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Nach Razzia – Nazi-Kameradschaft löst sich auf

 

Am Freitag hat die Polizei eine Razzia gegen die „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ durchgeführt. Die Organisation hat reagiert und sich aufgelöst. Die Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes vermutet eine Scheinauflösung.

Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen

Der Reichsadler ist schon weg, das schwarz-weiß-rote Wappen mit dem altdeutschen Schriftzug KMOB auch. Auf der Homepage der Kameradschaft Märkisch Oder  Barnim verkünden die Neonazis jetzt nur noch in einem Schreiben an „Treue Kameraden und Kameradinnen“, dass sich die Gruppierung selbst aufgelöst hat. Damit reagiert die 2007 gegründete KMOB offenbar auf die große Razzia der Polizei vom Freitag. Mehr als 130 Beamte hatten in Ostbrandenburg und Berlin 23 Wohnungen, Garagen, Keller und weitere Objekte durchsucht. Dabei wurden 5000 Gegenstände beschlagnahmt, darunter 337 Waffen wie Messer, Säbel, Schlagringe und Teleskopschlagstöcke.

Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes ist skeptisch

Am Sonnabend, so heißt es auf der Website der KMOB, habe man sich „um 19 Uhr für offiziell aufgelöst“ erklärt. Die Begründung klingt allerdings weltfremd: Man habe in den vergangenen drei  Jahren „viele schöne und erlebnisreiche Stunden“ miteinander verbracht, doch habe dies die Bundesregierung „nicht mit Anerkennung, sondern Repression belohnt“. Die Bundesregierung hatte mit der Razzia nichts zu tun, sie war allein Angelegenheit der Brandenburger Polizei und des Innenministeriums.

Die Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, sieht die Erklärung zur Selbstauflösung der KMOB skeptisch. Sie vermute eine „Scheinauflösung“, auch wenn das Ausmaß der Razzia die Neonazis geschockt habe, sagte Schreiber am Montag dem Tagesspiegel. Es sei zu erwarten, „dass man den Namen KMOB aufgibt, aber in ähnlichen Strukturen den Angriff auf die Demokratie fortsetzt“. Offenbar wollten sich die KMOB-Mitglieder mit einem Ablenkungsmanöver dem drohenden Verbot entziehen.

Struktur der „freien Kräfte“

Schreiber hält es für denkbar, dass die 20 bis 25 KMOB-Leute nun als „freie Kräfte“ weiter agieren werden. „Freie Kräfte“ ist eine Bezeichnung, die in der rechten Szene immer häufiger verwandt wird, während das Modell der Kameradschaften an Attraktivität verliert. Viele Neonazis glauben, mit dem eher vagen Begriff „freie Kräfte“ seien ihre Strukturen für den Staat schwerer zu fassen. „Das ist ein Irrtum“, betonte Schreiber. Auch eine Gruppierung freier Kräfte könne nach dem Vereinsrecht verboten werden, wenn eine „organisierte Willensbildung“ zu erkennen sei.

Die KMOB selbst ist ein Beispiel für den Versuch der Neonazi-Szene, dem staatlichen Verfolgungsdruck auszuweichen. Im Jahr 2006 hatte sich die Gruppierung „Märkischer Heimatschutz (MHS)“ aufgelöst, um einem Verbot zu entgehen. Der MHS war wie die KMOB in Ostbrandenburg aktiv, enge Verbindungen gab es auch zu Neonazis in Berlin. 2007 beteiligten sich dann ehemalige Mitglieder des MHS an der Gründung der KMOB. Ihre beiden Anführer waren früher im MHS tätig. Die KMOB trat ähnlich altmodisch neonazistisch auf wie der MHS und orientierte sich auch an der Berliner Kameradschaft „Frontbann 24“, die mit Uniformen und Reichsadler ebenfalls ein altbacken braunes Antlitz bot. Der Frontbann 24 wurde von Berlins Innensenator Ehrhart Körting im November 2009 verboten. „Manche Rechtsextremisten sind so schlicht gestrickt, dass sie von den alten Symbolen nicht loskommen“, sagte Schreiber. Viele jüngere Neonazis tendierten heute jedoch eher zu der Aktionsform der „Autonomen Nationalisten“. Da werden linksextreme Autonome kopiert, bei Demonstrationen präsentiert man sich als schwarzer Block.

Mit einer Serie von Aufmärschen wollte die KMOB in diesem Frühjahr für sich werben. Die „Märkischen Aktionswochen“ waren jedoch ein Fehlschlag, da sich in Bernau, Bad Freienwalde und Strausberg zahlreiche Nazi-Gegner den Rechtsextremisten in den Weg stellten. In der Erklärung zur Selbstauflösung verkündete die KMOB nun, die für den 10. Juli geplante Demonstration in Manschnow (Märkisch Oderland) werde abgemeldet.

Auffällig wurden KMOB-Mitglieder auch mit Straftaten. Die Polizei zählte bislang 16 Delikte, darunter Körperverletzung und Volksverhetzung. Ein Beispiel: Im Juni 2009 beleidigte ein KMOB-Mann in einem Lokal in Höhenland (Märkisch Oderland) einen Gast mit den Worten „du Jude, früher hätten sie dich vergast“. Dann schlug der Neonazi dem Opfer ins Gesicht.