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Gemeinnützige Holocaust-Leugner

 

Seit Jahren beobachtet der Verfassungsschutz den Verein „Collegium Humanum“, einen Knotenpunkt im Netzwerk der Holocaust-Leugner. Doch entgegen aller staatlichen Strategien gegen Rechtsextremismus: Der Verein unterliegt nach Recherchen von tagesschau.de der Gemeinnützigkeit.

Intellektuelle Rechte, NPD-nahe Gruppen, bekannte Holocaust-Leugner – sie alle gehören zu den Gästen und Teilnehmern von Seminaren und Veranstaltungen des Vereins „Collegium Humanum“ in Vlotho (NRW). Das Collegium setzt sich für den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ ein. In einer Stellungnahme der Bundesregierung zu bundesdeutschen Holocaust-Leugnern heißt es: „Für die revisionistische Szene bietet das Collegium Humanum organisatorische und ideologische Unterstützung. Einzelne deutsche Teilnehmer an der ‚Holocaust-Konferenz‘ [in Teheran] sind als Verfasser von Beiträgen in der Publikation des CH aufgefallen.“ Der Verein sei in Nordrhein-Westfalen und in Thüringen aktiv.

Bereits seit Jahren kursiert das Gerücht, diese Kaderschmiede des Rechtsextremismus sei als gemeinnützig anerkannt. Die Bundesregierung weicht bei dieser Frage aus: „Die Vermeidung der steuerrechtlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit von verfassungswidrigen Körperschaften ist Teil der ganzheitlichen Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung extremistischer und terroristischer Organisationen.“ Erst im Dezember hatten sich die Innenminister der Länder darauf geeinigt, verfassungsfeindlichen Vereinen aus dem NPD-Umfeld die steuerlichen Vorteile durch Gemeinnützigkeit zu verwehren. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble stellte in der vergangenen Woche klar, dass er dies für nicht sehr aussichtsreich halte – obwohl dies laut Bundesregierung auch die eigene Strategie ist. Doch Schäuble unterstrich, er könne sich nicht vorstellen, dass ein verfassungsfeindlicher Verein als gemeinnützig anerkannt sei.

Die Bundesregierung zu dem Verein: Leiterin des Collegium Humanum ist nach Angaben der Bundesregierung Ursula Haverbeck-Wetzel. In einer Antwort der Regierung heißt es zum „Collegium Humanum“: „Der Bundesregierung sind Seminare, Schulungen, Vorträge und Mitgliederversammlungen im CH bekannt. Referenten waren insbesondere Horst Mahler und Ursula Haverbeck-Wetzel. […] Rechtskräftig verurteilt wurden Horst Mahler, Ursula Haverbeck-Wetzel und Meinolf Schönborn. Gegen Mahler, Haverbeck-Wetzel und Bernhard Schaub sind weitere Strafverfahren anhängig.“ Quelle: Drucksache 16/4919 vom 30. März 2007 Spenden für Holocaust-Leugner steuerlich absetzbarDoch genau dies ist nach Recherchen von tagesschau.de der Fall. In einem der Redaktion vorliegenden Brief bestätigte der Verein „Collegium Humanum“ auf die Frage, ob Spenden steuerlich abgesetzt werden könnten, dafür könnten Spendenbescheinigungen ausgestellt werden.

Das sorgt für Empörung im Bundestag. Der SPD-Innenexperte Niels Annen sagte gegenüber tagesschau.de, die zuständigen Minister müssten sofort tätig werden. „Es kann ja nicht angehen, dass Rechtsextremisten und Neonazis nicht nur durch die Parteienfinanzierung, sondern auch noch durch gemeinnützige Vereine gefördert werden.“ Zu den Äußerungen von Innenminister Schäuble sagte Annen, dessen Vorstellungsvermögen, was die Findigkeit von Neonazis angehe, sei „nicht besonders ausgeprägt“. Die politische Sensibilität beim Kampf gegen Rechtsextremismus lasse aus seiner Sicht sehr zu wünschen übrig.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, betonte, das „Collegium Humanum“ sei „seit Jahren das Zentrum der Holocaustleugner in Deutschland“. Es sei ein Skandal, wenn diese Aktivitäten noch durch Gemeinnützigkeit staatlich subventioniert würden. „Die Bundesregierung und die Landesregierung von NRW werden öffentlich erklären müssen, warum sie bislang nicht in der Lage waren, die staatliche Förderung dieser ganz offensichtlich verfassungswidrigen Institution zu beenden“, so Jelpke.

NRW nicht zuständig?

Monika Düker, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion NRW von Bündnis 90/ Die Grünen, meinte, diese Sache sei besonders ärgerlich, da der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf in der Frühjahrskonferenz der Innenminister die Transparenz über Finanzquellen rechtsextremer Organisationen „vollmundig“ angemahnt hatte. „Ich fordere Innenminister Wolf auf, endlich dafür zu sorgen, dass die Finanzierung von Holocaustleugnern aus Steuermitteln ein Ende hat.“ Doch das Innenministerium weist ausdrücklich darauf hin, dass es nicht zuständig ist. Für Fragen der Gemeinnützigkeit sei das Finanzministerium verantwortlich, so ein Sprecher gegenüber tagesschau.de. Und auch in Sachen Vereinsverbot sei man nicht zuständig. Die Tätigkeit des Collegium Humanum sei nicht auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt; daher sei für ein Verbot ausschließlich der Bundesminister des Innern zuständig, erklärte Innenminister Wolf auf eine Anfrage des Vlothoer CDU-Politikers Wolfgang Aßbrock. Damit können die Spenden – steuerlich absetzbar – weiter an die Holocaust-Leugner fließen.