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Ach, Karasek

Auch das noch. „Sex wie bei Shakespeare“ titelt Spiegel Online, und dahinter verbirgt sich eine Rezension des neuen Buchs von Hellmuth Karasek. Sein 21. sagt der Text. Ja, wie doch die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert. Es trägt den Titel Ihr tausendfaches Weh und Ach, und thematisch mache „das Buch genau da weiter, wo Karasek mit den Lobgesängen auf Pooths Brüste (Anm. d. Verf.: Veronas, nicht Franjos), ‚ihre Bronzebräune‘ und ihren ‚Sex-Appeal ohne billige Mätzchen‘ in der Bild aufgehört hat…“.

Der aus „Funk und Fernsehen bekannte Literaturkritiker“ berichtet nun von seinen erotischen Erfahrungen und vergleicht diese mit denen berühmterer Schriftsteller. Die im Text zitierte Kostprobe geht so:

„Auch das Öffnen ihrer Bluse gelang ihm, Knopf um Knopf lenkte er sie mit Küssen ab. Natürlich vernestelte er sich, als er ihren Büstenhalter zu öffnen versuchte, aber dann sah er zwei wunderbare Halbkugeln…“

Wow.

Und natürlich vernesteln wir uns, wenn wir das Geheimnis zu lüften versuchen, wen solche discount-erotischen Schnurren interessieren sollen. Auch die Rezension ist da unentschieden. Aber sie liefert den wohl besten Klappentextsatz seit langer Zeit, erfrischend weit weg von lahmer Emphase wie „Dieses Buch lehrt uns sehen“ oder „Wunderbar, herrlich, ein Meisterwerk!“ Also, wer auch immer die Taschenbuchrechte dieses Werks ersteht, er drucke dieses bitte hinten drauf:

„Nachdem er zuletzt als Joker in der ‚5-Millionen-SKL-Show‘ aufgetreten ist und für Tintenfüller geworben hat, hat der langjährige SPIEGEL-Kulturchef nun mal wieder ein Buch geschrieben.“

Das „nun mal wieder“ des Jahres.

 

Kleine Messe-Benimm-Regeln

Ich habe inzwischen alle Peinlichkeiten auf der Messe ausprobiert und kann Ihnen nur empfehlen, sich ähnliches zu ersparen. Deshalb hier folgende Tipps:

1. Vermeiden Sie typische, dumme Messekonversation wie diese:

Ich sagte gestern zu Sebastian Koch: „Ja, natürlich kenne ich Sie. Ich bin ein natürlich ein großer Fan. Spätestens seit dem Film Mephisto.“
Er bedankte sich sehr freundlich. Doch heute morgen fiel mir ein, dass der Film „Mephisto“ mit Sebastian Koch gar nicht existiert.
Oder auch dieses schöne zweite beobachtete Beispiel. Jemand, ich weiß nicht mehr, wer es war, denkelte verschlafen über Kathrin Schmidt nach: „Diese Andrea Schmidt. Kenn ich natürlich alles. Die hat doch den Buchpreis bekommen.“

Tragen Sie deshalb verschiedene Lexika bei sich: Kindlers Literaturlexikon (In der Taschenbuchausgabe sind die 22 Bände etwas leichter), aktualisiertes Schauspieler- und Filmlexikon, Sportergebnisse der letzten Jahre, Geschichtsbuch.
Vielleicht haben Sie aber auch schon ein Telefon mit eingebautem Internet…

2. Empfänge, Messepartys, Menschenmenge

Versuchen Sie auch vor Verlagspartys in diversen Clubs und Bars niemals mit dem Türsteher zu diskutieren, sich vorzudrängeln, eine eigene Schlange zu bilden, sich generell auch ohne Einladung eingeladen zu fühlen. Ich habe das schon alles für Sie ausprobiert und kann Ihnen immer nur ans Herz legen, Abstand zu Türstehern zu halten und deren hässliche Regeln niemand versteht und für Sie selbst nur erniedrigend sind.

Zum ersten Mal in diesem Jahr feierte der Piper-Verlag ein rauschendes Fest im Velvet-Club, wo sich eine lange Schlange vor der Tür bildete, sich um die Säulen schlängelte, wo dann auch der eisige Wind durchfegte und durch die ganzen Drehungen um Säulen und Menschen noch etwas Rauer wurde. Wie Eingangs bereits angedeutet, war ich auch ohne Einladung, spazierte aber trotzdem munter und peinlich an der Schlange vorbei. Ich war die Andrea-Hünniger-Schlange. Ich lachte im vorbeigehen noch Kollegen aus, die frierend ihre Mäntel noch etwas weiter zuknöpften und rote Nasen von qualvollen Minuten im Frankfurter Winter erzählten. Leider scheiterte ich an dem Türsteher, er verwies mich „ganz nach hinten in die Schlange“. Als ich mich ungefähr mittig einreihte, kam er persönlich noch einmal und sagt: „Du“, wie ein Kampfschrei, „Du gehst hier raus und stellst dich wieder ganz nach hinten in die Schlange!“
Im übrigen sind immer Leute in der Schlange, die Sie kennen und vermutlich diese Vorkommnisse weiter erzählen oder gleich mit dem Telefon filmen.

3. Viren

Haben Sie ein Desinfektionsspray zur Hand, um sich nach Kontakt mit Menschen gleich alle Viren von Gesicht und Hand zu sprühen. Krankheiten treiben sich hier herum, angefangen von Unhöflichkeit bis zum unerträglichen Messeschnupfen.

4. Haben Sie immer Ausreden parat und tuen Sie sehr geschäftig

Polizei: „Machen Sie mal bitte Ihren Koffer auf.“
Ich: „Ich bin beruflich hier.“
Polizei: „Na und?“
Ich: „Ich bin auch zu müde, um den Koffer zu öffnen.“
Polizei: „Na gut, dann gehen Sie durch.“

5. Bücherklau

Jeder denkt daran. Beinahe jeder hat es schon getan. In der Grauzone der Messe weiß man eigentlich auch gar nicht, ob das überhaupt verboten ist. Nun denn.
Wenn Sie das schon vorhaben, dann sollten Sie das auch geschickt tun:
Gehen Sie zu einem Stand, schauen Sie interessiert und kritisch die Bücherregale an. Nehmen Sie ein Buch, blättern Sie, schauen Sie doch mal zwischendurch auf Ihr Telefon. Begrüßen Sie doch jemanden am Stand, den Sie natürlich nicht kennen. Entfernen Sie sich langsam.
Greifen Sie nicht wahllos zu, denn diese Bücher muss man auch wegtragen können und vermutlich auch lesen.

 

Man kann es auch Sprache nennen

Hier zwischen den Hallen, in den schmalen Gängen, wo gedrängelt und getrunken werden kann, hier in der Enge der Buchmesse wohnt auch die Sprache:

Ein außerordentlich kluger Kollege fragt die nette Servicekraft hinter der Theke nach einer Apfelschorle. Sie zapft ordentlich und ruckelt an einer Maschine rum. Ein prickelnd gelbes Getränk stellt sie auf die Tresen. Schaum schlägt sich am Glas nach oben. „Ist das Bier? Ich wollte doch eine Apfelschorle?“, fragt der Kollege als Kunde.

Sie dann: „Sie können das schon auch als Apfelschorle trinken!“

Sprache hinterlässt so viele Fragen!!!

 

Sie fragen, Reich-Ranicki antwortet

Meine Lieblingsrubrik auf faz.net ist „Fragen Sie Reich-Ranicki“. Dort beantwortet der Kritiker schlaue und dumme Fragen zur Literatur, mal nett, mal feuerspeiend. Manchmal zerstört er auch Träume. So fragt ein F. Scharpf:

„Wo finde ich die schönsten Liebesgedichte? Wenn ich in den Buchhandlungen suche, finde ich, dass die Gedichte oftmals einfach zu platt geschrieben sind. Sind die schönsten Gedichte nur die, die man selbst geschrieben hat?“

Nawodenkensedennhin. Achtung, MRR weiß Rat:

„Erstens: Die Liebesgedichte, die man selbst geschrieben hat, sind in der Regel Dreck und Mist.

Zweitens: Suchen Sie zunächst einmal bei Goethe, Heine und Brecht – und lesen Sie vor allem kurze Gedichte.“

Recht hat er. Aber das mit den kurzen muss er mir noch mal erklären.

 

Jung, kurz, ganz lustig

Der junge Autor Andreas Stichmann schreibt in seinem Debüterzählband manchmal Sätze, die einen sehr zum Lachen bringen. Am lautesten lachte ich bei jenem:

Der Bademeister hat sich inzwischen in seinem Hochstuhl eingerichtet und die Senioren diffundieren frei durch die Thermalsituation.

Sein Erzählband Jackie in Silber ist vergangenen Monat im Mairisch Verlag erschienen. Bald wird er auch auf ZEIT ONLINE besprochen. Schon bald.

 

Weisheit für den Haushalt

Peter Hein ist der Sänger der großartigen Fehlfarben. Ein Buch hat er auch schon geschrieben. Geht so heißt es und erzählt vom Leben in deutschen Städten. Da ich das seit Wochen, ach, Monaten bestellt habe, und es immer noch nicht da ist, werde ich mich jetzt an einer Weisheit Peter Heins erfreuen, die er auf dem Album Knietief im Dispo einst sang:

„Sperrmüll an Regentagen hat sich nicht wirklich bewährt“

 

Literarischer Stimmungsaufheller

Wann immer die Welt schlecht ist, wann immer Regen fällt, die Liebste absagt, Werder Bremen verliert und der FC Bayern gewinnt – denken Sie an diesen Satz, den die RTL-Moderatorin Birgit Schrowange in ihrer Biografie einst der Welt schenkte:

„Thomas ist eine historische Größe in meinem erotischen Lebenslauf.“

Schon geht’s besser. Oder?