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Studie: Internet macht Kinder und Jugendliche sozial aktiver

Bitter für Kulturpessimisten: Eine Studie des ifo-Instituts zeigt, dass das Internet den Nachwuchs nicht etwa in die Einsamkeit führt, sondern sie sogar sozial aktiver macht. Hier die Pressemitteilung des ifo-Instituts:

ifo-Studie: Internet macht Kinder und Jugendliche sozial aktiver

Besser als Fernsehen: Im Internet dominieren Information und Kommunikation gegenüber passiver Unterhaltung – Internet bietet vielfältige Kontaktmöglichkeiten und zahlreiche Hinweise auf Veranstaltungsangebote

Das Internet fördert die sozialen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Dies ist das Ergebnis einer Studie des ifo Instituts München, die am Donnerstag auf einer Veranstaltung mit der Initiative D21 in Berlin vorgestellt wurde. Damit widersprechen die Forscher dem Mythos, dass das Internet die Menschen sozial vereinsamt und damit letztlich die Grundlagen unserer Gesellschaft erodiert. „Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass das Internet einsam macht“, sagt Prof. Ludger Wößmann, Bereichsleiter Humankapital und Innovation am ifo Institut. Im Gegenteil, zusammen mit den ifo-Wissenschaftlern Stefan Bauernschuster und Oliver Falck zeigt Wößmann in der neuen Studie, dass schnelles Internet zu Hause die sozialen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen im Durchschnitt positiv beeinflusst. Sie gehen häufiger Gruppenaktivitäten außerhalb der Schule nach wie z. B. dem Besuch von Sportvereinen, Musik- oder Gesangsunterricht oder Jugendgruppen. Auch die Beteiligung an verschiedenen AGs in der Schule nimmt nicht ab.

Dieses Ergebnis dürfte selbst Internetkritiker und Kulturpessimisten positiv stimmen, deren vielleicht größte Angst es ist, dass die Generation Facebook nur noch freu(n)dlos vor dem Computer hockt. Zwar zeigen zahlreiche Studien, dass die Computer- und Internetnutzung kaum positive Effekte auf die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen hat, doch belebt sie offenbar die vielfältigen außerschulischen Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen in positiver Weise. Damit reagieren Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene, bei denen sich ebenfalls keinerlei negative Effekte des Internets auf die soziale Partizipation zeigen, von informeller Interaktion über den Besuch von Freunden bis hin zu ehrenamtlichem und politischem Engagement. Im Ergebnis nimmt das Maß der informellen sozialen Interaktion mit dem Internet sogar signifikant zu: Menschen mit schnellem Internetanschluss gehen beispielsweise häufiger ins Theater, in die Oper, ins Kino oder ins Konzert.

Wie lässt sich der positive Effekt des Internets auf das Ausmaß der sozialen Aktivitäten von Jugendlichen und Erwachsenen erklären? Wir verbringen vielfach mehrere Stunden täglich im Internet oder mit Fernsehen. Doch während beim Fernsehen einseitige passive Unterhaltung dominiert, wird das Internet offensichtlich vor allem interaktiv genutzt. Mit Hilfe des Internets ist es viel einfacher, den Kontakt mit anderen Menschen aufrechtzuerhalten und sich in der realen Welt zu verabreden. Darüber hinaus hält das Internet vielfältige Informationen über Freizeit- und Kulturangebote sowie über (lokale) Politik und ehrenamtliches Engagement bereit. „Offensichtlich dominiert die Informations- und Kommunikationsfunktion des Internets seine passive Unterhaltungsfunktion. Deshalb finden wir tendenziell positive Effekte des Internets auf die sozialen Aktivitäten von Jugendlichen und Erwachsenen“, sagt Wößmann.

In ihrer Untersuchung verwenden die ifo-Forscher Daten über die Verfügbarkeit eines DSL-Zugangs im Haushalt und das soziale Verhalten von ca. 18.000 Erwachsenen sowie 2.500 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 7 und 16 Jahren im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). In deutschlandweiten Berechnungen haben die Wissenschaftler das Maß der sozialen Partizipation herausgerechnet, das die einzelnen Erwachsenen schon vor Ausbreitung von Breitbandanschlüssen aufwiesen.

Darüber hinaus machen sie sich eine unvorhersehbare technologische Fehlentwicklung zunutze, die beim Ausbau des Telefonnetzes in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung entstanden ist: Die in einigen Gegenden verwendete OPAL-Technologie wurde damals als das modernste Telefonnetz der Welt gefeiert. Als das Internet später zum Massenphänomen wurde stellte sich jedoch heraus, dass OPAL nicht mit DSL kompatibel war: Diese nicht vorhersehbare Unzulänglichkeit der OPAL-Technologie, die rund 11 Prozent der ostdeutschen Haushalte betraf, beschränkt noch heute in einigen Anschlussgebieten die DSL-Verfügbarkeit.

„Wir nutzen dies als ‚natürliches Experiment’“, so Wößmann. Wie in einem kontrollierten Experiment können hier einige Menschen keinen DSL-Internetzugang bekommen, da ihr Haushalt in einem OPAL-Anschlussgebiet liegt. Wößmann: „In diesem Fall ist die Internetverfügbarkeit dem Zufall geschuldet und nicht Folge einer bewussten Entscheidung, nach der entweder unternehmungsfreudige oder aber auch introvertierte Menschen sich tendenziell eher einen schnellen Internetzugang zulegen. So können wir sichergehen, dass wir tatsächlich den Einfluss des Internets auf die sozialen Aktivitäten schätzen können und nicht umgekehrt.“

Publikation:

Stefan Bauernschuster, Oliver Falck und Ludger Wößmann: Surfing Alone? The Internet and Social Capital: Evidence from an Unforseeable Technological Mistake, CESifo Working Paper 3469, Mai 2011.

 

Interessant: Die CDU renoviert ihre Bildungspolitik

Die CDU überdenkt ihre Schul- und Bildungspolitik. Auf dem Parteitag im November soll dazu ein neuer Grundsatzbeschluss gefasst werden, im Juni der Entwurf dazu im CDU-Bundesvorstand.

Interessant ist das aus mehreren Gründen: Erstens war die Bildungspolitik der Union in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich, die langjährig unionsgeführten Bundesländer haben bei der Pisa-Studie besser abgeschnitten als die SPD-regierten. Zweitens aber gibt es nur noch drei Länder, in denen die CDU den Kultusminister stellt: Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Und drittens ist der erbittert geführte Schulkrieg inzwischen weitgehend einem Konsens der Parteien in den wesentlichen Fragen der Bildungspolitik gewichen. Man darf also gespannt sein, wie sich die erfolgreichste deutsche Bildungspartei zukünftig in diesem Politikfeld profilieren will.

Beim Blick auf die ersten Ideen ist mein vorläufiges Urteil: Klingt im Großen und Ganzen vernünftig. Unklar ist mir jedoch, wie sich die Union damit von der SPD und den Grünen absetzen will, die inzwischen ja auch auf den Kurs der Vernunft eingeschwenkt sind.

Hier ein kleiner Überblick aktueller Artikel zur CDU-Bildungspolitik:

Zur Einstimmung ein Kommentar von mir vom Mai 2010.

Ein ZEIT-Interview mit dem niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann.

Ein aktueller Überblicksartikel auf Spiegel Online.

Ein aktueller Überblicksartikel auf Welt Online.

Ein Kommentar der FAZ-Bildungsredakteurin Heike Schmoll.

 

Was bringt die Rück-Reform der Oberstufe? Fast gar nichts

Die Mittelalten unter uns erinnern sich noch an die Reform der Oberstufe Anfang der Siebziger: Keine Klassenverbände mehr, große Wahlfreiheit bei der Fächerwahl. Seit einiger Zeit wird diese Reform nun zurückgenommen. Die Folgen beschreibt Markus Verbeet in einem lesenswerten Spiegel-Artikel.

Mehr Hintergrundinformationen finden sich im ZEIT-Artikel von Jan-Martin Wiarda aus dem Mai 2010 und in einem Interview mit dem Leiter der Studie, dem Tübinger Erziehungswissenschaftler Ulrich Trautwein.

Was lernen wir aus alldem: Erstens ist es gut, wenn die Wirkung von Reformen untersucht wird (ist leider fast nie der Fall im Bildungswesen). Und zweitens sollte man mit Schulreformen  (oder Rückreformen) sparsam sein, denn drittens bringen sie oft nicht den gewünschten Erfolg.

 

Pisa-Forscher Jürgen Baumert schlägt Alarm: Bildungsabstieg durch sinkende Schülerzahlen und mehr Einwandererkinder

Für Eilige: Hier geht es direkt zum Gutachten „Herkunft und Bildungserfolg“: Hier Herunterladen /Hier direkt zum Baumert-Interview: Baumert im ZEIT-Interview.

Und hier die Meldung dazu: Der Pisa-Forscher Jürgen Baumert warnt in der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe der ZEIT vor einem Bildungsabstieg Deutschlands durch sinkende Schülerzahlen und den steigenden Anteil von Einwandererkindern aus schwächeren sozialen Schichten an der Schülerschaft. „Wenn nichts geschieht“, sagt Baumert im ZEIT-Interview, „genügt dieser sozialstrukturelle Wandel, um die deutschen Pisa-Zugewinne zunichtezumachen.“ Gleichzeitig werde die Risikogruppe der schwachen Leser von jetzt 19 wieder auf 21 Prozent anwachsen. In den vergangenen zehn Jahren hatten die deutschen Schüler beim internationalen Leistungsvergleich Pisa (Programme for International Student Assessment) zugelegt.

In Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, erläutert Baumert, kämen zurzeit 35 Prozent der Schüler aus Zuwandererfamilien. Bei den unter Fünfjährigen seien es bereits mehr als 40 Prozent. „In den Ballungszentren werden in wenigen Jahren die Zuwandererkinder im Grundschulalter die Mehrheit bilden.“

Jürgen Baumert, 69, ist der bedeutendste deutsche Bildungsforscher. Bekannt wurde der inzwischen emeritierte Direktor  am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin als Leiter des deutschen Teils der Pisa-Studie (Programme for International Student Assessment), die im Jahr 2001 einen Schock auslöste: Die deutschen Schüler boten im internationalen Vergleich nur Mittelmaß, die Schulen zeigten sich als sozial ungerecht.

Am heutigen Dienstag legte er gemeinsam mit anderen Forschern (Expertenrat Herkunft und Bildung) ein Gutachten zur Bildungspolitik in Baden-Württemberg vor, das von der noch amtierenden Kultusministerin Marion Schick (CDU) in Auftrag gegeben wurde. Darin warnt er vor den Folgen des demografischen Wandels und macht Vorschläge, wie ihnen zu begegnen ist.

Vom Bestsellerautor Thilo Sarrazin, der vor einem wachsenden Anteil der Migranten an der Bevölkerung warnt, distanziert sich der Max-Planck-Forscher Jürgen Baumert. „Thilo Sarrazin irrt, wenn er suggeriert, dies sei eine Frage der Genetik“, sagt Baumert der ZEIT. „Er hat weder das die menschliche Entwicklung bestimmende Prinzip der Wechselwirkung zwischen Anlage und Umwelt wirklich verstanden noch die Plastizität der wissensabhängigen Komponenten der Intelligenz.“ Baumert sieht das Problem demgegenüber darin, dass die Zuwanderer vorwiegend aus schwächeren sozialen Schichten kämen und Deutschland ihre sprachliche Integration vernachlässigt habe.

Zur Bekämpfung des Problems plädiert Baumert für eine kontinuierliche Sprachförderung. „Schon nach der Geburt sollte sozial schwächeren Familien Unterstützung angeboten werden, um sie in ihrem Erziehungsauftrag zu stärken“, fordert Baumert. „Dann folgen Krippen, Kindergärten und die Grundschulen. In allen diesen Einrichtungen ist eine individuelle Entwicklungsdiagnostik notwendig, um bei Schwierigkeiten rechtzeitig helfen zu können. Dies verlangt oft zusätzliche Lernzeit. Dies ist aber nur in Ganztagseinrichtungen vernünftig zu organisieren.“

 

Bibel „nicht jugendfrei“ :)

Jetzt werde ich vermutlich den Bibelkonsum anheizen, was mir recht sein soll, ist sie doch nicht nur die heilige, sondern auch eine sehr lesenswerte Schrift.

Kürzlich machte mich ein sehr junger, sehr eifriger Leser, der sich nach den sieben Harry-Potter-Bänden nun die Bibel vorgeknöpft hat, darauf aufmerksam: „Das ist aber nicht gerade jugendfrei.“ Und was er mir dann vorlas, war wirklich harter Stoff für einen Achtjährigen. Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch der Bücher selbst gelesen habe, so heftig hatte ich das nicht in Erinnerung. Über die Jahre habe ich mich an die weichgespülte Version der Kinderbibel gewöhnt – kein Vergleich zum Original!

Und jetzt? Dem Kind das Lesen verbieten, gar das Lesen der heiligen Schrift? Nein, das geht nicht. Lieber drüber reden; für wilde Geschichten nach noch wilderen Erklärungen suchen, die dem kindlichen Gemüt gerecht werden. Und: Lieber wieder das Original lesen.

 

Schlappe für Rot-Grün: Gemeinschaftsschule in NRW gestoppt

Meldet dpa gerade:

Düsseldorf (dpa) – Der rot-grünen Landesregierung von
Nordrhein-Westfalen droht bei einem ihrer wichtigsten Vorhaben
juristischer Schiffbruch. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts
Arnsberg sind die von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne)
erteilten Genehmigungen für die neuen Gemeinschaftsschulen
rechtswidrig. Das Gericht untersagte deshalb die Gründung einer
Gemeinschaftsschule im sauerländischen Finnentrop.

Löhrmann kündigte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster
an. «Wir teilen diese Rechtsauffassung nicht», sagte sie am Dienstag
in Düsseldorf. Die Ministerin hatte im Rahmen eines Schulversuchs
zum kommenden Schuljahr die Bildung von 14 Gemeinschaftsschulen
genehmigt. In dieser neuen Schulform sollen alle Schüler mindestens
bis zur sechsten Klasse gemeinsam lernen. Langfristig will Rot-Grün
30 Prozent aller Schulen in NRW in Gemeinschaftsschulen umwandeln.

Das Verwaltungsgericht hält die Genehmigung lediglich durch eine
Experimentierklausel im Schulgesetz für unzulässig. Die Finnentroper
Schule sei «Teil einer systematischen, über punktuelle Projekte
hinausgehenden Einführung einer neuen Schulform». Dafür sei ein
«verfassungskonformes formelles Gesetz» erforderlich. Löhrmann sieht
sich dagegen mit dem Schulversuch «auf der sicheren Seite».

Gegen die Gemeinschaftsschule in Finnentrop hatten die
Nachbarstädte Attendorn und Lennestadt geklagt, die um den
Bestand ihrer Schulen fürchten. Für die Gemeinschaftsschule sollen
in Finnentrop Haupt- und Realschule aufgelöst werden. Zur neuen
Schule gab es nach Auskunft von Finnentrops Bürgermeister Dietmar
Heß (CDU) rund 140 Anmeldungen. 100 Schüler seien angenommen worden.