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Modemarke „Thor Steinar“ verliert Prozess gegen Satire-Projekt

 

Der x-beinige „Storch Heinar“ trägt gerne einen Hitlerbart, einen viel zu großen Wehrmachtshelm auf dem Kopf und ärgert damit die in der Naziszene äußerst beliebte Modemarke Thor Steinar. Die sieht darin eine Verunglimpfung ihres Markennamens. Zu Unrecht, wie heute das Landgericht Nürnberg-Fürth feststellte.

Der Richter war der Ansicht, es bestehe keinerlei Verwechslungsgefahr zwischen der Marke und der Persiflage. Kennzeichen und Waren der brandenburgischen Firma würden weder herabgesetzt noch verunglimpft. Zudem sei das Satireprojekt des Rostocker SPD-Abgeordneten Mathias Brodkorb schon allein durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Thor Steinar kann gegen das Urteil Beschwerde einlegen.

Der Streitwert des Zivilverfahrens wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbs- und Markenrecht lag bei 100.000 Euro. Angeklagt war Brodkorb als Miterfinder der Persiflage. Er hatte das Projekt 2008 mit den Jusos Mecklenburg-Vorpommern gestartet. Schon einen Tag nachdem das erste Shirt im Netz stand, versuchte die für Thor Steinar auftretetende Firma Mediatex GmbH plötzlich selbst die Marke „Storch Heinar“ beim Patentamt einzutragen. Die Anwälte von Endstation Rechts legten damals Widerspruch ein und bekamen auch hier Recht. Man wollte Thor Steinar so „vor Selbstverunglimpfung bewahren“, heißt es auf der Storch-Heinar-Webseite.

Dort kommt zu dem heutigen Urteil auch der Storch höchstpersönlich zu Wort. „Mein herzlichster Dank gilt der Mediatex – sie die Kosten, ich die Werbung gratis. Weiter so.“ Nach Angaben der Betreiber muss Thor Steinar jetzt 94 Prozent der Gerichtskosten tragen.

Zu ihrer Anfangszeit gab es Thor Steinar-Kleidung fast ausschließlich bei einschlägigen Naziläden und Versänden zu kaufen. Zweideutige Aufdrucke wie „Ski Heil“ und „Hausbesuche“ mit einem Maschinengewehr darunter, sorgten schnell für Anerkennung in der Naziszene. Als „identitätsstiftendes Erkennungszeichen“ für die rechte Szene, bezeichnete der brandenburgische Verfassungsschutz zuletzt die Marke. Doch inzwischen hat sich die Firma zu einem mittelgroßen Unternehmen mit jährlichen Millionenumsätzen entwickelt. Die rechtsextreme Kundschaft ist geblieben. Es gibt kaum einen Naziaufmarsch, auf dem nicht dutzende „Kameraden“ mit den Runen- und Tarnfarbenmotiven der Marke auftauchen. Regelmäßig gibt es Proteste von Politikern und Bürgerinitiativen, wenn Thor Steinar neue Ladengeschäfte eröffnet. Derzeit ist das Tragen von Thor Steinar im Bundestag, im Landtag Mecklenburg-Vorpommern und zahleichen Fußballstadien verboten.

Schon länger versucht die Modemarke kritische Medienberichterstattung und satirische Proteste gerichtlich zu verhindern. Thor Steinar hat sogar eine eigene Internetseite eingerichtet, auf der erfolgreiche Unterlassungsklagen und Gegendarstellungen aufgelistet werden. Häufig scheitert die Marke aber vor Gericht. Erst im Januar verlor Thor Steinar den Prozess gegen einen Berliner Versand, der T-Shirts mit dem Aufdruck „Thorten Schneidar“ verkauft. Die Gewinne des Verkaufs spenden die Betreiber regelmäßig an Antifagruppen.

Auch der Versuch von Thor Steinar, das von der ZEIT und der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene „Buch gegen Nazis“ vom Markt nehmen zu lassen, war bislang erfolglos. Die Firma hatte einen einzigen Satz im Anhang des 304 Seiten umfassenden Ratgebers bemängelt. Darin geht es um das ursprüngliche Thor-Steinar-Logo dessen Verbreitung und öffentliche Verwendung wegen Ähnlichkeit mit Symbolen von Naziorganisationen zeitweise in mehreren Bundesländern strafrechtlich verfolgt worden war. Die Mediatex wurde dazu verurteilt, 75 Prozent der Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.