Wissen Sie, manch Anlass zum Kopfschütteln kommt auf leisen Sohlen daher. Beispielsweise diese Meldung: Die University of Tulane (New Orleans) hat drei antivirale Wirkstoffe entdeckt, die, im Tierversuch als Vaginalgel verabreicht, gegen eine HIV-Infektion schützen können.
1. Reaktion:
Hey, toll! Gut gemacht, Jungs! Man kann ja nie genug gegen eine weitere Verbreitung von HIV tun!
2. Reaktion (3 Minuten später)
Warum müssen sich Frauen mit einem Gel schützen, wo es doch eigentlich Kondome gibt? Die werden mittlerweile ja schon recht weit verbreitet angeboten, sind einfach in der Anwendung und schützen wohl auf jeden Fall besser gegen eine Ansteckung, als dieses Gel (es haben sich immerhin nur drei von insgesamt 20 (!) Affen den Virus eingefangen – tolles Ergebnis!).
Ach ja, richtig, weil es Männer gibt, die einfach keine Gummis verwenden möchten. Oder die – ein ewiger Klassiker – „allergisch“ dagegen sind. Und bevor man sich bei so einem ansteckt, tut man sich lieber einfach das Gel rein. Na dann.
Nix na dann. Wenn ein Mann sich weigert, ein Kondom zu benützen, gibt es keinen Grund, diese Weigerung auch noch zu belohnen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Ansteckungsgefahr bei heterosexuellem Verkehr für eine Frau immer noch größer ist als für einen Mann.
Das Gel solle vor allem afrikanischen Frauen dabei helfen, sich gegen eine Infektion zu schützen, schreibt eine Nachrichtenagentur. Schließlich verbreite sich das Virus dort nach wie vor beängstigend schnell, vor allem unter Frauen. Vielleicht ein etwas gerechtfertigterer Einsatzgrund, aber – man verzeihe mir meine naive Blauäugigkeit – doch eigentlich auch das falsche Ende, von dem man das Pferd aufzäumt. Man stelle sich den Aufwand vor, mit dem dieses Gel und seine richtige Anwendung unter die Frauen gebracht werden muss. Man stelle sich vor, wie bei Paaren, die bislang nicht dazu bewegt werden konnten, Kondome zu benützen, vor dem Sex die Frau zu ihrem Mann sagt: „Du, entschuldige, Schatz, ich muss mal eben das Gel anwenden. Warte doch bitte noch fünf Minuten!“
In Gesellschaften, die teilweise noch immer glauben, dass Sex mit einer Jungfrau von einer HIV-Ansteckung heilt? Ich weiß nicht.
Ich verstehe, wenn man Affen mit einem Gel vor einer Infektion schützen will. Aber Menschen kann man beibringen, wie man einen Gummi überzieht. Vermutlich mit einem Bruchteil des Aufwandes.
Ach ja: Merck & Co. und Bristol-Myers Squibb wollen diese antiviralen Wirkstoffe für eine flächendeckende Nutzung weiterentwickeln. Wir sprechen uns einfach in fünf Jahren noch einmal.