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Eric Fischers Geodatenwelten

Visualisierte Geodaten von Flickr-Fotos in Berlin: blau sind Bilder von Einheimischen, rot zeigt Bilder von Touristen, gelbe Punkte können nicht zugeordnet werden. CC-BY-SA 2.0 Eric Fischer
Visualisierte Geodaten von Flickr-Fotos in Berlin: blau sind Bilder von Einheimischen, rot zeigt Bilder von Touristen, gelbe Punkte können nicht zugeordnet werden. CC-BY-SA 2.0 Eric Fischer

Handys sind Ortungswanzen. Sie zeigen dank GPS-Satelliten und Sendemast-Triangulation, wo wir uns aufhalten. Dienste wie Twitter oder Flickr speichern diese Daten. Und Menschen wie Eric Fischer machen diese Daten sichtbar und damit auch die menschlichen Wege und Vorlieben. Fischer ist Fotograf, Kartenliebhaber und seit einiger Zeit Datenvisualisierer. Und was er aus Flickr und nun auch Twitter herausholt, sieht nicht nur schön aus, es verdeutlicht auch auf einen Blick komplexes Verhalten.

„Locals and Tourists“ heißt sein Projekt. Fischer analysiert, wo in Städten der Welt vor allem Einheimische und wo vor allem Touristen twittern und fotografieren.

Zur Analyse von Twitter nutzte er drei Milliarden Tweets aus der Zeit seit September 2011 und sammelte alle heraus, die einen Geo-Tag enthalten, also die Ortskoordinate, an der die Botschaft abgeschickt wurde. Anschließend filterte der diese Botschaften danach, ob sich der Absender schon länger in der Stadt aufhielt oder erst vor Kurzem dorthin gekommen war. Auch das verraten die Geodaten. So konnte er die Stadtpläne in zwei Farben darstellen: blau für Tweets von Einheimischen, rot für die von Touristen.

Das gleiche hatte Fischer zuvor bereits mit Flickr-Daten gemacht, siehe das Bild am Anfang des Textes. Beide Kartensammlungen zeigen, welche Orte einer Stadt bei welcher Gruppe beliebt sind. Hier beispielsweise in New York:

Visualisierung von Twitter-Geodaten. Wo in New York twitterten Einheimische (blau) und wo twitterten Touristen (rot). Eric Fischer/MapBox
Visualisierung von Twitter-Geodaten. Wo in New York twitterten Einheimische (blau) und wo twitterten Touristen (rot). Eric Fischer/MapBox

Noch spannender sind Fischers Projekte, die bei Twitter genutzte Sprachen und die verwendeten Smartphonetypen visualisieren.

Die Karten zu Betriebssystemen zeigen beispielsweise, dass die USA ein iPhone-Land sind, dass Spanien klar von Android dominiert wird und Indonesien von Blackberry. Solche Informationen hatten bis vor kurzer Zeit nur große Konzerne. Fischer nutzt öffentlich verfügbare Daten, um sie allen zugänglich zu machen. Die Daten sind so detailliert, dass sich in ihnen sogar die ringförmige Bauweise des Flughafenterminals von Berlin-Tegel erkennen lässt.

Flughafen Berlin-Tegel, zu sehen sind Geodaten von Tweets, geschrieben mit einem iPhone (rot) und einem Android-Gerät (grün). Eric Fischer/MapBox
Flughafen Berlin-Tegel, zu sehen sind Geodaten von Tweets, geschrieben mit einem iPhone (rot) und einem Android-Gerät (grün). Eric Fischer/MapBox

Und nicht nur das. Sie zeigen beispielsweise auch, dass iPhones vor allem in reichen Gegenden benutzt werden, Androidgeräte eher in ärmeren, wie der Atlantic in den Daten gesehen hat.

Via @msgbi

 

Wikipedia: Über Israel und Hitler streitet man überall

Konfliktthemen in der deutschsprachigen Wikipedia, Quelle: Mark Graham, Oxford Internet Institute
Konfliktthemen in der deutschsprachigen Wikipedia, Quelle: Mark Graham, Oxford Internet Institute

Die Wikipedia ist nicht nur eine Enzyklopädie. Sie ist auch ein soziales Experiment. Da sie dank der Zusammenarbeit vieler Menschen entsteht, bietet sie tiefe Einblicke, wer sich wo und wie stark für ein Thema interessiert. Sie ist ein riesiges Testfeld dafür, wie und worüber Menschen miteinander streiten, wie sie sich einigen und wie sie sich organisieren, um zusammenarbeiten zu können.

Mehrere Wissenschaftler haben genau das untersucht. Taha Yasseri, Anselm Spoerri, Mark Graham und János Kertész beobachteten für ihre Studie sogenannte Edit-Wars, Bearbeitungskriege, bei denen streitende Nutzer die Änderungen der Gegenseite immer wieder umschreiben oder gleich komplett rückgängig machen. Sie wollten wissen, ob es regionale Besonderheiten dabei gibt und was diese Debatten über die Menschen aussagen.

Sie taten das nicht nur, um etwas über Streits bei der Wikipedia zu erfahren, sondern auch um die Streitkultur an sich zu erforschen. Dass Religion und Philosophie die am stärksten debattierten Themen sind, wird niemanden verwundern, aber die Analyse lässt sich noch viel weiter treiben. Schon vorangegangene Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen der Härte von Wikipedia-Debatten und der politischen und wirtschaftlichen Stabilität eines Landes gezeigt.

Was führt zur Eskalation, welche Verfahren fördern einen Konsens, wie organisieren sich die Gegner? All das könne man anhand von Wikipedia-Daten erforschen, schreiben Yasseri, Spoerri, Graham und Kertész in ihrer Studie, die 2014 in einem Buch erscheinen soll.

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Wo Amerikaner hassen

Hate Map - Verteilung von homophoben Tweets zwischen Juni 2012 und April 2013 in den USA
Hate Map – Verteilung von homophoben Tweets zwischen Juni 2012 und April 2013 in den USA

Islamistischer Terrorismus ist nicht der einzige, den die USA fürchten. Mindestens ebenso bedrohlich sind sogenannte Hate Groups, religiöse und rechte Gruppierungen, die sich als Patrioten betrachten und deren Ziel es ist, den amerikanischen Staat und alles, was ihnen fremd erscheint, zu bekämpfen. Ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, als Barack Obama 2009 Präsident wurde, stieg die Zahl noch einmal stärker.

Eine auf Twitter basierende Studie zeigt nun, wie sich homophobe, rassistische und beleidigende Äußerungen gegenüber Menschen mit Behinderungen in den USA verteilen. Die Daten können zumindest ein Indiz dafür sein, wo solche Organisationen aktiv sind.

Die Forschergruppe, die die Karte erstellt hat, nennt sich Floating Sheep. Es sind fünf Geographen, die an verschiedenen Universitäten in den USA und in Großbritannien arbeiten und die sich immer wieder die Verteilung diverser Phänomenen anschauen und visualisieren.

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Die Künstlersozialkasse in Zahlen

Die Künstlersozialkasse (KSK) kümmert sich in Deutschland um die Sozialversicherung von freiberuflichen Künstlern und Publizisten. Wegen ihres oft nur schwer zu durchschauenden Verwaltungsapparats ist sie nicht unumstritten. Grund genug für zwei Anfragen über Frag den Staat zur Verwaltung der KSK, insbesondere zur Mitarbeiterzahl.

Bei der in Wilhelmshaven ansässigen Behörde sind für die Verwaltung der Versicherten 45 Sachbearbeiter und 10 Bereichsleiter angestellt, wie aus der IFG-Anfrage hervorgeht. Die kümmerten sich im vergangenen Jahr um rund 177.000 Versicherte und 16.000 Neuanträge. Die Verwaltung der ganzen Künstlersozialkasse kostete 2012 9,5 Millionen Euro. Die Grafik zeigt die Mitgliederzahlen seit 2005:

Interessant ist dabei auch die Zahl der Anträge und der Anteil der „positiv beschiedenen“, also derjenigen, die in die KSK aufgenommen und somit unterstützt werden. Über die vergangenen acht Jahre stiegen und sanken beide Werte immer relativ parallel. Hatten weniger Künstler und Publizisten einen Antrag gestellt, sank auch die Zahl der Bewilligungen. Allein die letzten drei Jahre fallen etwas aus der Reihe, denn die die absolute Zahl der Bewilligungen sank langsamer als die der Anträge. Das Ergebnis ist eine höhere Aufnahmequote. Im Jahr 2012 lag sie bei 75 Prozent, 2011 und 2010 bei 70 Prozent, in allen Jahren davor dagegen bei unter 70 Prozent.

Die KSK übernimmt für Künstler und Publizisten den Arbeitgeberanteil der Beiträge zur Sozialversicherung. Dafür kommen die Auftraggeber von Künstlern („Verwerter“) und der Bund auf. Die Auftraggeber zahlen 30 Prozent der Gesamtbeiträge, der Bund 20 Prozent. Der gesamte Bundeszuschuss betrug 2012 knapp 164 Millionen Euro, allein der der Zuschuss für die Rentenversicherung umfasste fast 91 Millionen Euro.

Die Künstlersozialkasse listet auf ihrer Website auch Zahlen auf. Deren Aufbereitung ist aber möglicherweise nicht die Kernkompetenz der Behörde. Denn es fehlen dort Verwaltungskosten von rund 9 Millionen Euro, die sich woanders aber finden: Im interaktiven Bundeshaushalt für 2012, für die Jahre bis 2006 auf offenerhaushalt.de. Diese Werte sind jedoch Planzahlen und unterscheiden sich damit von den Angaben der KSK. Aus diesem Grund stellen wir in der obigen Grafik nur die Zahlen der letzten drei Jahre dar.

Die folgende Übersicht zeigt die Zahl der Mitarbeiter, aufgeteilt in den Bereich „Versicherte“ und „Verwerter“. Dabei zeigt sich, dass besonders im Bereich „Verwerter“ die Zahl der Mitarbeiter in den letzten acht Jahren deutlich gewachsen ist. Die KSK kümmert sich also stärker um die Einnahmenseite. (Dropdown 2 der Grafik).

Schließlich setzen wir die Beschäftigtenzahl ins Verhältnis zur Versichertenzahl. Dabei wird klar: Weniger zu tun haben die Sachbearbeiter der KSK nicht. Denn wenn man die reine Zahl der Versicherungssachbearbeiter zugrunde legt, bewegt sich die Zahl immer zwischen 3.800 und 4.100 Versicherten pro Mitarbeiter (orange). Wenn man noch die Gruppenleiter dazu nimmt, schwankt der Wert zwischen 3.000 und 3.300 (grau). Wenn man schließlich die Gesamtzahl der Beschäftigten einrechnet, also auch derer, die sich um die Verwerter kümmern, liegt das Verhältnis recht konstant bei 2.000. Dazu ein Vergleich: Bei der Allianz, dem größten Versicherungskonzern der Welt, arbeiteten 2012 laut Geschäftsbericht 144.094 Mitarbeiter und verwalteten 78 Millionen Kunden. Das sind 541 Versicherte pro Mitarbeiter.

Fazit: Die Künstlersozialkasse gibt sich zwar Mühe, die Versichertenzahlen genau aufzuschlüsseln, doch bei Angaben zur eigenen Verwaltung hapert es noch. Eine weitere Anfrage wert wäre die Höhe der Einnahmen aus der Service-Rufnummer für die Versicherten, denn ein Anruf dort kostet 9 Cent pro Minute.

Hinweis: Dieser Beitrag erscheint auch auf dem Blog des Informationsfreiheitsportals Frag den Staat.

 

Wenn das billige Geld nicht wirkt

© ZEIT ONLINE
© ZEIT ONLINE

Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Leitzins um ein Drittel von 0,75 auf 0,5 Prozent gesenkt, um die Länder im Süden mit günstigem Geld zu versorgen. Ihr Präsident, Mario Draghi, setzt dabei auf den sogenannten Transmissionsmechanismus: Die EZB senkt den Zins, die Geschäftsbanken können sich also günstiger refinanzieren – und reichen die besseren Konditionen in Form von niedrigeren Zinsen an ihre Bankkunden weiter.

Wie stark dieser Mechanismus jedoch zurzeit gestört ist, ist auf dem Chart zu erkennen. Er zeigt, zu welchen Zinssätzen sich kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien bei Privatbanken Geld leihen können. Anfangs verlaufen die Kurven noch recht parallel, die Kredite sind sogar ähnlich teuer in den verschiedenen Ländern.

Doch seit Mitte 2011 driften die Südländer Italien und Spanien ab. Die Geschäftsbanken verteuern die Kredite, die Eurokrise spitzt sich zu. Und das, obwohl die EZB den Leitzins seit Mitte 2011 kontinuierlich weitersenkt. In den zentralen Euro-Ländern Frankreich und Deutschland passiert wiederum das Gegenteil: Hier sinken die Kreditkosten für Firmen.

Ob die Zinssenkung diesmal wirkt, ist schwer abzuschätzen, auch, weil es Monate dauert, bis sie am Markt ankommt. In Deutschland fürchten Ökonomen, dass die Leitzinssenkung mehr schadet als hilft: Schon jetzt gelten etwa die Immobilienmärkte in einigen Großstädten als überhitzt, weil Anleger sich so günstig wie selten zuvor Geld leihen konnten und die Sparbuch-Zinsen unattraktiv geworden sind. Zudem könnten die Banken das Geld lieber selbst nutzen, um ihre Eigenkapitaldecke zu stärken – übrigens ein von der Politik durchaus gewünschter Effekt. Auch die Geldwertstabilität, der eigentliche Auftrag der EZB, scheint zurzeit nicht in Gefahr.

Ob das günstige Geld tatsächlich bei den Verbrauchern und Unternehmen in den Südländern ankommt, ist völlig unklar. Die EZB selbst hat in der Vergangenheit immer wieder klar gemacht, dass der Übertragungseffekt gestört sei. Ihre Politik stößt also an ihre Grenzen. Den Geschäftsbanken kann sie kaum vorschreiben, gegen deren Willen und Risikoeinschätzung Kredite zu vergeben.

 

Bockige Behörden – eine Geschichte auf drei Ebenen

Seit sieben Jahren gilt das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das jedem Bürger das Recht gibt, Akten von Behörden zu sehen und zu erfahren, was die Verwaltung so treibt. Doch noch immer tun sich Ämter schwer damit, Informationen und Daten herauszugeben, sie mauern und tricksen.

ZEIT ONLINE und ZEIT erzählen die Geschichte dieser Blockade auf verschiedenen Wegen. Mit einem Text in der Zeitung und einer längeren Fassung Online und mit einem Interview mit dem Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit Peter Schaar. Die Daten, die die Grundlage der Geschichte sind, haben wir außerdem in einer interaktiven Grafik aufbereitet.

Martina Schories hat seitenweise Exceltabellen analysiert und zusammen mit Paul Blickle eine Grafik entworfen, dank der man sich schnell einen Überblick darüber verschaffen kann, welches Ministerium besonders hohe Gebühren verlangt, oder welches viele Anfragen ablehnt. Basis sind Informationen des Bundesinnenministeriums, die auf der dortigen Website jährlich veröffentlicht werden (Hier zum Beispiel aus dem Jahr 2012). Sämtliche von uns verwendeten Daten haben wir hier in einem Google Spreadsheet gesammelt.

Die Programmierung der Grafik übernahmen Stefan Wehrmeyer und Michael Hörz. Beide betreuen die Seite „Frag den Staat“, über die jeder IFG-Anfragen stellen und an Behörden schicken kann. Mit der Materie sind sie also mehr als vertraut.

Neben Text und Grafik gibt es noch eine dritte Ebene. Über unseren anonymen Briefkasten hatte uns ein Leser oder eine Leserin interne Protokolle des Innenministeriums zukommen lassen.

Im BMI trifft sich mindestens zwei Mal im Jahr eine Arbeitsgruppe, um zu beraten, wie mit dem IFG, mit einzelnen Anfragen und mit Gerichtsurteilen zu dem Thema umgegangen werden soll. Die Sitzungen werden stichpunktartig festgehalten. Das PDF-Dokument (das Innenministerium hat uns die Echtheit bestätigt), ist 142 Seiten lang und enthält die Protokolle der Treffen von Januar 2006 bis April 2012. In den Protokollen finden sich viele Andeutungen und Hinweise darauf, wie schwer sich die Ämter mit dem Gesetz und den Informationsforderungen der Bürger tun.

Damit jeder unsere Erkenntnisse nachvollziehen kann, veröffentlichen wir die Protokolle hier im Original. Geschwärzt wurden aufgrund des Persönlichkeitsschutzes lediglich die Namen. Dafür haben wir die Recherche-Plattform DocumentCloud gewählt, auf der Redaktionen namhafter amerikanischer Medien Originaldokumente zur Verfügung stellen. Inzwischen sind dort Millionen Dokumente versammelt. Jedes wird von einer Texterfassungssoftware gescannt. So kann jeder PDFs wie die IFG-Protokolle nach Schlagworten durchsuchen und Kommentare hinzufügen.

ZEIT ONLINE und die Investigativ-Redaktion der ZEIT sind die ersten beiden offiziellen Partner der Plattform in Deutschland. Und die IFG-Protokolle sind das erste Projekt; künftig werden es mehr werden. Schon bald will die Vereinigung Investigative Reporters and Editors (IRE), die DocumentCloud betreibt, eine deutschsprachige Version anbieten. Noch versteht die Texterkennung keine deutschen Umlaute, aber das soll sich ändern.

Fragen und Anregungen gern an einen der drei Autoren: Kai Biermann, Martin Kotynek und Sascha Venohr, der als Head of Data Journalism die drei Ebenen koordiniert hat.

 

Wie sich die Einnahmen für die Lkw-Maut verteilen

Die Maut für Lastkraftwagen und die Verteilung der Einnahmen gehören nicht zu den transparentesten Dingen in Deutschland. Wer mehr über sie wissen will, muss explizit danach fragen, was wir über Frag den Staat gemacht haben. Einnahmen von 4,36 Milliarden Euro kamen 2012 demnach zusammen, plus 205 Millionen Euro Überschuss aus dem Jahr 2010.

Der Überschuss von 2010 ist aufgeführt, weil er nach einer Pufferzeit von zwei Jahren in den Haushalt eingestellt wird. Insgesamt brachte die Maut also etwas mehr als 4,5 Milliarden Euro – das klingt viel. Vergleicht man allerdings die Einnahmen mit dem Plan, also der Summe, die im Bundeshaushalt 2012 als Einnahme vorgesehen war, ist es nicht so viel. Es waren 250 Millionen Euro weniger, als der Finanzminister gehofft hatte. Auch 2011 war die Wirklichkeit schon hinter den Plan zurückgefallen.

Interessant ist, wie sich die Einnahmen verteilen, vor allem welcher Betrag tatsächlich in den Straßenbau investiert wird. Denn das war die Begründung, mit der die Lkw-Maut einst eingeführt wurde. 2012 wurden knapp 3,4 Milliarden Euro für Investitionen ausgegeben. Wofür genau lässt sich derzeit nicht sagen, da über die einzelnen Ausgaben noch keine Zahlen vorliegen. Der Verteilungsschlüssel sieht laut Bundeshaushalt 2012 aber vor, dass rund 40 Prozent davon in den Erhalt von Autobahnen fließen sollten, weitere 25 Prozent in „Bedarfsplanmaßnahmen“, also den Neubau von Autobahnen.

Wie steht es um die „Betreiber-Vergütung“, also den Betrag, den das Toll-Collect-Konsortium jedes Jahr kassiert? 2012 betrug er laut IFG-Anfrage 489 Millionen Euro, im Haushaltsplan waren 577 Millionen vorgesehen. Im Vorjahr waren sogar 713 Millionen Euro geplant, de facto wurden es 545 Millionen. Das Konsortium nimmt also weniger ein, als ursprünglich erhofft. Je nach Berechnungsgrundlage ist der Anteil der „Betreiber-Vergütung“ zwischen elf und zwölf Prozent groß (Basis 1: faktische Gesamteinnahmen; Basis 2: ohne gesperrte Haushaltsmittel).

Randnotiz: 2011 war die geplante Betreibervergütung höher als die gesamten Systemkosten, die 663 Millionen Euro betrugen.

Und der Rest des Geldes? Ein erheblicher Teil, jährlich 150 Millionen Euro, geht in Ausgleichszahlungen an die Länder. Denen entgehen Steuereinnahmen, da mit Einführung der Maut die Lkw-Steuern gesenkt wurden. Der Bund steckt außerdem Geld in emissionsärmere Lkw (Abkürzung im Diagramm: „C02“), in Aus- und Weiterbildung, in Transportlogistik, was auch ein „Klein-Beihilfe-Programm“ (De-Minimis-Programm) umfasst. Hier eine Übersicht:

Nun kümmert sich auch die bundeseigene VIFG GmbH (jährliche Kosten gut drei Millionen Euro) darum, die Einnahmen und Ausgaben aus der Maut möglichst transparent darzustellen. Mit mittelmäßigem Erfolg. In ihrer Darstellung fehlen nach Angaben des Unternehmens VIFG insgesamt 360 Millionen Euro. Davon stammen 110 Millionen Euro aus der Haushaltssperre 2012 und weitere 250 Millionen Euro sind „Einbehalte“ des Verkehrsministeriums.

Demnach stehen „2012 rund 3.245 Milliarden Euro Mautmittel für den nutzerfinanzierten Bau und Erhalt der Bundesfernstraßen zur Verfügung“, wie die VIFG schreibt. In ihren weiteren Grafiken tut die Gesellschaft allerdings so, als sei weiterhin der ursprüngliche Betrag von 3,6 Milliarden Euro verfügbar und listet entsprechende Einzelposten auf. Vor allem aber dröselt sie nur die geplanten Einnahmen und Ausgaben auf, die immerhin 250 Millionen Euro von der Wirklichkeit abweichen.

Unser genauerer Blick in die tatsächlichen Einnahmen- und Ausgaben 2012 führt zu einem interessanten Ergebnis: Obwohl die Gesamteinnahmen 250 Millionen Euro unter Plan lagen, investierte der Bund mit 3,391 Milliarden Euro knapp 145 Millionen Euro mehr in die Straßen als ursprünglich vorgesehen. Woher das Geld kommt, ist unklar. Das stammt nicht aus den 205 Millionen Euro Überschuss des Jahres 2010, denn die waren im Plan 2012 bereits vorgesehen, genau wie die Haushaltseinsparungen von 360 Millionen Euro.

Was während der Analyse in den Bundeshaushalten beziehungsweise den Haushaltsrechnungen (Ist-Ausgaben) auffiel: Die Lkw-Maut wurde 2012 erstmals als einzelner Gesamtposten ausgewiesen, inklusive Kosten für Verwaltung und Personal. Davor waren die Personal- und Sachkosten an verschiedenen Stellen im Vekehrshaushalt verteilt, unter anderem liefen sie unter „Schifffahrt“ mit. Dadurch ist eine Suche nach den Zahlen fast unmöglich.

P.S: Wir freuen uns, mit der ganz frisch aktualisierten Version von Datawrapper zu arbeiten. Super Update! @ Mirko, Gregor, Nicolas et al.

Disclaimer: Michael Hörz ist Mitarbeiter von FragDenStaat.

 

Die katholische Weltkarte

Der römisch-katholischen Kirche gehören weltweit etwa 1,2 Milliarden Menschen an. Sie alle blicken derzeit nach Rom, wo 115 Kardinäle aus ihrer Mitte den Nachfolger von Papst Benedikt XVI. wählen. Viele Gläubige hoffen, dass dann erstmals ein nicht-europäischer Pontifex die Kirche führen wird – offensichtlich ein längst überfälliger Schritt, wie unsere katholische Weltkarte zeigt.

Bereits 41 Prozent der Kirchenmitglieder leben in Lateinamerika. Zum Vergleich: Europas Katholiken machen lediglich 24 Prozent aus. Unsere interaktive Weltkarte stellt die tatsächlichen Dimensionen der Länder nach der Anzahl der Gläubigen dar. Sie zeigt, wo die meisten Katholiken leben. Die Farbintensität verdeutlicht, wie hoch ihr Anteil an der jeweiligen Landesbevölkerung ist.

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Die Machtverhältnisse im Konklave stehen dazu im Widerspruch. Das Machtzentrum der Kirche ist europäisch. Und so deuten die Kräfteverhältnisse bei der Wahl in der Sixtinischen Kapelle eher auf eine Fortführung der bisherigen Tradition hin. Denn aus Europa kommen 60 der 115 Papst-Wähler. Damit sind die europäischen Kardinäle knapp in der Mehrheit, vertreten jedoch mittlerweile nur eine Minderheit der katholischen Christen. Die Katholiken aus Lateinamerika sind mit lediglich 19 wahlberechtigten Kardinälen unterrepräsentiert.

Für die Wahl des 266. Papstes ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Das entspricht 77 Stimmen.

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Wie starr die Kirche trotz steigender Mitgliederzahlen in anderen Erdteilen an ihrer europäischen Machtzentrierung festhält, zeigt der Vergleich der Papstwahlen 1978 (Johannes Paul II.) mit der aktuellen Wahlrunde. Europa konnte demnach sogar noch einmal zwei Prozentpunkte zulegen. Die Regionen mit den größten Zuwächsen, Lateinamerika und Afrika, stagnieren und verloren sogar an Einfluss.

papstwahl_vergleich_1978_2013

Die Daten für die Weltkarte finden Sie in unserem GoogleDoc.

 

Zahlen wir zukünftig nur noch bargeldlos?

Zugegeben: Wir Deutschen sind noch nicht so weit wie die Skandinavier. In Norwegen und Schweden ist es durchaus üblich, selbst in Klubs und Kneipen jedes einzelne Bier am Tresen mit Karte zu bezahlen. Aber auch in Deutschland ist das bargeldlose Zahlen längst salonfähig geworden. Einige Banken denken bereits über eine Zukunft nach, in der Münzen und Scheine abgeschafft wurden und jeder Zahlungsverkehr digital abläuft.

Längst schickt niemand mehr seinem Vermieter monatlich Bargeld, um die Miete zu zahlen. Auch die Rechnungen für Strom, Telefon und Handy werden selbstverständlich bargeldlos beglichen. Kleinere Beträge aber, etwa für eine Schachtel Zigaretten am Kiosk um die Ecke, werden in aller Regel weiter mit Münzen und Scheinen bezahlt.

Unsere Daten zeigen, wie lange Bezahlkarten in Deutschland schon verbreitet sind. Bereits vor mehr als zehn Jahren gab es mehr solcher Karten als Einwohner: Im Jahr 2001 lag die Quote bei 1,35, bis Ende 2011 stieg sie auf 1,6. Das heißt, jeder Deutsche – selbst Kleinkinder eingerechnet – besitzt im Schnitt 1,6 Bezahlkarten. Das sind in aller Regel die Girocard – die frühere EC-Karte – und Kreditkarten. Insgesamt steckten Ende 2011 rund 130,6 Millionen solcher Karten in deutschen Geldbeuteln.

Zwar sind die Daten aus dem Jahr 2007 mit anderen Jahresdaten nur eingeschränkt vergleichbar. In jenem Jahr wurde die Zahlungsverkehrsstatistik innerhalb der Europäischen Währungsunion harmonisiert, die Erhebungsmethode ist seither eine andere. Der Trend aber ist offensichtlich. Während die Kartenzahl zwischen 2007 und 2011 um rund 6,2 Prozent anstieg, nahmen im selben Zeitraum die Transaktionen mit Bezahlkarten an sogenannten Point-of-Sale-Terminals erheblich stärker zu. Im Jahr 2011 wurde rund 2,72 Milliarden Mal an solchen Terminals mit einer Karte bezahlt. Insgesamt 34 Prozent häufiger als noch vier Jahre zuvor.

Für all diese Transaktionen standen 711.000 digitale Bezahlstationen zur Verfügung. Das ist im internationalen Vergleich relativ wenig: Frankreich und Großbritannien haben, bei niedrigerer Einwohnerzahl, rund doppelt so viele Terminals.

Meistens sind es jedoch keine großen Beträge, die auf diese Weise den Besitzer wechseln. Jede der 2,72 Milliarden Transaktionen des Jahres 2011 hatte im Durchschnitt einen Wert von etwa 65 Euro. Das ist sogar etwas weniger als die durchschnittliche Kartenzahlung im Jahr 2001 (knapp 73 Euro).

Doch auch wenn die Verwendung von Bezahlkarten in den vergangenen zehn Jahren kräftig zugenommen hat: Von einer bargeldlosen Zukunft, wie sie in Banken diskutiert wird, sind wir weit entfernt. Das zeigt die Entwicklung der im Umlauf befindlichen Bargeldmenge in der Euro-Zone. Seitdem die Euroscheine und -münzen 2002 eingeführt wurden, hat sich die Bargeldmenge pro Kopf auch inflationsbereinigt deutlich ausgeweitet.

Das Bargeld ist also nicht weniger geworden, selbst wenn es jetzt mehr Bezahlkarten gibt. Was das heißt? Womöglich ist die Vision einer bargeldlosen Zukunft ähnlich unrealistisch wie das papierlose Büro.

 

Deutschlands vorbildlicher Jugendarbeitsmarkt

Was läuft bloß falsch in Europas Süden? In Spanien und Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit mittlerweile bei mehr als 50 Prozent. Auch in Portugal und Italien sieht es nicht besser aus. Fast jeder dritte junge Mensch zwischen 15 und 24 Jahren ist arbeitslos.

Daten als Google-Spreadsheet

Arbeitsmarktexperten sind sich einig: Die Art der Ausbildung ist das Problem. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Ausbildungssystem und der Arbeitslosenquote unter jungen Menschen“, sagt die Arbeitsmarktökonomin Anne Sonnet von der Industrieländerorganisation OECD. Gerade in den Südstaaten sei die Ausbildung viel zu theorielastig und praxisfern.

Sie verweist auf Deutschland und Österreich. Beide Länder setzen auf ein duales Ausbildungssystem und weisen zugleich die niedrigsten Arbeitslosenquoten unter jungen Menschen in der EU vor. Wer hierzulande eine Lehre macht, der besucht in der Regel einige Tage in der Woche die Berufsschule, wo er theoretisches Wissen lernt. Die restlichen Tage verbringt er im Betrieb, um Praxiserfahrung zu sammeln. Sonnet hält das für den idealen Mix.

Neben Deutschland und Österreich setzen in der EU auch Dänemark und Luxemburg auf dieses Modell. Allerdings ist die Bilanz hier weniger erfolgreich. Dänemark kam im vergangenen März auf eine Jugendarbeitslosenquote von 15,1 Prozent, Luxemburg sogar auf 17,4 Prozent. Warum das so ist? Nach Einschätzung der OECD kümmern sich die Länder nicht ausreichend genug um die Qualifikation in der Schule. Gerade benachteiligten Jugendlichen mit Migrationshintergrund fehle Grundlagenwissen. Damit das duale Ausbildungssystem tatsächlich so erfolgreich sei wie in Deutschland, müsse man das verbessern.

Die Regierungen in den Südländern haben das Problem erkannt. Und es gibt erste Versuche, sich von Deutschland etwas abzuschauen. Spanien und Portugal haben etwa Ausbildungsabkommen mit Deutschland verabschiedet. Doch das Problem ist die Schuldenkrise in den Staaten. Woher das Geld für Investitionen nehmen, wenn allerorts gespart werden soll? „Die Staaten sind in der Schuldenfalle“, sagt Sonnet, „daher scheuen sie Investitionen in Bildung.“

Zudem stoßen die unterschiedlichen Interessen der Sozialpartner aufeinander. Gerade im Süden sind die Gewerkschaften stark – doch sie vertreten die Menschen, die bereits einen Job haben. Die Firmen in diesen Staaten wiederum wollen gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nicht auf die Flexibilität von befristeten Arbeitsverhältnissen und kurzfristigen Kündigungen verzichten.

Die EU verspricht derweil Geld. Rund sechs Milliarden Euro haben die Staats- und Regierungschefs vergangene Woche zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit lockergemacht. Ist das die Lösung? Sonnet findet Strukturreformen wichtiger. „Schon vor dem Ausbruch der Krise gab es in den Krisenstaaten strukturelle Probleme auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche.“ Die müssten jetzt angegangen werden. „Eine Lost Generation kann sich Europa nicht leisten.“