Wie schon im vergangenen Jahr sollte auch in diesem Jahr ein Treffen aller Studentenverbindungen aus Hamburg stattfinden – daraus wurde jedoch nichts. Sowohl die Hamburger Handwerkskammer, als auch das Hotel InterContinental hatten in den vergangenen Tagen beschlossen, dass der Verbändekommers der „Vereinigung Hamburger Akademikerverbände“ (VHA), ein Treffen aller Studentenverbindungen aus Hamburg, nicht in Ihren Räumen stattfinden darf.
Zuvor hatte das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) offenbar sehr erfolgreich in einem Offenen Brief beide Vermieter aufgefordert die Feierlichkeiten nicht zu dulden, für die Studentenverbindungen seit Wochen werben.
Auf der Seite von „Keine Stimme den Nazis“ ist zum Hintergrund der Absage des Verbindungstreffens weiter nachzulesen:
Die Handwerkskammer erklärte, man sei, unabhängig von dem konkreten Vorfall, grundsätzlich für Veranstaltungen auf Basis der demokratischen Grundordnung offen. „Die Veranstaltung des Verbändekommerses passt nicht in diesen Kontext und findet bei uns nicht statt“, so Sprecherin Ina Diepold. Als die Korporierten ersatzweise in einem Hotel an der Alster feiern wollten, erklärte man auf Nachfrage „das Management des InterContinental Hamburg distanziert sich von jeglichen Veranstaltungen des Verbändekommers der ‚Vereinigung Hamburger Akademiker-Verbände‘ (VHA).“
Das HBgR begrüßt diese grundsätzliche Stellungnahme und die Ausladung der VHA. Insbesondere die schlagenden Korporationen aus dem Hamburger Waffenring (HWR) luden in den vergangenen Jahren zu den Feiern ein. Die im HWR versammelten Korporationen zeichnen sich alle durch einen Exklusivitätsanspruch aus, welcher einem undemokratischem Elitedünkel nicht fern ist. Grundprinzip dieser Korporationen ist die Bildung von Seilschaften, um akademischen Nachwuchs, am allgemeinen Wettbewerb vorbei und unabhängig von tatsächlicher Qualifikation, in Führungspositionen zu lancieren. Von diesen Karrierechancen ist mindestens die Hälfte aller Studierenden ausgeschlossen, denn Frauen dürfen in den Verbindungen des HWR nicht Mitglied werden. Einige weit rechts stehende Korporationen ermöglichen darüber hinaus auch nur „Deutschstämmigen“ die Aufnahme. Studentenverbindungen sind ein Anachronismus, der sowohl an der Universität, wie auch in der Öffentlichkeit zunehmend kritisiert wird. Vor allem die Kontakte einiger Verbindungen, wie der Burschenschaft Germania, der Landsmannschaft Mecklenburgia und des Corps Irminsul zur extremen Rechten bis hin zur NPD, führten nun zu den Ausladungen der VHA.
Gleichzeitig hat sich dieses Jahr gezeigt, dass die Hamburger Studentenverbindungen unbelehrbar sind und ihnen falsch verstandene Solidarität mit Neonazis wichtiger ist, als eine öffentliche Stellungnahme zu braunen Umtrieben in ihren Reihen. Wurde in den Jahren 2006 und 2008 noch die Burschenschaft Germania, auf öffentlichen Druck hin, vom Verbändekommers ausgeladen, so sagte man dieses Jahr lieber den gesamten Kommers ab, als auf Kritik zu reagieren.
Ein Ex-Richter, ein Ex-FAPler und ein Alter Herr in der Handwerkskammer
Die diesjährigen Vorgänge hinter den Kulissen sind ein Paradebeispiel für die enge Zusammenarbeit der Hamburger Korporierten, die Seilschaften ihrer Alten Herren und deren Einflussnahme.
Die VHA wird seit Jahren vom Vorsitzendem Ernst Richert, einem Ex-Richter am Hamburger Landgericht und Alter Herr eines Corps, geleitet. Als Richter war Richert ein eifriger Vorkämpfer für die in Deutschland nach 1945 verbotene Mensur. 1976 erklärte er laut Spiegel, das Säbel-Duell habe nichts Barbarisches: „Auch der eheliche Beischlaf kann grausam sein.“
Trotz diesem eindeutigem Bekenntnis musste Richert letztes Jahr gegenüber der Mopo einräumen, dass ihm die politische Haltung der „Germania“ auch nicht passe („Es stimmt, die sind äußerst rechts und wollen am liebsten die ganzen Ostgebiete wiederhaben“) und sorgte für die Ausladung der völkischen Waffenbrüder vom Kommers im Logenhaus.
Dieses Jahr hingegen setzte sich Richert im Vorfeld des Verbändekommerses mit einem ehemaligem Nazifunktionär an einen Tisch um das gemeinsame Vorgehen zu besprechen. Norbert Weidner ist nicht nur Delegierter in der VHA, dem höchsten Gremium der Hamburger Studentenverbindungen, sondern ehemaliger Funktionär der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Kurz vor dem Verbot verließ Weidner die FAP, distanzierte sich gegenüber den Medien allerdings nie eindeutig von seinen Ex-Kameraden, sondern blieb seiner Gesinnung treu. Auch der Inlandsgeheimdienst bestätigte, dass Weidner glaubhaft mit der FAP gebrochen habe, „ohne dass er jedoch mit seinem Weltbild gebrochen hätte.“ Weidner pflegt bis heute intensiven Kontakt zu Neonazis und NPD-Mitgliedern mit burschenschaftlichem Hintergrund und ist in Hamburg bei der Burschenschaft Germania und der neofaschistischen Pennalen Burschenschaft Chattia ein gern gesehener Gast.
Wohl wegen Weidners Einfluss wurde schon im Vorfeld des diesjährigen Verbändekommerses verabredet, sich von keinen Neonazis in den eigenen Reihen zu distanzieren, obwohl gerade die Corps, die Ex-Richter Riechert vertritt, sich in der Öffentlichkeit gerne als liberal und antiextremistisch präsentieren. Auch dass die Verbändekommerse 30 Jahre lang in der Handwerkskammer stattfinden konnten, ist ein Beispiel für den Einfluss von Alten Herren in Hamburg. In der Verwaltung der Handwerkskammer saß bis zu diesem Frühjahr ein Alter Herr, der allerdings vor wenigen Wochen in den Ruhestand ging und deshalb nun erstmalig wohl nicht eine schützende Hand über seine Kameraden halten konnte.
Die VHA musste dieses Jahr erstmalig eine empfindliche Niederlage einstecken, vor allem, da die Vereinigung nun in der Öffentlichkeit als fellow traveller von Neofaschisten bekannt ist. Aufgegeben hat man jedoch noch lange nicht, der Kommers soll in zwei Monaten nachgeholt werden. Und dann werden die Hamburger Burschen und Alten Herren wieder alle zusammen feiern und trinken, egal ob man nun Anhänger von SPD, CDU oder NPD ist – Hauptsache Korporierter!
Der Bundesverband für freie Kammern (bffk) begrüßte im Übrigen ebenfalls die Absage des Verbändekommers, die jedoch nur aufgrund öffentlichen druckes zustande gekommen sei. Der bffk forderte die Hamburger Handwerkskammer aus diesem Grunde auf, nun zukünftig nachdrücklich und konsequent dafür Sorge zu tragen, dass rechtsradikale oder rechtslastige Organisationen oder Personen nicht ein weiteres Mal die Handwerkskammer anmieten können.
Informationen zur Norbert Weidner findet ihr hier.
Weitere Informationen zu Hamburger Burschenschaften findet ihr hier.
Zum Thema Burschenschaften allgemein:
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