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Verfassungsrichter werten „Ausländer raus“ nicht als Volksverhetzung

 

„Ausländer raus“ allein genügt nicht. Um den Straftatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen, müssen „weitere Begleitumstände“ hinzukommen. So entschied das oberste deutsche Gericht. Die Naziszene jubelt, Flüchtlingsinitiativen sind entsetzt.

Drei Mitglieder der rechten Gruppierung „Augsburger Bündnis – Nationale Opposition“ hatten 2002 großformatige Plakate für sogenannte Aktionswochen in der bayerischen Stadt geklebt. „Aktion Ausländer-Rückführung“ war darauf zu lesen. Weiter unten stand: „Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“.

Drei Rechte wurden beim Plakatieren erwischt und wegen Volksverhetzung angeklagt. Das Amtsgericht Augsburg verhängte Geldstrafen. Es sah durch die Plakate die Menschenwürde anderer verletzt, weil Ausländer beschimpft und böswillig verächtlich gemacht würden. Das Landgericht und das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigten das Urteil.

Doch die Neonazis klagten sich von einer Instanz in die nächste bis vor das Bundesverfassungsgericht. Mit Erfolg, wie sich nun zeigte. „Der Fall wird an das Ausgangsgericht zurück verwiesen und muss neu verhandelt werden“, erläuterte eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts das nun verkündete Urteil.

Ein Angriff auf die Menschenwürde sei nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt werde, lautet die Begründung. „Dem entspricht es, dass die Strafgerichte bei der Parole ‚Ausländer raus‘ nur unter Hinzutreten weiterer Begleitumstände von einem Angriff auf die Menschenwürde ausgehen“, so die Richter. Welche „Begleitumstände“ bei den rassistischen Hetzparolen konkret fehlten, um eine Verurteilung zu ermöglichen, ließen sie jedoch offen.

Nazigegner reagierten empört. „Ich bin entsetzt über diesen Beschluss und halte das Plakat weiterhin für volksverhetzend“, sagte Gotthold Streitberger vom Flüchtlingsrat Bayern. „Natürlich setzen wir uns für die Meinungsfreiheit ein, aber bei Volksverhetzung hörte diese auf.“

Die Richter sahen das anders. „Dem Plakat ist nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen, beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden“, heißt es in ihrem Beschluss weiter. Dabei lässt die „Augsburger Bündnis – Nationale Opposition“ auf ihrer Webseite wenig Zweifel daran aufkommen, wie die „Aktionswochen Ausländerrückführung“ gemeint waren.

„Was soll ein Moslem auch an einer gottlosen und verdorbenen neudeutschen Leitkultur – die sich zudem noch an Auschwitz orientiert – für erstrebenswert halten?“, heißt es dort. Mit der „Einstellung jeglicher staatlichen Zuwendungen“ wolle man Menschen mit Migrationshintergrund zur Rückkehr in die Heimatländer ihrer Eltern und Großeltern zwingen.

Zuwanderung nütze nur „dem Großkapital“ und zerstöre die deutsche Kultur, so das Fazit der Gruppe. In rechtsextremen Internetforen frohlockt die Szene schon über die „Niederlage der bundesdeutschen Meinungsmafia“ und hofft, dass jetzt auch ähnliche Urteile aufgehoben werden.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Rechtsextremismusexperte Sebastian Edathy warnt die Neonazis jedoch. „Der Beschluss ist keinesfalls ein Freibrief für rechtsextreme Propaganda“, sagte er dem Störungsmelder. Die Gerichte müssten zukünftig nur darauf achten, auch andere Veröffentlichungen, wie Flugblätter oder Internetseiten, in die Urteilsbegründung miteinzubeziehen.

So sei leicht nachzuweisen, dass Begriffe wie „Ausländerrückführung“ letztendlich rechtswidrige Handlungen meinten. Edathy hofft, dass bei der neuen Verhandlung um die Augsburger Hetzplakate die Richter bei ihrer ursprünglichen Auffassung bleiben und erneut gegen die Angeklagten entscheiden.