Vor 79 Jahren kam SA-Sturmführer Horst Ludwig Wessel unter bisher ungeklärten Umständen ums Leben. Seinen Tod nutzte die NSDAP zu Propagandazwecken: Plätze, Straßen, ein Krankenhaus, eine Schule und sogar ein Segelschulschiff wurden nach dem Pfarrerssohn benannt. Auch heutzutage wird der Mythos Horst Wessel von Neonazis für ihre Zwecke vereinnahmt. Unter dem Motto „Ermordet durch rote Hand! Am 23. Februar 1930 hörte ein starkes Herz auf zu schlagen“ wird ihm alljährlich gedacht.
Horst Wessel wurde am 9. Oktober 1907 in Bielefeld als Sohn eines evangelischen Pastors geboren. Nach vier Semestern Jurastudium arbeitete Wessel als Hilfsarbeiter und verstärkte seine Arbeit bei der SA, der er 1926 beitrat. Ab 1929 leitete Wessel als SA-Sturmführer den Berliner Trupp „Sturm 5“, der wie „Netz gegen Nazis“ schreibt, für seine Brutalität und seine Gewalttaten berüchtigt war. Weiterhin trat Wessel als Redner bei Parteiveranstaltung der NSDAP auf und wurde daraufhin von Joseph Goebbels für seinen „fabelhaften Idealismus“ gelobt. Horst Wessel träumte von einer nationalen Wiederauferstehung Deutschlands und einer Beseitigung der ungeliebten Republik, die er wie viele auf der politischen Rechten für die Kriegsniederlage und den „Schandfrieden“ von Versailles verantwortlich machte, schreibt Daniel Siemens, wissenschaftlicher Assistent der Universität Bielefeld, in einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung“.
Im selben Jahr wurde in der nationalsozialistischen Zeitung „Der Angriff“ sein Gedicht „Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen!“ veröffentlicht, das später zum „Horst Wessel Lied“ wurde. Die Nationalsozialisten erklärten es zu ihrer offiziellen Parteihymne und mit der Machtergreifung wurde es ab 1933 zur zweiten Nationalhymne erhoben.
Das Tod des jungen SA-Führers Wessel, der – so die nationalsozialistische Version – wegen seines bedingungslosen Eintretens für die völkische Bewegung und damit die nationale Wiedergeburt Deutschlands von Kommunisten feige ermordet worden war, half den Nationalsozialisten ihr gewaltsames Vorgehen in der Endphase der Weimarer Republik zu legitimieren, indem sie die alltägliche Gewalt auf den Straßen als einseitige kommunistische Bedrohung darstellten und sie sich so selbst als Vorkämpfer für Recht und Ordnung in Szene setzen konnten.
Die Hintergründe des Todes sind bis heute ungeklärt. Die Justiz kam damals zu der Auffassung, dass Horst Wessel am 14. Januar 1930 von Albrecht Höhler einem aktivem Mitglied der KPD aufgesucht und schwer verletzt wurde. Obwohl er sofort ins Krankenhaus kam, verstarb Wessel am 23. Februar 1930 im Krankenhaus an einer Blutvergiftung. Nach dem tödlichen Unfall seines Bruders auf einem von Nationalsozialisten organisierten Winterausflugs im Dezember 1929 mied Horst die SA und ihre Treffpunkte. Daniel Siemens spekuliert, dass nicht auszuschließen sei, dass die tödlichen Schüsse einen trafen, der aussteigen wollte. In dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es weiter, dass „Der Angriff“ von einem kommunistischen Mordanschlag auf den „aktivsten Sturmführer“ Berlins sprach und drohte, die „Giftbrut im Karl-Liebknecht-Haus“, der kommunistischen Parteizentrale, „dereinst mit Stumpf und Stiel auszurotten, so wie man Ratten oder Wanzen vertilgt“. Unmittelbar nach Wessels Tod habe Goebbels in seinem Tagebuch über ihn geschrieben: „ein neuer Märtyrer für das Dritte Reich“.
Bereits im März 1930 nannte Goebbels den verstorbenen Pfarrerssohn einen „Christussozialisten“. Seine Mutter wurde in den ersten Jahren nach Wessels Tod zu einem Idealtypus der „deutschen Mutter“ stilisiert, so der Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ weiter. Daneben sei Wessel zu einem modernen „Arbeiter-Soldaten“ verklärt worden. Goebbels schrieb über ihn, dass er „harte Arbeiterhände“ gehabt haben soll.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Berliner Bezirk Friedrichshain in „Horst-Wessel-Stadt“ umbenannt, das Krankenhaus in welchem Wessel verstarb, wurde zum „Horst-Wessel-Krankenhaus“. Der heutige Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin Mitte wurde ebenso nach ihm benannt, wie eine U-Bahn-Station und die Volksbühne. Daneben wurden viele andere deutsche Plätze und Straßen nach Wessel benannt, eine Division der Waffen-SS bekam den Beinamen „Horst Wessel“. Zudem wurden eine Schule, ein Koog auf einer Halbinsel und ein Segelschulschiff mit seinem Namen versehen.
Anlässlich seines 70. Todestages habe die Gruppe „Autonome Totengräber“ angeblich den Schädel Horst Wessels ausgegraben und diesen in die Spree geworfen. Es sei aber nur oberflächlich gegraben worden, so dass unklar bleibt, ob Wessel nun mit oder ohne Kopf im Grab liegt.
Für die heutige Neonazi-Szene stellt Horst Wessel das Ideal eines reinen und idealistischen Nationalsozialisten dar, da dieser schon vor Beginn des NS-Regimes verstarb und er somit nicht in Zusammenhang mit den Verbrechen des Regimes gebracht werden könne. Alle Jahre wieder finden „Horst-Wessel-Gedenkmärsche“ statt, vor allem in Berlin und Brandenburg. Sowohl zu Zeiten des Nationalsozialismus als auch heute ist sein Grab auf dem Berliner Friedhof zentraler Wallfahrtsort. Sein Lied, das „Horst-Wessel-Lied“, wird auch heute noch bei rechtsextremen Veranstaltungen gehört und gesungen, jedoch ist es strafbar, das Lied öffentlich abzuspielen.
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