Die Innen- und Finanzminister der Bundesländer haben im Dezember 2007 angekündigt, die Förderung von rechtsextremen Vereinen und Stiftungen überprüfen und gegebenfalls beenden zu wollen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kommentierte dieses Vorhaben mit den Worten, er könne sich nicht vorstellen, dass es überhaupt rechtsextreme Vereine gebe, die als gemeinnützig anerkannt sind. Nun, wie sich durch Recherchen gezeigt hat, ist ausgerechnet ein Verein, der als Knotenpunkt im Netzwerk der deutschen Holocaust-Leugner gilt, als gemeinnützig anerkannt und darf Spendenquittungen ausstellen sowie die Körperschaftssteuer Körperschaftssteuer sein lassen. Das „Collegium Humanum“ in Vlotho.
„Brauner Peter“ wird hin- und hergeschoben
Die politische Verantwortung für diese Peinlichkeit will natürlich niemand übernehmen. Das Innenministerium in NRW weist darauf hin, dass die Kollegen aus dem Finanzministerium für die Gemeinnützigkeit von Vereinen zuständig sei. Formal korrekt, doch sollten doch aus dem Innenministerium die entsprechenden Informationen an andere Fachressorts fließen, wenn es um extremistische Aktivitäten geht. Das Finanzministerium will sich ieber so gut wie gar nicht zu der Sache äußern, beruft sich auf das Steuergeheimnis. Außerdem scheint in NRW die Meinung vorzuherrschen, das Collegium Humanum habe zwar schon seinen Hauptsitz in Vlotho, was eben in NRW liegt, doch die Holocaust-Leugner sind doch auch in Thüringen aktiv. Und in so einem Fall sei das Bundesinnenministerium zuständig.
Innenministerium prüft Verbot
Beim Bundesinnenministerium möchte man sich aber auch nicht zum Thema äußern – aus Rücksichtsnahme auf mögliche laufende Verbotsverfahren, heißt es auf Anfrage. Deutlicher wird hingegen der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy. Er sagte gegenüber dem Campus Radio Bielefeld, das Bundesinnenministerium prüfe zurzeit ein Verbot des CH. Er habe „vor wenigen Tagen mit der Leitung des Innenministeriums in Berlin gesprochen“, so Edathy, „sie prüfen das“. Auch der Verfassungsschutz sammele noch einmal aktuelle Unterlagen. „Ich gehe davon aus, das nach dem Vereinsrecht ein Verbot ausgesprochen werden kann“, so der SPD-Politiker weiter.
Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck
Das CH, gegründet im Jahr 1963, genießt bereits seit Jahren den Status der Gemeinnützigkeit, möglicherweise seit Jahrzehnten. Für die Jahre 1999 bis 2001 und für 2002 bis 2004 liegen zwei Freistellungsbescheide des zuständigen Finanzamtes vor. Die Formulierungen darin lassen dem interessierten Leser die Kinnlade auf den Schreibtisch herunterrauschen. So heißt es:
Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen
Die Körperschaft fördert folgende allgemein als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke:
– Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung sowie der Studentenhilfe.
Für Spenden und Mitgliedsbeiträge ist die Körperschaft demnach berechtigt, Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen.
Dieser amtliche Bescheid ist an Ursula Haverbeck adressiert, abgeschickt vom Finanzamt Herford. Das Collegium Humanum sowie die Familie Haverbeck sind für jeden, der es wissen möchte, bereits seit Jahren für ihre Aktivitäten bekannt. Im Verfassungsschutzbericht für NRW aus dem Jahr 2003 heißt es beispielsweise:
Das ‚Collegium Humanum‘ (CH) mit Sitz in Vlotho wurde 1963 von dem 1999 verstorbenen Werner Georg Haverbeck gegründet. […] Das CH unterhält in Vlotho eine Bildungsstätte, die seit Jahrzehnten auch von Rechtsextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung genutzt wird. Neben wiederholten Treffen bekannter Neonazis aus dem ostwestfälischen Raum veranstaltete 2003 unter anderem der nationalrevolutionär ausgerichtete Intellektuellenzirkel ‚Deutsches Kolleg‘ (DK) mit Horst Mahler als Referent diverse mehrtägige Seminare in Vlotho. Seit dem Tod von Werner Georg Haverbeck tritt seine Witwe Ursula Haverbeck-Wetzel zunehmend als Teilnehmerin und Referentin auf Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen im gesamten Bundesgebiet in Erscheinung. […] Daneben sind insbesondere verstärkte Kontakte von Haverbeck-Wetzel mit [Horst] Mahler beziehungsweise eine ideologische Annäherung Haverbeck-Wetzels an die Positionen des DK auffällig. Haverbeck-Wetzel und Mahler traten bei zahlreichen Veranstaltungen diverser rechtsextremistischer beziehungsweise einschlägiger Organisationen im gesamten Bundesgebiet gemeinsam auf.
Im Bericht für das Jahr 2004 heißt es:
So traten Haverbeck-Wetzel und Mahler anlässlich des Gedenkmarsches von Rudolf Heß am 21. August 2004 in Wunsiedel/Bayern als Redner auf […]. Aufgrund der Beiträge in den Heften Nr. 5 und Nr. 6/2003 der ‚Stimme des Gewissens‘ wurde Ursula Haverbeck-Wetzel vom Amtsgericht Bad Oeynhausen am 18. Juni 2004 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.400 • und der Schriftleiter zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 • verurteilt. Beide haben Rechtsmittel eingelegt. Haverbeck-Wetzel behauptet im Rahmen einer „Danksagung“ an „Liebe Leser, Freunde, Förderer unserer Arbeit […]
Ungeachtet oben genannter Verurteilungen finden in der Tagungsstätte des Vereins weiterhin Treffen mit bekannten Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet statt. Auch die Zeitschrift ‚Stimme des Gewissens‘ enthält weiterhin revisionistische Beiträge.
Nazi-Schulungen – staatlich subventioniert
Und über die Aktivitäten beim CH schrieb das Antifaschistische Infoblatt, Ausgabe 70:
So waren bei einem Balladenabend im März 2001, zu dem etwa 150 Besucher ins Collegium Humanum gekommen waren, die Rechtsrockmusiker Sleipnir aus Gütersloh und Nemesis aus Schottland zu hören. Etliche zeigten Hitlergrüße und Leiter der Veranstaltung war ein Angehöriger der kurz zuvor in der Bundesrepublik verbotenen Blood & Honour Bewegung. Auch die ostwestfälischen freien Kameradschaften nutzten das Haus nach einem Bericht der Broschüre »Stop Lifestyle of Hate« im April 2001 zu einem Seminar, mit dem die Bielefelder Kameradschaft unter Bernd Stehmann die Ausbildung von »Unterführern« bezweckte.
Konkret bedeutet dies, dass demnach die Nazi-Infrastruktur in dieser Region – durch staatliche Gelder subventioniert – mitaufgebaut wurde. Auch mit der NPD gibt es eine Zusammenarbeit. So war für den 19. Januar 2008 eine Veranstaltung mit Dr. Olaf Rose im CH angekündigt. Rose ist in der NPD-Fraktion in Sachsen tätig.
CH bestätigt Status
Schon vor vielen Jahren hatten Journalisten über das Collegium Humanum und die mutmaßliche Anerkennung als gemeinnützig berichtet. In einer vorliegenden Email vom Dezember 2007 schrieb ein Mitarbeiter des CH, dass der Verein weiterhin Spendenbescheinigungen ausstellen könnte. Haverbeck-Wetzel bestätigte zudem gegenüber der Rheinischen Post, dass der Verein noch immer als gemeinnützig eingestuft sei. Die Frage bleibt, warum die Freistellung des CH nicht aus Düsseldorf oder Berlin gestoppt wurde. Doch wie schon beim jüngsten V-Mann-Skandal in NRW bleibt zu befürchten, dass es keine wirkliche Aufarbeitung geben wird.
CH kann sich auf Verbot vorbereiten
Das CH kann in der Zwischenzeit in aller Ruhe das Vereinsvermögen auf andere Träger verteilen, so dass ein mögliches Verbot zumindest finanziell nicht schmerzlich sein wird. „Wenn man das Collegium Humanum verbieten würde, hätte man nur eine leere Hülle verboten“, meinte Gerd Alt vom Verein „Argumente und Kultur gegen Rechts“ gegenüber dem Vlothoer Anzeiger. In Form eines „Auffangvereins“ sei längst vorgesorgt worden. Denn laut Alt spielten derzeit vier Vereine im „Collegium Humanum“ eine Rolle: der als gemeinnützig eingestufte Trägerverein, ein Gedächtnisstättenverein, der „Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ sowie die Bauernhilfe, an die das Vermögen des Collegiums für den Fall eines Verbots überschrieben würde.
Bernhard Wagner vom Vlothoer Bündnisses gegen das „Collegium Humanum“ stellt denn auch eine naheliegende Frage: „Was ist ein Verfassungsschutz wert, der nicht verhindert, dass die eigene Landesregierung zur Förderung der Holocaust-Leugner beiträgt?“