns lange nicht vorstellen konnten. Und angesichts der Gewalt auf den Straßen, schreitet nicht die Weimarisierung unseres Landes ziemlich schnell voran?
Und in dieser Situation können, die sich Konservativen vorstellen, nur und ausschließlich zur Erhaltung der eigenen Macht, Stimmen von den „Neuen Rechten“ zu holen? Und anstelle dieser geschichtsvergessenen und nur Macht orientierten Strategie der schlechtesten Kommissionspräsidentin ever und der opportunistischen Konservativen in ganz Europa journalistisch die Stirn zu bieten, der Leserschaft dieses schlicht und einfach nur widerwärtige und eklig-stinkende Verhalten aufzuzeigen, bekommen diese Leute in der ZEIT noch Zuspruch? Aber vielleicht habe ich den Text wirklich falsch verstanden. Ich hoffe es sehr. Ach und noch was: Das nicht ganz so erfolgreiche Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl in Thüringen als Erfolg der CDU-Strategie einzuschätzen…na ja, vielleicht ist das so. Vielleicht aber liegt es daran, dass sich die AfD in ihrer Dummdreistigigkeit selbst ein Bein gestellt hat, was sich ändern kann, wenn auch die AfD von Le Pen und Meloni lernt. Zudem gelten bei Kommunalwahlen andere Gesetze als bei einer Landtags- oder Bundestagswahl, vielleicht haben auch diese zu Ungunsten der AfD gegriffen. Aber was auch immer, Faschisten, egal ob mit oder ohne Schafspelz, sollte man nicht umarmen. Geht nie gut aus!
Gunther Schneider

 


 

Leserbriefe zu „Der Weg in die Isolation“ von Andrea Böhm

Am 7. 10. 23 wurde Israel und deren Bewohner (hauptsächliche linke und friedensstiftende Dorf/ Kibbuzbewohner) und junge, feiernde Menschen aus zig Ländern grausam dahingemetztelt, gefoltert, erschossen, verbrannt, zersprengt, zerhackt, verstümmelt und vergewaltigt. Hunderte wurden völkerrechtswidrig verschleppt. Israel wurde mit tausenden Raketen überzogen. Im Gazastreifen, im Westjordanland, in Deutschland und weltweit wurde dieses Massaker von muslimischen Menschen gefeiert. Es gab etliche Betroffenheitsbekundungen, kaum Mitleid oder ein IN DEN ARM NEHMEN von Juden, dafür aber sehr schnell antisemitische Vorfälle, vor allem in Berlin. Und vor allem gab es keinerlei Demos, explizit gegen die ,,Freiheitskämpfer“ der Hamas. Nein, im Gegenteil. Das Abschlachten jüdischer Familien wurde als Widerstand deklariert und besonders die linke Szene tat sich bei dieser kruden Verdrehung hervor, denn der Gazastreifen wurde schon vor langer Zeit komplett geräumt, alle Juden mussten verschwinden und die Hamas wurde mit über 70% von der Bevölkerung gewählt. Hilfsgelder wurden statt in das Wohl der Bevölkerung, in Tunnel, Raketen und Waffen umgesetzt und ,,Kollaborateure“ wurden öffentlich hingerichtet. Zudem drückt die Hisbollah von Norden und alle diese unsäglichen Allianzen (gesteuert vom Iran) fordern die Auslöschung Israels ( From the river, to the sea).
All das war der Welt und Deutschland bekannt. Doch mehr als zu einem Bekenntnis zur Solidarität (Staatsraison!) hat es nicht gereicht! Israels Menschen wurden alleingelassen, mit einem Präsidenten, dessen Amt ihn vor Strafe schützt. Und nun griff Israel brachial den Gazastreifen an, die Hamas tat alles für schlimme Bilder, verschanzte sich feige hinter den Geiseln Israels und der eigenen Bevölkerung, unter Kliniken und Schulen! Die Welt war folgerichtig entsetzt, wenn die von der Hamas ins Feuer geschickten Zivilistinnen starben und ebenso folgerichtig wurde Israel verteufelt, man schrie Genozid, obwohl der 7.10.23 ein Genozid war, brüllte an Hochschulen oder bei FFF rum und vergaß völlig, dass dieser fürchterliche Krieg ein wohlkalkulierter Schachzug der Hamas war, welche sich nun zurücklehnt, weil der IGH Israel an den Pranger stellt, Israel isoliert und Israel verdammt. Die Welt ist Terroristen aufgesessen, und die Gutmenschen suhlen sich in ihrer Selbstgerechtigkeit. Leider kann ich all diese Aspekte in Ihrem Artikel nicht finden, ebenso wenig eine Idee, wie man den Menschen in Gaza UND den Menschen in Israel beistehen könnte und sei es nur, indem man die Ursache dieses Krieges immer wieder benennt, die Hamas und deren Anhänger verdammt und ein klein wenig Mitleid auch mit den Menschen in Israel hat, die nicht wissen, die um ihre Verschleppten und Toten trauern, nicht wissen, wie es mit ihrem Land weitergeht und die nicht einmal flüchten könnten, weil Juden weltweit Hass ausgesetzt sind.
Im Sudan findet im Moment tatsächlich ein Genozid statt. Aber die Täter sind weder Juden, die Opfer für die Welt nicht interessant, noch erreichen uns Bilder aus dieser Region, so wie uns damals aus Ruanda auch keine Bilder erreichten und die Welt wegsah. Im Iran werden Menschen erhängt und ausgepeitscht, doch die Welt kondoliert zum Tod eines Schlächters! Erdogan darf regelmäßig die Kurden bombardieren. Die Taliban steinigen wieder EhebrecherInnen und Putin überfällt ein souveränes Land und mordet Hunderttausende! China begeht schwere Menschenrechtsverletzungen und interniert die muslimische Bevölkerung. Dasselbe sehen wir in Indien. Dort werden Muslime systematisch ausgegrenzt. Aber an keiner Hochschule, auf keiner FFF-Demo, auf keinem Filmfestival oder ESC gegen wird gegen diese Massaker, Menschenrechtsverletzungen, Völkerrechtsbrüche und Kriegsverbrechen protestiert. Der ,,Feind“ Israel und die Juden und Jüdinnen dürfen mal wieder allen Hass absorbieren. Krieg, Elend, Folter und Menschenrechtsverletzungen dieser Welt gehen weiter und finden zum Teil kaum den Weg in die Medien. Das ist zweierlei Maß, das ist Doppelmoral! Das ist Antisemitismus! Liebe Frau Böhm, verzeihen Sie mir bitte meine emotionalen Worte. Ich bin verzweifelt, weil ich nun mit 60 wirklich begreife, dass Antisemitismus nie verschwindet, dass man immer nur Juden und Jüdinnen in Kollektivhaft nimmt und dass Israels Auslöschung gerade begonnen. Ich hoffe, dass Deutschlands Staatsraison so weit geht, dass wir Juden und Jüdinnen in großem Stil in Deutschland Schutz gewähren, wenn Israel verschwindet. Aber wenn ich als Jude oder Jüdin Ihre wiederholt einseitigen Artikel lesen würde, dann hätte ich wenig Lust hier (wieder) leben zu wollen.
Heike Westermann

Der Kriegsplan von Iran, Hisbollah und Hamas geht voll auf. Aus dem übervollen Gazastreifen überfällt man Israel und zwingt dem Todfeind einen Krieg auf, der eine Trennung von Zivilisten und Soldaten unmöglich macht. Man ist bereit, dafür jede beliebige Zahl von Palästinensern zu opfern. Allerdings geht Israel dafür nicht den Weg in die Isolation! Denn das ist die Situation der Juden schon seit über 2000 Jahren. Den Weg in die Isolation muss nur Deutschland fürchten, mit seiner Staatsräson zur Sicherheit Israels. Kommen wir auf den Punkt. Deutschland hat geglaubt, an der Seite Israels zu stehen wäre eine eindeutige, moralische Kategorie, mit der man vor aller Welt Wiedergutmachung leisten würde. Die verborgene Wahrheit war immer eine andere. Wer sich an die Seite Israels und der Juden stellt, wird von der Welt genauso verachtet, bekämpft und „isoliert“! Der Antisemitismus ist eine globale Urgewalt menschlicher Verantwortungslosigkeit. Die USA sind stark genug, dem zu widerstehen. Wenn Deutschland klar werden wird, wo es sich befindet, wenn es an der Seite Israels steht, wird es weinend und um keine Ausrede verlegen, die Front wechseln. Wie das beginnt, kann man auch an diesem Artikel von Andrea Böhm sehen. (Willkommen ihr Deutschen in der Wirklichkeit.)
Fred Klemm

Der gesamte Artikel beruht auf der unwahren Behauptung, der IGH habe Israel angewiesen, die Militäroperation in Gaza einzustellen. Unwahr deswegen, weil das in der Anordnung schlicht nicht drinsteht! Der Kernsatz der Anordnung lautet: „The Court considers that, in conformity with its obligations under the Genocide Convention, Israel must immediately halt its military offensive, and any other action in the Rafah Governorate, which may inflict on the Palestinian group in Gaza conditions of life that could bring about its physical destruction in whole or in part.“ Dazu ist jetzt folgendes zu sagen:
A) Das „which“ im operativen Paragraphen [1] ließe sich zugegeben auf zwei Arten lesen: Einerseits als Qualifikation, also eine Einschränkung des Vorangegangenen, oder andererseits als Begründung – also als eine art „weil diese Offensive“ usw. Jetzt gibt es aber Regeln, wie solche „Orders“ geschrieben werden. Und eine davon ist, dass in operativen Paragraphen keine Begründungen drinstehen. Es ist also zwingend eine Qualifikation. Und damit konsistent mit der Lesart der erdrückenden Mehrheit der Opinions, in denen ausdrücklich steht, dass Israel sich weiter militärisch in Rafah betätigen darf. [2]
B) Der IGH hat zuvor ausdrücklich festgehalten, dass er den Antrag von Südafrika abändern kann. Das ist nur sinnvoll, wenn er es tut. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der IGH Israel verpflichtet hat, sämtliche militärische Operationen in Rafah einzustellen.
C) Wenn der IGH tatsächlich will, dass irgendwo alle Kampfhandlungen eingestellt werden, formuliert er das völlig anders! Man siehe zB die Anordnung gegen Russland, den Krieg in der Ukraine zu beenden. [3]
D) Es fehlt auch jede(!) Aufforderung an die Hamas et al, Kampfhandlungen einzustellen. Und angesichts dessen, dass Israel ausdauernd von Rafah aus durch die Hamas et al angegriffen wird, wäre eine unilaterale Aufforderung eh völlig absurd und unhaltbar.
Diese ganzen Punkte müssen sie mir übrigens nicht glauben – fragen sie einfach eineN VökerrechtlerIn ihres Vertrauens, ob da irgendwas falsch ist, was ich da schreibe. Und damit entpuppt sich die angebliche Isolation Israels vor allem als Medienkampagne.
[1] „Operativ“ sind die Paragraphen, wo konkrete Anweisungen drinstehen.
[2] Bis auf den südafrikanischen Richter (der ja quasi Klagspartei ist und auch in seiner Opinion klarmacht, dass er kein neutraler Richter zu sein beabsichtigt)) sind sich alle Opinions – consenting wie dissenting! – völlig einig, dass Israel sich durchaus weiter in Rafah militärisch betätigen darf! zB: Judge Nolte (Consenting): „The Court’s Order […] obliging Israel to halt the current military offensive in Rafah is conditioned by the need to prevent “conditions of life that could bring about [the] physical destruction in whole or in part” of the Palestinian group in Gaza. Thus, this measure does not concern other [military] actions of Israel which do not give rise to such a risk.“ https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20240524-ord-01-02-en.pdf
Judge Aurescu (Consenting): „I do believe that the Court should have used the opportunity of the present Request and Order to make clear that the provisional measures indicated […], do not affect in any way the legitimate right of Israel to undertake [military] actions, which should be conducted in strict conformity with international law, […] to protect its civilian citizens and to free the hostages still held in the Rafah area by Hamas and other armed groups.“ https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20240524-ord-01-03-en.pdf
[3] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/182/182-20240202-jud-01-00-en.pdf
Mit Bitte um Richtigstellung
Sebastian Zäschke

Da ist auf der einen Seite die Bundesregierung mit ihrer lakaienhaften Haltung gegenüber Israel, wir sind ja sooo in Eurer Schuld (obwohl wir doch gar keine Nazis sind) und werden immer an Eurer Seite stehen. Da ist auf der anderen Seite die deutsche Justiz, die auf ihre Weise ins selbe Horn stößt: Jede Kritik an Israel ist Volksverhetzung, im Grunde sogar Blasphemie, denn die Juden sind ja heilig. Die Juden in Deutschland („Zentralrat“) verlangen eine strenge Bestrafung solche Umtriebe, aber dessen befleißigt sich die Justiz ohnehin. Aber was ist mit den Palästinensern in Deutschland? Die demonstrieren ja auch gegen die Juden. Da wird es schon schwieriger, denn schließlich kann man ihnen nicht verdenken, dass sie sich gegen ihren Erzfeind wehren, obwohl für sie auch die deutschen Gesetze gelten. Schweren Herzens musste sich mittlerweile sogar die Bundesregierung entschließen, auch mal Israel zu kritisieren. Zivilisten töten und Versorgungskrisen auslösen dürft ihr aber nicht! Sogar der Internationale Gerichtshof ist unterdessen aufmerksam geworden, bezichtigt Israel des Völkermords und erlässt einen Haftbefehl gegen Netan-Yahoo. Man stelle sich vor: Sogar die deutsche Justiz würde ihn vollstrecken! Da müssen Demos doch auch erlaubt sein! Aber wer hat nun Schuld, wer ist der Aggressor? Die Hebräer lebten mal im gelobten Land, zogen dann fort und kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg zurück und beanspruchten das Land, in dem längst die Palästinenser heimisch geworden sind.
Also wer ist nun im Recht, wer muss sich in Sack und Asche hüllen? Unsere Politiker, nicht zuletzt der Bundespräsident, der von Amts wegen neutral sein muss, schwadronieren von der Verteidigung der Demokratie, dabei sind gerade sie die größten Feinde der Demokratie, denn wer unliebsame Bewegungen und gar in Parlamenten vertretene Parteien verbieten will, ist das Gegenteil eines Demokraten. Aber merkwürdigerweise sind nicht nur antiisraelische Demos verboten, sondern ebenso Kundgebungen gegen Palästinenser. Dabei hätten wir allemal einen eigenen Grund, uns gegen sie zu erheben, auch ohne Israel. Denn wer zückt hier bei uns immer das Messer und legt Bomben. Für Islamisten sind wir Kuffar, obwohl wir ihnen gar nichts getan haben. Ja, so schwierig ist es, einen Feind zu definieren. Russland hat nicht Deutschland angegriffen, aber uns unverhohlen seiner Feindschaft versichert. Wenn zwar nicht Deutschland, aber die Ukraine mit deutschen Waffen auf Russland schießt, ist Deutschland dann Kriegspartei? Mit einem Angriff auf Deutschland hätte Russland die gesamte NATO gegen sich, aber wird diese Tatsache abschrecken? Schon zeigt Russland Bestrebungen, sich mehr in der Ostsee breit zu machen. Und jetzt zieht Deutschland auch noch Reservisten ein! Demnach steht der Dritte Weltkrieg nun unmittelbar bevor…
Arved Tyrelius

Um es kurz zu machen: Man kann die von der Autorin behauptete drohende Isolation Israels im Zusammenhang mit dem internationalen Recht auch herbeireden, bzw., wie die Autorin, herbei schreiben. Man muss es nur wollen. Eine sehr effektive Methode dafür besteht darin, Behauptungen der Hamas ungeprüft und im Verhältnis 1 zu 1 zu übernehmen und daraus vermeintlich Journalismus zu machen. Festzustellen ist, dass der Artikel keinerlei Betrachtungen über das Maß des Ansehens der Hamas seitens des Völkerrechts enthält. Hier wird also nicht einmal, wie üblich, mit zweierlei Maß gemessen, sondern gleich nur eine Seit, Israel, gemessen. Hamas wird sich nicht beschweren, da sie momentan massiver existenzieller Bedrohung ausgesetzt ist, so dass für sie ihr rechtliches Renommee das geringste Problem darstellt. Verstärkt wird diese nonchalante Haltung noch durch den Umstand, dass einige sympathisierende EU-Staaten die palästinensische Seite, inklusive Hamas, auch so als Staat anerkennen, ebenso unbekümmert um völkerrechtliche Ansehensfragen. NUN ZU KONKRETEN AUSSAGEN IM ARTIKEL: Hier wird Israel ein Luftangriff unterstellt, auf „ein Gebiet, das als Schutzzone ausgewiesen war“, sowie als dessen Ziel ein „Flüchtlingslager bei Rafah“. Siehe Text bzw. Bildunterschrift. Beide Aussagen sind faktisch nicht zutreffend.
Kritisiert werden soll im Artikel, über den handwerklich schlechten Journalismus hinaus, die zugrundeliegende Intention, das militärische Vorgehen Israels mittels unrichtiger Fakten zu delegitimieren. Israel betrachtet seine zielgerichteten und begrenzten militärischen Operationen zur Selbstverteidigung gegen etwaige Raketenangriffe aus Rafah als durchaus im Einklang mit den entsprechenden Gerichtsbeschlüssen des IGH, wenn die Angriffe, wie verlangt und geschehen, nicht die Existenzgrundlage der Bevölkerung von Gaza zerstören. Die obigen Vorwürfe hinsichtlich der willentlichen Verletzung einer Schutzzone und der Wahl von Zivilisten als Angriffsziel sind sehr schwerwiegend, menschlich, aber auch hinsichtlich rechtlicher Konsequenzen, und sollten auf überprüfbaren Fakten beruhen. Das Interesse der Hamas an derartigen Vorwürfen ist evident. Eine faktische PRIMÄRQUELLE der israelischen GEGENSEITE stellen zweifellos die Mitteilungen des Sprechers der IDF, Daniel Hagari, dar. Anhand von Satellitenbildern und Videoaufnahmen aus den Kampfjets hat er beschrieben, wie ein geschlossenes Gebäude mit zwei Hamas Zielpersonen erfolgreich zerstört wurde. Das Gebäude lag 1,7 km vom Schutzgebiet für Flüchtlinge entfernt. Nach Art und Menge des eingesetzten Sprengstoffes wurde ausgeschlossen, dass das Feuer in einem Zeltlager durch den Luftangriff verursacht wurde. Vermutet wurde daher, dass Sekundärexplosionen, die auch beobachtbar wurden, die Feuer auslösten. Als Quelle der Sekundärexplosionen wurden Munitions- und Waffenlager der Hamas in der Nähe des angegriffenen Gebäudes angesehen. Dies ist aber noch Gegenstand von Untersuchungen.
Es wurden jedoch Tonbandaufnahmen abgehörter Gespräche von Hamas Mitgliedern vorgespielt, die sich um erfolgte Explosionen und vorhandene Vorräte drehen. Der Sprecher bedauerte, dass es zu zivilen Opfern gekommen war, sah diese aber als von Seiten Israels als nicht beabsichtigt, und bei den angewandten Vorsichtsmaßnahmen auch nicht als erwartbar. Israel muss sich kritischen Fragen und Bewertungen von internationalen rechtlichen Institutionen stellen, und tut dies auch mehr oder weniger willig. Beide Arten kommen vor, da Israel, im Gegensatz zur anderen Seite, über ein eigenes effektives und unabhängiges Rechtssystem verfügt.
Arthur Gantzberg und Daniela Nacht-Gantzberg

Den Weg in die Isolation geht nicht nur Israel mit seiner verheerenden und mörderischen Kriegsführung. Auch Deutschland schlafwandelt beständig in diese. Unser positives Renommee in Nahost schwindet zunehmend. Und nun, eingezwängt zwischen einer fragwürdigen Staatsräson und dem Anspruch das Völkerrecht zu achten, haben sich unsere Politiker in ihrer Nibelungentreue Israel gegenüber in einer selbst gestrickten Zwangsjacke verfangen. Ohne Ausweg? Orientierung und Festhalten am Völkerrecht wäre die Lösung. Gleiches Recht für alle. Auf Frieden und Sicherheit. Das sollte Staatsräson sein.
Reiner Gorning

 


 

Leserbriefe zu „Genderwahn auf Schalke?“ von Francesco Giammarco

Leider stolpere ich immer wieder über Fehler in div. Artikeln. In dem Artikel über Schalke 04 u. geschlechtsneutrale Toiletten steht „Als Erstes spreche ich mit zwei! älteren Männern… Sie trinken Bier u. kloppen Skat.“ SKAT kloppt man zu dritt = 3!!!
Jörg Gauert

Beim FC Schalke 04 scheint mir alles möglich zu sein. Nun gibt es dort sogar genderneutrale Toilettenräume. Dass aber zwei (2) ältere Menschen im Schalker Vereinshaus Bier trinken und dabei Skat kloppen, halte ich allerdings für unwahrscheinlich.
Rolf Schikorr

Diese suffkranken Gender“wahn“-Paranoiker (es geht um gerade einmal vier Toiletten, von wie vielen insgesamt eigentlich?) sollen ihre braune Scheiße ruhig weiter auf Musks oder anderen Hetzkanälen verbreiten, aber bitte nicht auf einer S04-Toilette, welcher Art auch immer, aus dem Stadion sollen sie sich lieber verpissen! Zuviel Alkohol ist auch nicht gut für die Blase. Diese Typen sollte man für immer „in the closet“ einsperren! Den Spruch mit Erwin kenne ich anders: Kein Mensch, kein Tier, die Nummer Vier! (Mit „Panzergrenadier“ gibt es die Redewendung offenbar auch, Google bildet weiter.) Das reimt sich wenigstens. Ich wünsche mir, dass es spätestens im nächsten Jahr beim Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie zu dem längst überfälligen Massenouting von aktiven Fußballprofis kommt, das würde den Druck vom Einzelnen nehmen. Seltsam, dass die Fußballerinnen überhaupt kein Bohei darum machen, ob jemand homosexuell ist oder nicht, das sollte bei den Männern doch auch möglich sein. Schalke ist blau und weiß, ein Leben lang (abzüglich der ersten sieben oder acht Jahre meines Lebens, also bevor Klaus Fischer mein Idol wurde) und nicht kackbraun! Aber schön zu hören, dass diese Angelegenheit für die echten Fans vor Ort kein großes (und erst recht kein kontroverses) Thema ist.
Thomas Manthey

Ich würde Sie gerne darauf hinweisen, dass in dem Artikel eine diskriminierende Begrifflichkeit verwendet wird. In der linken Spalte wird im Zuge der Beschreibung des Maskottchens des Vereins Schalke dieses als „hautfarbenes Wesen“ beschrieben. Der Begriff hautfarben ist meines Erachtens nicht in Ordnung zu wählen, da er sich ausschließlich auf die Hautfarbe weißer Menschen bezieht. Auch das Maskottchen ist ein „weißes“ Maskottchen. Damit wird suggeriert, dass Hautfarbe „weiß“ ist. Ich habe dieses Thema lange in meinem Unterricht besprochen und finde es wichtig, dass in Zeitungen sprachsensibel umgegangen wird. Die Bandbreite an „Hautfarben“ ist sehr weit und es gibt heutzutage erfreulicherweise auch Buntstifte, die genau diese Bandbreite widerspiegeln. Wenn zur Beschreibung eines „weißen Maskottchens“ der Begriff „hautfarben“ verwendet wird so ist dies eine Diskriminierung für alle Persons of Color und reproduziert einen institutionalisierten Rassismus. Ich bin mir sicher, dass dies nicht das Anliegen war, daher wollte ich Sie an dieser Stelle nur auf den Begriff hinweisen.
Laura Czarnecki

…. Als Erstes spreche ich mit zwei älteren Männern, zwischen sechzig und siebzig. Sie trinken Bier und kloppen Skat. … Skat, zu zweit?
Renate Kowalewski

 


 

Leserbriefe zu „Gepflegtes Nichtstun“ von Carla Neuhaus

Muss eine Zeitung jeden Irrtum eines Ministers ungeprüft kolportieren? Die „Boomer“ ab Jahrgang 1955 sind heute maximal 69 Jahre alt und auch nach einem Krankenhausaufenthalt selten ein Pflegefall. Gestiegen ist die Zahl der über 80-Jährigen und insb. die Zahl der über 85-Jährigen. Das sind die Jahrgänge 1933 bis 1941 – auch geburtenstark, aber gemeinhin nicht als Boomer bezeichnet.
Wilfried Schollenberger

Da sind Sie dann mal ganz gepflegt auf das Gelaber von Herrn Lauterbach reingefallen. Niemand konnte ernsthaft mit einer Zunahme der Pflegebedürftigen im letzten Jahr von nur 50.000 Bürgern rechnen. Die Zahl ist völlig absurd und abwegig und zeigt auf, wie inkompetent das Gesundheitsministerium geführt wird. Der Durchschnitt der letzten Jahre lag bei ca. 330.000 neuen Pflegebedürftigen pro Jahr. Die Annahme diese Zahl würde sich im Jahr 2023 auf 50.000 verringern, ist definitiv Unsinn. Es hätte zu ihren Aufgaben gehört, dies sorgfältig zu recherchieren. Angesichts der Bevölkerungszunahme im Jahr 2023 wäre es durchaus realistisch gewesen mit ca. 335.000 neuen Pflegefällen zu rechnen.
Volker v. Moers

Sie haben bei der Aufzählung derer, die verarmen, die jeweilige Partnerin / den jeweiligen Partner der Heimbewohnerin / des Heimbewohners vergessen: Auch die Partnerin / der Partner werden für die Heimkosten zur Kasse gebeten und dadurch häufig zu Sozialfällen. Längst nicht alle Heimbewohner*innen sind ledig oder verwitwet/verwitwert. Wenn derart gravierende Probleme, die einen Großteil der Bevölkerung ängstigen, von den Politiker*innen nicht angefasst werden, ist es nicht verwunderlich, dass das Vertrauen in die Politiker*innen sinkt.
Ulrich Willmes

„Statt um 50.000 Fälle, wie ursprünglich geschätzt, hat die Zahl der Pflegefälle im vergangenen Jahr um 360.000 zugenommen“, stellt die Kommentatorin Carla Neuhaus in ihrem Kommentar „Gepflegtes Nichtstun“ fest und bemängelt: „Aber eine Reform des Sektors traut sich die Regierung nicht zu“. Pawel Grigoriev erwähnt in dem Interview „Bei uns gibt es Bier an jeder Ecke“, dass die  Lebenserwartung der Deutschen die schlechteste in Westeuropa sei. Dafür macht er zum großen Teil den Lebensstil und die Gesundheitspolitik verantwortlich, vor allem bezogen auf die Ernährung und den Missbrauch der Drogen Alkohol und Tabak.  Damit liefert Pawel Grigoriev eine Begründung für die frühere Sterblichkeit der Deutschen, gemessen an den anderen Westeuropäern, aber auch indirekt für die relativ frühe Pflegebedürftigkeit eines Teiles der Bevölkerung, wie ich selbst als Mitbewohner eines Seniorenheimes beobachte. Während ich selbst (Jahrgang 1936) mich noch völlig selbst versorge, was ich auch bei wenigen anderen über 90jährigen Mitbewohnern beobachte, braucht die Mehrzahl der Heiminsassen schon im Alter ab ca. 55 Jahren einen Rollstuhl oder Rollator und muss von Pflegekräften versorgt werden. Die verabreichten Mahlzeiten bestehen fast ausschließlich aus fleischhaltiger Kochkost ohne einen Frischkostanteil. Die Pflegebedürftigkeit eines großen Teiles der Bevölkerung könnte wesentlich mehr zum Ende des Lebenszyklus verschoben werden, wenn die Bundesregierung über die Grundsätze eines gesundheitsorientierten Lebensstils aufklären würde. Gleichzeitig würden mit einer gesundheitsorientierten Informationspolitik Arztpraxen und Krankenhäuser entlastet. Dazu würde auch die Schulung der Ärzte in Fragen der Ernährung und Ernährungstherapie gehören, damit diese die Patienten entsprechend beraten, statt wie bisher, überwiegend nur Symptome unterdrückende Medikamente zu verschreiben. Laut Ernährungsbericht der Bundesregierung sind 80% der chronischen Krankheiten ernährungsbedingt, die meist nur medikamentös, statt ursächlich, behandelt werden.
Ingo F. Rittmeyer

Ein wichtiger Kommentar, der die Dringlichkeit einer Reform des Pflegesektors unterstreicht. In dem erwähnten Bündel an möglichen Maßnahmen zur Linderung der Misere fehlt jedoch eine wichtige Komponente: Die Anhebung der Beitragssätze für die Pflegeversicherung. Diese liegen gegenwärtig im Schnitt bei 3,4% . Bei gesetzlich Versicherten wird der Betrag in fast allen Bundesländern hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt. Sollte sich dadurch der Pflegesektor deutlich verbessern, hätten Arbeitnehmer gewiss nichts dagegen, wenn sich deren Beitragssatz verdoppelte. Die weitere finanzielle Heranziehung der Arbeitgeber in dem Bereich dürfte ein Thema für sich sein. Zudem könnte als weitere Komponente zur Abmilderung des Problems eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in Betracht gezogen werden. Das Verharren im Nichtstun seitens verantwortlicher Politiker lässt das Problem jedoch letztlich nur anwachsen. Eine ähnliche Passivität ist auch beim (unzureichenden) Klimaschutz zu beobachten. Die verheerenden Auswirkungen nehmen sichtbar zu. Politikversagen.
Reiner Gorning

 


 

Leserbriefe zu „Ein bisschen Frieden“ von Andrea Böhm et al.

Mich haut es vom Hocker das man so ein korruptes Land wie die Ukraine in die EU aufgenommen werden soll. Sind ja nur unsere Steuergelder, die die deutschen dafür berappen müssen. Milliarden Euro Kriegsleistungen sind in der Ukraine verschwunden und dann sollen die auch noch in die EU aufgenommen werden. Jetzt begreife ich das die AfD recht hat, die EU umzubauen, damit unsere Gelder nicht in korrupte Länder verschwinden. Was für ein schlechter Haufen von Politikern in der EU gibt es die 27 Mitgliedsstaaten verarschen! Das Volk der EU muss abstimmen über die Aufnahme der Ukraine in die EU und nicht Politiker, die sich die Taschen mit unseren Steuergeldern vollstopfen!
Helga Fischer

Gegen Russland wird einerseits mobil gemacht und gleichzeitig soll es im Luxushotel Bürgenstock in der Schweiz, natürlich ohne Russland, verstehe das wer wolle, um ein bisschen Frieden in der Ukraine gerungen werden. Auf neutralen Boden in der (noch neutralen) Schweiz (Gott sei Dank noch kein Mitglied der EU) soll verhandelt werden. Hier soll quasi die Rechnung ohne den Wirt gemacht werden, will heißen, dass eine Entscheidung getroffen werden soll, ohne dass ein gewisser Wladimir Putin, der für Russland auch mit am Tisch der Verhandlung sitzen sollte!
Klaus P. Jaworek

Selenskyj verlangt den Abzug aller russischen Truppen vom ukrainischen Territorium; m. E. ist es dafür jetzt zu spät. Ohne ein Entgegenkommen, ein Verhandeln auf Augenhöhe, wird es keinen Waffenstillstand, noch weniger, einen Frieden geben. Was will er Putin dafür anbieten? Selenskyj möchte die „Länder des globalen Südens, die oft enge Beziehungen zu Russland pflegen … für sich gewinnen“, d.h. er will sie auf Gegenposition zu Russland bringen. Das ist kontraproduktiv! Besser wäre doch ein Bemühen, diese Länder als Vermittler zu nutzen. Wenn der „Gipfel für Frieden in der Ukraine“ ohne Russland stattfinden soll, dann muss er auch ohne die Ukraine stattfinden.
Karl-Reiner Schmidt

Eine Friedenskonferenz ohne Beteiligung alle Konfliktparteien. Ist das überheblich, arrogant oder sollen die Bürgerinnen und Bürger für dumm verkauft werden? Herr Trenin hat wohl recht, wenn er von einer PR-Veranstaltung des Westens und der ukrainischen Regierung spricht. Was ist eigentlich aus dem Friedensplan geworden, der im März/April 2022 in Istanbul ausgehandelt wurde und den Herr Putin und Herr Selenskyj unterschreiben wollten? Letzterer wurde dann doch von den USA und Großbritannien zurückgepfiffen. Seitdem sind zehntausende Soldaten auf beiden Seiten gestorben. Wer übernimmt dafür die Verantwortung?  Nur der Bösewicht in Moskau? Oder? Menschenleben sind nichts wert. Weder in Ost noch in West. Sie werden für geostrategische Ziele geopfert.
Marliese Seibert-Schüler

 


 

Leserbriefe zu „Einmal Politik mit alles“ von Jana Hensel

Ukrainekrieg, Gazakrieg, Klimakatastrophe, etc. pp. Und Deutschland hat nichts Besseres als über Dönerpreise zu diskutieren? Nur weil ein paar jugendliche TikToker, die an diesen „Hotspots“ aka Dönerladen herumlungern, deswegen ständig Rabatz machen. Und unsere Politik springt auf diesen Zug auch noch auf. Kevin Kühnert eröffnet sogar eine neue Front im „Kulturkampf“, wenn er behauptet, der Döner würde zu anderen Parteien als der SPD gar nicht passen. Mir scheint, dass Scholzens Döner gar nicht so sehr als Gastgeschenk, sondern als Wahlwerbung bei dieser TikTok-Klientel gemeint war. 8 Euro (auch nicht 6,50 Euro) pro Döner würde ich jedenfalls nicht ausgeben, aber ich bevorzuge eh Pizza. Ich habe genau einmal in meinem Leben (vor fast 30 Jahren) einen Döner gegessen, nämlich als die Altenheimschwestern der Nachtschicht uns von der Spätschicht mal welchen spendiert haben. Kann man durchaus essen. Die Variante, die es damals gab, war mir jedoch etwas zu krautig. Und auf die Frage, wie das mit 15 Euro Mindestlohn gehen soll, würde ich antworten, dass man davon bei einem Preis von 3 Euro ziemlich genau 5 Stück bekommt und das Ganze, wenn man lustig darauf ist, pro Stunde! Ich frage mich eher, wie man Dönerpreise von 3 Euro erreichen will und ob das überhaupt die Aufgabe der Politik ist. Ich kenne mich mit der sozialen Struktur Berlins nicht allzu detailliert aus, aber ich denke, dass Berlin-Mitte nicht gerade der prekärste Stadtteil ist und dass es wohl nicht weiter verwunderlich ist, wenn man dort 600 Döner am Tag für zweistellige Beträge loswird.
15 Euro Mindestlohn fände ich einerseits natürlich gut, aber andererseits frage ich mich, ob ich für meinen Nachhilfeunterricht dann wirklich 20 Euro pro Stunde verlangen sollte. Ein bisschen möchte ich mich vom Mindestlohn nämlich schon absetzen. Ein wenig mehr wert als die allereinfachsten Tätigkeiten ist meine Arbeit als Nachhilfelehrer dann doch schon, finde ich. Aber umgekehrt würde ich mir das schon gut überlegen, ob ich 20 Euro pro Stunde dafür ausgeben würde. Wobei: Wer sich Nachhilfe für 12,50 Euro (mein bisheriger Preis) oder 15 Euro (der Preis, den ich eigentlich beabsichtige, demnächst zu verlangen) leisten kann, dem werden wohl 20 Euro auch nichts ausmachen. Im Übrigen verlange ich, dass eine Kugel Eis wieder 15 oder von mir aus auch gerne 20 Cent kostet, das war nämlich umgerechnet der Preis zu meiner Schulzeit (seit ca. 35 Jahren esse ich kein Eis mehr an Eisdielen, bei 50 Pfennig pro Kugel bin ich ausgestiegen). Leider bin ich nicht bei TikTok, sonst würde ich umgehend eine Kampagne starten … Alles eh nur Luxusprobleme. Viele Menschen in Indien (siehe S. 23), die von weniger als 100 Dollar im Monat leben müssen, würden über unsere Dönerdebatte nur den Kopf schütteln. Und Rindfleisch, das nur nach Rindfleisch schmeckt, ist dort vermutlich auch nicht besonders angesagt, aber eher aus anderen Gründen. Eine Schachtel Zigaretten kostet übrigens etwa so viel wie ein Döner. Wer nicht raucht, kann sich mehr und von der Lebenszeit her auch länger Döner leisten! Grüße an alle Nichtraucher zum heutigen Nichtrauchertag!
Thomas Manthey

Dass Kevin Kühnert stolz auf die Drei-Euro-Aktion ist, zeigt einmal mehr, dass die SPD keine Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen hat. Nicht nur, dass es bei der Kalkulation von Döner erforderlich ist, den Mindestlohn zu beachten, auch sollte der jeweilige Dönerimbiss die deutschen Steuergesetze beachten. Allein die Beachtung der Steuergesetze müsste den Döner schon mindestens 8,– Euro kosten lassen. Die Lieblingswährung der Deutschen ist jedoch das Bargeld. Kevin Kühnert motiviert mit seinem Stolz jeden Steuerhinterzieher in Deutschland zu Lasten des Steuerzahlers. Denn eines ist klar: Das Parteivermögen der SPD wird für die Differenz von 8 und 3 Euro nicht herhalten müssen.
Michael Platz

Wenn man mit beruflichem Bildungsdefizit den „natürlichen“ Weg der parteilichen Karriere begeht und in der herausragenden Rolle eines Parteigeneralsekretärs keinerlei Impulse für ein Erstarken der SPD erzeugt, bleiben mit Applaus der ebenso versagenden „Parteifürsten“ Steinmeier, Scholz und Klingbeil die Döner als Lockmittel übrig. Gänzlich fragwürdig, wenn nicht gar dämlich wird es, wenn man in der ZEIT und im wichtigen Wirtschaftsteil davon lesen kann. Worin besteht irgendein politischer, gesellschaftlicher und sachlicher Mehrwert dieses Artikels? Es ist – mit Verlaub – journalistischer Nonsens.
Jürgen Dressler

Früher gab es Freibier. Das können sich aber auch die politischen Parteien heute nicht mehr leisten. Da wäre kein Mensch auf die Idee gekommen zu sagen solch eine Aktion wäre unredlich. Dass die Brauereien nichts mehr verdienen dürfen. Da denkt man sich eine Aktion aus um den Döner, ein Stück Kulturgut, abzufeiern und dann wird daraus ein Politikum gemacht. Wenn ich möchte, kann ich alles schlecht reden, aber dadurch entsteht nichts Positives, sondern nur Verlierer. Wir wollen doch alle gewinnen. Aber bitte nicht nach dem Motto: „Wenn jeder an sich selbst denkt ist an alle gedacht.“
Michael Krebs

 


 

Leserbriefe zu „Keine Angst vor den Geschenken“ von Thomas Fischermann

Der Freihandel ist ein hohes Gut. Auch im Verhältnis zu China. Doch steht das Prinzip der Reziprozität allzu oft nur auf dem Papier. Während chinesische Firmen hier quasi offene Türen vorfinden, regiert in Peking die Einheitspartei z. B. mit erzwungenem Technologietransfer oder Modellen mit chinesischer Beteiligung. Da fließt Know-how ab. Abgesehen von den jahrzehntelangen Plagiatsmissbräuchen oder dem Patentklau. Die Modemarke Schoeffel hatte 5 Jahre gebraucht, um den Markendiebstahl zu unterbinden. Freihandel Ja, aber nicht blauäugig, wie das manche risikoscheu in Berlin betreiben.
Christoph Schönberger

Dass Sie als Volkswirt vor einem neuerlichen Handelskrieg mit China warnen, ist ja noch nachvollziehbar. Und natürlich wäre es gut, in freiem und fairem Austausch von Waren und Know-how voneinander zu lernen. Allerdings sind Offenheit und Fairness im Handel mit China, gelinde gesagt, etwas ungleich verteilt. Ob es da wirklich klug ist, die vermeintlichen Geschenke freudig anzunehmen? Die Trojaner haben sich ja auch erst über das schöne Pferd gefreut.
Tadashi Makabe

Die Wirtschaftsredaktion der ZEIT scheint ausschließlich aus „hartgesottenen Freihandelsfans“ zu bestehen. Das ist angesichts der Risiken und Nebenwirkungen erstaunlich. Eine Wissenschaft, und die darüber berichtenden Journalisten, versuchen wortreich ein Dogma zu verteidigen. Die vermeintlichen Vorteile werden hervorgehoben, die Nachteile klar gesehen, aber unter dem Strich als akzeptabel dargestellt. So auch in Ihrem Beitrag. „Doch aus ökonomischer Sicht kann man sich fragen: Warum soll man sich nicht beschenken lassen?“ In diesem Satz tauchen die Schlüsselworte der verkürzten Sichtweise und Berichterstattung auf: Die „ökonomische Sicht“ ist schlicht ein Tunnelblick. Sie blendet alle übrigen Aspekte des menschlichen Handelns aus. Wer sich im Wirtschaftsleben „beschenken“ lässt, der sollte sich nach der Motivation des Schenkenden fragen. Und tunlichst den daraus folgenden Schlüssen auch Taten folgen lassen. China hat eine Strategie, die man in den Fünfjahresplänen nachlesen kann. Es ist vollkommen logisch eine eigene Strategie zu verfolgen, um die eigenen Interessen zu wahren. Das mit den Worten „Handelskrieg“ und „Protektionismus“ zu belegen ist Propaganda.
Sie erinnern sich eventuell in der Schule vom Danaergeschenk gehört zu haben: „Was immer es sei, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“ Statt auf die Lateiner, greift der Ökonom auf die alten weißen Männer seiner Disziplin zurück: „Kein verantwortungsbewusster Familienvorstand würde versuchen, Dinge zu Hause herzustellen, die man günstiger käuflich erwerben kann.“ Ein Familienvorstand, der seinen Arbeitsplatz durch dessen Verlagerung ins Ausland verloren hat, wird kein Geld haben um außer Landes hergestellte Dinge käuflich zu erwerben. Er weiß auch, dass man den Teufel mit dem Beelzebub austreibt, wenn man glaubt, durch „günstige Produkte aus der Volksrepublik“ „die aus dem Ruder gelaufene Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen“ – die übrigens ihren Ursprung in der Geldpolitik nach der Finanzkrise hat, die durch ungehemmten Freihandel mit dubiosen Finanzprodukten ausgelöst wurde. Er wählt Trump oder AFD! In Ihrer Argumentationskette erklären Sie, „günstige Einfuhren aus China sind gut für die Verbraucher im Westen, aber schlecht für die dortigen Produzenten und ihre Beschäftigten.“ Verbraucher sind gleichzeitig Beschäftigte. Da ist es schwierig zwischen günstigem Einkaufen und Verlust des Arbeitsplatzes zu „gewichten“. Die Argumentationskette hat hier ihr schwaches Glied. China beherrscht inzwischen Schlüsseltechnologien, „die hierzulande fehlen oder verloren gegangen sind.“ Ja, wie kam es denn dazu? Doch nicht durch Protektionismus und überbordende Industriepolitik. Nein, durch hartgesottenen Freihandel und einen vollständigen Mangel an Weitblick.
Ein Unternehmen zu „schützen“, dass seinen Mitarbeitern faire Löhne zahlt, eine gesunde Arbeitsumgebung schafft, die Umwelt so wenig wie nötig belastet, und durch seine Steuern einen demokratischen, sozialen Rechtsstaat mitträgt, würde ich nicht als Protektionismus bezeichnen. Auch hier wird der Begriff zur Propaganda. Wir investieren in unsere Innovationskraft. Nur, wer eine Innovation in Produkte umsetzen will, erleidet Schiffbruch. Wegen mangelnder Unterstützung, die Sie Protektionismus nennen würden. Was steckt hinter der Verwendung der Begriffe Handelskrieg und Protektionismus? Die Angst die eigenen Produkte nicht mehr loszuwerden. Diese Angst ist vollkommen berechtigt. Aber nicht, weil andere Märkte dicht machen, sondern weil sie die Produkte selbst herstellen können – ohne unsere Standards einhalten zu müssen. Es gibt kein „level playing field“. Was folgt aus dieser Analyse? Der Abschied von der Exportnation. Das ist aber ein weiteres Dogma, das bis zum letzten Tintentropfen verteidigt werden wird.
Zu guter Letzt kann ich es mir nicht verkneifen eine Parallele zwischen heutigem Freihandel und vergangenem Kolonialismus zu ziehen. Im Kolonialismus wurden die kolonisierten Arbeitskräfte ausgebeutet um „günstige Produkte“ zur weiteren Verarbeitung durch die Industrie der Kolonialherren herzustellen. Heute wird es als Fortschritt begrüßt, wenn der chinesische Staat die Ausbeutung freiwillig übernimmt. Gibt es im Studium der Volkswirtschaft eigentlich verpflichtende Ethik-Vorlesungen, oder würde das nur den klaren Blick auf die Bilanzen trüben? Ich kann Ihnen nur in einem Punkt zustimmen. Von anderen lernen ist keine deutsche Tugend. Ich würde mich freuen, Beiträge zu lesen, die anders gewichten.
Bernd Roos

In Ihren Betrachtungen zur aktuellen Situation der Handelsbeziehungen mit China sprechen Sie auch den historischen Niedergang bestimmter deutscher Wirtschaftszweige als Folge des Wettbewerbs aus Japan an (das MITI-Programm dort hatte damals sicher einen mindestens so großen Beitrag dazu wie das „Klauen“ westlicher Technologie). In den 70er Jahren wurde bei uns schon darüber diskutiert, welche Schwierigkeiten bei der Transformation von einer Industrienation zu einer Dienstleistungsgesellschaft aufkommen können. Letztlich muss das produzierende Gewerbe die für den Sozialstaat erforderlichen Beiträge erwirtschaften, unser Ex-Kanzler Helmut Schmidt hatte sogar mal den Vorschlag einer „Maschinensteuer“ in die Diskussion gebracht. Für mich stellt es sich so dar, dass die maßgebliche Wirtschaftskraft in Deutschland zurzeit noch auf den Sparten KFZ sowie Maschinen- u. Anlagenbau ruht. Wenn man sich den Verlauf der Außenhandelsbilanz anschaut (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37793/umfrage/exportueberschuss-in-deutschland-seit-1999/), sieht das nach dem Covid-bedingten Einbruch so aus, dass man mit der von Ihnen ausgesprochenen Empfehlung gelassen mitgehen könnte. Meine Frage an Sie wäre: Wie weit sind in der Außenhandelsbilanz Umsätze mit einbezogen, die aus Fertigungen deutscher Unternehmen aus den „verlängerten Werkbänken“ in Asien stammen? Oder anders gefragt: Wie gut korreliert eigentlich das Lohnsummersteueraufkommen in Deutschland mit dem Außenhandelsüberschuss?
Uwe Apel

 


 

Leserbriefe zu „ZEITmagazin allgemein“

Die Seiten 33-36 waren eine Wohltat für meine Augen. Tiefschwarz und großgedruckt erinnern mich diese Zeilen an mein 2.Klasse Deutschbuch. Natürlich ist mir bewusst, dass das Magazin die Seitenzahl so sprengen würde. By the way, ich bin erst 52 Jahre alt und freue mich trotzdem und weiterhin auf jede Ausgabe! Meines Erachtens das beste Zeitungsmagazin in Deutschland.
Bianca Köntgen

Ich bin seit ungefähr 40 Jahren Abonnent und habe insofern gesättigte Erfahrungen zum ZEITmagazin. In manchen Ausgaben finde ich interessierende Beiträge, die Mehrzahl der Ausgaben wandert nach Durchblättern und Bearbeiten von „um die Ecke gedacht“ und der Schachseite in den Papierkorb. Ich halte das für ein Verschwenden von Ressourcen und mache daher einen Vorschlag, dem sich sicherlich einige Abonnenten anschließen können: stellen Sie Ihren Abonnenten anheim, ob sie das Magazin weiterhin als Beilage erhalten möchten oder als online-ausgabe; interessierende Artikel können in letzterem Fall runtergeladen werden, Tonnen von Papier und Farbe sowie Gewicht beim Transport und die zugehörigen Kosten werden vermieden.
Martin Kamps

Leider musste ich als ZEIT-Abonnent feststellen, dass die Rubrik „Mirko Borsche testet jede Woche einen neuen Alltagsgegenstand“ im ZEIT-Magazin nicht mehr existiert.

Ich habe mich immer sehr über die Inspirationen und Anekdoten aus dieser Rubrik gefreut. Schade, dass sie eingestellt wurde.
Valentin Günzler

Zur o.g. Rubrik frage ich mich aber, ob es tatsächlich nur Kulturschaffende gibt, die Einsichten zum Besten geben können? Es mag sein, dass mir etwas entgangen ist, aber im Wesentlichen kommen nur Schauspieler, Schriftsteller und ähnliche zur Sprache. Wer sagt, dass Forscher, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Mediziner etc. nichts Interessantes zu erzählen hätten? Wäre aber vielleicht ein völlig anderer Blickwinkel. Experimentell wäre vielleicht sogar ein Taxi- oder DHL-Fahrer. Ich finde jedenfalls die Auswahl so einseitig, dass ich neuerdings nur noch schaue, wer die Person ist. Ich würde mir etwas mehr Diversität wünschen.
Frank Steeger

 


 

Leserbriefe zu „Bei uns gibt es Bier an jeder Ecke“. Gespräch mit Pavel Grigoriev geführt von Andrea Böhnke

Eine höhere Lebenserwartung ist kein Wert an sich. Sie kann sogar kontraproduktiv sein, wenn dadurch die Alterspyramide auswächst mit unlösbaren Konsequenzen für die Rente pp. Höhere Lebenserwartung erfordert somit rein mathematisch einen Ausgleichsmechanismus etwa eine längere Erwerbstätigkeit, um das System nicht zu überfordern. Vor dem Problem stehen aktuell unsere Alterssicherungssysteme. Das Lamento über die aktuelle Situation hat also Schlagseite, wenn nur das Alter im Focus steht. In der Generationengerechtigkeit liegt der eigentliche Schlüssel
Christoph Schönberger

In diesem Artikel wird der Beitrag erweckt, dass eine hohe Lebenserwartung ein Selbstzweck sei, auf alle Fälle aber erstrebenswert. Ich persönlich (jetzt 73) möchte lieber mit 79 mit einem Glas Wein in der Hand sterben, gerne auch auf Reisen und per Herzinfarkt, als mit 90 dement und in Windeln in einem Pflegeheim. In meinem Umfeld gab es mehrere Fälle, wo alte Menschen gegen ihren Willen jahrelang weiterleben mussten, obwohl sie es ausdrücklich nicht mehr wollten. Leider hat es der letzte Gesundheitsminister durch seine gesetzeswidrigen Machenschaften so gut wie unmöglich gemacht, dass Menschen ihr im Grundgesetz verbrieftes Recht auf ein selbstbestimmtes Ende in Anspruch nehmen können. Und der derzeitige Minister sieht offensichtlich auch keine Veranlassung dazu, dem Bürger den Zugang zu diesem Recht zu ermöglichen. Lieber quält man die Alten jahrelang weiter, was ja zum einen die „Lebenserwartung“ erhöht, vor allem aber den Betreibern der (privatisierten!) Pflegeheime gute Renditen in die Kassen spült (das gleichzeitig anderswo fehlt, da auch die Zahl der Pflegebedürftigen unerwartet schnell steigt.).
Rudolf Spiegel

Ja, die Deutschen achten zu wenig auf ihre Gesundheit und sterben früher. Bisher ist hier das einzige Mittel der Wahl zur Abhilfe Informationen. Doch – das nutzt leider nichts – zumindest nicht genug. 96% der Jugendlichen sind zum Beispiel mit ihrem Ernährungsstil unzufrieden. Das zeigt an, dass sie sehr wohl wissen, wie man sich ernähren sollte, sie tun es aber nicht. Bei allen anderen Menschen dürfte es ähnlich aussehen. Wir könnten rechnen, ob es am Ende günstiger ist sie einfach an den Lebensstilkrankheiten sterben zu lassen, wie das bei Rauchern offenbar so ist. Raucher entlasten das Gesundheitssystem, trotz hoher Behandlungskosten, weil sie früher sterben. Wir können auch ernsthaft zur Information Druck hinzufügen, finanzieller Art, damit die Menschen sich mehr bewegen, endlich Alkohol, Süßigkeiten, fast Food, Fleisch weniger konsumieren, Gemüse günstiger machen und die Kosten für die Ärztebesuche transparenter machen.
Leila Bern

Was ist so tragisch daran, daß wir etwas früher sterben als die anderen? Ist alt werden das Wichtigste? Um dann an Alzheimer sterben.
Jürgen Völker

 


 

Leserbriefe zu „Finger verbrannt“ von Mark Schieritz

Allein die Motivation zu dieser laienhaften Befragung spiegelt wider, dass hier „gestrige“ Politik nach Mehrheiten angesagt ist! Dabei sind wir in vielen Bereichen an Punkten angelangt, wo schlicht das Notwendige getan werden muss! Sei es der Zustand unseres Klimas (einschließlich aller Auswirkungen auf die Umwelt weltweit), unserer „Nicht-„Verteidigungsfähigkeit oder unserer Sozialsysteme (von der „Zweiklassen-Medizin“ bis zur „Zweiklassen-Altersversorgung“ – Stichworte gesetzliche Rente und Beamten-Pensionen) oder … Vielleicht sollte auch das aktuelle Wahlrecht überdacht werden und es künftig mit einem Wahlrecht ab dem 16. Lebensjahr Stichwahlen geben. Das würde eine handlungsfähige Regierung ermöglichen und hätte allen diese Regierungskoalition erspart einschließlich dieser „verlorenen“ Jahre.
Bernd Strack

„Statistiken sind verlogene Wahrheiten“ (Zitat von Lytton Strachey, 1880-1932, britischer Schriftsteller, Kritiker & Biograf) Das Statistiken verlogene Wahrheiten sind, so sehe ich auch so manche, meist dubiosen Onlineumfragen, glaub´ das oder lass´ es lieber. Ich hege bei dieser Art der Befragung immer sehr große Zweifel! „Lassen sie mich dieser Frage auf meine eigene Art ausweichen.“ (Zitat von Norman Willis, 1933-2014, britischer Gewerkschaftler)
Klaus P. Jaworek

Der Autor hat es schön auf den Punkt gebracht: mit ihrer Online-Kampagne gegen das Verbrennerverbot ab 2035, habe sich die CDU die Finger verbrannt.  Aber nicht nur das. Dürfte die CDU dieser Tage doch noch kalte Füße bekommen, wegen fortgesetzter Untätigkeit. Die verheerenden Überflutungen in Süddeutschland, sehr wahrscheinlich Auswirkungen der globalen Erwärmung, mahnen uns erneut endlich zielführende Maßnahmen, national und international, zu ergreifen. Die CDU war in den letzten 40 Jahren 30 an der Regierung und getan hat sie bezüglich der globalen Erwärmung und deren zunehmend bedrohlicheren Auswirkungen – fast nichts. Wenn Unionspolitiker nun wegen der Flutkatastrophe in Süddeutschland Krokodilstränen vergießen, wirkt das berechnend und wenig glaubwürdig, angesichts ihrer laschen, kaum vorhandenen Klimapolitik in der Vergangenheit und Gegenwart (Bundesländer, EU-Parlament).
Reiner Gorning

 


 

Leserbriefe zu „Ein gutes Jahr fürs Klima? Ja, wirklich!“ von Stefan Schmitt

Obwohl sonst die Fakten alle richtig sind, kann ich den zweiten Teil der Hauptüberschrift absolut nicht mit unterschreiben: Dass es „wirklich“ zutreffend ein „gutes“ Jahr fürs Klima sei. Für ein solches würde ich voraussetzen, dass die drohenden Kippunkte und selbstverstärkenden Prozesse im Klimageschehen so gemildert sind, dass sicher ein drohendes Aus-dem Ruder-Laufen abgewendet ist, welches bedeuten würde, dass selbst eine Netto-Null–Emissionsmenschheit das weitere Fortschreiten nicht mehr verhindern könnte. Besonders der erste Absatz „1. Der Strommix des Planeten“ erinnert mich an die vielfachen nahezu Nötigungen von Journalisten gegenüber Experten, doch zum Schluss noch etwas Hoffnungsvolles von sich zu geben. Das gibt es auch, nur darf sich darüber niemand zurücklehnen und zur Tagesordnung oder gar völligen Entwarnung übergehen wie allzu viele es sich wünschen oder geradezu verlangen. Die „guten“ Nachrichten reichen gerade aus, um die Hoffnung nicht ganz zu verlieren und nicht zu resignieren, was natürlich eine negative „Selffulfilling Prophecy“ wäre und dem Klima den Rest geben würde. Die Nebenüberschrift macht es ja schon deutlich: Nur die Emissionen in der Stromerzeugung könnten 2024 zum ersten Mal sinken. Die Gesamt-Emissionen sind aber ein Mehrfaches davon, und selbst die Strom-Emissionen gehen nur — vielleicht — ein bisschen runter, was bedeutet, dass nicht etwa die Temperaturen und selbstverstärkenden prozesse auch heruntergingen, sondern nur ein kleines Bisschen weniger schnell steigen. Das ist wie wenn ein Zug, der auf eine brüchige Brücke über einen Abgrund zurast, nur vielleicht einen Hauch langsamer fährt, aber immer noch rast, so dass das Ende des Bremsweges nicht etwa vor der Brücke und dem Abgrund liegt, sondern nur einen Bruchteil weniger weit dahinter.
Meiner Erinnerung nach haben Sie die Gefahr der selbstverstärkenden Prozesse nicht einmal erwähnt, und auch nicht, dass selbst bei den jetzigen ganz knapp unter 1,5 Grad die Polkappen- und Grönland-Eise schon in atemberaubenden Tempo abschmelzen. Und das würde mit steigenden Temperaturen noch schneller weitergehen, selbst wenn sicher wäre, dass die jetzigen Strommengen noch in diesem Jahr auf Null-Emission gesetzt würden. Ja, weltweite „Wenden“ im Stromsektor sind machbar, jedenfalls technisch und physikalisch; aber diese Machbarkeit ist ja gar nicht das Problem; sondern die Akzeptanz der Anstrengungen, Kosten und neuen Priorisierungen des Machens, also die gesellschaftliche oder psychologische, emotionale und verhaltens-bezogene Machbarkeit, nicht nur der Stromumstellung, sondern auch etlicher anderer Tendenzen, die ist das Problem. Noch heute haben ja allzu viele mehr Angst vor einem Windrad in Sichtweite oder vor „Verboten“ oder etwas höheren Strompreisen als vor der drohenden Klimakatastrophe, wenn die Temperaturziele und die Kippunkte überschritten sind. Und diese falsche Orientierung von Sorgen und Ängsten sind auch das Ergebnis von zu viel verharmlosend einseitigen Befunderhebungen, die mehr der Beruhigung und den Wünschen der Leser dienen als der Akzeptanz der nötigen und viel intensiveren und schnelleren Maßnahmen.
Dass eine Netto-Nullemission bis 2050 ausreichen soll mit 50% Chance die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten, widerspricht allem, was ich sonst gehört oder gelesen habe, gerade auch vom Weltklimarat. Nach meinen Informationen erwartet er dagegen beim Jetzt-Stand der Klimaschutzbemühungen eine Überschreitung schon ca. 2030, für vorübergehend schon früher. Und diese 1,5 Grad statt etwa 2 oder mehr Grad wurden ja nicht ohne wichtige Gründe zum Ziel gesetzt: Weil eben niemand weiß, wie bald danach die kippunkte bzw. das Vorherrschen der selbstverstärkenden Prozesse erreicht wird, falls das nicht schon jetzt der Fall ist. Angesichts dessen ist ein Halten „wahrscheinlich zumindest noch des 2 Grad-Ziels“ bei Erreichen von Netto-Null um 2070 eine absolute Illusion und meines Wissens, wenn überhaupt jemals, derzeit nicht mehr vom Weltklimarat vertreten, zumindest nicht mehrheitlich und nicht in den meisten Szenarien. So ist der ganze Artikel wohl nicht von der fossilen Lobby bestellt, aber sehr ähnlich einem solchen, oder einem denen zuliebe geschriebenen, die sich vor allem ein ruhiges bequemes „Weiter-So“ wünschen statt irgendwelcher anstrengenden oder irgendetwas kostenden Änderungen von Politik und Lebensstilen.
Peter Selmke

Leider passt die Überschrift so gar nicht zum Inhalt des Artikels. Diesem habe ich entnommen, dass die weltweiten jährlichen Emissionen immer noch weiter steigen und dass Extremwetterereignisse und „Natur“- Katastrophen immer weiter zunehmen werden, solange der Atmosphäre nicht mehr CO2 entzogen als emittiert wird. Davon aber sind wir noch Jahrzehnte entfernt. Mit anderen Worten: Große Katastrophen und zunehmende Unbewohnbarkeit der Erde sind nicht mehr abwendbar. Aber es war ein gutes Jahr für‘s Klima! Für den wahren Optimisten ist das Glas noch fast voll, solange noch ein paar Tröpfchen den Boden bedecken. Mindestens hätte das (große) Fragezeichen ans Ende der Überschrift gehört.
Norbert Krzikalla

Nicht eine zerstörte Umwelt, die Überbevölkerung oder die Gefahren einer atomaren, biologischen oder chemischen Zerstörung wird dereinst dem Planeten Erde den Garaus machen, sondern der indoktrinierte, gleichsam so unterschiedliche Glaube des Menschen an die imaginären Gottheiten und die versprochenen, ganz absurden Jenseitserwartungen der Religionen. Die zerstörerische Kraft, die den Religionen innewohnt, die einzig wahre und allein seligmachende Glaubensgemeinschaft zu sein, schafft den Nährboden für unausweichliche Konflikte ganz unterschiedlicher Völkerschaften. Ihre religiösen und vor allem politischen Führer leisten dem religiösen Wahnsinn entweder aus reinem Opportunismus, religiöser Verklärtheit oder aus Unwissenheit den Vorschub, damit verängstigte, oft schlecht oder oberflächlich informierte Menschen, den Religionen auch weiterhin wie Schafe dem Hirten folgen. Einer beispielsweise von unzähligen historisch belegbaren (!) Verbrechen besudelten katholischen Kirche geht es einzig allein um ihren Machterhalt und ihre Deutungshoheit bezüglich der Existenz eines imaginären Gottes, der angesichts des überwältigen Gegenarguments der historischen und naturgeschichtlichen Realität offensichtlich nicht existiert. In Indien, der bevölkerungsreichsten Demokratie, besteht ein anhaltender Religionskonflikt zwischen Hindus und Moslems. Kyrill I. Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche rechtfertigt Putins verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und gibt ihm auch noch Gottes Segen. In der Aachener Zeitung lese ich, dass der neue israelische Karlspreisträger Pinchas Goldschmidt auf den Besuch eines katholischen Gottesdienst verzichtet, weil die Teilnahme an einem nicht jüdischen Gottesdienst im Judentum unzulässig ist. In welcher aufgeklärten Zeit lebe ich eigentlich ?….und  wie lange müssen die Menschen solche für mich unverständliche religiösen Auswüchse noch ertragen ? Es ist an der Zeit, dass ein allein humanistisch geprägtes Weltbild die Religionen in die Schranken weist oder was noch besser wäre durch ein Weltethos ersetzt! Ich erwarte, dass hierzu die politischen Entscheidungsträger ihren angemessenen Beitrag leisten und auch die religiösen Würdenträger ihre dogmatischen Glaubensverkündungen zurücknehmen…und den Weg zur Trennung von Staat und Religion freimachen.
Hans-Jürgen Ferdinand

 


 

Leserbriefe zu „Golda Meir, die Frau, der Film und eine Frage“ von Jan Ross und Thomas E. Schmidt

Die deutsche Seele erhoffte sich mit der deutschen Staatsräson zur Sicherheit Israel einen Freispruch vom Fegefeuer. Darum wird der Opferstatus der Juden kultiviert. Nun hat Israel aber so gar kein Interesse am Opferstatus. Ganz im Gegenteil. Und darum wehrt sich Israel gegen die drohende Vernichtung so konsequent, dass es den Deutschen ganz unheimlich wird. Un die Welt schaut böse auf Deutschland: Wie lange wollt ihr noch an der Seite Israels stehen?! Da greift man in der Verzweiflung zu einem alten Mittel. Man teilt die Juden in gute Juden und schlechte Juden auf. Da Golda – die Friedensschließerin. Dort Netanjahu – der „scheinbar kein politisches Ziel verfolgt“. Und mir nichts dir nichts kann man sich von der deutschen Staatsräson absetzen, denn sie gilt nicht für böse Juden. Bei mir kommt ihr mit diesem kindischen Trick nicht durch! Die kurze Geschichte des heutigen Israel zeigt klar, dass nur große und erfolgreiche Kriegsherren (Damen) danach(!) zu Friedensschlüssen bereit waren. Leider ohne dauerhaften Frieden. Den deutschen Kommentatoren kann ich nur immer wieder nahelegen, sich weniger um Israel und mehr um das eigene Land zu sorgen. Denn wir brauchen die deutsche Staatsräson zur Sicherheit Israels dringlicher als Israel. Für jene, die Ohren haben, zu hören.
Fred Klemm

Alan Hart, ehemaliger BBC Panorama Korrespondent und Autor des dreibändigen „Zionism. The Real Enemy of the Jews“ berichtet im ersten Kapitel des ersten Bandes „A Voice from the Grave“, dass nach Golda Meirs Beerdigung ihre Assistentin und Vertraute Lou Kaddar ihm eine Mitteilung Golda Meirs überbracht habe. “ Eventually she said: „Do you remember The TV interview in which Golda told you there was no such thing as a Palestinian and that the Palestinians did not exist? “ … “ Lou continued. „Golda told me to give you a message, but she made me promise I would not deliver it until she was dead.“ Pause. She told me to tell you that as soon as those words left her mouth, she knew they were the silliest damn thing she ever said. Der Autor kommentiert dann: „On a personal level I took it to mean that Golda wanted me to know, that she was not actually as deluded as I might have imagined her to be on account of her enial, while she lived … The problem for Golda´s generation with the truth–the actual existence of the Palestinians–was that ist raised fundamental questions about the legality and morality of the Zionist enterprise (her life´s work) and the legitimy of Israel´s existence.“
Christian Kluth

Größer als einige andere in der Unmoral. Vorab – um nicht falschverstanden zu werden: Die Massaker und Schlächtereien der Hamas, den Holocaust und die deutsche Schuldgeschichte vor Augen bleibt hoffentlich noch Raum, israelische Politik und Geschichte kritisch zu beleuchten. Während in den Palästinensergebieten (und auch in Israel) Zivilisten durch diverse Militäraktionen ihr Leben verlieren, kündigt “ DIE ZEIT“ Golda Meir an mit dem Slogan „Was wir von Israels Politikerin Golda Meir heute lernen können“ an. Da ist man in diesen Zeiten gespannt, welch sinnige Lehren von der Dame heutzutage für uns vorbildlich sein könnten. Nach der Lektüre des Artikels bieten sich dazu mehrere Optionen an:
1. Wenn vor vielen vielen Jahren einmal ein Staat bestand, darf man ihn Jahrhunderte Jahre danach wieder in „Besitz“ nehmen. ( …historische Rückmeldung ihres Volkes nach zwei Jahrtausenden…). Nicht auszudenken, wenn andere Völker auf ähnlich anmaßende Ideen kämen…
2. Man darf Bürgern, Bauern, Menschen ihre Heimat und ihr Eigentum wegnehmen“, wenn sie keinen Staat haben.-„Natürlich existierten die Palästinenser individuell-aber nicht kollektiv, nicht mit dem Recht auf Selbstbestimmung „. Klingt ein wenig nach Putinscher Ukraine -Rhetorik ( so etwas wie einen ukrainischen Staat hat es nie gegeben….“).
3.Man darf sich über Völker- und Menschenrecht hinwegsetzen und Zivilisten massakrieren, weil man sich dazu genötigt fühlt. „Wir können ihnen nicht vergeben, dass sie uns zwingen, ihre Kinder zu töten“. Hat eventuell gerade akut Parallelen bei der Militäraktion Israels. Aber der kreative „DIE ZEIT“ Leser findet schlussendlich die eigentliche Lehre aus dem Artikel über Golda Meir: Mann/Frau darf ketterauchend “ unkonventionell“ agieren und regieren, ohne dabei Begriffe wie Moral, Ethik oder Empathie zu berücksichtigen.
C. Stellmacher

 


 

Leserbriefe zu „Titelthema: Gute Freunde, gutes Leben?“ „Freunde, es reicht!“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Für mich ist das ein ganz besonderes Thema. Mein Mann ist nach 32 Jahren Ehe an Gehirntumor gestorben und ich wüsste nicht, was ich ohne Freunde gemacht hätte. Das war vor 20 Jahren, mir geht es gut, auch ohne neuen Partner, aber mit -Freunden, auf Reisen, in Kursen oder einfach mal so am Telefon. In jedem Fall – Menschen, die einem wohlgesonnen sind, sind wichtig.
Ulrike Nöth

Auf meiner Reise durch Holland entdeckte ich eine mit Wildblumen gemalte Grußkarte mit dem wunderbaren Text: „Friends are flowers in the garden of life“ . Genauso kann es, wenn man viel Glück hat, sein. Ich hatte dieses Glück für viele Jahre, bis zum Abschied an den Gräbern.
Ute Koch

Vielen Dank für Ihren Artikel über Freundschaften.  Auch wenn es nicht das Thema Ihres Artikels war, haben Sie vielleicht etwas darüber erfahren: welche Sensorik, Sensibilität oder Aufmerksamkeit oder Situation ist es, die junge Menschen den oder die Freundin erkennen lassen, die oder der nicht selten sofort als einzigartig erfahren wird? Sie erwähnten ja ihre Überraschung und Begeisterung, als sie einer ihrer später besten Freunde in der Schulzeit auswählte, oder fand.  Gibt es Untersuchungen, die Rahmenbedingungen dieser einzigartigen Form der Findung zweier Menschen beschreibt? Es ist schon klar, dass es viele Faktoren sind, die so gefundene Freund*innen auch zu Lebenszeugen werden lassen. Darum geht es mir aber nicht. Diese Chance oder Fähigkeit zur Bindung, die ein Leben lang hält, wieso scheint sie verloren zu gehen? Nun, das sind große Fragen, aber vielleicht können Sie mir einen Tipp geben, wo ich dazu weiterlesen kann.
Wilhelm Faber

 


 

Leserbriefe zu „Unser Gott“ von Anant Agarwala

Eine hindufaschistische Sekte, die angeblich nicht viel vom Schnackseln (um mal die Fürstin der Finsternis aufzugreifen) hält, müsste trotz ihrer Größe normalerweise irgendwann dem Aussterben anheimfallen. Es sei denn, sie greift zum Mittel des Pogroms. Ungeschlechtliche Fortpflanzung funktioniert nur bedingt beim Menschen. Ich glaube allerdings, dass hier „Keuschheit“ eher Propaganda ist. Wäre es eigentlich möglich, die Namen Ihrer Autor*innen, zumindest die etwas ungewöhnlicheren, als männlich / weiblich / divers zu kennzeichnen? Ich habe immer Angst, dass ich da in ein Fettnäpfchen treten könnte. Bei Anant dachte ich an den Schachspieler, der sich aber mit „d“ schreibt und wo das der Nachname, nicht der Vorname, ist. Zumindest hoffe ich, dass das bei Ihnen die übliche Reihenfolge ist. In Indien gelten ja wohl nicht die südkoreanischen Namensregeln, wo ich z. B. Manthey Thomas hieße. Das müsste man dann noch zusätzlich kennzeichnen.
Thomas Manthey

Der Erfolg von Mursi muss vor allem auch unterm Gesichtspunkt der Demographie gesehen werden. Ein Grund für die Zustimmung für Mursi ist: Sowohl in Indien als auch in Pakistan und Bangladesch sind die Geburtenrate der Muslime höher ist als die der Hindus. Die hinduistische Bevölkerung in Bangladesch ist von 22% Im Jahre 1951 auf 9% im Jahr 2011 gesunken. Die Geburtenrate der Hindus in Indien beträgt 2,1 Kinder pro Frau, die der Muslime 2,6. Dieses Muster hat sich seit 1992 kaum verändert, als Muslime die höchste Geburtenrate (4,4) und die Hindus nur eine tiefere (3,3) hatten. Es schein tatsächlich so, als gäbe es nicht nur in der Physik, sondern auch in der Demographie Grundgesetzte, etwa: Überall wo Muslime in der Minderheit sind, wächst ihr Anteil an der Bevölkerung. Und überall, wo Muslime in der Mehrheit sind, schrumpft der Anteil der Minderheiten. Hingegen in rein muslimischen Ländern sind die Geburtenraten meistens tiefer. So ist die Geburtenrate im Iran 1.69, während sie im Gazastreifen 3.5 beträgt. Der Autor Nilanjan Mukhopadhyay, der eine Biographie über Modi geschrieben hat, beschreibt wie Modi diese Situation thematisiert: «Nach den Ausschreitungen 2002 hat er die Flüchtlingscamps der Muslime als „Baby-Fabriken“ bezeichnet. Und heute bespielt er wieder die Angst, dass Hindus zur Minderheit im eigenen Land werden.» Laut www.statista.com beträgt das geschätzte Wachstum der Hindu-Bevölkerung zwischen 2010 und 2050 33 Prozent, das der Muslim-Bevölkerung (aktuell ca. 200 Millionen) 76 Prozent und das der Christen ca.18 Prozent. Aktuell wird die Einwohnerzahl Indiens auf 1,42 Milliarden geschätzt. Die Bevölkerungsprognose der UN geht davon aus, dass diese Zahl bis 2050 auf etwa 1,6 Milliarden steigen wird.
Man kann sich somit ausrechnen, wann die Zahl der Muslime, die der Hindus übertrifft. Das wäre nicht unbedingt katastrophal. Denn man kann sich auch als Minderheit in vielen Ländern wohl fühlen. Das beweisen die Muslime in Europa, sonst wären sie ja auch nicht aus ihren Heimatländern nach Europa gekommen. Das Problem ist, dass es vielen Minderheiten in Muslimischen Ländern nicht so gut geht. Beispiele sind Aserbeidschan (Berg Karabakh), die Türkei, der Irak und Syrien (Jesiden), aber auch Ägypten. Was den durchschnittlichen einzelnen Muslim oder Nicht-Muslim betrifft, so ist es ungerecht zu sagen, der Eine sei ein besserer oder schlechterer Mensch als der Andere. Das Problem liegt woanders. Einerseits haben sich muslimische Länder wegen des hohen Bevölkerungswachstums von Paradiesen in Länder verwandelt, in denen die Lebensbedingungen auch wegen hoher Jugendarbeitslosigkeit sich massiv verschlechtert haben. Dies gilt für Afghanistan aber auch für die Länder vom Irak bis Marokko. Andererseits ist da die ungelöste Aufgabe der Menschheit, das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum zu beenden. Zumal die verfügbaren Ressourcen der Erde wegen des Klimawandels schrumpfen. Es geht dabei um den Klimawandel und dessen Folgen aber auch um die politische Stabilität. Wenn diese Aufgabe nicht gelöst wird, ist dies zum Nachteil aller Menschen einschließlich der Muslime. Notwendig wäre, dass weltweit sich das Verhalten an folgender Sichtweise orientiert: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und haben daher aus Dankbarkeit für dieses Privileg die Aufgabe, ihn in gutem Zustand auch den kommenden Generationen zu hinterlassen. Das betrifft Konsum und Kopfzahl. Dafür sollte man sich zunächst auch bemühen, die Gräben nicht zu vergrößern, sondern eher die Notwendigkeit betonen, dass gemeinsames Verhaltensändern nötig ist. Dies auch um nicht nur das militärische und ökonomische, sondern auch das demographische Wettrüsten zu beenden.
Gernot Gwehenberger

 


 

Leserbriefe zu „Tollpatsch, Rüpel, Patriot“ von Jens Balzer

Netter Verleser: Verentung statt Verrentung. Was wir im „Kulturkampf“ gegen dekadente Sylter Wohlstandsnazis oder auch gegen Schützen- und Dorffestnazis bräuchten, ist eine Wiederbelebung des antifaschistischen Donalds.
Thomas Manthey

Vielen Dank für den schönen Artikel zum 90ten. Hier ein nicht ganz ernstgemeinter Kommentar: Donaldisten sind bekanntlich die Anhänger von Donald Duck, dem großen Denker des späten 20. Jahrhunderts. Zwei Sprüche kennzeichnen die Donaldische Lebensphilosophie: „Ich versteh‘ von Allem was“ und „Der Misserfolg beweist nur, dass ich auf dem richtigen Weg bin“. Nicht zu verwechseln mit „Donatismus“ (benannt nach Donatus von Karthago, 315 bis 355 Primas der Donatisten), einer nordafrikanischen Abspaltung von der westlichen christlichen Kirche im 4. und 5. Jahrhundert, die eine eigene Ekklesiologie entwickelt hatte. Sie blieb beschränkt auf das nordwestliche Afrika. Der Donatismus zeichnet sich dadurch aus, dass verschiedene Einzelfragen des Donatistenstreits, darunter die genaue Zielrichtung der Donatisten, wegen der unbefriedigenden Quellenlage in der Forschung bis heute umstritten sind. 1700 Jahre sind ja auch eine kurze Zeit zur Klärung wichtiger Fragen.
Peter Pielmeier

 


 

Leserbriefe zu „Zu Besuch beim Strahlenmüll“ von Anja Stehle

Vielen Dank für Ihren anschaulich beunruhigenden Bericht: Zu Besuch beim Strahlenmüll. Sie erwähnen u. a. „Andreas Riekeberg von der Bürgerbewegung Aufpassen.“ Pastor Riekeberg ist Kollege von meinem Mann und mir. Ich kann mir nicht denken, dass der evangelische Pfarrer seinen Beruf verschwieg oder zu erwähnen vergaß, dass unsere Kollegin K. Müller, die vor 16 Jahren noch Pfarrerin in Wittmar an der Asse war, mit den Gemeindegliedern und Kolleg*innen und deren Gemeinden rund um die Asse das verschwiegene Atommüll- Problem erstmals sprachfähig machte und vor 16 Jahren mit der Bürgerbewegung zusammen dann zu vierteljährlichen Andachten – jeweils zur Tag- und Nachtgleiche und zur Winter-und Sommer- Sonnenwende- mit der Bürgerbewegung zusammen zu Gebetstreffen am Eingang des Assebergwerks aufrief. Lebhaft erinnere ich mich an ein Treffen in Wendessen im Herbst 2003, dem Beginn unseres Ruhestandes, mit Bischof Dr. Weber mit der Bevölkerung um die Asse zum Thema Atomkraft. Warum nicht die Kirche erwähnen, wenn sie ab und zu auch etwas Richtiges tut?
C. Kiel

Bitte verzeihen Sie meine unflätigen Worte: Aber so einen Sch… Artikel, der vom Inhalt und Duktus und Stil eher an das Blatt aus Hamburg erinnert, habe ich in einem Blatt wie Der Zeit nicht erwartet. Ist auch eine Unverschämtheit den Mitarbeitern und auch den Anwohnern gegenüber mit welcher Überheblichkeit, Arroganz und Selbstgewissheit die Dame schreibt. Spontan kam mir der Begriff Dunning-Kruger-Effekt in den Sinn. Eine journalistisch gute Recherche sieht anders aus. Vielleicht wäre es besser gewesen einen Wissenschaftsredakteur zu beauftragen,
W. Steininger

 


 

Leserbriefe zu „Sie wollen doch nur arbeiten“ von Jens Tönnesmann

Aus mehrjähriger praktischer Erfahrung als Ehrenamtlicher sage ich, dass das Grundproblem der schleppenden Integration das Fehlen von Profiling am Anfang des Aufenthalts hier ist. Die Geflüchteten sollten nach einer Eingewöhnungsphase konsequent, systematisch, lückenlos mit Hilfe von Dolmetschern über ihre früheren Lebensverhältnisse im Heimatland befragt werden, und es sollte schriftlich erfasst werden mit welcher Schul- und Ausbildung und welchen Sprachkenntnissen sie zu uns gekommen sind. Diese Information sollte den Jobcentern und auch den betreuenden Stellen von Caritas und anderen Organisatoren zur Verfügung gestellt werden. Dann würde sich sofort Spreu von Weizen trennen lassen. Menschen, die nicht einmal einen Hauptschulabschluss haben, kein Englisch können, unsere Schrift nicht kennen oder nur schlecht schreiben, gehören in andere Deutschkurse als Einwanderer mit Studium und qualifizierter Berufserfahrung. Es kann nicht funktionieren, Deutschklassen aufzumachen, in denen Einwanderer ganz verschiedener Altersstufen, aus ganz unterschiedlichen Ländern mit ganz unterschiedlicher Vorerfahrung sitzen. Die gut ausgebildeten und meist sehr motivierten unter den Schülern langweilen sich dann im Unterricht, verlieren viel Zeit und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Unser Arbeitsmarkt und unsere Wirtschaft müssen auf Basis des gegenwärtigen Verfahrens viel zu lange auf dringend benötigte Arbeitskräfte warten. Gerade diese motivierten Menschen würden wir schnell integrieren können, wenn wir sie individuell coachen würden. Und das kann kein Sprachkurs leisten und auch kein Mitarbeiter des Jobcenters. Dort sind vorwiegend Verwaltungsfachkräfte angestellt, die zwar alle Vorschriften kennen aber nicht die reale Praxis draußen in den Betrieben. Und die mit den offiziellen Sprachkursen beauftragten Lehrer haben Sprachvermittlung gelernt und nicht die Fachbegriffe, die z.B. ein Installateur im täglichen Alltag verwendet. Wenn man im Heimatland schon die Grundkenntnisse für einen Beruf, den es bei uns auch gibt, erworben hat, muss man nicht unbedingt eine B1- oder B2-Prüfung bestanden haben, aber man muss die deutschen Fachbegriffe des betreffenden Berufs kennen.
Als früher die sogenannten Gastarbeiter kamen, wurden auch nicht überall offizielle Deutschkurse veranstaltet. Damals fand „Training on the Job“ statt. Das hatte zwar den Nachteil, dass viele seit Jahrzehnten hier lebende Zuwanderer noch immer kein passables Deutsch sprechen, aber viele haben ihre Lebenshaltungskosten immer selbst bestritten und nicht den deutschen Steuerzahlern auf der Tasche gelegen – so wie es bei den gegenwärtigen Einwanderern häufig der Fall ist. Als Coach für einen Geflüchteten eignet sich jeder Bürger, der bereit ist zu kämpfen – um Aufenthalts- und Umzugsgenehmigungen, Wohnraum, Praktika, feste Jobs, Kinderbetreuung, usw. Man braucht nur Engagement, Lebenserfahrung und idealerweise ein Netzwerk und berufliche Beziehungen. Ein Coach muss vor allem einen guten Vater oder eine gute Mutter abgeben können – ob er oder sie ein guter Pädagoge ist oder nicht, spielt nur eine zweitrangige Rolle. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass ein Geflüchteter die offiziellen BAMF-Kurse hinter sich bringen muss, um zu einer der offiziellen Sprachprüfungen anzutreten. Man kann Deutschkenntnisse auch durch Internetkurse oder sonst einem Weg erwerben und dann einfach nur zur Prüfung antreten. Zwar wird man dann um Übernahme der Prüfungskosten durch den Staat kämpfen müssen, aber das ist das kleinere Übel gegenüber Zeit- und Motivationsverlust in einem für einen selbst ungeeigneten Sprachkurs. Viele Artikel über den mangelnden Erfolg bei der Sprachvermittlung werden von Journalisten verfasst, die selbst über keine eigene sachbezogene Erfahrung verfügen, sondern nur das in Worte kleiden, was ihnen offizielle Stellen mitteilen. Das ist ein sehr einseitiges und unrealistisches Bild. Bei der ganzen Flüchtlingsintegration werden Potentiale ohne Ende verschwendet: Geld wird in erfolglose Projekte gesteckt, es wird ineffektiv beschult, Arbeitswillen nicht genutzt und bereitwillige Freiwillige nicht herangezogen und anerkannt. Wir drehen uns – auch publizistisch – seit Jahren im Kreis.
Zu „Sie wollen doch nur arbeiten“: Endlich, endlich mal ein Artikel, der die reale Praxis von freiwilligen Coaches beschreibt und den Erfolg, den gerade sie erzielen können. Mehr davon – mit Kopie an das BAMF und die Jobcenter! Zu uns kommen sehr viele sehr junge Einwanderer – meist Männer. Diese haben nicht selten im Heimatland innerhalb ihrer Familie und Lebensgemeinschaft noch gar nichts zu sagen gehabt, sondern wurden immer von Älteren dominiert. Sie sind oft überhaupt nicht gewöhnt ihr Leben selbst zu organisieren, Entscheidungen zu treffen und Ziele konsequent zu verfolgen. Sie brauchen nicht vor allem einen Vermittler beim Jobcenter, der sie alle paar Wochen offiziell zu einem reinen Gespräch einbestellt, sondern sie brauchen eine Aufsicht, einen Ersatzvater oder eine Ersatzmutter, die sie auf täglicher Basis vorwärtsschieben und ggf. Schwierigkeiten aus dem Wege räumen.
Susanne Groß

Ihr Artikel „Sie wollen doch nur arbeiten“ ist ein Lichtblick. Es ist üblich, dass in den Medien die Aussagen von Arbeitsagenturen und Ausländerbehörde unkritisch übernommen werden. Sie haben die Perspektive gewechselt. Ich kann als Flüchtlingshelfer Ihre Ergebnisse bestätigen. Die lokale Arbeitsagentur vermittelt nicht, solange die Geflüchteten nicht das Deutschniveau B2 erreicht haben, was jahrelange Untätigkeit der Betroffenen bedeutet. Ein junger Mann hat nach erfolgreichem Schulabschluss eine Lehrstelle gefunden. Die Integration gelingt also. Jetzt signalisiert die Ausländerbehörde, dass sie den erforderlichen Wohnsitzwechsel nicht genehmigen wird – wieder einmal sind Flüchtlingshelfer gefordert.
Jörg Höhne

 


 

Leserbriefe zu „Ein Land speit seine Gebeine aus“ von Anna-Lena Scholz

Es hätte der Autorin Anna-Lena Scholz gut angestanden, in dem ansonsten lobens- und lesenswerten Artikel zu erwähnen, dass das Leitmotiv bei der Aufarbeitung der Vergangenheit in Kanada „Truth and Reconciliation“ keine Erfindung Kanadas ist, sondern aus Südafrika stammt: Dort wurden nach dem Ende der Apartheid die Folgen der Apartheid in einer „Truth-and-Reconciliation-Commission“ unter dem Vorsitz von Bischof Desmond Tutu aufgearbeitet – übrigens in einer Offenheit, die die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in Deutschland in den Schatten stellte.
Wilhelm Otto Deutsch

Vielen Dank für den faszinierenden Bericht ‘”Ein Land speit seine Gebeine aus”! Es ist unfassbar, dass es diese Hölle noch zu meinen Lebzeiten gegeben hat. Und bewundernswert, dass Kanada – das Land von “Anne of Green Gables”!!! – sich dieser schrecklichen Vergangenheit stellt. Im Gegensatz zu den USA, in denen zwar die Nachkommen der schwarzen Sklaven sich Gehör erkämpft haben, die der Ureinwohner aber nicht – da hat man von “Aufarbeitung” noch nichts gehört!  Leider geht aus Ihrem Text nicht hervor, WIE die indigenen Kanadier es geschafft haben, unter den geschilderten Umständen ihr kulturelles und religiöses Erbe zu bewahren. Darüber hätte ich gern mehr erfahren! Hoffentlich verfolgen Sie das Thema weiter!
Thelma von Freymann

 


 

Leserbriefe zu „Wohin steuert die Kirche?“ von Markus Barth

Schwerfällig und nahe des Schiffbruchs sind christliche Gemeinden (auch große Volkskirchen) nur aus einem Grund: weil sie sich leider nicht mehr konsequent an die Anweisungen (das Wort!) der Bibel halten, die ihnen ewige Gewissheit geben. Und wir wissen, wer das Wort ist: der lebendige Herr Jesus Christus, denn „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh. 1:1, ZB). Bereits Gamaliel warnte in Apg. 5:38-39 den Hohen Rat sinngemäß: Ist ein Werk von Menschen, wird es zerstört; ist es aber von Gott, kann man es nicht zerstören. Und das können wir auf alles anwenden, was nicht vom Geist Gottes geleitet wird. Es gibt sie noch: wachsende Freikirchen oder die St. Martini Gemeinde unter Pastor Latzel in Bremen. Diese sind von Gott gesegnet, weil sie am Wort bleiben! Alles andere wird früher oder später „zerstört“ werden.
Daniel Mayer

Seit Jahrzehnten beobachte ich, dass Sie, wenn Sie sich mit dem Thema Kirche beschäftigen, in den meisten Fällen die katholische Kirche meinen. Und noch ärgerlicher ist es, wenn Sie das noch nicht einmal dazuschreiben, sondern unterstellen, daß pars pro toto schon „richtig“ verstanden wird. Da das aber die Regel ist (Ausnahmen bestätigen sie), frage ich: Was steckt dahinter? Man stelle sich nur vor, wenn Sie beim Bericht über Parteien immer nur eine im Blick hätten. Aber dann gäbe es die Zeit ja schon längst nicht mehr – nicht auszudenken!
Heinz-Dieter Busch

 


 

Leserbriefe zu „Trockenübungen“ von Oliver Maria Schmitt

Das Lesen des Artikels von Herr Schmitt war die größte Zeitverschwendung seit den Kolumnen von Anna Mayr und – um es mit seinen Worten zu sagen – sein ‚Quatsch war nüchtern nur schwer zu ertragen‘. Vielleicht sollte Herr Schmitt zumindest beim Verfassen seiner ‚Erfahrungsberichte‘ auf das Trinken von Negronis verzichten.
Hans Meiser

Das liest sich ja als würde die Kuscheldecke fehlen, wenn man im Urlaub auf Alkohol verzichten muss. Als, aus medizinischen Gründen seit 50 Jahren Abstinenzler, kann ich mit Vergnügen reisen und finde überall wohlschmeckende heimische Getränke ohne Alkohol. Bier, Wein etc., alkoholfrei, braucht es gar nicht. Das schmeckt sicher wie Leberwurst aus Linsen. Naja; vielleicht brauchen Andere Alkohol, um sich zu entspannen. Das ist aber ein anderes Thema.
Ute Kiefer

 


 

Leserbriefe zu „Prüfers Töchter“ „Ich habe mich in Erfurt beworben“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Sie bemängeln darin, dass Sie Ihre Studienzeit nicht so umfassend, ausschweifend und ekstatisch durchlebt haben wie erhofft. Ich vermute, dass es nicht an Ihrem Studienfach und den Kommilitonen gelegen hat, sondern vielmehr an der Stadt, in der Sie studiert haben. Ich beispielsweise habe in einer Vierer Wohngemeinschaft acht Semester BWL studiert, und zwar in Köln. Ich bin jetzt 75 und kann rückblickend sagen, das war die schönste Zeit meines Lebens. Das BWL-Studium habe ich aus pragmatischen, nicht aus ideellen Gründen gewählt. Immerhin habe ich die fachliche Seite auch im Beruf in der freien Wirtschaft erfolgreich umsetzen können. Nebenher hatte ich immer ein Faible für das geschriebene Wort, besonders in Kolumnen, Kurzgeschichten und so weiter. Deshalb lese ich Ihre Artikel auch so gerne.
Werner Deuß

Meine Frau und ich haben selbst 3 Töchter und können ihre Geschichten nickend und schmunzelnd nachvollziehen. Bei der Studienwahl haben wir auch viel durchgemacht. Die Älteste ist bei ihrem 3. Fach gelandet und nun endlich glücklich. Die Mittlere hat monatelang gehadert mit ihrer Entscheidung. Die Jüngste macht wahrscheinlich das, was die Älteste macht, als ihr Vorbild (ja bitte, einfach!). Das Konzept dass ein Bachelor (It’s only a frigging Bachelor for god’s sake !) lebensentscheidend ist, ist verkehrt aber in den Köpfen der Jugend. Ich schreibe ihnen wegen Erfurt. Meine älteste Tochter hat ihr erstes Studium in Weimar begonnen, auch wunderschön. Sie hat u.a. wegen täglichen rassistischen Situationen ihr Studium dort abgebrochen, Anfeindungen im Allgemeinen und ihr persönlich gegenüber. Sie hat in einem Sportstudio gejobbt, die Mitarbeiter waren in einer rassistischen Whatsapp-Gruppe. Sie wurde nachts von mehreren Polizisten körperlich angegangen, da sie ohne Fahrradlicht fuhr und ihr Nachname nicht deutsch klingt. Sie sieht sogar „deutsch aus“ (wie schrecklich das klingt) aber sie hatte das Pech dass ihr Nachname der Polizei nicht gefiel. Man muss mit sowas in Thüringen leben können, sich zu wehren wissen, mit Zivilcourage auch für andere einstehen. Falls man dazu bereit ist, ok. Meine Töchter werden nicht mehr in den neuen Bundesländern studieren.
Stefan Pappe

 


 

Leserbriefe zu „Bis später in der Ewigkeit“ von Alard von Kittlitz im ZEIT Magazin

Die gruseligste Idee für mich wäre: nach dem ”Wieder-Auftauen” so auszusehen wie die Protagonisten Ihrer Geschichte. Ich (81) bin mit meiner Endlichkeit zufrieden.
Hilde Wecke

Haben sich die Menschen, die das biologische Altern und den Tod überwinden wollen, überlegt, wie man ein ewiges oder auch nur ein tausendjähriges irdisches Dasein eigentlich geistig-seelisch bewältigen soll? Ich habe z. B. eine gute Arbeit, die ich gerne mache. Doch die Vorstellung diese Arbeit noch jahrhundertelang zu verrichten ist ein Horror. Man könnte die Arbeitsstelle wechseln. Und dann? Memento mori (Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst) und Carpe diem (Nutze den Tag) gehören zusammen. Wie soll ich ein Leben gestalten, wenn der zeitliche Rahmen fehlt und die Anzahl der Tage unendlich wird? Ich denke, alles Positive wie Freude, Werte, Liebe, Überzeugungen würde irgendwann nichtig oder zum Überdruss. Das Leben würde in einer nicht enden wollenden Ödnis münden, der man sich nur durch Suizid entziehen könnte. Aber was, wenn einem der Mut dazu fehlt? Dann käme der Wahnsinn. Als gläubiger Christ hoffe ich nach meinem Tod auf die Begegnung mit dem gnädigen und liebenden Gott. Ein ewiges irdisches Leben würde mir wohl auch den Glauben nehmen.
Dirk Schranz

 


 

Leserbrief zu „Wer heute noch in die Politik will“ von Peter Dausend

Hat der im Norden Baden-Württembergs derzeit grassierende Fehlerteufel (https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.stimme.de%2Fheilbronn%2Flandkreis-heilbronn%2Fneckarsulm-verkehrsschild-schild-fehler-lieferverkehr-fussgangerzone-lieferverker-firma-rechtschreibung-art-4925455&data=05%7C02%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C099f0d15a9304e70965908dc8156f88e%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638527457772546861%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C0%7C%7C%7C&sdata=Y4RBd%2FBlaWpj0Z5wzLsaq2OkxQHX2B2Zwqyu9njYi7Y%3D&reserved=0) jetzt auch die Zeit befallen? Eine Stadt oder Gemeinde namens „Bruchsaal“ gibt es jedenfalls in Deutschland nicht. Es ist wohl Bruchsal (im lokalen Dialekt „Bruhsl“) gemeint. „Pretzfeld“ gibt es laut Wikipedia wirklich, ganz in der Nähe von Heilbronn liegt aber Bretzfeld.
Peter Häußermann

 


 

Leserbrief zu „Heißer Mai“ von Maxim Biller

Läuft hier bei uns im Lande eigentlich noch irgendetwas einigermaßen normal ab? Wer beispielsweise von Nürnberg nach Erlangen oder von Erlangen nach Nürnberg unterwegs sein möchte, der hat eine Wegstrecke von circa bis 25 Kilometer vor sich! Man kann bei dieser innermittelfränkischen Reise mit der Bahn, der S-Bahn, mit dem Bus, mit dem Auto, mit dem Fahrrad, dem Moped, Roller, Motorrad, E-Roller oder auch per Pedes, eben auf Schusters Rappen reisen. Jetzt soll zwischen Nürnberg und Erlangen zusätzlich die umstrittene „Stadt-Umland-Bahn (StUB)“ gebaut werden, die bis nach Herzogenaurach (Nachbarort von Erlangen) geführt werden soll. Geplante Fertigstellung im Jahr 2031; Kosten ??? Nun, vielleicht ist das eine ganz neue klimatechnische Errungenschaft, die auch nur wieder einmal mit sehr viel Strom betrieben werden kann! Ich mag zwar keine Kriege, glaube aber trotzdem an Gott, aber nicht an den Klimawandel, der uns da ständig vorgegaukelt wird. Das Klima wandelt sich von einer auf die andere Sekunde und das ständig, das Tag für Tag und Jahr für Jahr, aber was hat das mit einem Klimawandel zu tun? Es gab mal Eiszeiten, dann wieder Hitzeperioden, jetzt gab es auch bei uns in Bayern viel Dauerregen mit Überschwemmungen. Der Mensch holzt im großen Stil ab, betoniert vieles zu und baut seine Häuser in der Nähe von Flüssen und Bächen. Regnet es dann mal für einige Tage durch, dann kommt es zu Überschwemmungen und flugs machen sich Politiker auf den Weg, um diese Menschen zu bedauern, die Opfer von Überschwemmungen geworden sind.
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbrief zu „Sie erledigen ihren Dreck in der Nacht“ von Christina Schmidt

Der Artikel zur angeblichen Verstrickung der Regierung von Ruanda (insbesondere von Präsident Kagame) in den Tod des regierungskritischen Journalisten William Ntwali beruht offenbar auf den Angaben des Recherche-Netzwerkes „Forbidden Stories“. Deren zahlreiche Kagame-kritischen Beiträge hierzu finden sich bereits seit einiger Zeit im Netz – immer mit der Absicht, den tödlichen Verkehrsunfall des Journalisten als Auftragsmord der Regierung und insbesondere des Präsidenten Kagame darzustellen. Diese Sicht wird nun von der ZEIT unkritisch übernommen und mit der rhetorischen Frage verbunden, ob Ruanda (und dessen Präsident) noch Partner der EU sein könne.
Dies passt in die jahrelange anti-Kagame (bzw. Anti-Tutsi)-Propaganda der von ehemaligen Genozid-Tätern gegen die Tutsi-Minderheit (Hutu-Armee, Interahamwe-Milizen, Hutu-Power-Bewegung) gegründeten „Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR). Deren Mitglieder haben sich seit ihrer Vertreibung durch Kagames Guerilla-Armee RPF in verschiedenen Miliz-Verbänden organisiert. Ziel: Destabilisierung im Ost-Kongo durch Miliz-Angriffe gegen die Bevölkerung und Rückeroberung der Macht in Ruanda zugunsten einer FDLR (=Hutu)-Regierung. Hinzu kommt, dass Anfang der 2000er Jahre das Kommando über die von den UN als illegal erklärten FDLR-Milizen im Kongo von deren Präsidenten Murwanashyaka von Deutschland aus geführt wurde: dazu hatte sich M. bis zu seiner Verurteilung durch ein deutsches Gericht (2012) als Flüchtling anerkennen lassen (s. dazu die Dokumentation aus dem Umfeld der TAZ: „Tatort Kongo – Prozess in Deutschland, Berlin 2016). Die FDLR verfügt vor allem in Frankreich, aber auch in Belgien, Österreich und Deutschland über ein gut organisiertes Netz von Funktionären und auch Sympathisanten, die seit Kagames Amtseinführung als Präsident einen regelrechten Propagandakrieg gegen das neue Ruanda führen. Offenbar hat sich auch „forbidden stories“ vor die anachronistische Hutu-Karre der FDLR spannen lassen – und nun leider auch die ZEIT. Schade! Da wäre dringend eine Korrektur angezeigt.
Bernd Leber

 


 

Leserbrief zu „PROMINENT IGNORIERT. Gut gezählt“ von Hans-Bruno Kammertöns

Sie erwähnen in der Mitteilung über das Zählvermögen der krähen wohlweislich nicht, wo welche Tübinger forscher das herausbekommen haben w/sollen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in Tübingen dermaßen hinter dem Mond leben, dass sie erst jetzt bemerkt haben, dass diese Vögel zählen können. In Finnland weiß das jeder Bauer, wie ein Kollege in einem von mir mitedierten Sammelband vor über einem Dutzend Jahren schon bemerkt hat: Pekka Sammallahti: Contacts in the linguistic prehistory of the Saami, in: Language Contact in Times of Globalization. Amsterdam, New York, NY: Rodopi 2011 (Studies in Slavic and General Linguistics 38), hier s. 199.
Cornelius Hasselblatt

 


 

Leserbrief zu „Über die Parteien, die zur Europawahl antreten, und eine wunderbare Utopie“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Wie immer hat ihr humorvoller und kritischer Artikel, in diesem Fall : … Parteien Europawahl… meinen Optimismus in unser Land, in unsere Kultur gestärkt. Ich las Ihren Artikel, anschließend die Veröffentlichung der Kandidaten*innen im Amtsblatt von Bad Herrenalb. Da ich ebenfalls wenig schlafe und auch aus diesem Grund zu radikalen Lösungen tendiere, las ich entrüstet, dass sich mein Nachbar für die AFD aufstellen ließ. Radikale Lösung, nein doch wie umgehen mit dem Nachbar, 40 Jahre alt, junge Familie. Ich befürchte, dass sich meine Schlafgewohnheiten in diesen Zeiten nicht so schnell ändern. Bestimmt haben Sie, Herr Martenstein für mich einen diplomatischen Lösungsvorschlag.
Katja Radloff

 


 

Leserbrief zum Wochenmarkt „Eine interessante Torte“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

Ich habe das Rezept Pistazienkuchen mit Erdbeeren nach gebacken; das Ergebnis war ein Reinfall. Die Mascarponecreme ist nicht fest geworden, sondern ist vom Kuchen gelaufen. Ist da wohl ein Fehler im Rezept unterlaufen
Annemarie Tetkov-Miller

 


 

Leserbrief zu „Tyler Mitchell“ Fotokolumne

Das Foto mutet an wie ein Gemälde der französischen Impressionisten mit ihren fêtes en jardin.
Hartmut Wagener