Zank in der Partei, Bundesparteitag gescheitert und nun auch noch neue Anläufe zum Verbotsverfahren. Es sieht nicht gut aus für die NPD.
Eine Analyse von Patrick Gensing
Es handelt sich um einen Frontalangriff. Mitten in Hamburg bietet die NPD am Freitag alles auf, was bei ihr Rang und Namen hat: NPD-Parteichef Udo Voigt, Generalsekretär Peter Marx sowie zahlreiche Funktionäre aus ganz Norddeutschland und Berlin werden reden. Die Rechtsextremen beabsichtigen außerdem unter dem Motto „Hände weg von der NPD!“ Demonstrationen gegen den beginnenden Bundesparteitag der SPD, auf dem die Sozialdemokraten erneut ein Verfahren anschieben wollen, um die rechte Partei zu verbieten.
Eigentlich hatten die Rechtsextremisten selbst an diesem Wochenende ihren Bundesparteitag geplant. Einzig: Alle Vermieter verweigerten einen geeigneten Saal. Da halfen auch Klagen vor Gerichten nicht. Der Parteitag musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Im vergangenen Jahr war das noch ganz anders. Mitten in Berlin hatten sich da hunderte Rechtsextremisten versammelt. Die Öffentlichkeit staunte über disziplinierte Nazis in ordentlichen Hemden und blonde Hostessen, die Pressevertreter freundlich – aber bestimmt – auf die zahlreichen Verbote hinwiesen. Um das diesjährige Desaster um den Austragungsort zu kaschieren, mobilisieren die Rechten nun groß für Hamburg und das Stören der SPD. Doch nicht nur deswegen. Sie haben tatsächlich Angst vor einem neuen Verbotsverfahren. Und das zu Recht.
Neonazis vergrößern ihre Macht
Denn in den vergangenen Monaten bauten radikale Neonazis in und im Umfeld der NPD ihre Macht aus. In den meisten Bundesländern geht nichts mehr ohne die sogenannten „Freien Nationalisten“ – Neonazis, die nicht in der Partei organisiert sind oder jüngst erst eintraten. Sowohl im Wahlkampf, als auch bei Aufmärschen – die NPD ist auf diese ultra-radikalen Kräfte angewiesen.
Das bringt Probleme mit sich. Die NPD bemüht sich nach außen um ein bürgerliches Image, um Wähler aus der Mittelschicht zu gewinnen. Vielen Neonazis passt das nicht. Sie bezeichnen sich als „Autonome Nationalisten“ und kopieren den Kleidungsstil und die Aktionsformen der linken Szene. Bei potenziellen NPD-Wählern aus dem kleinbürgerlichen Milieu gelten die „Autonomen“ als „Bürgerschreck“. Ihre Parolen wie „Europa – Jugend – Revolution“ oder „Fuck Authority!“ sowie „Schwarze Blöcke“ auf Demonstrationen kommen bei bürgerlichen Rechtsradikalen überhaupt nicht gut an.
Unterstützung für „Autonome Nationalisten“ unterschätzt
Im Juli bestimmten die „Autonomen Nationalisten“ bei einem Nazi-Aufmarsch in Frankfurt/Main erstmals das Geschehen. Sie hielten sich nicht an die Vorgaben der NPD-Ordner, was laut Augenzeugen sogar zu Handgreiflichkeiten führte. Damit war das Maß für die NPD-Spitze voll. Sie braucht die nachwachsenden Neonazis zwar, um sich als junge Partei präsentieren zu können, doch an die Spielregeln müssen sie sich halten, finden die Parteifunktionäre.
Daher veröffentlichte der Parteivorstand eine deutliche Distanzierung von den „Autonomen Nationalisten“. Doch die NPD-Spitzen hatten die Kräfteverhältnisse offenbar vollkommen falsch eingeschätzt. Im Internet füllten sich die Neonazi-Foren mit zahlreichen Beiträgen und Positionspapieren, die Parteispitzen wurden ausführlich und wüst beschimpft. Gleichzeitig äußerten konventionelle Rechtsextremisten ihre Abneigung gegen den Nazi-Nachwuchs im 80er-Jahre-Retro-Look.
Hier zeigte sich anschaulich, was es bedeutet, dass die rechtsextreme Bewegung in Deutschland vielschichtiger geworden ist: Kleinkriege zwischen politischen Strömungen und verschiedenen Subkulturen. Einige Experten sprechen – in Anlehnung an die erbitterten Auseinandersetzungen in der linken Bewegung in den 80er Jahren – bereits von „Realos“ und „Fundis“ bei den Rechten.
Spagat zwischen rechts und ganz rechts
So sitzt die NPD-Parteiführung zwischen den Stühlen: Sie will sämtliche Kräfte in ihrer „Volksfront von rechts“ bündeln. Und das muss sie auch, um in den alten Bundesländern überhaupt eine Chance zu haben. Beispiel Niedersachsen, wo die NPD 1964 gegründet worden war: Derzeit konzentriert sie ihre gesamten Kräfte auf die Landtagswahl im Januar 2008. Und ist dabei auf die „Freien Nationalisten“ angewiesen. Gerade erst hatte der niedersächsische NPD-Spitzenkandidat Andreas Molau, ein ehemaliger Waldorfschullehrer, einen internen Machtkampf mühsam beruhigt. Dieser droht nun nach den Auseinandersetzungen zwischen NPD und „Autonomen Nationalisten“ wieder aufzubrechen.
Daher legte die NPD-Führung um Parteichef Voigt und Generalsekretär Marx eine beeindruckende Rückwärtsrolle hin: Beim pompös aufgezogenen Wahlkampfauftakt der NPD-Niedersachsen in Hannover wollte sie von ihrer Distanzierung zu den „Autonomen Nationalisten“ nichts mehr wissen. Die Medien waren mal wieder schuld. Sie hätten den vermeintlichen Zwist inszeniert, hieß es.
Feindliche Übernahme oder Integration?
Nicht nur in Niedersachsen, auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD im vergangenen Jahr Wahlerfolge erzielte, sind NPD und militante Neonazis so eng miteinander verwoben, dass Beobachter nicht erkennen können, wer eigentlich die Richtung vorgibt. Die Frage sei, ob „die NPD überhaupt noch handlungsfähig ist – oder nur noch von den jungen Nazis getrieben wird“, meint der Rechtsextremismus-Experte Andreas Klärner von der Universität Rostock. Auch Verfassungsschützer und Journalisten beobachten eher eine Übernahme der NPD durch junge Neonazis, als eine Integration, von der die NPD-Spitze redet.
Daher könnte es für die NPD tatsächlich eng werden, sollte es ein erneutes Verbotsverfahren geben. Die jungen Neonazis dokumentieren durch ihr Auftreten und ihre Parolen offen, inwieweit die Partei aggressiv-kämpferisch gegen die Freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestellt sind. Gleichzeitig wächst die Anzahl der Politiker und Experten, die sich wegen der Radikalisierung der NPD für ein erneutes Verbotsverfahren aussprechen. Ob dies allerdings politisch sinnvoll ist, das haben Politik und Öffentlichkeit bislang nicht ausreichend erörtert.