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Sex sells? Vol. II

Das mit dem Songcontest ist ja so: Wer gewinnt, darf sein Lied am Schluss noch einmal spielen.

Wie bekommt man die Zuschauer also dazu, ein Lied unbedingt noch einmal sehen zu wollen und ergo dafür abzustimmen? Man setzt, wenn man sich bei der Qualität des Liedes nicht ganz sicher ist, auf Sex: eine schöne Frau, die sich vermutlich einigermaßen lasziv im Hintergrund räkeln und vielleicht gar ein, zwei Kleidungsstücke ablegen wird.

Insofern ist das Engagement von Dita von Teese als Aufhübschung des deutschen Beitrags nur eine logische Idee. Ob sie wirklich funktioniert, wissen wir am 16. Mai.

Und am 17. frage ich ab, ob sich irgendjemand an das Lied selbst erinnern kann.

 

Das ging leider ins Auge

Blödes Timing, muss man da sagen. Ganz abgesehen von der Frage nach der Witzischkeit dieses Produkts:


(Klicken macht’s größer.)

Vor ein paar Tagen, als die PR-Agentur die Welt von der Existenz des „Ratze Gummis“ unterrichtete, mag man das noch für eine böse kleine Unartigkeit gegenüber eines alten Mannes in Rom gehalten haben, der dort sitzt wie ein kleines Kind, das die Augen zukneift und immer wieder sagt: „Ich seh den Onkel Zahnarzt gar nicht, der ist gar nicht da!“

Nun, da sich der Boulevard die Nadelstreifhosen mit der Berichterstattung über eine deutsche Sängerin vollsabbert, die möglicherweise einen ihrer Liebhaber möglicherweise mit HIV eventuell infiziert haben könnte, kommt Ratze leider in den falschen Hals.

Allerdings hat sich der klagende Liebhaber der Sängerin wohl an den 3. Punkt gehalten: Keinen Gummi verwenden und einfach „hoffen, dass nix passiert“.

Ich würde ja zu gern wissen, ob all die geifernden (Chef-)Redakteure selbst immer brav Kondome verwenden, wenn sie fremdgehen.

 

Welt-Aids-Tag … gähn!

Ha, erbost haben Sie jetzt auf diesen Link geklickt, die strengen Fingerchen bereit für eine Wortsalve in den Kommentaren.

Aber ganz ehrlich: Hätten Sie auf einen Link geklickt, der nur „Welt-Aids-Tag“ als Titel hätte? Nein, Sie hätten sich „gähn“ gedacht und weitergeblättert.

Und genau das ist das Problem, das die Aidsaufklärung mittlerweile hat. Berichte über antiretrovirale Medikamente, die den Ausbruch des Virus verhindern oder über neue Pillen, die angeblich vor einer Ansteckung schützen, locken eben immer noch mehr Hunde hinter dem Ofen hervor als das Mantra „Zieht Gummis über, zum Henker!“

Der Effekt: Die Ansteckungsfälle nehmen wieder zu, auch in Europa – was irgendwie wieder in die Köpfe all jener gehämmert werden muss, die sich selbst damit belügen, dass Aids „ja in Afrika mittlerweile echt schlimm ist, aber hier in Europa haben wir das doch schon im Griff“.

Mitnichten.

Absurd, wenn man bedenkt, dass man diese Krankheit eigentlich ausrotten könnte. Dass wir diese Krankheit ausrotten könnten.

In diesem Sinne: Alles Gute zum 20. Welt-Aids-Tag!

Lesestoff gibt’s zum Beispiel hier. Und – mit Verlaub – ganz schlimme Kondomwerbungen gibt’s hier.

 

Mädels, lasst uns endlich erwachsen werden!

Da trifft es sich wieder einmal sehr zufällig, dass ich erst des Kollegen Hugendicks Erlebnisse beim Versuch, ein Frauenbuch zu kaufen, lese. Er wird in der Buchhandlung nämlich prompt in die Abteilung „Freche Frauen“ geleitet, wo er vor Werken wie den folgenden steht:

Die Dispo-Queen, Lizenz zum Seitensprung, Vom Umtausch ausgeschlossen, Die Schnäppchenjägerin, Da hilft nur Schokolade, Liebe mit Jojo-Effekt, Kleine Sünden zum Dessert, Halbnackte Bauarbeiter, Reich heiraten!, Club der wilden Mütter, Geht’s noch?, Die Supermamis von Manhattan, Ein unmoralisches Sonderangebot, Au Pairs – dringend gesucht!

Und gerade, als ich ihm schreibe, dass wir Frauen uns offenbar nicht nur für doof halten lassen (siehe Frauenmagazine), sondern diesen Schwachsinn auch noch frischfröhlich kaufen (und ergo das Bild der Marketingstrategen, die uns für doof halten, bestätigen), flattert das Pressematerial des neuen TV-Senders für schwule Männer, TIMM, in die Mailbox.

Der geht am 1. November, jeweils von 18 bis 24 Uhr, auf Sendung. Und seine Sendewoche ist in folgende Mottos (Motti?) unterteilt:

Der scharfe Montag
Der pralle Dienstag
Menschen am Mittwoch
Der Donnerstag mit Biss
Pink Friday
Der lange Samstag
Der charmante Sonntag

Scharf und prall? Na gut, RTL hat nicht sehr viel anders angefangen.

Es gibt ein Reisemagazin, das von „Flugbegleiter Max“ präsentiert wird. Und da fängt man langsam zu überlegen an, ob das jetzt lustig ist, so mittenrein ins Klischee (schwule Stewards?), oder Schülerzeitung.

Aber dann liest man das hier:

Es spricht der Wicht!
Polit-Talkshow, Deutschland 2008, Mi. 21:15 – 22:15 Uhr
Mit: Holger Wicht
Wir müssen reden! Und zwar Klartext. Anfang 2009 startet der Polit- und Gesellschaftstalk „Es spricht der
Wicht!“. Jeden Mittwochabend diskutiert Holger Wicht, ehemaliger Chefredakteur des Berliner Stadtmagazins
„Siegessäule“ mit spannenden Gäste über Themen, die die schwule Welt bewegen. Offen und ehrlich,
informativ und kontrovers, persönlich und menschlich.

Ach Mensch, Kinder! „Es spricht der Wicht“??? Als Titel für eine politische Diskussionssendung? Wollt ihr vielleicht gar nicht ernstgenommen werden?

Und an Tagen wie diesen denke ich mir, dass wir Randgruppen vielleicht doch auch ein bisschen selbst dran schuld sind, dass wir immer noch so genannt werden.

 

Sex im Alter – wo ist gleich noch einmal das TABU?

Anlässlich des Films „Wolke 9“ von Andreas Dresen wurde ja bereits ausführlich über Sex im Alter und ob die das überhaupt noch machen, die Alten, und ob man das im Kino oder sonstwo sehen will, etc. diskutiert.

Zur Wiederholung kurz der Trailer:

In so gut wie jedem Interview, das der Aufklärer der Nation, Oswalt Kolle, zur Erscheinung seiner Autobiografie gibt, hält er ein Plädoyer fürs Schnackseln bis ins hohe Alter: „Denkt dran, dass ihr mit 50, 60, 70 auch noch Spaß haben wollt, Spaß an der Liebe!“

Und nun zeigt auch der Deohersteller Mum in seinem neuen Werbespot knutschende Senioren (sowie ein knutschendes Schwulenpärchen, aber dazu kommen wir gleich).


Ewige Liebe from SFLB on Vimeo.

Anlässlich der Senioren und der Schwulen stellt die Website der Schweizer Kommunikationswirtschaft die Frage, was von beiden das größere Tabu sei. Denn aus den TV-Spots werde das Männerpaar rausgeschnitten, außer, der Spot laufe in passendem Umfeld, einer Serie über Homosexuelle wie „The L-Word“ oder „Queer As Folk“, wie der Creative Director der Werbeagentur erklärt.

Erstens: Ich würde hiermit gern eine Tabu-Diät ausrufen. Abwechselnd wird berichtet, dass nun aber auch „das letzte Tabu“ gefallen sei (das wäre dann wahlweise Inzest, Sterbehilfe oder Rotwein zum Fischgang), gleichzeitig tauchen jeden Tag neue auf. Man weiß nicht, ob man gähnen oder schreien soll.

Vögelnde Senioren sind kein Tabu, ebensowenig wie knutschende Männer! Der Anblick selbiger ist ungewohnt, das ist alles. (Und es ist traurig, das auch.) Aber man darf das bitte nicht gleich zu einem Tabu hochspielen!

Zweitens wird mir langsam der Druck auf ältere Menschen etwas zu groß, bis kurz vor dem Abnippeln noch ein erfülltes Sexualleben haben zu müssen. Oswalt Kolle hier, diverse Studien da – und die wenigsten gehen auf die Gründe ein, wieso die Alten jetzt angeblich immer mehr Sex haben. Viagra wäre einer; dass ältere Menschen nach einer Scheidung oder dem Tod des Partners nicht mit ihrem Liebesleben abschließen, ein anderer. Wenn man jemand Neuen kennenlernt, geht im Bett eben einfach mehr, egal ob mit 18 oder 80.

Aber das kommt mittlerweile so rüber, als ob auch die Senioren ihr Wochen-, oder besser, Monatssoll zu erfüllen haben, ansonsten sie sich Sorgen um ihre Beziehung machen müssten.

Oswalt Kolle kennt sich sicher besser aus, aber früher werden ältere Menschen wohl kaum an ihrem 65. Geburtstag zu ihrem Ehepartner gesagt haben: „So, Schatz, das war’s dann. Ab sofort ist es für uns unziemlich, noch miteinander in die Kiste zu steigen.“ Wer Spaß haben wollte, hatte den vermutlich auch, ob die Gesellschaft ihn daran nun erinnert hat oder nicht. Und wer keinen Spaß mehr haben wollte, konnte endlich in Ruhe seinen Bücherstapel abarbeiten.

Also: Vögelnde Senioren? Super. Knutschende Männer? Auch super. In der Öffentlichkeit? Gern – weil’s kein Tabu, sondern einfach normal ist. Und vielleicht könnten wir beides langsam auch genau so behandeln.

PS: Die Schweizer Krankenversicherung Swica hat übrigens bereits 1999!! das TABU!! mit dem Seniorensex gebrochen. Mit einem entzückenden Werbespot, der ebenfalls hier zu finden ist.

 

Lärmschutz im Bett?

Seit ich diese Meldung über den Briten gelesen habe, der seine Freundin nicht mehr besuchen darf, weil sich deren Nachbarn über den zu lauten Sex beschwert haben, bin ich am Grübeln.

Wir wissen ja, dass es einem entspannten Sexleben durchaus gut tut, nicht andauernd auf irgendetwas aufpassen zu müssen (unerwünschte Besuche der Kinder, der Schwiegermutter, des Storches, …) Wenn man also mit einem halben Ohr immer auf den aktuellen Geräuschpegel achten muss (quietschende Betten, Bettpfosten, die gegen Nachbars Wand klopfen, menschliche Verzückungsäußerungen, …), kann das durchaus ein wenig beeinträchtigend sein.

Andererseits habe ich einmal in Stöhnweite eines überaus aktiven Pärchens gewohnt, die a) immer spätnachts, nein, eigentlich schon frühmorgens zugange waren, b) quälende Ausdauer zeigten (man hätte am liebsten mitgeholfen, damit er endlich kommt!) und c) in einem nicht zu identifizierbaren Nachbarhaus wohnten, das mit meinem lediglich einen Innenhof mit hervorragender Akustik gemeinsam hatte.

Ach ja, und ihr Bett dürfte direkt unter dem Fenster gestanden haben. Und sie waren Frischluftfanatiker. Aber am schlimmsten war wohl ihre Ausdauer. Und die offensichtlich große Begeisterungsfähigkeit der Frau.

An dieses Pärchen musste ich gerade wieder denken, als mir heute diese Umfrage in die Hände fiel:

Nürnberg (ots) – Techno, Schreihälse, Rasenmäher – anhaltender Lärm aus der Nachbarschaft nervt. Jeder Zehnte fühlt sich vom lautstarken Sex in seiner direkten Umgebung gestört, jeder Vierte von dröhnender Musik, rund 30 Prozent vom Streitgeplärre in der Nachbarschaft. Dies ergab eine Umfrage von Immowelt.de, einem der führenden Immobilienportale.
Der Störenfried lebt nebenan: Oft ist das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nachbarn durch Lärmbelästigungen getrübt. So fühlt sich jeder Zehnte von den lauten Sexgeräuschen seiner Nachbarn gestört. Dies geht aus einer Umfrage von Immowelt.de hervor, einem der meistbesuchten Immobilienportale im Internet.

Mehr noch als das inbrünstige Liebesleben nerven lautstarke Streitgespräche – die miese Stimmung in den angrenzenden Wohnungen belästigt rund 30 Prozent aller Befragten. Selbst lärmige Musik ist da noch erträglicher: Nur 26,2 Prozent fühlen sich von ihr behelligt. Dabei bleibt offen, ob die Schmerzgrenze mit der jeweiligen Musikauswahl steigt.

Bei Kindergeschrei herrscht da etwas mehr Toleranz – nur jeder Fünfte scheint das laute Geplärr der Kleinsten schwer zu ertragen. Widerstand wäre hier auch zwecklos: Üblicher kindgemäßer Lärm wie Lachen, Weinen und Schreien ist in Deutschland auch während der Mittags- und Nachtruhe geschützt.

Die Top 5 der nervenden Nachbargeräusche:
– Laute Streitgespräche – 29,6 % – Laute Musik – 26,2 % – Kindergeschrei – 21,0 % – Rasenmäherlärm – 12,1 % – Sexgeräusche – 11,1 %

Ein gewisses deutsches Supermodel hat sich ja angeblich in ihrer Villa auf Mallorca das Schlafzimmer schalldicht dämmen lassen. Und v.a. amerikanische Touristen ziehen Hotels vor, deren Zimmer hübsch geräuschisoliert sind, hat mir einmal ein Kenner der Hotelszene erklärt. (Kann natürlich daran liegen, dass so auch weniger Lärm hineinkommt.)

Aber irgendwie komme ich bei meinen Grübeleien nicht weiter. Recht auf freie Lautäußerung – yeah! Aber wenn man genau nebenan schlafen will …? Oder soll man genauso lange laut Sex haben dürfen, wie man Bohren/Musikhören/Klavierüben darf? Ab 22 Uhr wird der Mund gehalten?

Andererseits scheinen wir ohnehin schon ein Volk der stummen Vögler geworden zu sein. So wenig, wie man sogar im Sommer des nächtens hört? Kein Wunder, dass einen das aus dem Schlaf reißt.