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Wie die NPD den sexuellen Missbrauch missbraucht

 

Nein, das ist keine Satire. Die NPD meint es ernst: „Multikulti-Sex“ sei eine Ursache für Pädophilie. In einem ihrer jüngsten Interneteinträge wettert der Hamburger Landesverband der NPD gegen einen Mann, der wegen sexueller Übergriffe auf Kinder vor Gericht steht. Dass die rechtsextreme Partei sich eines populären Themas bedient, ohne sich irgendwelche Gedanken über die Problematik zu machen, stellt sie dort anschaulich unter Beweis.

Denn ein verantwortungsvoller Umgang mit den Opfern ist den Hamburger Neonazis ebenso fremd wie die differenzierte und fundierte Auseinandersetzung mit Verbrechen, gegen die ohne Frage vorgegangen werden muss. Mit ihrer Kampagne „Todesstrafe für Kinderschänder“ zielen sie jedoch auf das Gegenteil dessen, was in Fachkreisen unbestrittener Ansatz ist. Das beginnt bei der Analyse der Täter: diese sind nämlich selten die bösen kranken Männer, die ihren Opfern im Gebüsch auflauern, sondern meistens Personen aus dem persönlichen Umfeld der Opfer: Onkel, Väter, Erzieher. Der Umgang mit den Tätern ist also auch immer ein Umgang mit einem sehr persönlichen sozialen System, aus dem man nicht einfach jemanden herausreißen und umbringen kann. Der zweite Problemkreis ist die Tabuisierung bzw. mediale Skandalisierung des Phänomens, das es sowohl den Opfern erschwert, sich Unterstützung zu suchen, als auch bei den potentiellen Tätern verhindert, sich frühzeitig in Therapie zu begeben. Auch hier liegt eine populäre Verdrehung der Nazis: es gibt nämlich in den meisten Fällen sehr wohl therapeutische Möglichkeiten für pädophil Veranlagte, sich selbst unter Kontrolle zu bringen. Und schließlich gilt es, die Hilfsangebote für Opfer auszuweiten und die Zugänge dazu möglichst niedrigschwellig anzusetzen.

Doch all das interessiert die NPD nicht. Die Möglichkeit, einem weiteren Thema mit ihrer üblichen Haudrauf-Taktik zu begegnen, scheint wichtiger. Und wie immer sind die linksliberalen Gutmenschen an allem Schuld. Und wie immer geht es um die Rettung der Volksgemeinschaft. Was für einen Blödsinn sie sich dabei zusammenreimen, zeigt folgendes Zitat aus dem oben genannten Interneteintrag der NPD Hamburg:

„Wir sehen die Wurzel des Übels im politischen Liberalismus, der spätestens seit Ende der 60er Jahre bis in höchste Kreise um sich gegriffen, das gesellschaftliche Leben in dieser Republik pervertiert und die einst vorhandene Volksgemeinschaft zersetzt hat. (…) Wir leben heute in einer Gesellschaft, wo schwule Bürgermeister als ebenso normal gelten, wie etwa Multikulti-Sex oder obszöne Beziehungen zwischen alten Knackern und ganz jungen ‚Dingern‘.“

Für Psychoanalytiker gibt dieses Zitat eine Menge her; auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Ursache eines autoritären Charakters in einer verklemmten Sexualität liegt. Eine Frage wird aber auch diese Zunft umtreiben: was ist „Multikulti-Sex“?