Letzte Woche hatte ich im Rahmen eines Jugendaustausches einer Hamburger Gruppe mit einer Gruppe aus Hamburgs Partnerstadt Léon, Nicaragua, ein Seminar zum Thema NS-Zeit organisiert. Neben einem ausführlichen Input zum Nationalsozialismus, einer Einheit zum Thema Verfolgung und einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, stand auch ein Zeitzeugengespräch auf dem Programm.
Esther Bejarano, eine jüdische Überlebende des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, erzählte ihre Geschichte…
Esther Bejarano berichtet, wie in der Pogromnacht am 9. November vor 60 Jahren ihr Vater von einem deutschen Mob geschlagen, verprügelt und gedemütigt wird. Als 17jährige wird sie nach Auschwitz verschleppt, eingepfercht in einen Viehwaggon, in dem schon bei dem Transport Dutzende von Menschen sterben. Sie schildert, wie sie als Akkordeonspielerin eines Mädchenorchesters Auschwitz überlebt und sie auf Befehl der SS für die täglich eintreffenden Züge voll jüdischer Menschen aus ganz Europa spielen müssen – in dem Wissen, dass die Menschen direkt in den Gaskammern ermordet werden. Sie berichtet von ihrem Überleben im KZ Ravensbrück, vom Todesmarsch und schließlich, wie sie am Tag der Befreiung, dem 8.Mai 1945, zusammen mit amerikanischen und russischen Soldaten das Ende des Nazi-Terrors feiert.
Aber Esther berichtet auch, wie sie nach ihrer Rückkehr aus Israel 1960 in der Bundesrepublik Deutschland auf eine Mauer des Schweigens bezüglich der NS-Verbrechen stößt. Und wie sie in den 70ern aus Empörung über einen „Info“stand der NPD, der von Polizisten gegen antifaschistischen Protest geschützt wird, aktiv gegen Rechts wird. Sie engagiert sich seitdem in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und im Auschwitzkomitee.
Sie beginnt, in Schulen und auf Veranstaltungen ihre Geschichte zu erzählen, alles mit dem Ziel, gegen das Vergessen und gegen die neuen Nazis aktiv zu werden. Jeder Naziaufmarsch heute ist für sie unerträglich und macht sie wütend – immer wieder sieht man sie auf antifaschistischen Veranstaltungen und Demonstrationen.
Nach drei Stunden intensivem Zuhören, vielen Fragen und Esthers abschließendem Appell, alles zu tun, damit sich so etwas nicht wiederhole, ist der Abend vorbei und alle Anwesenden haben eine Menge Stoff zum Nachdenken mit nach Hause genommen.
Gespräche mit überlebenden Verfolgten des NS-Regimes haben mich in meiner politischen Sozialisation stark geprägt und sind meiner Meinung immer noch ein ganz wichtiges Mittel im Kampf gegen Rechts. Auch wenn ich schon viele Biografien von Überlebenden gelesen habe und zudem das Glück hatte, die Berichte vieler Zeitzeugen auf Veranstaltungen zu hören, so trifft mich die geschilderte, unfassbare Brutalität, zu der Nazis fähig waren (und sind ) immer wieder aufs Neue. Die Begegnungen bestärken mich massiv in meinem antifaschistischen Engagement und ich weiß von sehr vielen, denen es ebenso geht.
Was für Erfahrungen habt Ihr mit Begegnungen und Gesprächen mit überlebenden Verfolgten des Nationalsozialismus gemacht? Welche Zeitzeugen habt Ihr getroffen, welche Geschichten habt ihr gehört? Gab es in Schulen, Unis, Jugendzentren solche Veranstaltungen? Wie war die Reaktion des Publikums? Berichtet doch mal im Störungsmelder von Euren Erfahrungen!