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Neue Jugendstudie: Nazis haben immer größeren Zulauf

 

Vergangene Woche veröffentlichte das Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) erste Ergebnisse einer Studie zum Thema „Jugendliche in Deutschland als Täter und Opfer von Gewalt“. In den Jahren 2007 und 2008 sind für diese Studie in 61 Landkreisen und kreisfreien Städten fast 45.000 durchschnittlich 15 Jahre alte Schüler befragt worden.

Die Ergebnisse bezüglich rassistischer, antisemitischer und faschistischer Einstellungen unter Jugendlichen sind erschreckend: 40, 4 % der Befragten sind laut Studie als „ausländerfeindlich“ einzustufen (vgl. S. 122), 14, 2 % von ihnen sogar als „sehr ausländerfeindlich“.

Schäuble ist „erschrocken“

Selbst der sonst nicht gerade als besonders sensibel für das extrem rechte Lager geltende Innenminister Schäuble war angesichts der Zahlen „erschrocken“ und sprach sich für stärkere präventive Maßnahmen aus. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass als „eindeutig rechtsextrem“ 5,2 Prozent der Befragten einzustufen sind, d.h. dieser Prozentsatz ist also ideologisch tief in völkischen, nationalsozialistischen Ideen verhaftet. Ebenso viele gaben an, Mitglied einer rechten Gruppierung beziehungsweise einer Kameradschaft zu sein – in manchen Regionen steigt diese Prozentzahl sogar noch auf über 10 an. „Stark antisemitisch“ äußerten sich 4,3 Prozent der Jugendlichen.

Extrem rechte Ideologien sind laut der Studie in Ostdeutschland stärker verbreitet als in Westdeutschland, Nazigruppen haben auf dem Land stärkeren Zulauf als in der Stadt und Jugendliche mit niedrigerem Schulabschluss sind offener für Nazi-Ideologie als Jugendliche aus bildungsnäheren Milieus. Zudem sind männliche Jugendliche weit stärker betroffen als Mädchen. Bittere Erkenntnis ist, dass unterm Strich die Extreme Rechte die größte politische Bewegung unter Jugendlichen darstellt, die Jugendorganisationen der Parteien erreichen bei weitem nicht eine ähnlich große Anhängerschaft.

Nazi-Musik als Bindemittel

Als ein „emotionales Bindemittel erster Kategorie“ wird die Nazi-Musik genannt, die auf Schulhöfen und unter Jugendlichen allgemein kursiert. Die Strategie der Nazis, mit Schulhof-CDs und rechtem Life-Style Jugendliche zu ködern, scheint auf ganzer Linie aufgegangen zu sein.

Auch wenn unmittelbar nach der Veröffentlichung der Studie vereinzelt Kritik an den genannten Mitgliederzahlen in Nazi-Gruppen geäußert wurden (diese seien im Verhältnis zu den Zahlen der Geheimdienste zu hoch gegriffen – die Macher/innen der Studie weisen die Kritik jedoch zurück), wird die zentrale Aussage der Studie von niemandem ernsthaft in Frage gestellt: Massenhaft Jugendliche stehen unter dem immer stärker werdenden Einfluss von Nazi-Strukturen, vertreten antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Positionen und die Tendenz ist steigend.

Angesichts dieser heftigen Umfrageergebnisse unter den Kids von heute, reagieren Politik und Öffentlichkeit ziemlich ratlos. Offensichtlich warten alle auf die in einem zweiten Forschungsbericht angekündigten Vorschläge für präventive Maßnahmen.

Und wieder mal: Was tun?

Doch wo soll man überhaupt anfangen? Neben unterschiedlichsten Ansätzen und vielen Ideen, die ich u. a. hier und hier aufgeführt habe, liegt meines Erachtens ein nicht zu unterschätzender Ansatzpunkt in der jugendpolitischen Ausrichtung der Kommunen: es sollte eine alternative, fortschrittliche und antifaschistische Jugendkultur mit allen Mitteln gefördert werden, da sie ein wichtiges und attraktives Gegengewicht zur rechten Subkultur darstellt und zudem gegen ausgrenzende und menschenfeindliche Ideologien arbeitet.

Überall dort, wo es selbstverwaltete, antifaschistische und alternative Jugendstrukturen und -zentren gibt, tun sich die Nazis schwerer, die Hoheit über die Jugendszene zu erlangen, da es eine attraktive, basisdemokratische Alternative zur Menschenverachtung der Nazis gibt.

Also: Für eine flächendeckende Renaissance selbstverwalteter Jugenzentren!