Lesezeichen
 

Spät, aber doch: Feuchtgebiete oder „Pipi, Muschi, Kacka, Sperma“

Ich gebe es ja zu: Ich wollte das Buch nicht lesen. Vielleicht, weil ich ohnehin vorab schon so viel darüber lesen konnte, dass ich das Gefühl hatte, es bereits gelesen zu haben. Vielleicht, weil sich ein erstes Vorurteil allzu schnell gebildet hat: Effekthascherei, im nachhinein noch schnell mit ein paar ideologischen Masken behängt. Vielleicht, weil zwei Freunde unabhängig voneinander die ersten 60 Seiten (mehr brachten sie nicht über sich) mit den Worten „Pipi, Muschi, Kacka, Sperma“ zusammenfassten.

Vielleicht war ich, als „Feuchtgebiete“ herauskam, aber auch schon auf einem sachten „Nicht alles, was Charlotte macht, ist super“-Trip. Vermutlich habe ich kurz zuvor zum ersten Mal auf youtube die Pilotsendung von ihrer Pennälerhumor-Show „Wahrheit oder Pflicht“ gesehen und mir gedacht: Nee, Mädel, jetzt is dann mal gut.

Um das vorauszuschicken: Ich finde, hm, fand Charlotte Roche als Interviewerin unglaublich schlagfertig und witzig. Und ich habe ihrem eigenen Sinn für Humor ja auch hier Raum gegeben. Bei den Penisverletzungen durch Staubsauger habe ich wie alle anderen Anwesenden Tränen gelacht.

Aber jetzt „Feuchtgebiete“ und „Wahrheit oder Pflicht“? Sorry.

Ich habe gefühlte 20 Talkshows mit ihr über das Buch gesehen, in denen sie im Prinzip immer das gleiche sagt: Das Buch soll ein Gegenschlag gegen den Sauberkeits- und Rasurzwang, den wir Frauen uns heutzutage (selbst) auferlegen, sein. Es habe ihr gestunken, dass in den Drogeriemärkten die Regale mit Intimwaschlotionen immer mehr geworden seien. Und eine Frau habe ihr einmal gesagt, sie würde sich mit ihrem Mann schon gar nicht mehr ins Bett trauen, wenn ihre Beine auch nur einen Tag unrasiert seien.

Vor allem die parfümierten Slipeinlagen seien Roche ein Dorn im Auge, weil sie implizieren, dass Frauen im Laufe eines Tages untenrum so riechen würden, dass sie eigentlich duschen müssten, bevor sie sich ihrem Manne auch nur nähern.

Und um ein Zeichen gegen all das zu setzen, kreiert sie eine Romanfigur, die sich einen Spaß daraus macht, ihre Bakterien allüberall zu verbreiten. Noch dazu am sterilsten aller Orte, in einem Krankenhaus.

Nur: Die Romanfigur rasiert sich selbst wöchentlich überall dort, wo es „sich gehört“: Achseln, Beine, Intimbereich. Oder sie lässt sich rasieren und findet das immer ziemlich geil.

Vielleicht habe ich noch nicht alle 200 Rezensionen gelesen, aber dieses Detail wird nirgends angesprochen und wurde in keiner Talkshow gefragt. Ich wehre mich gegen den Rasurzwang, indem ich meine Figur vom Rasiertwerden schwärmen lasse? Kapier ich jedenfalls nicht. Und wann wurde eigentlich hierzulande die letzte Frau gelyncht, weil sie unrasierte Beine hatte?

Slipeinlagen: Ja, stimmt. Frauen werden heute von der Hygieneindustrie gern als erwachsene Babys behandelt, die auch tagsüber Windeln tragen sollten. Doch dienen die nicht in erster Linie dem Wäscheschutz und dazu, dass man nicht unbedingt den ganzen Tag im Feuchten sitzen will?

Aber Intimwaschlotionen? Ist die Ära nicht längst vorbei? Ich wüsste bei meinen Drogeriemärkten jedenfalls nicht einmal, wo ich die Dinger suchen sollte. Ganz zu schweigen von: werden immer mehr!

Ganz abgesehen davon: Wenn Roche sich aufregt, dass Frauen auch nach einem Arbeitstag frisch geduscht riechen sollen, weil sich ihre Typen sonst nicht zwischen ihre Beine trauen würden, dann würde ich das Szenario gern einmal umdrehen: Würde sie ihrem Mann gern am Ende eines langen, heißen Tages einen blasen, ohne dass der vorher wenigstens kurz seinen Schniedel unter fließend Wasser gehalten hat?

Ich bin sogar der Meinung, dass die deutsche Intelligenzija, die in diesem Buch Parallelen zu allen möglichen großen Literaten und Philosophen erkennt, lieber frisch geduschte Sexpartner hat.

Hygiene ist eine Frage der Höflichkeit. Und wir Frauen sind es meistens, die sich über riechende Kerle in der U-Bahn aufregen, die noch nie ein Deo benützt haben. Und hey, es gibt sogar parfümiertes Klopapier, das verwenden auch Männer!

Ich weiß, man soll ein Buch nicht 1:1 lesen. Trotzdem habe ich Bauchweh, wenn ich mir vorstelle, dass 14jährige Mädchen eine Romanfigur gut finden (ich wage nicht zu hoffen: sich zum Vorbild nehmen) könnten, die ein reichlich asoziales Verhalten an den Tag legt.

Damit meine ich nicht die wahrlich selbstbestimmte Sexualität der Helen Memel, die von ihren Liebhabern verlangt, keine Scheu vor ihren normalen Körperfunktionen zu haben. Sondern ihren Drang, Bazillen-Kettenbriefe in die Welt zu schicken. Sie legt einen gebrauchten (selbstgebastelten) Tampon auf der Haltestange des Krankenhausfahrstuhls ab. Sie schmiert ein wenig Menstruationsblut auf einen Geldschein, bevor sie zahlt. Sie legt gebrauchte Hygieneartikel in eine Box mit frischen, in der Hoffnung, dass der nächste Patient, der in ihrem Zimmer liegt, die verwendet. (Sie liegt, übrigens, auf einer proktologischen Abteilung. Gab immer viel Gelächter in den Talkshows, weil man das so schön mit „Das ist die Abteilung der Arschologen“ übersetzen konnte.)

Sie rutscht, bevor sie öffentliche Toiletten benützt, gern mit der Vulva einmal über die Klobrille, ha ha. Da stellen sich mir alle Haare auf! Jahrelang versucht man, Mädchen beizubringen, dass sie ein bisschen auf ihre Geschlechtsteile achten sollen, Motto: Steck nichts in deine Vagina, was du nicht auch in den Mund stecken würdest! Kein Vaginalverkehr direkt nach Analverkehr, etc.

Und auch wenn jetzt gleich kluge Menschen hier kundgeben werden, dass Klobrillen hygienischer sind, als man allgemein glaubt, und vielleicht auch noch ein bisschen was von vaginaler Selbstreinigungskraft: Das ist mir, mit Verlaub, egal. Ich würde mir eher wünschen, dass gerade junge Mädchen etwas sorgsamer mit ihrer Vagina umgehen als Helen Memel.

Und ganz objektiv: Das Buch hat einige richtig ekelhafte Szenen, die meines Erachtens lediglich der Provokation dienen. Und über die Roche in einer Talkshow sagte, sie wäre dabei vor sich selbst erschrocken. Sie sagte: „Huch, kann man das so schreiben?!“ Sie sagte nicht: „Puh, das ist heftig, aber das muss jetzt mal gesagt werden.“

Aber wenn man das Buch nur ekelhaft findet, ohne sofort eine intellektuelle Verbrämung dranzuhängen, fühlt man sich heute ja gleich als Spießer mit Waschzwang. Ganz abgesehen davon ist es einfach wirklich simpel geschrieben und schlecht lektoriert. Es hat ein Happyend, auf das selbst Ildiko von Kürthy neidisch wäre, und flicht noch ein paar hobbyfreudianische Scheidungskind-Analysen ein, die so klingen, als ob sie im Nachhinein noch schnell reingebastelt worden wären.

Kiepenheuer und Witsch hat das Manuskript „in einem frühen Stadium“, wie der Verlagsleiter Helge Malchow sagte, abgelehnt. Angeblich, weil es zu pornografisch sei, wie Charlotte Roche gern erzählt. Es ist zu hoffen, dass sie es abgelehnt haben, weil es ein schlechtes Buch ist, das einfach nur stumpf auf die Kacke haut. Auch wenn sie jetzt vermutlich mit Wehmut auf die Verkaufszahlen blicken.

Aber die verdankt man ja, wie der Stern schrieb, „vor allem Männer(n) ab 50“. Aber das wäre dem Buch und der Autorin nur vorzuwerfen, wenn es auf diese Käuferschicht bewusst mit abgezielt hätte. Und das will ich Charlotte Roche ja nun wirklich nicht unterstellen.

Sie kommt im Herbst übrigens mit einem sehr lustigen Format auf 3sat: „Charlotte Roche unter …“, wo sie jeweils ein paar Tage mit einer Berufsgruppe verbringt, von der sie keine Ahnung hat. Mit einem Jäger, zum Beispiel. Da finde ich sie wieder super.

Aber vielleicht ist es langsam Zeit, nicht mehr alles, was sie macht, unbedingt auf jeden Fall immer automatisch super zu finden.

 

Hat sie’s oder nicht?

posornot.jpg

Es soll ja immer noch Menschen geben, die glauben, erkennen zu können, ob jemand HIV-positiv oder -negativ ist. (Fragen Sie mal Prostituierte, die von ihren Freiern gern hören: „Ach, wir brauchen keinen Gummi. Du schaust ja nicht krank aus.“)

Aber auch für alle anderen ist diese Webseite ein guter Augenöffner gegen Selbsttäuschung.

Und großen Respekt an alle, die sich für den Kampf gegen Aids dort „geoutet“ haben.

Via adverblog.

 

1 Bettdecke – viele Kinder?

Gestern beim Abendessen eine interessante These gehört, wieso die Geburtenrate in Frankreich so hoch ist. Angeblich sagte sogar der hiesige Familienminister, es liege daran, dass es in Frankreich für Paare üblich sei, mit einer gemeinsamen Bettdecke zu schlafen. (Ganz abgesehen von der besseren Kinderbetreuung, den steuerlichen Vorteilen und der Nichtanwendung des Wortes „Rabenmutter“ für Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen.)

Und dank dieser These entspann sich dann eine kleine Diskussion, in der sich ein großer Teil der (deutschen) Anwesenden einig war, eine gemeinsame Bettdecke würde eher zu eher mehr Streit und dadurch zu eher weniger Sex führen.

Irgendwer meinte dann auch noch, die Sexfrequenz hinge außerdem davon ab, was bzw. ob man im Bett etwas trüge.

Wenn ich hier jetzt ein Umfrage-Tool hätte …

 

Sex vs. Porno

Aus aktuellem Anlass, weil weiter unten ja die Frage erörtert wurde, ob Pornos „echter Sex“ sind und wieso nicht, folgt hier eine kleine Auflistung, die sich Experte Cory Silverberg bei about.com einmal zusammen gesucht hat.

Pornofilme werden nicht den Darstellern zuliebe gedreht
Die Darsteller machen Sex für Geld, nichts anderes. Und was sie tun, soll nicht primär sie selbst scharf machen, sondern den Zuschauer. Pornos stellen nicht dar, wie zwei Menschen Spaß miteinander haben, sondern wie ein Mensch (der Regisseur) glaubt, andere anregen zu können.

Die meiste Pornografie wird in einer Art Vakuum erzeugt
Silverberg meint, dass in sexuelle Beziehungen viele Erfahrungen, Alltagserlebnisse und ähnliches einfließen. Sexualität könne eine unglaublich komplizierte Form menschlicher Kommunikation und Interaktion sein. Doch ein Großteil der Filme kommt aus einem kalifornischen Tal, wo die immer selben Darsteller die immer selben Szenen drehen.

Diese Körper sind nicht echt
Man solle nie seinen Körper mit denen aus Pornos vergleichen. Zu allererst, weil Pornodarsteller ja genau wegen bestimmter körperlicher Attribute ausgewählt werden. Die durchschnittliche Penisgröße männlicher Darsteller sei nicht repräsentativ, sagt Silverberg. Und bei den Frauen muss man schon lange suchen, bis man eine findet, die noch nicht schnippeln hat lassen.

Licht, Kamera, Spezialtricks
Nicht umsonst sind Spezialisten am Werk, die wissen, wie man etwas besonders vorteilhaft in Szene setzt. Und sorgfältig getrimmtes männliches Schamhaar lässt so manches gute Stück sogar noch ein bisschen größer aussehen.

Versuchen Sie diese Positionen nicht zuhause!
Die teils akrobatischen Stellungen, die man in Pornos sieht, dienen in erster Linie dazu, der Kamera freien Blick auf sonst Unsichtbares zu verschaffen. Beispielsweise diese Stellung, in der die Frau rittlings mit dem Rücken zum Mann auf ihm … hm, turnt, irgendwie, und dabei mit ihren Füßen auf seinen Oberschenkeln steht? Das einzige, was diese Stellung bringen kann, ist Muskelkater.

Um das klarzustellen: Das ist kein emmaiges Pamphlet gegen Pornografie! Die kann sehr anregend sein und viel Spaß machen! Aber – und darum ging es ja in der Diskussion von vor ein paar Tagen – Porno hat nichts mit echtem, Spaß machendem, triebgesteuertem Sex zu tun. Also mit jenem Sex, bei dem man sich von seinen Gefühlen leiten lässt und den Partner fast mehr spürt als sieht. Jenem Sex, der nicht nach einer vorgegebenen Choreografie abläuft, bei der Stellungen 1 bis 4 abgehandelt werden müssen, sondern bei dem man einfach das tut, wonach einem gerade ist.

Und ich bleibe dabei: Zwischen beidem ist ein immens großer Unterschied. Und wer den nicht spürt, sollte sich vielleicht einmal fragen, ob er vielleicht auch schon längst Pornos nachstellt statt geilen Sex zu haben.

 

Wieviel nackt muss denn nun wirklich sein?

Dies ist ein ernst gemeinter Aufruf: Kann mir bitte jemand die Vorzüge, nein, den Reiz, nein, das offensichtlich Wunderbare an FKK erklären?

Am Strand lass ich mir Textilfreiheit ja noch einreden: Ein Schwimmgefühl wie in der heimischen Badewanne, man kann sich viel gruseliger ausmalen, wo der böse Hai gleich überall hinbeißen wird, und der Hautkrebs kommt endlich an wirklich alle Körperteile ran.

Aber im Flieger zum Urlaubsort? Das versucht nämlich laut ORF.at gerade wieder einmal ein diesmal deutscher (ich nehme an: ostdeutscher) Unternehmer anzubieten. Offensichtlich ist er von seiner Idee bislang nur bedingt überzeugt, weil es lediglich um zwei Flüge geht: von Erfurt nach Heringsdorf auf Usedom. Und zurück. 5. Juli, wer sich’s eintragen möchte.

Ich nehme an, da reserviert man schon den Flugzeugsitz mit dem Badetuch. Weil: Nackter Popsch auf Kunstleder? Schweres Urgs!

Und deswegen würde mich wirklich interessieren, was an der grenzenlosen Freikörperkultur so erstrebenswert ist. Wieso muss ich auch noch im Supermarkt aufm FKK-Gelände nackig sein? (Fremde Schamhaare auf der Müslipackung ganz unten im Regal? Doppel-Urgs!) Und echt nix gegen Pimmel – aber beim Mittagessen?

Darüber, ob FKK tatsächlich so unverkrampft und natürlich ist, wie sich die meisten FKKler das wohl einreden, wurde ja schon oft diskutiert. Halten FKKler vielleicht so krampfhaft an ihrer Unverkrampftheit fest, dass sie es nicht über sich bringen zuzugeben, dass es Orte/Situationen gibt, an/in denen ein wenig Bekleidung das Leben tatsächlich angenehmer machen würde?

Aber wie gesagt: Vielleicht muss mir das nur jemand endlich einmal richtig erklären. Danke!

 

Schwedische Soldatinnen wollen keinen erigierten Penis am Arm

Ah, welch wunderbares Fundstück, das Herr K. da in der Stuttgarter Zeitung (vom 14.12.) aufgetan hat. Es geht hierum (für ein Suchrätsel ist es leider schon zu spät):

bild-1.png

Dieses Wappen ziert die Uniform einer schwedischen Spezialeinheit, musste aber nach dem Protest der Soldatinnen ein wenig … beschnitten werden.

Was ich mich ja eher frage, ist: Wieso musste der Löwenpenis unbedingt erigiert sein? Sollte das eine subtile „Make Love, Not War“-Anspielung sein? Sind geile Löwen aggressiver? Haben die dann überhaupt noch genug Blut im Hirn, um überlegt zu handeln/kämpfen? (Jetzt habe ich schon wieder vergessen, wie dieser jüdische Sinnspruch geht, der im Prinzip sagt, dass das Hirn abschaltet, sobald der Schniedel steht.)

Hier geht’s zum Artikel.

 

Ironie des Schicksals?

Normalerweise hätte ich ja gesagt, dass die Amis es echt überziehen, wenn sie auf einer Flughafentoilette extra einen Undercover-Polizisten beschäftigen, der Männer festnehmen soll, die mit ihren Kabinennachbarn in sexuellen Kontakt treten wollen.

Aber wenn dann von diesem Polizisten ausgerechnet ein republikanischer Senator (verheiratet, 3 Kinder) erwischt wird, der in den vergangenen Jahren ebenso vehement gegen die so genannte Homo-Ehe eingetreten ist, wie er andere Gesetze zur Gleichberechtigung von Homosexuellen bekämpft hat (laut CNN scheint er mit seiner Stimme gar ein Gesetz verhindert zu haben, das die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verboten hätte), dann rutscht mir schon so ein kleines „Ha!“ raus.

 

Sex, anonym und kalt

Eine tolle/beeindruckende/ernüchternde Bildergalerie haben die Freunde von Campus aufgetrieben: Anonym, eine Diplomarbeit, für die Holger Stöhrmann anonyme Sex-Schauplätze gesucht und fotografiert hat.