Wir berichten ja an dieser Stelle regelmäßig von den Schulbesuchen, die wir vom Störungsmelder zusammen mit Gesicht zeigen! durchführen. Diesmal ging die Reise nach Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt ins kleine Städtchen Gummersbach im Bergischen Land. Die Gegend ist durchaus nicht unbefleckt in punkto Neonazi-Aktivitäten. Die OBW (Oberbergische Wacht) sitzt da, die Fascho-Internet-Postille Nationales Infoblatt kommt direkt aus Gummersbach.
Das war aber nicht der Grund, warum wir an die Jakob-Moreno-Schule für Lernbehinderte gingen, denn diese Schule hat kein ausgewiesenes Naziproblem. Einige Schüler haben gewiss ihre Erfahrungen mit Rechten gemacht, denn die meisten von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Es war allerdings vielmehr ein Schulprojekt zum Thema „Zivilcourage“, das wir durch unseren Besuch mitgestalten wollten.
Physische wie psychische Gewalt sind an der Schule durchaus ein Thema. Auf dem Pausenhof gilt weitestgehend das Recht des Stärkeren, zudem ist es an einem Ort, an dem so viele Nationalitäten versammelt sind, fast normal, dass aufgrund der Herkunft Konflikte entstehen. Die Eltern einiger Schüler standen sich vor gar nicht all zu langer Zeit noch in Kriegen gegenüber, und auch so mancher Schüler erlebte beispielsweise das Grauen im Kosovo am eigenen Leib. Nahezu jeder, der an der Jakob-Moreno-Schule ist, hat seine eigene bewegende Geschichte. So richtig super lief es in keinem der Leben, und wenn man dann aufgrund medizinischer, psychischer oder familiärer/sozialer Ursachen an einer Schule für Lernbehinderte landet, bedeutet das für die Zukunft auch nicht zwingend, dass man später mal zu den absoluten Gewinnertypen gehört. Eher das Gegenteil ist der Fall, die meisten Abgänger müssen froh sein, wenn sie eine Lehrstelle ergattern.
Die generelle Situation ist also alles andere als rosig und doch atmet diese Schule einen guten Geist. Die Lehrer sind so, wie ich mir das zum meinen Schulzeiten immer gewünscht hatte, nämlich lässig und engagiert zugleich. Die Schüler sind, von den unvermeidlichen chronischen Problemfällen abgesehen, aufgeweckt und freundlich. Die Problemfälle sind es dann auch, die den anderen mitunter das Leben schwer machen. Das „Abziehen“ ist beispielsweise eine verbreitete Praxis, nach dem Motto „Her mit dem Handy, sonst knallt’s! Und wenn du petzt, knallt’s noch mal richtig!“. Im Schulprojekt „Zivilcourage“ wurde deswegen auch ein Fokus darauf gelegt, wie man sich in solchen Situationen am besten verhält.
Im Rahmen eines Forumtheaterspiels wurde eine Szene dargestellt, in der zwei Schüler einem dritten die Essensmarken wegnehmen wollten.
Es kommt in der schulischen Realität durchaus vor, dass ältere, stärkere Schüler die Schwächeren um ihre Essensmarken erleichtern, weil sie selbst keine mehr haben oder sich keine leisten können. Drei Ansätze wurden dann aufgezeigt. Der erste bestand im Widerstand. Der bedrohte Schüler ging einfach nicht auf die Aggressoren ein und weigerte sich, die Marken rauszurücken. Schnell waren alle sich einig, dass das auch mal ins Auge gehen kann. Deswegen wurden Lösungsvorschlag 2 (drei andere Schüler, die die Szene beobachtet haben, schreiten ein und ziehen das Opfer weg) und 3 (andere Schüler holen eine Lehrerin zu Hilfe) als bessere Möglichkeiten ausgemacht. Darum ging es: einschreiten, Zivilcourage zeigen.
Die das Projekt betreuenden Lehrkräfte meinten, dass sich seit dieser kleinen Theateraufführung und den Unterrichtsstunden, die zu ihrer Erarbeitung geführt haben, das Klima in der Klasse deutlich verbesserte. Die Schüler wurden sensibilisiert im Hinblick auf den Respekt vor Schwächeren, die Übergriffe an der Schule nahmen deutlich ab.
Mich hat dieser Tag sehr bewegt, weil er einmal mehr gezeigt hat, was mit Zuhören, Respekt und Toleranz erreicht werden kann.
Insofern machen wir beim Störungsmelder damit weiter, gegen jene Leute etwas zu unternehmen, die es mit Toleranz nicht so haben.