Lesezeichen
 

Literatur aus Russland: „Russia’s Open Book“

„Nur weil wir nichts von ihnen hören, haben sie nicht aufgehört zu schreiben.“ So beginnt Stephen Fry die Einführung der einstündigen Dokumentation Russia’s Open Book: Writing in the Age of Putin. Tatsächlich ist die zeitgenössische russische Literatur eine interessante und im Westen häufig übersehene Sache. Das Erbe der großen russischen Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts wiegt ebenso schwer auf die neue Generation wie das politische System, in dem Autoren zwar seit jeher eine starke Stellung haben, aber auch vor Repressionen nicht geschützt sind.

Russia’s Open Book porträtiert sechs russische Autoren an der Schnittstelle von Tradition und Moderne, von Literatur und Politik.

Da wäre etwa Sachar Prilepin, der Mitglied der inzwischen verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands war, und sich bei den jüngsten Protesten in Russland als Identifikationsfigur zeigte. Seine bekanntesten Werke basieren auf seinen Erfahrungen als Soldat im Tschetschenien-Krieg, und überzeugen mit einer klaren, harten Sprache.

Ganz anders Anna Starobinets. Die junge Autorin verarbeitet in ihren Werken Horror-Elemente in einer jungen, hippen Prosa, die bewusst mit den Traditionen bricht und langsam auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist.

Soweit sind Ljudmila Ulizkaja und Wladimir Sorokin bereits. Letzterer hat sich als Vertreter der russischen Postmoderne einen Namen gemacht, während Ulizkaja vor allem in Deutschland diverse Preise und Erfolge einfahren konnte.

Russia’s Open Book spricht mit den Autoren, ihren Verlegern und Kritikern über ihre Rolle als Meinungsmacher im modernen Russland. Zwischendurch liest Stephen Fry immer wieder Auszüge aus den Werken vor, was die einstündige Dokumentation, die unter anderem auch für das amerikanische PBS produziert wurde, gelungen abrundet. Insgesamt ein interessanter, wenn auch nur kurzer, Einblick in die neue russische Literaturszene.

(via)

 

Soylent im Selbstversuch: 30 Tage ohne Essen

Es ist milchig, etwas dickflüssig und nahezu geruchlos, doch es enthält mutmaßlich alle Nährstoffe und Vitamine, die der Körper benötigt: Soylent. Der 25-jährige Softwareentwickler Rob Rhinehart hat es erfunden und damit zu Beginn des Jahres eine Diskussion über die Zukunft der Ernährung entfacht. Denn Soylent, so Rhinehart, sei nicht bloß ein Ergänzungsmittel. Man könne sich ausschließlich mit dem Pulver-Shake ernähren.

Das klingt wie aus einem Science-Fiction-Film. Rhinehart hat keinen Hintergrund in Medizin oder Chemie. Er hat Soylent einzig per Recherche und in Selbstversuchen entwickelt, weil ihm das Kochen schlicht zu lästig und teuer wurde. Er suchte nach einer Alternative, die einfach und erschwinglich ist. Heute ernährt sich Rhinehart nicht komplett, aber zu großen Teilen von Soylent. Im Zeitalter der Selbstoptimierung scheint Rhinehart damit nur der nächste Freak aus Silicon Valley mit einer bizarren Idee. Doch steckt hinter Soylent vielleicht noch mehr? Die Lösung für Unterernährung in den ärmsten Regionen der Welt gar, oder jedenfalls Soforthilfe für Katastrophenopfer und Flüchtlinge?

Mit fast drei Millionen US-Dollar aus Crowdfunding und Ventures wird Soylent gerade weiterentwickelt und für den Massenmarkt getestet. Natürlich gibt es Kritik von Ärzten, die auf fehlende Langzeitstudien, auf inkorrekte Entwicklungstechnik und mangelnde Inhaltsstoffe hinweisen. Doch man werde auch sie letztlich überzeugen, glaubt Rhinehart.

In der Zwischenzeit haben eine ganze Reihe Journalisten den Shake bereits im Selbstversuch getestet. Caleb Melby von Forbes hat sich eine Woche lang ausschließlich von Soylent ernährt, Lee Hutchinson von ars technica hat fünf Tage durchgehalten. Darüber kann Brian Merchant nur lächeln. Für Motherboard hat er einen ganzen Monat Soylent zu sich genommen. Am Ende war er fünf Kilo leichter (was seine Ärztin gut fand) und konnte keine Einschränkungen feststellen. Das heißt, fast: Auf das Erlebnis, in einen Burger zu beißen, möchte er auch weiterhin nicht verzichten.

(Deutsche Untertitel per Klick auf CC im Player)

 

Casey Neistat: Mit Promo-Budgets Gutes tun

Es ist am Ende des Tages ein Promovideo, aber es ist sicherlich eines der cleversten des Jahres. YouTube-Star und Filmemacher Casey Neistat bekam von einem großen Hollywoodstudio den Auftrag, ein Promovideo zum kommenden Film von Ben Stiller zu produzieren. Da es in dem Film um einen Menschen geht, der seine Träume jagt, sollte auch der Clip dieses Motiv in irgendeiner aufgreifen.

Neistat dachte also eine Weile nach und entschloss sich, mit den 25.000 US-Dollar kurzerhand auf die Philippinen zu reisen, sich einer NGO anzuschließen und den Taifun-Opfern zu helfen. Das Ergebnis lässt mich persönlich etwas gespalten zurück: Zum einen ist die Geschichte natürlich unmittelbar mit dem Film verbunden, sie lässt sich gar nicht anders erzählen. Zum anderen ist die Aktion und Umsetzung für sich bemerkenswert und wer die Arbeiten von Neistat kennt, auch durchaus aufrichtig. Ich finde: Wenn Promo-Budgets künftig öfters Menschen in Not helfen, geht das in Ordnung. Es ist definitiv besser als der zehnte, gleichaussehende Filmtrailer.

 

Kurzfilm: „Me or the Dog“

Mit dem eigenen Hund sprechen ist nichts ungewöhnliches. Aber was ist, wenn der Hund plötzlich zurückspricht? Genau so ergeht es Tom im Kurzfilm Me or the Dog von Abner Pastoll. Und das ist problematisch für Tom: Sein zotteliger Gefährte Dudley will nämlich erfahren haben, dass seine Freundin fremdgeht. Soll Tom ihm glauben?

Auch wenn die Geschichte auf den ersten Blick absurd erscheint, steckt dahinter ein ernstes Thema. Produziert in Kooperation mit dem Wellcome Trust, möchte Me or the Dog nämlich Schizophrenie in einem etwas anderen Licht darstellen.

(via)

 

Op-Doc: „Riding With the 12 O’Clock Boys“

In einer neuen Op-Doc für die New York Times zeigt der Filmemacher Lofty Nathan einen Quasi-Trailer seiner Dokumentation 12 O’Clock Boys, die im Januar erscheint. Nathan porträtiert darin eine Gruppe junger Dirtbike-Fahrer in Baltimore, die auf ihren Geräten die Straßen unsicher machen – mit Wheelies, auf Bürgersteigen oder anderen gefährlichen Aktionen. Doch natürlich gibt es immer zwei Seiten der Medaille: Denn ein Teil der Dirtbike-Crew zu sein, bedeutet für die Jugendlichen auch, eine Perspektive zu haben, einen Ausweg aus dem tristen Alltag.

Einige bezeichnen die Doku bereits als „The Wire with Wheels“, in Anspielung an die US-Serie, die sich mit der Gesellschaft in Baltimore beschäftigt. Ich jedenfalls bin auf den Film gespannt und hoffe, dass er auch in Deutschland als VOD verfügbar ist.

 

Netzfilm der Woche: „WIND“

Im animierten Kurzfilm WIND des Berliner Animationsfilmers Robert Löbel bestimmt der Wind das Leben der Menschen. Die scheinen sich mit der stetig steifen Brise im Gesicht abgefunden zu haben. Mit einer Mischung aus Desinteresse und Langeweile gehen sie ihrem Alltag nach und hinterfragen nicht, woher der Wind eigentlich kommt. Denn dahinter steckt nicht etwa die Natur, sondern ein tieferes Geheimnis.

Im Interview erklärt Löbel die Idee hinter WIND und wieso er sich auf die Online-Veröffentlichung gefreut hat.

ZEIT ONLINE: Wo und wann ist der Film entstanden?

Robert Löbel: WIND ist im Rahmen meines Diplomsemesters im letzten Jahr an der HAW Hamburg entstanden. Die Idee dafür hatte ich schon länger im Kopf. Es hat aber vier bis fünf Monate gedauert, bis ich mich entschlossen habe, diese Idee umzusetzen. Das Schlimme ist, dass man in diesem Zeitraum nicht wirklich sieht, was man erarbeitet hat. Wenn ich ein Möbelstück aufbaue, sehe ich den Erfolg sofort. Beim Ausdenken von Geschichten muss man darauf vertrauen, dass sie am Ende irgendjemand gut findet.

ZEIT ONLINE: Hatten Sie von Anfang an geplant, den Film nach dem Festival-Run ins Netz zu stellen?

Löbel: Festivals sind toll und ich bin überglücklich, dass mein Film so gut ankommt. Einige Festivals legen großen Wert darauf, dass der Film noch nicht online verfügbar ist. Exklusivität ist ein großer Werbefaktor und zieht die Leute ins Kino. Jedoch erreicht man dadurch nur ein gewisses Spartenpublikum. Die große Masse findet man heutzutage im Netz. Und da WIND mein erster eigenkonzipierter Film ist, konnte ich es kaum erwarten zu sehen, wie er im Internet aufgenommen wird.

ZEIT ONLINE: Hatten Sie sich für die Online-Veröffentlichung informiert, den Film etwa vorab an bestimmte Blogs geschickt oder ihn einfach nur hochgeladen und gewartet?

Löbel: Ich habe mich nicht direkt informiert, eher die Tools genutzt, die ich vorher schon kannte. Eine große Hilfe war natürlich die achtmonatige Festivaltour, und auf Vimeo gab es vorab bereits einen Trailer. Nachdem ich den Film hochgeladen hatte, kamen die Social Networks ins Spiel. Freunde, Bekannte, Studienkollegen und Festivals haben den Film sofort geteilt – die Welle kam ziemlich schnell ins Rollen.

ZEIT ONLINE: Der Film hat trotz des Humors eine ernste, durchaus kulturkritische Message. Wie kamen Sie auf die Idee?

Löbel: Den ersten Impuls bekam ich während einer Architekturvorlesung an der TU Berlin. In der Vorlesung ging es um informelle Siedlungen und deren Strukturen und Lebensweisen. Interessant fand ich, wie die ärmste Bevölkerung der Welt es schafft, an menschenunwürdigen Orten zu überleben. Es gelingt, weil es leider ihr Alltag geworden ist. Sie müssen mit den Widrigkeiten umgehen.

ZEIT ONLINE: Wie die Menschen in WIND?

Löbel: Wenn ich dies nun übertrage und frage, wie leben wir in der zivilisierten Gesellschaft, fällt mir auf, dass wir uns an einen digitalisierten und mechanisierten Alltag gewöhnt haben. Alles läuft seine geregelten Bahnen, so wie der Wind in meinem Film ständig weht. Die Bevölkerung im Film denkt, der Wind sei natürlich, womöglich kennen sie gar nichts anderes. Sie hinterfragen es nicht mehr und machen das Beste daraus. Bis das gewohnte Umfeld ihnen plötzlich unter den Füßen weggerissen wird.

 

YouTuber gegen Rechts: „Hey, Mr. Nazi“

In einer Aktion gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung haben bekannte deutsche YouTuber eigene Versionen des Songs Hey, Mr. Nazi von Rapper Blumio aufgenommen. Mit dabei sind Die Aussenseiter, BullShitTehVau, AlexiBexi, Alberto, Simon Desue, Digges Ding, MaximNoise und – natürlich – Y-Titty. Eine schöne Aktion, wie wir finden, denn die YouTuber erreichen längst Zielgruppen, an denen so manch andere gut gemeinte Kampagne glatt vorbeisegelt.

Hier die beiden Beiträge von Maxim Noise und AlexiBexi, den Rest gibt es im YouTube Creator Blog.

(via)

 

„No Internet Week“

Eine Woche ohne Internet? Darüber können die echten Offline-Fetischisten nur lachen. Paul Miller etwa ist im April vergangenen Jahres gleich für ein ganzes Jahr aus dem Netz verschwunden – nur um dann anschließend inklusive Dokumentarfilm und großer Berichterstattung zu erzählen, wie es war (ganz ok, aber auch nicht besser).

Wie dem auch sei, das hat fünf Londoner digital natives nicht davon abgehalten, es für ein Experiment selbst zu versuchen. Eine Woche ohne Facebook, Instagram, Twitter. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen begleitet die Kurzdoku No Internet Week. Auf der Website gibt es noch mehr Material über das Projekt.