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Geiz isst Gaul

Der Skandal brodelt und Volkes Meinung kocht über: ein paar Ganoven haben arglosen Verbrauchern Pferdefleisch als Rindfleisch untergejubelt. Ohne Frage ein Betrug, der bestraft gehört.

Die Bundesverbraucherministerin will nun auch gleich entschlossen handeln und der Sache mit aller Härte nachgehen. In England hat man schon erste Verdächtige eingesperrt und Hersteller- und Handelsfirmen zeigen sich an und mit dem Finger auf einander. In gewohnter Vollkasko-Manier wundern sich Verbraucher, warum es für 1,79 Euro pro Portion Fertiggericht nicht gefälligst vollständige Sicherheit gibt.

Offenbar ist Pferdefleisch in manchen Ländern billiger als Rindfleisch, was zu diesen Betrügereien verführt. Doch nur weil es weniger Geld kostet, ist es noch lange nicht weniger wertvoll. Ganz im Gegenteil:

Pferd hat einen eigenständigen Geschmack und eine einzigartige Textur, es ähnelt eher Wild als Rind. Wie bei jedem Fluchttier hat das Fleisch einen erhöhten Glykogengehalt, dadurch schmeckt es etwas süßlich. Der Eisenanteil ist übrigens doppelt so hoch wie bei Rind, dafür enthält es weniger Kalorien und ist magerer. Es lässt sich auf vielfältige Weise verarbeiten und zubereiten, sei es als Steak, Gulasch, Sauerbraten oder Wurst.

Welches Stück sich für welche Zubereitung eignet hängt von mancherlei Faktoren ab: Alter, Rasse, Fütterung, Art und Dauer der Reifung spielen dabei eine wichtige Rolle. Im Grunde ist es aber wie bei Rindern: das Fleisch von Fohlen enthält weniger Bindegewebe und viele Teile eignen sich zum Kurzbraten als Steak oder Medaillon, wie eben beim Kalb. Dafür liefert ein ausgewachsenes oder gar älteres Pferd mehr Teile zum Schmoren, dabei wird das Bindegewebe weichgekocht und das Fleisch schmeckt kräftiger.

Vorbehalte gegenüber Pferdefleisch sind wohl in der Tatsache begründet, dass mittlerweile Fleisch überhaupt in vielen Theken zu belanglosem, anonymisiertem Gewebe geworden ist. Kaum ein Verbraucher, der eine Putenbrust kauft, hat dabei noch das lebende Tier vor seinem geistigen Auge. Beim Pferd jedoch bekommt das Fleisch plötzlich ein Gesicht und es wird klar, dass es von einer lebenden Kreatur stammt. Das ist schizophren, insbesondere in einer Gesellschaft, die sich selbst als aufgeklärt versteht. Aber das ist ein Thema für einen neuen Beitrag.

Hier ein Rezept für Pferdebraten:

Brasato vom Pferd mit Fenchel und Vanille

Zutaten
Zubereitung
3 kg Pferdefleisch zum Schmoren von Schulter oder Keule, bevorzugt Mittelbug oder dicke Schulter
3 mittelgroße Möhren
100 g Sellerie oder Petersilienwurzel
200 g Zwiebeln
3 EL Tomatenmark
1 Liter guter Rotwein
Salz, Pfeffer, Lorbeerblatt,
Sternanis, Zimtstange,
und ½ Vanillestange
etwas Pflanzenöl zum Anbraten
1 großer Bräter

Das Gemüse waschen, schälen und klein würfeln (1 cm Kantenlänge). Die Gewürze grob mörsern. Das Fleisch rundum gut anbraten, herausnehmen und zur Seite legen. Danach im selben Bräter das gewürfelte Gemüse rösten, bis es Farbe nimmt. Das Tomatenmark zugeben und bei moderater Hitzezufuhr umrühren und für weitere Röststoffe sorgen. Zwischendurch immer wieder mit dem Rotwein ablöschen, diesen Vorgang 5 bis 6 mal wiederholen. So entstehen Farbe und Aroma für eine tolle Soße.

Die Gewürze in ein Tee-Ei füllen, mitsamt dem Pferdebraten in den Bräter geben. Mitsamt dem restlichen Rotwein und so viel Wasser begießen, bis der Braten zu ungefähr einem Drittel in Flüssigkeit liegt. Bei 160 °C in den Ofen schieben und alle 45 min das Fleisch wenden.

Die Gardauer beträgt ca 3 Stunden, abhängig vom verwendeten Fleischteil. Fertig ist der Pferde-Brasato, wenn sich eine Fleischgabel oder ein Spieß ohne großen Widerstand einstechen lässt.

Während der Garung immer den Flüssigkeitsstand im Auge behalten und – falls notwendig – mit Wasser auffüllen.

Fenchel

4 Fenchelknollen
Salz, Pfeffer, Thymian,
etwas Pflanzenöl zum Anbraten

Den Fenchel in schmale, gleich große Segmente von Stiel zu Wurzel schneiden und bei geringer Hitze in einem weiten Topf anbraten. Mit Salz, Pfeffer und Thymian abschmecken.

Geschmorte Möhren

5 Möhren, geschält
5 Zweige Thymian
Wenig Pflanzenöl
Salz, Knoblauchzehe nach Geschmack
Alufolie

Die Möhren längs vierteln und immer 4/4 mit einem Zweig Thymian, ggf. etwas Knoblauch und einem Teelöffel Öl auf ein ca Din A 5 großes Stück Alufolie legen und flach von allen Seiten einschlagen. Im Ofen mit dem Braten für die letzte halbe Stunde der Zubereitung mitbacken.

Fertigstellen

Den Pferde-Brasato aus dem Bräter nehmen und kurz warmstellen. Geschmack und Konsistenz der Soße prüfen und nachschmecken. Möhren auspacken, Fenchel nochmal kurz erhitzen.

Anrichten

Den Fenchel in der Mitte eines flachen, vorgewärmten Tellers drapieren, die Möhren daneben. Den Pferde-Brasato in fingerdicke Scheiben schneiden, auflegen und mit Soße übergießen. Dazu schmeckt prima ein gutes Glas Rotwein. Möglicherweise derselbe, mit dem gekocht wurde.

Preis für Pferdefleisch (für gewerbliche Abnehmer und zzgl. Umsatzsteuer)
Pferdebug 6,65 € / kg
Pferdeoberschale 7,50 € / kg
Pferdefilet 21,00 € / kg
Pferderoastbeef, Steakfleisch 14,00 € / kg
Die Preise verstehen sich zzgl. 7 % USt.
Lieferung erfolgt gegen Vorkasse.
Versandkosten per Postpaket, inkl. Kühlung:
bis 10 kg+6,90 €
bis 20 kg + 13,80 €

 

Leute, zieht euch warm an!

Ja, so heißt die Devise beim diesjährigen Tauberzeller Genießer Spaziergang. Das Projekt der Tauberhasen und Peter Grethler (Getränke Hilf) findet durch verschiedene Konstellationen  (frühes Ostern, Kommunionen und Konfirmationen, weitere Messen im Anschluss, …) ungewöhnlich früh statt. Nichtsdestotrotz öffnet Tauberzell am 3. März seine Scheunentore für mehr als 35 handwerkliche Lebensmittelerzeuger aus dem Umland. Nach dem großen Erfolg des letzten Jahres (ca. 1000 Besucher) sind wir für dieses Jahr doch ziemlich zuversichtlich. Und deshalb stelle ich das Programm des 2. Tauberzeller Genießer Spaziergangs hier in den Blog, damit keiner hinterher sagen kann, er hätte es nicht gewusst.

Tauberzeller Genießer Spaziergang

Das ganze Programm des Tauberzeller Genießer Spaziergangs

Ich freue mich über jeden, der mal vorbeischaut.

 

Das schmeckt den Köchen

Ein geselliger Abend in kleiner Runde war lange schon überfällig. In unserem gastronomischen Kosmos, in dem Berufs- und Privatleben in vielen Belangen ein und dasselbe ist, sind die Treffen mit Kollegen meist auf offizielle Anlässe beschränkt. Doch dieses Mal hatten wir Glück und das Schicksal wollte es, dass unsere Wege sich in Köln gekreuzt haben und wir für einen gemeinsamen Abend Zeit hatten. Martin Scharff, Jürgen Koch und ich waren also auf der Suche nach einem passenden Lokal mit folgenden Features: unkompliziert, leger, räsonables Angebot an Gerichten, die Köchen gut schmecken und eine interessante Weinkarte. Gar nicht so einfach. Jürgen, der den besten Riecher für gute Adressen hat, durfte aussuchen und entschied sich für das Bistro B.
Monsieur Bado, ein ehemaliger Inspektor des Guide Michelin kocht dort Klassiker der französischen Drei Sterne-Küche. Signature dishes der wirklich großen Meister unseres Fachs, deren Premiere schon vor Jahrzehnten war. Bocuse, Wynants, die Gebrüder Troisgros, Pic und viele andere sind die Väter dieser Kreationen und werden auf der Menükarte erwähnt. Die Weinkarte ist fulminant und der Service ist herzlich. Die Bänke sind eher schmal und die Tische eher klein. Tand, Lametta und Brimborium gibt es weder bei der Einrichtung noch auf dem Teller, es findet sich alles was wichtig und richtig und gut ist, und alles andere fehlt.
Wir hatten Kalbskopf und dann Schweinsfuß, zum Hauptgang Entrecôte mit Gurken und zum Dessert Schokoladensorbet und Käse von Tourette.
Eine wirklich tolle Wahl, rechtzeitig und passend zum großen Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft!
Ich würde die halbe Wahrheit verschweigen, wenn ich nicht zugeben würde daß ich bei der Bestellung ein komisches Gefühl hatte, stehen die annoncierten Gerichte doch für längst vergangene Zeiten und ich war eigentlich gefasst auf olle Kamellen. Doch die Ausführung überzeugte bei jedem einzelnen Teller, die Begeisterung wuchs mit jedem Bissen. Das hatte Tiefgang, das hatte Klasse auf handwerklich hohem Niveau. Die Gerichte waren nicht nur einfach nachgekocht, sondern es wurde spürbar, dass jeder Teller seine Botschaft hatte und mit Sinn, Verstand und tiefem Knowhow regelrecht interpretiert wurde. Dies, auch das ist bemerkenswert, völlig uneitel.
Und plötzlich wird klar, dass die Gerichte der großen Meister auch nach Jahrzehnten noch gut und durchaus auch zeitgemäß sind, dass sie ihre Gültigkeit und Berechtigung über lange Zeit behalten, so wie ein Sessel von Charles Eames oder das Porzellan TAC von Rosenthal.
In solchen Momenten offenbart sich, worauf es wirklich ankommt. Wir waren uns an unserem Tischlein selbst genug und wir schwelgten regelrecht in Glückseligkeit ob des Moments.


Gefüllter Schweinsfuß nach Charles Barrier

 

Die Sterne stehen günstig …

Michelin Tim

… in Hong Kong sogar extrem günstig.
Ein ganz neuer Aspekt wird jetzt aufgezeigt durch den Michelin Hong Kong/Macau. Hier gibt es Dim Sum Shops mit Michelin-Stern (so gewinnt der brancheninterne Ausdruck „Sternebude“ seine eigentliche Bedeutung zurück), wo man wirklich schon Menüs für 3 bis 5 € essen kann. Ein Michelin-Stern bedeutet eben nicht automatisch große Vornehmheit, steifer und arroganter Service, überteuerte Preise, sondern einfach nur gutes Essen, gut rübergebracht.

Wartezeiten vor "Tim Ho Wan" bis zu 3 Stunden möglich
Wartezeiten vor „Tim Ho Wan“ bis zu 3 Stunden möglich

Die Küche des Tim Ho Wan
Die Küche des Tim Ho Wan

Sternerestaurants müssen nicht „teuer“ sein. Ich kenne genügend Adressen in Deutschland, Frankreich, Spanien und in Italien, bei denen ich vorzugsweise mittags zu einem relativ  günstigen Preis hervorragend speisen kann. In der Regel zwischen 22 € und 35 €. Manchmal sogar mit Wasser und Kaffee.

Und wem der Stern in Europa doch zu viel des Guten ist, für den gibt es auch das Bib-Männchen.

 

Kochen ist Rock´n´Roll – der Schlagzeuger heißt Entremetier

Die MEP-Liste (mise en place) von Entremetier Herrn Fuchs: gemütliches Vormittagsprogramm

Wenn Sie sich eine Küchenbrigade als Band vorstellen, ist die Rollenverteilung so: Der Saucier ist der Sänger und kriegt mit seinem Fleisch die großen Auftritte und die BHs der Groupies. Patissier, Poissonnier und der Gardemanger teilen sich die Gitarren und den Bass und haben mit den Desserts, Fischen und kalten Vorspeisen auch schöne Solo-Acts. Hinten aber schuftet der Schlagzeuger, gibt den Rhythmus vor, schwitzt am meisten und kriegt am wenigsten Applaus – das ist der Entremetier. Ist ja nur der Beilagenkoch, hieß es lange, der gart Möhren, macht zwei, drei Klöße, versieht also die Mitte des Tellers (das Fleisch, den Fisch) mit der Garnitur. Zum Glück ist Gemüse heute aber nicht mehr nur Beilage, sondern kann sogar Hauptgericht sein. Und es hilft, das Ziel feiner Küche zu erreichen: Der Gast soll nach drei bis fünf Gängen zwar gesättigt vom Tisch aufstehen, aber nicht über Leibesschwere klagen. In meinem Restaurant ersetze ich oft schwere Fleischsaucen durch leichtere Risottos oder Pürees – ein nussig schmeckendes Feldsalat-Püree beispielsweise veredelt jeden Fisch. Die Vielseitigkeit ist das Tolle an diesem Posten: Aus Kartoffeln können Sie Knödel, Kroketten, Püree, Suppen machen, man kann sie braten, dämpfen, stampfen – ich mach sogar Ravioli daraus. Die Crux: Es gibt verschiedenste Gemüse – mit unterschiedlichsten Garzeiten. Das führt dazu, dass der Entremetier immer in Betrieb ist: Da was schnippeln, hier etwas ansetzen, da noch schnell etwas garen – man muss belastbar sein und sehr viel wissen. In meiner Küche ist der Entremetier so wichtig wie der Saucier, der Schlagzeuger steht als vorn auf der Bühne. Vielleicht gibt´s ja auch mal einen BH.

Herausforderung Entremetier: (Rehrückenfilet aus Karlsberger Jagd) im Spitzkohlblatt, Trüffelgries im Artischockenboden, Kerbelwurzel, Topinamburpüree und Chips, eingelegte Kornelkirschen aus dem Schlosspark

(Auszug aus einem Interview, geführt durch Stephan Draf)

 

Ein Himmel voller Schinken

Im Nördlinger Ries, der einzigartigen durch einen Kometeneinschlag entstandenen Landschaft zwischen Stuttgart, München und Nürnberg, betreibt Jockl Kaiser sein besterntes Restaurant „Meyers Keller“.
Das Ries ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Gebiet: Durch den gewaltigen Rumms vor vielen Millionen Jahren ist ein 500m tiefes Loch entstanden, einzelne Steine flogen bis zu 450km weit und alles Leben ringsum erlosch auf einen Schlag. Nachdem sich in der Vertiefung für zwei Millionen Jahre ein See bildete, versalzte und danach wieder verschwand, wurde später daraus eine fruchtbare und einzigartige Gegend mit unverwechselbarer Geologie, Fauna und Flora. Nahezu rund und flach, mitten in den Hügeln der fränkischen und der schwäbischen Alb. Dieser Kessel von mehr als zwanzig Kilometern Durchmesser ist heute an seinem Rand von Bäumen gesäumt und liegt immer noch mehr als hundert Meter tiefer als der Rest des gesamten Landstrichs.
Jockl ist, solange ich ihn kenne, ein wirklich unverbesserlicher Idealist. Getrieben von einem regelrechten Jagdfieber nach den besten Produkten, beseelt vom Drang alte und gefährdete Sorten und Arten zu erhalten, sucht er stets das Reine und Wahre. Er bekniet Bauern, ihm nach seinen Vorgaben Lebensmittel zu erzeugen und wird nicht müde, seine hehren Überzeugungen Tag für Tag gegen einfachere, leichtere, pragmatische Haltungen zu verteidigen. Das macht ihn manchmal unbequem und dafür bewundere ich ihn.
Sein elterlicher Betrieb, einst eine Brauerei, ist heute Sterne-Restaurant, Wirtshaus und Biergarten in einem. Die großen Kastanien im Garten hatten früher den Zweck die weit darunter liegenden Eiskeller schattig zu halten. Diese Eiskeller halten, heute auch ohne Eis, 12 Meter unter dem Biergarten das ganze Jahr über eine natürliche Temperatur von 12°C bei recht hoher Luftfeuchtigkeit. Das sind optimale Voraussetzungen zur Schinkenreife. Jockl hat sich den König der Schinken, den Culatello, zum Vorbild genommen um aus regionalem Fleisch ein absolutes Spitzenprodukt herzustellen. Dazu wird die Ober- und die Unterschale von schweren heimischen Sauen gesalzen und in einer Schweinsblase sorgfältig vernäht. Die Reife unter der Decke dauert zwei Jahre lang und an Gewicht bleibt gerade einmal die Hälfte übrig. Ungeräuchert, ungewürzt und bei seiner Herstellung lediglich sich selbst und den natürlichen Prozessen überlassen entsteht so der König der Schinken, dessen filigranes und vielschichtiges Aroma mit Worten nur unzureichend zu beschreiben ist.
Etliche Versuche waren notwendig um den richtigen Dreh herauszufinden. Die Abstimmung mit den Lebensmittelbehörden war aufwendig, doch von Erfolg gekrönt und Jockl hat unendlich viel Zeit, Geld und Energie darauf verwendet, sich und seinen Gästen den Traum vom Schinkenhimmel zu verwirklichen. Er ist nach Italien gereist, hat die theoretischen und praktischen Grundlagen studiert. Manches hat er übernommen, anderes verworfen oder verbessert. Er hat die Methode auf seine Produkte und seine Möglichkeiten übersetzt, hat gewagt und gewonnen.

Nach zwei Jahren Reife wird der Culatello abgenommen, von der Schnur befreit und für zwei Tage in Weißwein eingelegt, damit die steinhart getrocknete Blase aufweicht und entfernt werden kann. Aufgeschnitten wird sein Culatello auf einer alten Berkel, deren schweres und scharfes Messer hauchdünne und gleichmäßige Scheiben eher hobelt als schneidet. Ob auf Risotto oder einer Scheibe Graubrot, ob in Kombination mit Fisch, Fleisch oder auch pur: Des Kaisers Ärschchen (dt. Ubersetzung von Kaisers Culatello) ist eine Pionier-Leistung bei der Bearbeitung regionaler Produkte und ein mutmachender Beleg dafür, dass manchmal auch die Idealisten gewinnen.

 

Fraktale Attraktion

… im Gemüseangebot: Das ist jetzt sicherlich der Romanesco.
Entgegen weitläufiger Meinungen ist Romanesco keine Kreuzung von Blumenkohl und Broccoli, sondern eine eigenständige botanische Variation des Blumenkohls, die seit Jahrhunderten in der Umgebung von Rom gezüchtet wurde, und somit keine modische Neuheit. Seine in sich wiederkehrenden Muster (Fraktale Muster) sind nicht nur zu Weihnachten attraktiv (die geputzten Röschen erinnern ein bisschen an Tannenbäume.)
Es gibt verschiedene Zubereitungsarten für die Romanescoröschen: Nur blanchiert und im Buttersud warm geschwenkt, erfreut der Romanesco mit seiner natürlichen  Schönheit auf dem Teller. Oder wir hobeln diese auch in dünne Scheiben, bestreuen Sie mit etwas Puderzucker und trocknen Sie bei 50 Grad im Ofen bei leicht geöffneter Ofentür ca. 3 Stunden. Das ergibt dann feine Romanescochips. Ganz klein geputzte Röschen rösten wir in Sonnenblumenöl. Diese sind dann nussig-knackig und wir  servieren sie als Kontrast auf Blumenkohlpüree. Schön auch zu Salaten oder Nudelgerichten.

Miniröschen roh gebraten als Garnitur

Fazit: Der geschmackvolle Romanesco ist auch optisch ein Genuss; der nicht viel Aufwand benötigt.

 

Weikersheim – Berlin – Barcelona – Peking

Wenn ich aus meinem schönen Hohenlohe in die große Hauptstadt reise, freue ich mich darauf, Dinge zu sehen, die ich daheim in dieser Form nicht habe. Wir in Hohenlohe haben zwar den höchsten Anteil an Biobetrieben in Europa, aber eben dafür deutlich weniger Szenekneipen, Clubs oder dauerhaft geöffnete Cocktailbars.

Also gesagt, getan, habe ich ein paar Adressen rausgesucht, die vom Küchenstil asiatisch und/oder iberisch angehaucht waren. Hier ein paar Eindrücke:

Hot Spot – traditioneller Chinese mit beeindruckender Weinkarte. Lassen Sie sich nicht abschrecken vom 70.-Jahre Look, der einer ehemaligen Brauerei-Gaststätte ähnelt. Die chinesische Küche ist schmackhaft, traditionell und sehr vielfältig (Bestellung natürlich nach Nummern). Noch vielfältiger ist die Weinkarte, die einen wirklich von den Socken haut. Nach einem ausgiebigen Vormittag in Potsdam, der richtige Ort, mit einem ausgesuchten Riesling den späten Nachmittag einzuläuten.

Gesellig geht es zu in der Kreuzberger Bar „Raval“. Viele junge Frauen hatten das aktuelle Buch „Ein Tag in Barcelona“ des Miteigentümers Daniel Brühl dabei. So war es ein lustiger Anblick zwischen all den verschiedenen Tapas  überall das gleiche Buch herumliegen zu sehen. Hoffentlich hatten die Frauen auch genügend Aufmerksamkeit für die hervorragenden, authentischen Tapas.  Die reizende Clara Gartner vom Service empfahl mir zum Abschluss der Tapasorgie einen Kräuterlikör aus Ibiza

Clara mit „Hierbas Ibizenas Mari Mayahs“

Schwierig zu finden ist die Tausend-Bar, aber zur großen Verwunderung meiner Frau fand ich den Sesam-Öffne-dich-Knopf. Hat man erstmal die Einlasskontrolle geschafft (mit Kochjacke oder Trachtenjanker komme ICH überall rein), gibt es in der Bar noch den Backroom „Cantina“. Ausschließlich mit Reservierung bekommen Sie dort eine frische leichte „asian-ibero-american-cuisine“.

Dann ging es ins Dos Palillos (2 Stäbchen). Hier lässt Albert Raurich (Küchenchef des berühmten elBulli von 1997-2007) asiatische Tapasmenüs zubereiten. Die Köche und Köchinnen servieren gut gelaunt und erklärend an einer langen Theke.

Höhepunkt unseres Ausflugs war der Besuch bei meinem Kollegen Tim Raue, der mit seiner asiatisch inspirierten Hochküche schon seit Jahren Furore macht. Wenn Sie sich seiner famosen Küche annähern wollen, reservieren Sie für mittags. Er kocht ein spannendes Lunchmenü, das äußert fair bepreist ist.

Wenn nicht jetzt, WAN TAN? DIM SUM BEI TIM

Vertrauen Sie voll und ganz den Empfehlungen des Sommeliers André Macionga. Es gibt auch offene Raritäten (z.B.88er Vouvray), die der aromenintensiven Küche Paroli bieten können. Sein Lieblingswein “ ‚ES IST WIE ES IST.EIN ABEND MIT ANDRÉ MACIONGA‘ von Horst Sauer Eschendorf“ kommt natürlich aus Franken, woher denn sonst!

Dermaßen angeregt freute ich mich auf die Wiederkehr ins Hohenloher Land.

 

Danke Tonino!

Tonino Verro und Pascal Boesch

Tonino Verro vom Restaurant La Contea und dem gleichnamigen Weingut aus Neive hat uns besucht. Pascal Boesch von Victoria Weine hat alles vermittelt, übersetzt und organisiert

Tonino hatte ordentlich Salumi, Grissini, Castelmagno di Montagna, Murazzano und Bra eingepackt.

Antipasti (von unten im Uhrzeigersinn): Rauchaal, Safranfenchel, geschmorte Artischocken, Pimentos, hausgebackenes Rucolabrot, Coppa und Entenlebertartufo mit Quittensenf und Zucchini

Francesco

Und weil noch Platz im Auto war, wurde sein Koch Francesco gleich mitverfrachtet, damit die Tajarin bei uns vor Ort frisch gemacht werden konnten!

Tajarin Tartufati: Piemonteser Eiernudeln, eigentlich Eigelbnudeln, da davon 30 Stk pro Kilo Mehl gebraucht werden.

Von den Nudelresten kochte Francesco noch „Maltagliati“ („schlecht geschnitten“), das sind sozusagen die Nudelreste vom Ausrollen, die gesammelt werden und ohne Rücksicht auf Form oder Gleichmäßigkeit gekocht werden. Dazu gab es ein flottes Sugo aus Huhn, Kalb und Schwein nur mit Olivenöl, Rosmarin und Knoblauch gesotten.

"Maltagliati“

Wir waren begeistert. Bravo Francesco!

Alba-Trüffel

Gott sei Dank waren für die 482 g weiße Alba-Trüffel auch noch Platz im Auto. So hatten meine Gäste, mein Team und ich viel Spaß. Asti Spumante, Arneis Roero, ein klarer kräftiger 2007er Barbaresco „Serragrilli“ Riserva und ein  beeriger, ausgereifter 1996er Barbaresco „Ripa Sorita“ aus der Magnum sorgte für Stimmung und angemessene Weinbegleitung.
Tonino weihte mich in die wahre Kunst des Trüffelhobelns (Großzügigkeit) ein.
Als der Duft den Raum erfüllte, bemerkte man das Wohlbehagen, das die Gäste ergriff.
Mein Restaurant ist sonst kein „Trüffelrestaurant“ und ich bin auch kein Koch, der überall was teures drauf tun muss. Aber gemäß dem Motto: „Lieber einmal gescheit, als zweimal halblebig“ haben wir uns die weißen Trüffel mal richtig gegönnt.
Alba-Trüffel gibt es bei mir erst wieder in 2 Jahren, wenn Tonino vorbeikommt, aber dann wieder richtig! Garantiert!

Spessart-Gans: Piemontesisch auf unsere Art. Geschmort mit Rotwein, dazu Ragout von Kastanien, Chicorée und Rosenkohl, Polenta mit Pilzen

 

 

 

 

 

 

Blick über die Schulter


Das Wirtshaus ist mein Zuhause schon solange ich zurückdenken kann. So war es mir vergönnt, gastronomische Entwicklungen über einen langen Zeitraum aus nächster Nähe verfolgen zu dürfen. Mir sind die großen Braten, die Schweinshaxen und Jägerschnitzel für ganze Heerscharen von Bustouristen im Gasthof Linde aus meinen Kindertagen noch in bester Erinnerung. Genauso wie die Murgtäler Jagdschüssel und die guten heißgeräucherten Buhlbacher Forellen aus der Lehrzeit. Gourmet-Teller mit „Etwas von Allem“ und gebratene Scampi mit Knoblauchspaghetti konnten in den späten 80igern durchaus als „contemporary“ bezeichnet werden. Kleine Kirsch- und Strauchtomaten haben die großen Holland-Tomaten verdrängt und die Dessert-Teller (min. 31cm Durchmesser!) wurden von Karambola und Tamarillo erobert, Zitronenmelisse zur Garnitur war obligatorisch. Meerrettich-Senfkruste auf Filetsteaks und Kartoffelkruste auf Zanderfilets (natürlich mit Schnittlauchsoße) waren hip.
Mitten in die einsetzende Regionalierungswelle, verbunden mit Rückbesinnung auf traditionelle (und übrigens zwangsläufig unzeitgemäße) Zubereitungen ist die Avantgarde der spanischen Küche gestürmt. Mit einer Mischung aus Spott und Ignoranz zuerst mit dem dämlichen Begriff Molekularküche belegt, hat dieser völlig neuartige Ansatz doch mittlerweile die gastronomische Landschaft dauerhaft und entscheidend geprägt. Espuma-Siphons und moderne Texturgeber finden sich auch in Landgasthöfen. Die Stars der Szene servieren lebende Ameisen und Shrimps, getrocknete Rentier-Penisse werden über Speisen gehobelt. Das sind sicher Extreme, aber sie stehen für eine Tendenz: Die Entwicklung und der Fortschritt in der Küche gehen weiter, junge und ehrgeizige Köche suchen ihren Weg.
Es stellt sich die Frage, wo die Reise nun hingeht. Während Pioniere der deutschen Gourmet-Szene (wie der legendäre Adalbert Schmitt, Gründer der Schweizer Stuben) Mitte der siebziger Jahre noch Gänseleber und Creme fraîche auf abenteuerlichen Wegen beschaffen mussten, so sorgt heute moderne Logistik für die ständige Verfügbarkeit bester Produkte.
Wie werden die Köche, wie werden die Verbraucher damit umgehen, dass der Warenkorb größer und bunter geworden ist? Wie wird mit dem handwerklichen Rüstzeug, das ohne Frage größer und umfangreicher geworden ist, zukünftig gearbeitet? Werden die Chancen genutzt? Ich bin gespannt.